Mandantenrundschreiben 03/2020
Für alle Steuerpflichtigen
1 Kein Zeugnisverweigerungsrecht volljähriger Kinder im Kindergeldprozess
2 Kindergeld: Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung
3 Keine Stundung einer Kindergeldrückforderung bei Verletzung der Mitwirkungspflichten
4 Ambulante Pflege in Dritthaushalt keine haushaltsnahe Dienstleistung
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
6 Pflegebranche: Erhöhung des Mindestlohns
7 Vorab entstandene Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung
9 Jahresabschlussfeier ausschließlich für Führungskräfte – Möglichkeiten der Pauschalbesteuerung
Für Unternehmer und Freiberufler
10 „Corona-Krise“ – Auswirkungen auf den Jahresabschluss zum 31.12.2019?
11 Bewertung von Rückstellungen: Deckelung auf den Wert der Handelsbilanz
12 Forschungszulage: Bescheinigungsverfahren geregelt
13 Versteuerung einer Betriebsveräußerung gegen Zeitrente kann hinausgeschoben werden
14 Bedingungen für eine tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis
15 Angaben zu Konsignationslagern in der Zusammenfassenden Meldung
16 Umsatzsteuerliche Organschaft endet bei endgültiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens
17 Bildung von Rückstellungen für Steuernachforderungen aus einer Außenprüfung
Für Personengesellschaften
18 Erweiterte Grundstückskürzung kann an ganz geringfügigen gewerblichen Einkünften scheitern
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
20 Veräußerungsverluste aus sog. Vollrisikozertifikaten
Für Hauseigentümer
21 Instandsetzung einer vorhandenen und funktionsfähigen Kanalisation sind Werbungskosten
22 Kosten einer Grundstücksveräußerung grundsätzlich keine vorab entstandenen Werbungskosten
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
24 Wertpapierleihe und Wegzugsbesteuerung nach § 17 EStG i.V.m. § 6 AStG
25 Steuerliche Behandlung von Arbeitszeitkonten und vGA
27 Zahlungen des Geschäftsführers auf Grund einer Lohnsteuerhaftung als Werbungskosten abzugsfähig
Corona-Pandemie – Hilfsmaßnahmen und steuerliche Instrumente im Überblick
28 Corona-Krise – Hilfsmaßnahmen im Überblick
29 Übersicht über steuerliche Instrumente
30 Anpassung von Steuervorauszahlungen
31 Stundung von Steuerzahlungen
32 Umsatzsteuer: Besonderheiten in Krisensituationen
33 Verzicht auf Säumniszuschläge und Vollstreckungsmaßnahmen
34 Steuerfreiheit für „Corona-Prämien“
35 Steuerliche Pflichten, Fristverlängerungen
1 Kein Zeugnisverweigerungsrecht volljähriger Kinder im Kindergeldprozess
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 18.9.2019 (Aktenzeichen III R 59/18) klargestellt, dass in dem von einem Elternteil geführten Kindergeldprozess das volljährige Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat und deshalb zur Aussage verpflichtet ist.
Im Streitfall ging es um die Frage, ob im Falle geschiedener Eltern der Vater oder die Mutter das Kindergeld für das gemeinsame Kind beanspruchen konnten. Der Vater hatte beantragt, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, weil das Kind nicht mehr bei der Mutter lebe und er den höheren Unterhaltsbeitrag leiste. Das Finanzgericht wies die Klage des Vaters mit der Begründung ab, das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Es stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Das Gericht verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.
Der Bundesfinanzhof stellt nun aber klar, dass das Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat, weil sich die Mitwirkungspflicht volljähriger Kinder in Kindergeldsachen auch auf das finanzgerichtliche Verfahren erstreckt. Gesetzlich ist geregelt, dass volljährige Kinder in Kindergeldsachen umfassende Mitwirkungspflichten haben. Daher gilt der Grundsatz, dass Angehörige, also auch volljährige Kinder, zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind, ausnahmsweise nicht im Kindergeldprozess. Volljährige Kinder sind dementsprechend im finanzgerichtlichen Verfahren verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich auf alle für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhaltselemente, insbesondere auf die Tatsachen, nach denen sich bestimmt, ob ein Kind noch dem Haushalt eines Elternteils zuzuordnen ist.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis müssen die Kinder also zur Sachverhaltsaufklärung umfassend beitragen.
2 Kindergeld: Umorientierung während einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung
Für ein über 18 Jahre altes Kind kann bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Kindergeld weitergezahlt werden, solange es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat. Der Anspruch auf Kindergeld endet dann grds. mit Abschluss der ersten Berufsausbildung bzw. des Erststudiums. Wenn das Kind anschließend eine weitere Berufsausbildung vornimmt oder ein weiteres Studium aufnimmt, besteht grds. kein Kindergeldanspruch mehr. Hiervon gibt es allerdings eine wichtige Ausnahme, nämlich wenn eine sog. mehraktige einheitliche Erstausbildung gegeben ist. Ist auf Grund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist dabei darauf, ob die weiterführende Ausbildung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der nichtakademischen Ausbildung oder dem Erststudium steht und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt wird. Ein enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die nachfolgende Ausbildung z.B. dieselbe Berufssparte oder denselben fachlichen Bereich betrifft. Ein enger zeitlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Kind die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt oder sich bei mangelndem Ausbildungsplatz zeitnah zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weiterführende Ausbildung bewirbt.
Der Bundesfinanzhof hat nun mit Urteil vom 23.10.2019 (Aktenzeichen III R 14/18) den Anwendungsbereich um eine weitere Konstellation erweitert. Entschieden wurde, dass zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden können, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt (im Streitfall: Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg nach einer Bankausbildung).
Im Streitfall ging es um Kindergeld für den Sohn des Stpfl, der nach dem Abitur eine Ausbildung bei einer Volksbank absolvierte, die im Januar 2015 endete. Die Familienkasse gewährte Kindergeld bis Januar 2015. Nach dem Abschluss seiner Banklehre wurde er von der Volksbank als Vollzeitbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von 39 Stunden in der Woche übernommen. Bereits im April 2014 hatte er an einer Informationsveranstaltung über ein Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt teilgenommen, dort seine E-Mail-Anschrift hinterlassen und in der Folgezeit nachgefragt, wann der Studiengang beginnen werde. Am 9.4.2015 wurde ihm mitgeteilt, dass am 20.4.2015 entschieden werde, ob der Studiengang startreif sei. Der Beginn verzögerte sich dann jedoch auf unbestimmte Zeit.
Der klagende Vater (Stpfl.) leitete am 27.4.2015 eine Information des Immatrikulationsbüros einer Hochschule an seinen Sohn weiter, wonach im Wintersemester 2015/16 der Onlinestudiengang Betriebswirtschaftslehre angeboten werde; in den vorangegangenen Durchgängen hätten sämtliche Bewerber einen Studienplatz erhalten. Er bewarb sich am 10.6.2015 auf diesen Studiengang und nahm das Studium zum 1.9.2015 auf.
Im August 2017 beantragte der Stpfl. unter Hinweis auf das im September 2015 aufgenommene Studium erneut Kindergeld. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.
Der Bundesfinanzhof bestätigt nun aber, dass der Kindergeldanspruch nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück an die Vorinstanz. Vorliegend sei eine mehraktige einheitliche Berufsausbildung gegeben. Im Streitfall liege der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem Betriebswirtschaftsstudium vor. Der zeitliche Zusammenhang werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Sohn erst im April 2015 zum Studium der Betriebswirtschaftslehre entschlossen hatte, nachdem die Bankausbildung im Januar 2015 beendet war. Dabei konnte dahinstehen, ob die Bewerbung zum Wintersemester der erste mögliche Zeitpunkt für die Fortsetzung der Ausbildung war. Er hatte schon im April 2014 an einer Informationsveranstaltung für einen weiteren Ausbildungsabschnitt teilgenommen. Der Umstand, dass letztlich das Studium am Bankkolleg des Genossenschaftsverbandes mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen nicht durchgeführt worden war, ändert nichts daran, dass auf Grund objektiver Beweisanzeichen erkennbar war, dass er die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beenden wollte.
Der erforderliche enge sachliche Zusammenhang liegt ebenfalls zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und dem Betriebswirtschaftsstudium vor. Die Umorientierung des Kindes (Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg) führt nicht zu der Annahme einer mehraktigen Ausbildung. Wird der sachliche Zusammenhang gewahrt, so ist eine Umorientierung unschädlich.
Voraussetzung ist allerdings, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nicht gegenüber einer Berufstätigkeit in den Hintergrund treten dürfen. Das Finanzgericht habe daher im zweiten Rechtsgang insbesondere zu prüfen, ob das Studium eher dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Studium.
Handlungsempfehlung:
Auch in diesem Fall zeigt sich, dass eine sorgfältige Dokumentation des Sachverhalts erforderlich ist. Letztlich ist der Einzelfall unter Würdigung der jeweiligen Gesamtumstände zu sehen.
3 Keine Stundung einer Kindergeldrückforderung bei Verletzung der Mitwirkungspflichten
Das Finanzgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 22.1.2020 (Aktenzeichen 9 K 2688/19 KV, AO) bestätigt, dass eine Kindergeldrückforderung nicht gestundet werden kann, wenn die Rückforderung ursächlich auf die Verletzung der Mitwirkungspflichten des Kindergeldberechtigten zurückzuführen ist. Im Urteilsfall hatte die Tochter der Kindergeldberechtigten eine Ausbildung vorzeitig abgebrochen, was aber der Kindergeldkasse nicht mitgeteilt wurde. Es ergab sich eine hohe Rückforderung des zu Unrecht gewährten Kindergelds. Die Kindergeldberechtigte beantragte nun eine Stundung des Rückforderungsbetrags, was die Kindergeldkasse jedoch ablehnte.
Dies geschah zu Recht, wie das Finanzgericht nun bestätigte. Maßgeblich sei insbesondere:
- Zunächst hatte die Mutter im Rahmen des Stundungsantrags ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht dargelegt. Es wurde nicht vorgetragen und auch nicht nachgewiesen, dass sie sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte oder dass ein unvorhergesehenes Ereignis zu einer momentanen Zahlungsunfähigkeit geführt hatte. Erforderlich ist die Vorlage einer Vermögensübersicht, eines Liquiditätsstatus und ein Nachweis der Einkünfte und Bezüge, denn der Schuldner, der eine Stundung begehrt, muss der Finanzbehörde ein zeitnahes Bild seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verschaffen.
- Auch führt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten dazu, dass eine Stundung abzulehnen war, da die fehlende Zahlungsfähigkeit nicht auf einem Verhalten des Stpfl. selbst beruhen darf. Vorliegend hat aber gerade die Verletzung der Mitwirkungspflicht die Überzahlung des zurückgeforderten Kindergelds verursacht.
Handlungsempfehlung:
Im Rahmen der Gewährung von Kindergeld müssen relevante Änderungen stets unverzüglich (innerhalb eines Monats) der Kindergeldkasse mitgeteilt werden. Der Familienkasse sind mitzuteilen:
Allgemeine Mitteilungspflichten: | Besondere Mitteilungspflichten für volljährige Kinder: |
|
|
4 Ambulante Pflege in Dritthaushalt keine haushaltsnahe Dienstleistung
Kosten für die häusliche Pflege können bei der Einkommensteuer im Rahmen einer Steuerermäßigung mit 20 % der Aufwendungen, höchstens 4 000 € im Jahr (insgesamt für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen) berücksichtigt werden. Dazu gehören neben solchen Pflegeleistungen auch andere haushaltsnahe Dienstleistungen, wie Reinigung, Fensterputzen oder Gartenpflege.
Einschränkend hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg nun mit Urteil vom 11.12.2019 (Aktenzeichen 3 K 3210/19) entschieden, dass für Aufwendungen eines Stpfl. für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren eigenem Haushalt die Steuerermäßigung nicht in Anspruch genommen werden kann, sondern nur für die ambulante Pflege im Haushalt des Stpfl. selbst, sei es seiner eigenen oder derjenigen seiner Angehörigen in seinem Haushalt. Im Urteilsfall machte der Stpfl. Aufwendungen geltend für die Pflege der eigenen Mutter, die aber nicht im Haushalt des Stpfl., sondern in ihrer eigenen Wohnung lebte.
Das Gericht stützt sich auf den Wortlaut der Norm, wonach „haushaltsnahe” Dienstleistungen begünstigt sind, also ein Bezug zum Haushalt des Stpfl. bestehen muss.
Hinweis:
Gegen das Urteil ist nun unter dem Aktenzeichen VI R 2/20 die Revision vor dem Bundesfinanzhof anhängig, so dass die Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt ist.
5 Kosten für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten eines Einfamilienhauses als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig
Das Finanzgericht Münster hatte zu entscheiden, ob Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Gartens als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden können.
Die Stpfl. leidet an einem Post-Polio-Syndrom (PPS). Ihr Schwerbehindertenausweis wies im Streitjahr einen Grad der Behinderung von 70 mit den Merkzeichen G und aG aus. Sie war zusammen mit ihrem Ehemann Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Garten. Das Grundstück hat eine Größe von 1 387 qm. Unmittelbar vor dem Haus befanden sich zunächst Beete, auf denen die Stpfl. Beerensträucher sowie Küchen- und Heilkräuter anbaute. Die Beete waren vom Haus aus fußläufig über eine schmale Zuwegung zu erreichen. Auf der Rückseite des Hauses befand sich eine Terrasse, welche vom Haus aus mit einem Rollstuhl erreicht werden konnte. Im Jahr 2016 ließen die Stpfl. den Weg vor ihrem Haus in eine gepflasterte Fläche von 17,96 qm ausbauen. Die Kosten hierfür wurden als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.
Das Finanzgericht Münster stellt hierzu mit Urteil vom 15.1.2020 (Aktenzeichen 7 K 2740/18 E) fest:
- Festzustellen ist zunächst, dass eine schwerwiegende Behinderung des Stpfl. oder eines Angehörigen grundsätzlich eine tatsächliche Zwangslage begründet, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht. Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung können daher als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein.
- Der Bundesfinanzhof hatte bereits entschieden, dass zum existenznotwendigen Wohnbedarf nicht nur der unmittelbare Wohnbereich, sondern auch das Hausgrundstück gehört, soweit es nicht über das Notwendige und Übliche hinausgeht.
- In der Rechtsprechung der Finanzgerichte wird die Einstufung des Gartens unterschiedlich gesehen.
- Für den Streitfall verneint das Finanzgericht im Ergebnis eine Zwangsläufigkeit der Ausgaben. Zwar geht das Gericht davon aus, dass grundsätzlich auch das Hausgrundstück zum existenznotwendigen Wohnbedarf gehört. Aufwendungen für die behindertengerechte Umgestaltung des Gartens können demnach als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sein. Das gilt nach Ansicht des erkennenden Senats allerdings nur für solche Aufwendungen, die getätigt werden, um dem behinderten Stpfl. den Zugang zum Garten und damit die Nutzung des Gartens dem Grunde nach zu ermöglichen. Ist dagegen der Zugang zum Garten bereits gewährleistet, so sind Baumaßnahmen, die lediglich eine bestimmte Art der Gartennutzung ermöglichen sollen, nicht mehr als zwangsläufig anzusehen.
- Im Streitfall befand sich auf der Rückseite des Hauses eine Terrasse, die vom Haus aus mit einem Rollstuhl zu erreichen war. Die Stpfl. konnte den Garten demnach bereits vor Durchführung der streitbefangenen Baumaßnahme nutzen. Die Verbreiterung des Weges auf der Hausvorderseite erfolgte ausschließlich zu dem Zweck, der Stpfl. den Anbau von Pflanzen auf Hochbeeten und damit eine Freizeitaktivität zu ermöglichen. Der existenznotwendige Wohnbedarf war hier nicht betroffen.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass auch Aufwendungen zur behindertengerechten Gestaltung des Gartens steuerlich absetzbar sind. Allerdings ist für den Einzelfall nachzuweisen, dass die Aufwendungen notwendig sind, um den Garten nutzen zu können. Insoweit ist eine sorgfältige Dokumentation angezeigt.
6 Pflegebranche: Erhöhung des Mindestlohns
Am 28.1.2020 hat sich die Pflegekommission auf höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege geeinigt: Ab 1.7.2020 sollen die Mindestlöhne für in der Pflege tätigen Personen im Osten und im Westen in vier Schritten auf einheitlich 12,55 € pro Stunde steigen. Die Angleichung der regional unterschiedlichen Pflegemindestlöhne wird zum 1.9.2021 endgültig vollzogen. Die Pflegekommission hat darüber hinaus zum ersten Mal auch einen Pflegemindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte und für Pflegefachkräfte festgelegt.
Die geplanten Erhöhungsschritte im Einzelnen:
Für Pflegehilfskräfte:
alle anderen | Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen | |
ab 1.5.2020 | 11,35 € | 10,85 € |
ab 1.7.2020 | 11,60 € | 11,20 € |
ab 1.4.2021 | 11,80 € | 11,50 € |
ab 1.9.2021 | 12,00 € | 12,00 € |
ab 1.4.2022 | 12,55 € | 12,55 € |
Für qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit):
alle anderen | Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen | |
ab 1.4.2021 | 12,50 € | 12,20 € |
ab 1.9.2021 | 12,50 € | 12,50 € |
ab 1.4.2022 | 13,20 € | 13,20 € |
Für Pflegefachkräfte:
alle anderen | Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen | |
ab 1.7.2021 | 15,00 € | 15,00 € |
ab 1.4.2022 | 15,40 € | 15,40 € |
Hinweis:
Dies muss noch durch eine Verordnung umgesetzt werden. Hinzuweisen ist darauf, dass der spezielle Pflegemindestlohn z.B. bei Pflegekräften in Privathaushalten nicht gilt; dort gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn mit aktuell 9,35 € je Stunde.
7 Vorab entstandene Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung
Der Bundesfinanzhof stellt mit Urteil vom 23.10.2019 (Aktenzeichen VI R 1/18) einschränkend fest, dass Aufwendungen für eine Wohnung nur dann als vorab entstandene Werbungskosten einer doppelten Haushaltsführung abziehbar sind, wenn der Stpfl. endgültig den Entschluss gefasst hat, die Wohnung zukünftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen. Ob dies der Fall ist, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Im Urteilsfall hatte die Stpfl. zunächst eine Wohnung am Arbeitsort in X. Nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2010 beantragte die Stpfl. Elternzeit und zog zu ihrem Lebensgefährten (L) nach Y. Die Wohnung in X kündigte die Stpfl. zunächst nicht. Ende des Jahres 2010 zogen die Stpfl. und L zusammen nach Z, wo L eine Stelle antrat. Seit Anfang des Streitjahres 2011 war die Stpfl. in Z als Ärztin an einer Klinik in Teilzeit tätig und beendete ihre Habilitation. In X betreute die Stpfl. im Streitjahr noch ein zu Ende gehendes Forschungsprojekt. Sie hielt sich deshalb an etwa zwei Tagen pro Monat in ihrer dortigen Wohnung auf. Einkünfte aus der Betreuung des Forschungsprojekts erzielte die Stpfl. nicht. Im März 2012 schloss die Stpfl. mit der A-Klinik einen Arbeitsvertrag über eine Vollzeitstelle ab dem 1.4.2012. Im April 2012 kündigte sie ihre Wohnung in X und im Dezember 2012 auch ihr dortiges Arbeitsverhältnis. Im Laufe des Jahres 2013 verlegten die Stpfl. und L ihre gemeinsame Familienwohnung nach A. Die Aufwendungen für die Wohnung in X machte die Stpfl. für das Streitjahr 2011 auch im Einspruchsverfahren erfolglos als Werbungskosten geltend.
Der Bundesfinanzhof verneint für den Streitfall das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung. Denn die Stpfl. hatte im Streitjahr keine regelmäßige Arbeitsstätte (mehr) in X. Die Stpfl. befand sich im Streitjahr in Elternzeit. Während der Elternzeit ruhte ihr Arbeitsverhältnis mit der Klinik in X kraft Gesetzes. Da keine Arbeitsleistungen mehr für die Klinik erbracht werden mussten, war diese nicht (mehr) der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit. Auch begründete die Stpfl. wegen der Betreuung des Forschungsprojekts keine regelmäßige Arbeitsstätte in X, da sie insoweit weder als Arbeitnehmerin tätig war noch das Forschungsprojekt Teil ihrer Habilitation war.
Die Stpfl. kann die Aufwendungen für die Wohnung in X auch nicht als vorab entstandene (vergebliche) Werbungskosten steuermindernd geltend machen. Dies würde voraussetzen, dass die Stpfl. endgültig den Entschluss gefasst hätte, die Wohnung zukünftig im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung zu nutzen. Dies konnte im Streitfall nicht nachgewiesen werden. Vielmehr orientierte sich die Stpfl. bereits vor Beginn des Streitjahres in beruflicher Hinsicht um, wodurch jeweils regelmäßige Arbeitsstätten am Ort der gemeinsamen Familienwohnung entstanden waren.
Handlungsempfehlung:
Insoweit sind also strenge Maßstäbe anzulegen. Letztlich entscheidet allerdings der Einzelfall. In der Urteilsbegründung deutet sich an, dass eine andere Beurteilung dann angezeigt sein kann, wenn die Wohnung bislang als doppelte Haushaltsführung anzuerkennen gewesen wäre. Dann müssten allerdings wohl auch konkrete Anzeichen für eine Wiedernutzung der Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sein.
8 Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit den Kindern am Beschäftigungsort leben
Der Bundesfinanzhof stellt mit Urteil vom 1.10.2019 (Aktenzeichen VIII R 29/16) klar, dass für beiderseits berufstätige Ehegatten, die mit ihren Kindern am Beschäftigungsort in einer familiengerechten Wohnung leben, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich in der Regel an den Beschäftigungsort verlagert, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird. Im Einzelfall können Gründe dargelegt werden, dass entgegen der Regelvermutung auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung Gründe für einen Lebensmittelpunkt außerhalb des Beschäftigungsorts sprechen.
Dementsprechend erfordert die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt für die Streitjahre eine tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. In diese Würdigung einzustellende Indizien können neben der genannten Regelvermutung sein, wie oft und wie lange sich der Stpfl. in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen (z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten) bestehen.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen müssen die Umstände für den Verbleib des Mittelpunkts der Lebensinteressen am bisherigen Wohnort also sehr sorgfältig dokumentiert werden. Im Übrigen sind die vom Bundesfinanzhof aufgestellten Grundsätze auch bei einer kinderlosen Doppelverdienerehe anzuwenden.
9 Jahresabschlussfeier ausschließlich für Führungskräfte – Möglichkeiten der Pauschalbesteuerung
Lädt der Arbeitgeber zu einer Betriebsveranstaltung ein, so ist regelmäßig gewünscht, dass die Arbeitnehmer nicht mit Lohnsteuer belastet werden. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, ob steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt und wenn ja, ob dieser vom Arbeitgeber mit 25 % pauschal versteuert werden kann. Die Grundfragen können mittels des folgenden Prüfschemas abgeklärt werden:
(Quelle: ABC des Lohnbüros 2020, Rz. 1394)
Einen in der Praxis häufig vorkommenden Fall hatte aktuell das Finanzgericht Münster zu klären. Streitig war, ob die Stpfl. die Lohnsteuer auf Zuwendungen an angestellte Führungskräfte aus Anlass einer Jahresabschlussfeier mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben durfte. Die Stpfl. betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Industrieunternehmen. Für das Jahr 2015 optierte sie zur generellen Pauschalierung der Sachzuwendungen – insoweit kommt ein Pauschsteuersatz von 30 % auf alle Sachzuwendungen an die Mitarbeiter zur Anwendung. Ende Oktober 2015 fand eine Veranstaltung im betriebseigenen Gästehaus der Stpfl. statt. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um eine Jahresabschlussfeier, zu der nur angestellte Führungskräfte der Stpfl. eingeladen worden waren. Die Jahresabschlussfeier wurde pauschal mit 25 % versteuert, da es sich nach der Auffassung der Stpfl. um eine Betriebsveranstaltung im steuerlichen Sinne handelte. Ein Freibetrag wurde nicht angesetzt. Die Finanzverwaltung ging dagegen im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung davon aus, dass die Veranstaltung nach § 37b EStG, also mit 30 % Pauschalsteuer, zu erfassen sei. Da die Veranstaltung nicht allen Mitarbeitern offen gestanden habe, handele es sich nicht um eine Betriebsveranstaltung im steuerlichen Sinne und daher sei die übliche Lohnsteuerpauschalierung mit 25 % nicht anwendbar.
Das Finanzgericht Münster hat nun mit Urteil vom 20.2.2020 (Aktenzeichen 8 K 32/19 E, P, L) die Ansicht des Finanzamtes bestätigt. Das Gericht stellt Folgendes heraus:
- Die Stpfl. hat den Teilnehmern an der Jahresabschlussfeier steuerbaren Arbeitslohn in Höhe der von ihr getätigten Aufwendungen zugewendet. Bei der Jahresabschlussfeier handelt es sich auch nach der gesetzlichen Definition um eine Betriebsveranstaltung. Allerdings kann der 110 €-Freibetrag nicht abgezogen werden, weil die Jahresabschlussfeier nicht allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offenstand, sondern nur Führungskräften.
- Auch eine Pauschalbesteuerung mit 25 % kommt wegen des eingeschränkten Teilnehmerkreises nicht in Betracht.
- Einzubeziehen in die Zuwendung sind auch die Aufwendungen für die Dekoration des Gästehauses und die Projektleitung durch den Eventveranstalter. Die frühere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach Kosten für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung – z.B. Kosten für die organisatorischen Tätigkeiten eines Eventveranstalters – nicht zu berücksichtigen sind, ist nach Ansicht des Finanzgerichts durch die gesetzliche Neuregelung überholt.
Hinweis:
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, so dass abzuwarten bleibt, ob diese Fragen letztlich vom Bundesfinanzhof zu klären sind. In der Fachliteratur ist die Frage der Behandlung von Kosten für den Rahmen der Veranstaltung umstritten.
10 „Corona-Krise” – Auswirkungen auf den Jahresabschluss zum 31.12.2019?
Aktuell steht bei den meisten Unternehmen die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2019 an. Mittlerweile hat die Ausbreitung des Coronavirus deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Unternehmen sind in unterschiedlichster Weise betroffen, unmittelbar z.B im Gastronomie-, Beherbergungs- oder Veranstaltungsgewerbe und im Einzelhandel sowie bei bestimmten Dienstleistungen, wie z.B. Frisören, oder auch mittelbar dadurch, dass Absatzmärkte nicht mehr in dem gewohnten Maße bedient werden können oder Lieferanten ausfallen. Insoweit stellt sich die Frage, ob dies Auswirkungen auf den Jahresabschluss zum 31.12.2019 hat:
- Wertaufhellung versus Wertbegründung: Bilanzielle Konsequenzen könnten etwa in der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen oder in der Bildung von Rückstellungen liegen. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss sind grds. alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Bilanzstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Unerheblich ist, dass diese erst später bekannt werden. Treten die Ursachen für einen bilanziell relevanten Sachverhalt erst nach dem Abschlussstichtag auf, liegt ein sog. wertbegründendes Ereignis vor, das auf Grund des Stichtagsprinzips erst in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Folgeperiode zu berücksichtigen ist. Bei der Qualifizierung der Auswirkungen des Coronavirus per 31.12.2019 als wertaufhellend oder wertbegründend ist zu berücksichtigen, dass die Ausbreitung einen fortdauernden Prozess und nicht ein zeitpunktbezogenes Ereignis darstellt. Erste Fälle von Infektionen sind zwar bereits Anfang Dezember 2019 bekannt geworden, damals aber noch regional begrenzt. Da erst die sprunghafte Ausweitung der Infektionen zu den aktuellen wirtschaftlichen Auswirkungen geführt hat (wie Schließung von Betrieben und dadurch bedingte Beeinträchtigungen von Liefer- und Absatzprozessen) und diese Ausweitung erst ab dem Januar 2020 aufgetreten ist, ist in der Regel davon auszugehen, dass Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus als weltweite Gefahr wertbegründend einzustufen sind und dementsprechend die bilanziellen Konsequenzen erst in Abschlüssen mit Stichtag nach dem 31.12.2019 zu berücksichtigen sind.
- Berichterstattung im Anhang: Werden die Entwicklungen rund um das Coronavirus als wertbegründend eingestuft, ist im Anhang des handelsrechtlichen Abschlusses zum 31.12.2019 hierüber zu berichten, wenn ein „Vorgang von besonderer Bedeutung” vorliegt. In dieser Nachtragsberichterstattung sind Art und finanzielle Auswirkungen des Vorgangs anzugeben. Ob die Ausbreitung des Coronavirus und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Konsequenzen für das jeweilige Unternehmen von besonderer Bedeutung sind, muss im Einzelfall entschieden werden. Generell ist ein Vorgang von besonderer Bedeutung, wenn seine Auswirkungen geeignet sind, das Bild, das der Abschluss zum Abschlussstichtag vermittelt, zu beeinflussen und ohne die Nachtragsberichterstattung die Entwicklung nach dem Abschlussstichtag von den Abschlussadressaten wesentlich anders beurteilt werden würde. Ohne Zweifel ist eine Berichterstattung erforderlich, wenn die jetzige Wirtschaftsentwicklung für das Unternehmen bestandsgefährdend ist.
- Lagebericht: Muss wie bei der mittelgroßen und großen GmbH oder GmbH & Co. KG ein Lagebericht erstellt werden, so schlagen sich die aktuellen Entwicklungen regelmäßig in den Risikoberichten nieder. Eine Berichtspflicht im Risikobericht besteht grundsätzlich, wenn die möglichen weiteren Entwicklungen zu negativen Abweichungen von Prognosen oder Zielen des Unternehmens führen können, es sich dabei um ein wesentliches Einzelrisiko handelt und andernfalls kein zutreffendes Bild von der Risikolage des Unternehmens vermittelt wird. Dies ist für den Einzelfall zu prüfen.
Handlungsempfehlung:
Im Einzelfall sind die Auswirkungen sorgfältig zu analysieren und die gewonnenen Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung zu dokumentieren. Von besonderer Bedeutung ist aktuell auch die Unterschrift der Geschäftsführer bzw. des Unternehmers unter Angabe des Datums unter dem Jahresabschluss, da dies den Zeitpunkt der Erstellung – und damit den Kenntnisstand – dokumentiert.
11 Bewertung von Rückstellungen: Deckelung auf den Wert der Handelsbilanz
Hinsichtlich Ansatz und Bewertung in der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Bilanzierung (nicht also bei Einnahmen-Überschussrechnung) wird im Grundsatz auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verwiesen. Im Grundsatz sind also die handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsregeln auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebend. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn es ausdrückliche steuerliche Regeln zu Ansatz und/oder Bewertung gibt, die vorrangig zu berücksichtigen sind, so z.B. für die Abschreibung von Wirtschaftsgütern, Bewertung von Pensionsrückstellungen oder das steuerliche Verbot zur Bildung von Rückstellungen für Drohverluste.
Strittig war nun die Bewertung von sonstigen Rückstellungen. Im Grundsatz bestehen insoweit detaillierte Bewertungsvorgaben sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz. Es gilt:
- Handelsbilanz: Rückstellungen sind mit dem voraussichtlichen Erfüllungsbetrag, also den Kosten im Zeitpunkt der Inanspruchnahme und unter Berücksichtigung einer Abzinsung auf den Bilanzstichtag mittels eines laufzeitäquivalenten Marktzinses anzusetzen.
- Steuerbilanz: Rückstellungen sind mit den Wertverhältnissen zum Bilanzstichtag und unter Berücksichtigung einer Abzinsung auf den Bilanzstichtag mittels eines gesetzlich festgelegten Zinssatzes von 5,5 % p.a. anzusetzen.
Im Ergebnis ergibt sich in den meisten Fällen nach diesen Vorgaben in der Steuerbilanz ein geringerer Rückstellungswert als in der Handelsbilanz. Anders ist dies allerdings bei Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen – in diesen Fällen liegt eher atypisch der handelsrechtliche Ansatz vielfach unter den steuerbilanziellen. Handelsrechtlich sind Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen über einen Zeitraum bis zum Ende der Erfüllung abzuzinsen. Demgegenüber ist steuerrechtlich eine Abzinsung nur bis zum Beginn der Erfüllung vorgesehen. So kann wegen des längeren Abzinsungszeitraums bei Sachleistungsrückstellungen handelsrechtlich ein niedrigerer Wertansatz für die Rückstellung anzusetzen sein. Für diesen Fall – im Urteilsfall ging es um die Rekultivierung von Abbaugrundstücken – hat nun der Bundesfinanzhof eine bislang strittige Frage geklärt. Und zwar sieht das Einkommensteuergesetz detaillierte Bewertungsregeln für diesen Fall vor, diese sind aber mit der Formulierung „höchstens insbesondere” eingeleitet. Mit Entscheidung vom 20.11.2019 (Aktenzeichen XI R 46/17) hat der Bundesfinanzhof nun die bislang von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht bestätigt, dass dies so auszulegen ist, dass der Rückstellungsansatz nach oben begrenzt wird durch einen niedrigeren handelsrechtlichen Wert, auch wenn sich nach den steuerlichen Berechnungsvorgaben an sich ein höherer Ansatz ergeben würde. Insoweit sei nur der geringere Wert anzusetzen.
Hinweis:
Gerade bei längeren Erfüllungszeiträumen für die Sachleistungsverpflichtung kann dies dazu führen, dass steuerlich ein deutlich niedrigerer handelsrechtlicher Rückstellungswert anzusetzen ist. In diesen unbefriedigenden Fällen bleibt für die Praxis nur, handelsrechtliche Möglichkeiten zu einem möglichst hohen Ansatz der Rückstellung auszuschöpfen, um die begrenzende Wirkung dieser steuerlichen Regelung zumindest einzugrenzen.
12 Forschungszulage: Bescheinigungsverfahren geregelt
Zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung wurde eine Forschungszulage eingeführt. Mit dieser sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden. In Ergänzung zur bestehenden Projektförderung wird eine Forschungszulage i.H.v. 25 % der Lohnaufwendungen für Forschung gewährt. Begünstigt ist sowohl die eigenbetriebliche Forschung als auch Auftragsforschung (dann betragen die förderfähigen Aufwendungen 60 % des Entgelts). Die Forschungszulage wird auf Antrag gewährt und entsteht mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die förderfähigen Aufwendungen entstanden sind. Gefördert werden erstmals Forschungsprojekte, mit deren Arbeiten nach dem 1.1.2020 begonnen wurde.
Grundlage für die Festsetzung der Forschungszulage ist eine Bescheinigung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bzw. von einer von diesem benannten Bescheinigungsstelle. Dies wurde nun in der sog. Forschungszulagen-Bescheinigungsverordnung festgelegt. In dieser Bescheinigung wird bestätigt, dass es sich um ein förderfähiges Vorhaben handelt. Der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung ist auf dem amtlich vorgeschriebenen Muster zu stellen. Insbesondere enthält der Antrag Angaben zu den Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, für die eine Bescheinigung begehrt wird, was umfasst
- eine aussagekräftige, nachvollziehbare inhaltliche Beschreibung des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens,
- die Angabe, ob es sich um eigenbetriebliche Forschung, Auftragsforschung oder ein Kooperationsvorhaben handelt und
- den zeitlichen, personellen und den finanziellen Umfang des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens.
Handlungsempfehlung:
Diese neu eingeführte Förderung bietet gerade kleinen und mittleren Unternehmen große Chancen. In betroffenen Fällen sollte unter Hinzuziehung steuerlichen Rats ein Antrag auf Erteilung der Bescheinigung gestellt werden und entsprechende Aufzeichnungen für das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben innerbetrieblich eingerichtet werden, die später für den Antrag auf Gewährung der Zulage wichtig sind. Dieser Antrag ist dann nach Ablauf des Jahres zu stellen, in dem die Aufwendungen entstanden sind.
13 Versteuerung einer Betriebsveräußerung gegen Zeitrente kann hinausgeschoben werden
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 5.11.2019 (Aktenzeichen X R 12/17) bestätigt, dass der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung auch dann nicht sofort besteuert werden muss, sondern (wahlweise) erst bei Zufluss steuerlich erfasst wird, wenn eine langfristige Zeitrente vereinbart ist. Gerichtlich geklärt war dies bereits für den Fall einer Leibrente, bei einer Zeitrente war dies aber fraglich. Voraussetzung ist aber, dass die Zeitrente langfristig gewährt wird und Versorgungscharakter hat. Im Urteilsfall betrug die Laufzeit 123 Monate und im Kaufvertrag war festgehalten, dass die Verrentung der Altersversorgung des Stpfl. diente.
Allerdings hat das Gericht insoweit dann auch konsequent entschieden, dass bei Zufluss der Rentenzahlungen neben dem enthaltenen Tilgungsanteil auch der zu versteuernde Zinsanteil als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen ist und nicht etwa als lediglich der Abgeltungsteuer von 25 % unterliegende Kapitaleinkünfte. Anders verhält es sich nur, wenn der Stpfl. sein Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung nicht ausübt und der Veräußerungsgewinn der Sofortversteuerung unterliegt. In diesem Fall wird eine gegenüber dem Erwerber bestehende Forderung zu Privatvermögen und der Zinsanteil führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen.
Handlungsempfehlung:
Die Zuflussbesteuerung kann steuerlich große Vorteile bringen und sollte stets geprüft werden.
14 Bedingungen für eine tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis
Bei Veräußerung einer freiberuflichen Praxis können unter bestimmten Bedingungen bei der Einkommensteuer ganz erhebliche Steuersatzermäßigungen (nur 56 % des ansonsten anzuwendenden Durchschnittssteuersatzes) in Anspruch genommen werden. Voraussetzung ist allerdings insbesondere, dass der Stpfl. das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist.
Nach der langjährigen Rechtsprechung ist für die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Praxis zusätzlich Bedingung, dass der Stpfl. die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen Tätigkeit entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Wann eine „definitive” Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt aber jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, besteht nicht. Dementsprechend sei auch keine „Wartezeit” von mindestens drei Jahren einzuhalten. Dies bestätigt aktuell der Bundesfinanzhof mit Beschluss v. 11.2.2020 (Aktenzeichen VIII B 131/19). Vielmehr führt das Gericht aus, dass je nach den Umständen des Einzelfalls ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein kann.
Weiterhin bestätigt der Bundesfinanzhof, dass es grundsätzlich unschädlich ist, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Dies wird in der Praxis vielfach zur Überleitung von Mandaten gerade aus Sicht des Erwerbers sinnvoll sein.
Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen, wie das Gericht bestätigt. Eine solche geringfügige Tätigkeit liegt regelmäßig vor, wenn die auf sie entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten. Dass der bisherige Freiberufler im Rahmen dieser geringfügigen Tätigkeit auch neue Mandate betreut, schließt entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nach Ansicht des Bundesfinanzhofs das Vorliegen einer begünstigten Praxisveräußerung nicht automatisch aus.
Handlungsempfehlung:
Stets ist der Einzelfall sorgfältig zu prüfen und anzuraten ist eine möglichst exakte Dokumentation des Geschehensablaufs.
15 Angaben zu Konsignationslagern in der Zusammenfassenden Meldung
Mit der Neuregelung zu umsatzsteuerlichen Konsignationslagern bestehen besondere Meldepflichten in der Zusammenfasenden Meldung. Die Finanzverwaltung hat nun mit Schreiben vom 28.1.2020 (Aktenzeichen III C 5 – S 7427-b/19/10001 :002) mitgeteilt, dass die technische Umsetzung noch nicht vollzogen ist. Übergangsweise muss für diese Vorgänge eine Meldung über Beförderungen oder Versendungen im Sinne der Konsignationslagerregelung an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übermittelt werden.
Hinweis:
Die Meldung über ausgeführte Beförderungen oder Versendungen (Konsignationslagerregelung) kann direkt über ein Online-Formular, das auf dem Formularserver der Bundesfinanzverwaltung (https://www.formulare-bfinv.de) bereitgestellt ist, ausgefüllt und übermittelt werden.
16 Umsatzsteuerliche Organschaft endet bei endgültiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Insbesondere bedarf es anders als bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer keines Gewinnabführungsvertrags. Rechtsfolge ist, dass die von der Organschaft umfassten Unternehmensteile als ein umsatzsteuerliches Unternehmen zu behandeln sind. Hieraus ergibt sich zum einen, dass der Organträger die Umsatzsteuer für die Umsätze sämtlicher Unternehmensteile der umsatzsteuerlichen Organschaft schuldet. Des Weiteren sind Umsätze zwischen den einzelnen Unternehmensteilen als bloße Innenumsätze innerhalb eines Unternehmens umsatzsteuerlich unbeachtlich. Die Nichterfassung von Innenumsätzen kann auch materiell bedeutsame Auswirkungen haben, wenn (teilweise) steuerfreie Leistungen erbracht werden.
Die endgültige Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Organträger oder der Organgesellschaft führt zum (automatischen) Wegfall der umsatzsteuerlichen Organschaft, weil die organisatorische Eingliederung entfällt. Das gilt auch für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Die Organschaft endet darüber hinaus auch schon beim vorläufigen Insolvenzverfahren, und zwar dann, wenn entweder ein sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder auch bei Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt.
Hiervon abgrenzend hat nun der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 27.11.2019 (Aktenzeichen XI R 35/17) entschieden, dass das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren nicht die Organschaft beendet, zumindest wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt und zugleich Vollstreckungsschutz angeordnet wird. Dies liegt darin begründet, dass die Eigenverwaltung sich grundsätzlich vom regulären (vorläufigen) Insolvenzverfahren unterscheidet. So steht dem Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren insbesondere weiterhin die Verwaltungs- und Verwertungsbefugnis zu, so dass es nicht zum Wegfall der für die Organschaft notwendigen organisatorischen Eingliederung kommt.
Hinweis:
Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft ist zu beachten, dass deren Rechtsfolgen automatisch eintreten, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und umgekehrt ebenso automatisch wegfallen. Generell gilt bei (drohenden) Insolvenzverfahren, dass sich Auswirkungen in vielfältiger Weise ergeben. In solchen Situationen ist umfassende Beratung erforderlich.
17 Bildung von Rückstellungen für Steuernachforderungen aus einer Außenprüfung
Ergeben sich aus einer steuerlichen Außenprüfung Steuernachforderungen, so sind diese mittels Rückstellung, im Falle der Gewinnermittlung mittels Bilanzierung, zu berücksichtigen. Derartige Rückstellungen haben vielfach steuerlich letztlich keine Bedeutung, da die Steuern regelmäßig die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern dürfen. So besteht insbesondere für die Einkommen-, Körperschaft- sowie Gewerbesteuer ein steuerliches Abzugsverbot. Das Finanzgericht Münster hatte nun aber die Frage zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt Mehrsteuern betreffend Umsatzsteuer in Form von Rückstellungen gewinnmindernd zu berücksichtigen sind. Im Urteilsfall wurden im Rahmen einer Außenprüfung Vorsteuern in den Jahren 2010 und 2011 nicht zum Abzug zugelassen. Strittig war nun allerdings, ob für die Belastung aus der Rückzahlung der nicht anerkannten Vorsteuern bereits in den Jahren 2010 und 2011 steuermindernd zu erfassen waren oder aber erst in dem Jahr, in dem die Außenprüfung die Nichtanerkennung des Vorsteuerabzugs feststellt.
Das Finanzgericht Münster kommt in dem Urteil vom 20.8.2019 (Aktenzeichen 12 K 2903/15 G, F) zu dem Ergebnis, dass eine Rückstellung für Steuernachforderungen – die einerseits auf Grund einer Außenprüfung, denen andererseits aber keine Steuerhinterziehung zu Grunde liegt – nicht bereits im Jahr der wirtschaftlichen Verursachung, sondern erst im Jahr der „Aufdeckung” zu bilden ist. Erst dann ist die Inanspruchnahme des Stpfl. hinreichend wahrscheinlich, was für die Rückstellungsbildung erforderlich ist.
Hinweis:
Nach der Entscheidung des Finanzgerichts kann die nicht abzugsfähige Vorsteuer also erst zeitversetzt als Aufwand geltend gemacht werden, so dass sich die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage erst dann mindert.
18 Erweiterte Grundstückskürzung kann an ganz geringfügigen gewerblichen Einkünften scheitern
Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, aber wegen der Rechtsform – wie GmbH & Co. KG – an sich gewerbesteuerpflichtig sind, können bei der Gewerbesteuer die sog. erweiterte Grundstückskürzung in Anspruch nehmen, welche im Ergebnis dazu führt, dass keine Gewerbesteuer anfällt.
Diese Begünstigung wird aber nur gewährt, wenn der Betrieb ausschließlich eigenen Grundbesitz (oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen) verwaltet und nutzt, die Tätigkeit insoweit also nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht. Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen. Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den im Gesetz genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt grundsätzlich die erweiterte Kürzung aus, auch wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist.
Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster zeigt nun, wie eng diese Vorschrift ausgelegt wird und dass auch ganz geringfügige gewerbliche Tätigkeiten zum Verlust der steuerlichen Begünstigung insgesamt führen können. Im Urteilsfall ging es um ein Grundstücksunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, welches an sich nur eigenen Grundbesitz verwaltete. Allerdings betrieb dieses Unternehmen jeweils an einem Adventswochenende für drei Tage vier Weihnachtsstände auf einem Weihnachtsmarkt. Dieser wurde von einem gemeinnützigen Verein veranstaltet. Den Reinerlös aus der Beteiligung an dem Weihnachtsmarkt ermittelte die Stpfl. im Wege einer vereinfachten Gewinnermittlung und der sich ergebende Saldo wurde jeweils im Folgejahr an den gemeinnützigen Verein gespendet. Hierfür wurden entsprechende Spendenbescheinigungen ausgestellt und die Spenden von der Gesellschaft steuerlich geltend gemacht.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass das Betreiben der vier Weihnachtsmarktstände in den Streitjahren für sich sämtliche Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt habe. Die Teilnahme am Weihnachtsmarkt sei kein zwingend notwendiger Teil einer Grundstücksverwaltung bzw. -nutzung. Auch dass der Gesellschaft letztlich hierdurch auf Grund der Spenden kein Gewinn verblieb, änderte an dieser Sichtweise nichts. Es handele sich um zwei getrennt zu betrachtende Vorgänge: Zunächst habe die Stpfl. einen Gewinn bzw. Reinerlös erwirtschaftet und anschließend diesen an den gemeinnützigen Verein überwiesen, der im Gegenzug eine Spendenbescheinigung ausgestellt habe. Im Hinblick auf die in Anspruch genommene erweiterte Grundstückskürzung führte dies aus Sicht des Prüfers dazu, dass die Voraussetzungen für deren Anwendung nicht mehr vorgelegen hätten, da die Stpfl. nicht „ausschließlich” Grundbesitz verwaltet habe. Damit war die Tätigkeit der Gesellschaft insgesamt der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
Dieses Ergebnis bestätigte das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 21.1.2020 (Aktenzeichen 6 K 1384/18 G, F). Auch eine nur ganz geringfügige gewerbliche Tätigkeit (im Urteilsfall nur über drei Tage im Jahr und mit Einnahmen von unter 1 % der Gesamteinnahmen) sei schädlich im Hinblick auf die erweiterte Grundstückskürzung. Eine Ausnahme vom Gebot der Ausschließlichkeit gelte nur für Nebengeschäfte, die regelmäßig nicht mehr zu den begünstigten Tätigkeiten gehören, aber im Einzelfall zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung und -nutzung sind. Eine unschädliche Nebentätigkeit liegt nach der Rechtsprechung etwa beim Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter vor, z.B. die Sicherstellung der Versorgung der Bewohner mit Kabelfernsehen.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, wie eng die Voraussetzungen für die erweiterte Grundstückskürzung sind. Im Zweifel sollten alle auch noch so geringfügigen Tätigkeiten, die als gewerbliche eingestuft werden könnten, unterlassen oder aber auf eine separate Parallelgesellschaft ausgelagert werden.
19 Wichtige Klarstellung: Schenkung eines Kommanditanteils unter Vorbehaltsnießbrauch kann begünstigt sein
In einem für die Praxis sehr wichtigen Urteil hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass der Eigentümer eines nießbrauchbelasteten Kommanditanteils Mitunternehmer sein kann und daher auch die schenkungsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen nicht ausgeschlossen ist. Dies vor dem Hintergrund, dass die umfangreichen schenkungsteuerlichen Begünstigungen bei der Übertragung von Anteilen an einer Personengesellschaft voraussetzen, dass der Erwerber eine Mitunternehmerstellung einnimmt. Dieser muss also Mitunternehmerrisiko tragen und Mitunternehmerinitiative entfalten können. Der Eintritt einer Mitunternehmerstellung ist in der Praxis bei der Übertragung von Kommanditanteilen unter Vorbehaltsnießbrauch nicht selten fraglich, da Anteile auch an recht junge, zum Teil minderjährige Kinder übertragen werden und sich die Eltern vielfach Erträge aus der Beteiligung oder vor allem auch Stimm- und Verwaltungsrechte mittels eines Nießbrauchs zurückbehalten.
Der Bundesfinanzhof stellt hierzu nun mit Urteil vom 6.11.2019 (Aktenzeichen II R 34/16) fest, dass die Frage, ob der Erwerber eine Mitunternehmerstellung einnimmt, auch in diesen Schenkungsfällen nach den üblichen ertragsteuerlichen Kriterien zu prüfen ist. Im Urteilsfall übertrug der an der A KG zu 50 % als Kommanditist beteiligte Stpfl. seinem damals 17 Jahre alten Sohn (B) einen Teilkommanditanteil, der 4 % seiner Kommanditeinlage entsprach. Bei der Übertragung wurde ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht für den Stpfl. vereinbart. Diesem standen alle Nutzungen und Erträge sowie alle Zahlungen der Gesellschaft an den Gesellschafter zu. Der Stpfl. trug alle Lasten und Aufwendungen. Zudem erhielt er eine lebenslängliche Stimmrechtsvollmacht. Der Sohn verpflichtete sich, zu Lebzeiten des Stpfl. keine Verfügungen über den Gesellschaftsanteil zu treffen. Sollte der Sohn die Stimmrechtsvollmacht widerrufen, könnte der Stpfl. die Schenkung nach seinem Ermessen ganz oder teilweise widerrufen.
Im Einzelnen hat der Bundesfinanzhof es zur Begründung einer Mitunternehmerschaft noch als ausreichend angesehen, wenn die sog. „Stimm- und Verwaltungsrechte” dem Nießbraucher überlassen werden und im Bereich der Grundlagengeschäfte der Gesellschafter der Zustimmung des Nießbrauchers bedarf, da umgekehrt auch der Nießbraucher im Bereich der Grundlagengeschäfte mangels Stimmrechts nicht ohne den Gesellschafter handeln kann. Der Bundesfinanzhof betrachtet jedoch den Kommanditisten mangels Mitunternehmerinitiative nicht mehr als Mitunternehmer, auch wenn dieser die Ausübung der Stimm- und Mitverwaltungsrechte dem Nießbraucher umfassend überlassen hat und dies auch für die Grundlagengeschäfte der Gesellschaft gilt.
Im Urteilsfall hatte sich der Schenker die Stimmrechte an dem übertragenen Anteil vorbehalten. Dies hinderte nach Ansicht des Gerichts aber nicht daran, dass der Erwerber Mitunternehmerinitiative entfalten konnte. Die Stimmrechtsvollmacht erlaubte dem Stpfl. lediglich die Ausübung des Stimmrechts, solange und soweit B damit einverstanden war. Zum einen war die Vollmacht zwar auf Lebenszeit erteilt, aber widerruflich. Zum anderen hindert sie B als Vollmachtgeber nicht, die Stimmrechte weiterhin selbst auszuüben. Die Bevollmächtigung beließ das Recht bei dem bisherigen Rechtsträger und schafft nur zusätzlich eine weitere Befugnis in der Person des Bevollmächtigten. Eine verdrängende Vollmacht, die den Vollmachtgeber von der Rechtsausübung ausschließt, wäre wegen Verstoßes gegen die Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam. Der Kommanditist, der Stimmrechtsvollmacht erteilt, bleibe Träger des Stimmrechts und sei im Verhältnis zur Gesellschaft auch weiterhin zur Ausübung seines Stimmrechts uneingeschränkt in der Lage. B hatte sich auch nicht im Innenverhältnis verpflichtet, sein Stimmrecht nicht auszuüben. Selbst in einem konkreten Konfliktfalle genießt die Stimmrechtsbefugnis des B im Innen- und Außenverhältnis Vorrang. Ob er deshalb den Widerruf der Schenkung zu befürchten hatte oder sich ggf. gegenüber dem Stpfl. schadenersatzpflichtig mache, sei unerheblich. Bis der Widerruf tatsächlich erfolgt, was nicht prognostiziert werden konnte, hatte sein Stimmrecht jedenfalls Bestand. Die Verpflichtung des B, zu Lebzeiten des Stpfl. keine Verfügungen über den Kommanditanteil oder diesbezügliche Vereinbarungen zu treffen, entspreche lediglich den gesetzlichen Regelungen und damit den Regeln des Nießbrauchs. Im Übrigen lag auch ein Mitunternehmerrisiko bei B vor, da er an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt war.
Handlungsempfehlung:
Damit werden vielfach so erfolgte und weiter sinnvolle Übertragungsvorgänge unter Nießbrauchsvorbehalt abgesichert. Allerdings ist stets im Einzelfall sehr sorgfältig die vorgesehene Gestaltung unter Hinzuziehung steuerlichen Rats zu prüfen und gründlich auszugestalten.
20 Veräußerungsverluste aus sog. Vollrisikozertifikaten
Verluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen können nur begrenzt steuerlich geltend gemacht werden. Insbesondere ist regelmäßig nur eine Verrechnung mit positiven Kapitalerträgen möglich, nicht dagegen mit anderen Einkünften. Darüber hinaus versucht die Finanzverwaltung immer häufiger Verluste insbesondere aus risikobehafteten Geschäften steuerlich gar nicht anzuerkennen. Vielfach entspricht dies allerdings nicht den gesetzlichen Vorgaben, wie die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann zeigt. So auch ein aktuelles Urteil.
Im Urteilsfall hatte der Stpfl. Zertifikate erworben, deren Wert ausschließlich von der Entwicklung des Dow Jones EURO STOXX 50 abhängig war. Nach Insolvenz der Emittentin (die Bank Lehman Brothers) übertrug der Stpfl. die Zertifikate auf der Grundlage eines mit deren Rechtsnachfolgerin vor dem Oberlandesgericht geschlossenen Vergleichs gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von 10 200 € auf diese. Die Anschaffungskosten hatten 51 000 € betragen. Den entstandenen Verlust machte der Stpfl. bei den Kapitaleinkünften geltend, was das Finanzamt aber nicht anerkannte.
Der Bundesfinanzhof hat nun mit Urteil vom 29.10.2019 (Aktenzeichen VIII R 16/16) dem Stpfl. Recht gegeben. Der Bundesfinanzhof wertete diesen Vergleich als Veräußerung im Sinne des Gesetzes und nicht als Rückabwicklung. Im Urteilsfall kam hinzu, dass die Zertifikate vor dem 1.1.2008, also der Einführung der Abgeltungsteuer, angeschafft worden waren, jedoch nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs diese wegen der gesetzlichen Übergangsregelung dennoch zu erfassen sind.
Handlungsempfehlung:
Derartige Fälle treten in vielfachen Konstellationen auf und müssen daher in jedem Fall steuerlich sorgfältig geprüft werden. Jedoch zeigt auch dieses Urteil wieder, dass die die Verlustverrechnung ablehnende Ansicht der Finanzverwaltung stets zu prüfen ist, da diese oftmals nicht der gesetzlichen Vorgabe entspricht.
21 Instandsetzung einer vorhandenen und funktionsfähigen Kanalisation sind Werbungskosten
Der Bundesfinanzhof stellt mit Urteil vom 3.9.2019 (Aktenzeichen IX R 2/19) klar, dass Aufwendungen für die Instandsetzung und teilweise Erneuerung eines vorhandenen und funktionsfähigen Abwasserrohrsystems als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort abziehbar sind, da sie lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen.
Im Urteilsfall war das Grundstück erschlossen und ursprünglich mit einem Einfamilienhaus bebaut. Dieses wurde durch ein Zweifamilienhaus ersetzt. Im Rahmen der Baumaßnahme wurde festgestellt, dass der Abwasserkanal beschädigt war und deshalb wurde dieser ersetzt. Während der Bauphase des Zweifamilienhauses wurde der vorhandene Abwasserkanal noch zur Ableitung von Grundwasser genutzt. Strittig war die steuerliche Behandlung der Aufwendungen für die Instandsetzung des Abwasserkanals.
Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Aufwendungen für einen Entwässerungskanal ist grundsätzlich zu differenzieren:
- Aufwendungen für eine erstmalige Erschließungsmaßnahme zählen regelmäßig zu den Anschaffungskosten von Grund und Boden, weil der erstmalige Anschluss an öffentliche Einrichtungen die Nutzbarkeit des Grundstücks und damit dessen Wert erhöht. Sie gehören als Voraussetzung für die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes.
- Aufwendungen für eine nachträgliche Erschließungsmaßnahme und Aufwendungen für eine zusätzliche Zweiterschließung können im Einzelfall auch sofort als Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Zustand des Grundstücks durch die neue Erschließungsmaßnahme nicht verändert wird, weil er sich nicht wesentlich von der bisherigen Erschließung unterscheidet.
- Aufwendungen für die (Erst- oder Zweit-)Herstellung von Zuleitungsanlagen eines Gebäudes zum öffentlichen Kanal (sog. Hausanschlusskosten) einschließlich der sog. Kanalanstichgebühr gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes, soweit die Kosten für Anlagen auf privatem Grund und nicht für Anlagen der Gemeinde außerhalb des Grundstücks entstanden sind.
- Abweichend hiervon sind Aufwendungen für die Ersetzung, Modernisierung oder (ggf. teilweise) Instandsetzung einer vorhandenen Kanalisation als Werbungskosten sofort abziehbar.
Handlungsempfehlung:
In Fällen der Ersetzung, Modernisierung oder (ggf. teilweisen) Instandsetzung einer vorhandenen Kanalisation im Zuge eines Neubaus nach Abriss des vorhandenen Hauses sollte die grundsätzliche Funktionsfähigkeit der bisherigen Kanalisation dokumentiert werden.
22 Kosten einer Grundstücksveräußerung grundsätzlich keine vorab entstandenen Werbungskosten
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 29.10.2019 (Aktenzeichen IX R 22/18) klargestellt, dass wenn der Stpfl. eine nicht der Einkünfteerzielung dienende Immobilie veräußert, um den Erwerb einer zur Vermietung bestimmten Immobilie zu finanzieren, die entstehenden Veräußerungskosten nicht etwa als vorab entstandene Werbungskosten bei dem Vermietungsobjekt abziehbar sind.
Im Urteilsfall hatte die Stpfl. eine Eigentumswohnung erworben, die an ihre Eltern vermietet wurde. Die Finanzierung erfolgte zunächst durch zwei Darlehen. Mit dem Kreditinstitut wurde vereinbart, dass ein Darlehen kurzfristig aus dem Erlös aus der Veräußerung eines bislang privat genutzten Grundstücks getilgt werden sollte. Dies wurde so dann auch umgesetzt. Ein Angebot des Kreditinstituts, das Darlehen zu geänderten Bedingungen fortzuführen, nahm sie nicht an. Die Stpfl. machte nun die Kosten aus der Veräußerung des bislang nicht zur Erzielung von Vermietungseinkünften genutzten Grundstücks – insbesondere Maklerkosten und Gerichtskosten für die Eigentumsumschreibung – als Werbungskosten bei der vermieteten Eigentumswohnung geltend.
Der Bundesfinanzhof bestätigt, dass ein Werbungskostenabzug nicht in Frage kommt. Die Veräußerungskosten seien durch die Veräußerung des bislang nicht zur Erzielung von Vermietungseinkünften genutzten Grundstücks veranlasst. Die aus dem Veräußerungserlös erfolgte Umfinanzierung des Vermietungsobjektes verdränge diesen Veranlassungszusammenhang nicht.
Hinweis:
In einer früheren Entscheidung hatte der Bundesfinanzhof dies für einen Sonderfall anders gesehen. In diesem Fall war die Veräußerung zwingend notwendig für die Fortsetzung der Vermietungstätigkeit. Dies lag im vorliegenden Streitfall aber nicht vor. Die Finanzierung der Eigentumswohnung war auch auf andere Weise gesichert.
23 Organschaft: Finanzverwaltung zur Vereinbarung variabler Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter
Die körperschaftsteuerliche Organschaft, die insbesondere die Möglichkeit bietet, Verluste der Organgesellschaft mit steuerlicher Wirkung beim Organträger geltend zu machen (also Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns zu verrechnen), setzt für ihre Anerkennung nicht nur die sog. finanzielle Eingliederung voraus, die beim Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an den Anteilen an der Organgesellschaft erfordert, sondern auch den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (Ergebnisabführungsvertrag). Danach ist im Grundsatz der gesamte Gewinn der Organgesellschaft an den Organträger abzuführen. Abweichend davon sind nach § 14 Abs. 2 KStG Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter zulässig.
In diesem Kontext ist die bisherige Entwicklung der Rechtslage zu sehen: Der BFH hatte mit Urteil v. 10.5.2017 (Aktenzeichen I R 93/15, BStBl II 2019, 278) in der Auslegung des mittlerweile geänderten Gesetzes gegen die bisherige Verwaltungsauffassung entschieden, dass die Vereinbarung von variablen Ausgleichszahlungen eines beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Gesellschafter der Anerkennung einer steuerlichen Organschaft entgegensteht, wenn sich die Ausgleichszahlungen im Ergebnis an dem Gewinn der beherrschten Gesellschaft bemessen. Daraufhin hat der Gesetzgeber reagiert und mit Gesetz v. 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338) in § 14 Abs. 2 KStG geregelt, dass unter bestimmten engen Bedingungen variable Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter der Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft nicht entgegenstehen.
Zur Anwendung dieser Neuregelung hat nun die FinVerw. aktuell mit Schreiben v. 4.3.2020 (Aktenzeichen IV C 2 – S 2770/19/10003 :002, BStBl I 2020, 256) Stellung genommen und insbesondere Folgendes ausgeführt:
- Für die Anwendung des § 14 Abs. 2 KStG ist es unerheblich, ob die Ausgleichszahlungen von der Organgesellschaft oder dem Organträger geleistet werden.
- Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 KStG ist nur eröffnet, wenn Ausgleichszahlungen vereinbart und geleistet werden. Sind neben dem aktienrechtlichen Mindestbetrag weitere, gewinnabhängige Ausgleichszahlungen zwar vereinbart, die variablen Betragskomponenten aber z.B. wegen eines niedrigen oder negativen Ergebnisses der Organgesellschaft in einem konkreten Wirtschaftsjahr nicht zu leisten und werden auch tatsächlich nicht geleistet, kommt die einschränkende Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 KStG für dieses Wirtschaftsjahr nicht zur Anwendung.
- Als Bezugsgröße für den fiktiven Gewinnanteil eines außenstehenden Gesellschafters i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 KStG ist stets auf den Gesamtgewinn der Organgesellschaft abzustellen.
- Der Höchstbetrag der steuerlich zulässigen Ausgleichszahlungen bemisst sich ausschließlich nach dem Gewinnanteil, der dem Anteil des außenstehenden Gesellschafters am gezeichneten Kapital entspricht.
- Die Ermittlung des Höchstbetrages i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 KStG ist für jedes Wirtschaftsjahr gesondert vorzunehmen. Nicht voll ausgeschöpfte Teile des Höchstbetrags eines Jahres können nicht in die Ermittlung des Höchstbetrages für die folgenden Wirtschaftsjahre einbezogen werden.
- Die Rechtsfolgen sind bezogen auf jedes einzelne Wirtschaftsjahr zu ziehen: Wenn die an außenstehende Gesellschafter insgesamt geleisteten Ausgleichszahlungen den nach § 14 Abs. 2 KStG zulässigen Höchstbetrag nicht übersteigen, greift die gesetzliche Fiktion und der ganze Gewinn gilt als abgeführt.
- Sofern jedoch die an den außenstehenden Gesellschafter insgesamt geleisteten Ausgleichszahlungen den nach § 14 Abs. 2 KStG zulässigen Höchstbetrag übersteigen, steht dies der steuerlichen Anerkennung der Organschaft für dieses Wirtschaftsjahr entgegen.
Hinweis:
Von dieser Neuregelung sind gerade auch Versorgungsunternehmen betroffen, an denen auch kommunale Anteilseigner beteiligt sind und diese einzelne dauerdefizitär kommunale Tätigkeiten (wie z.B. Bäder oder Tiefgaragen) auf die Gesellschaft übertragen haben und der nichtkommunale Anteilseigner ausschließlich am Gewinn der Versorgungssparte beteiligt ist. Freilich greift die Neuregelung nur dann, wenn die Gesellschaft mittels Gewinnabführungsvertrag angebunden ist. Besteht lediglich eine disquotale Gewinnverteilungsabrede, so greift § 14 Abs. 2 KStG nicht.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis ist zur Sicherung der Anerkennung der Organschaft also sorgfältig darauf zu achten, dass der zulässige Höchstbetrag für jedes Wirtschaftsjahr zutreffend ermittelt und nicht überschritten wird.
24 Wertpapierleihe und Wegzugsbesteuerung nach § 17 EStG i.V.m. § 6 AStG
Mit seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 12.9.2019 (Aktenzeichen 4 K 113/17, EFG 2020, 37) hat sich das Schleswig-Holsteinische FG vor dem Hintergrund der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 17 EStG mit Fragen der Wegzugsbesteuerung und der Wertpapierleihe befasst.
Im Streitfall hatte der Stpfl. seinen Wohnsitz im Dezember 2006 in die Schweiz verlegt, um dort als Geschäftsführer tätig zu sein; die Anstellung erfolgte zum 1.1.2007. Im Jahr 2006 hielt der Stpfl. eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG an einer in Deutschland ansässigen AG. Zum Aktionärskreis gehörte neben dem Stpfl. u.a. auch der Bruder des Stpfl., mit dem der Stpfl. mit Datum vom 28.12.2006 bzgl. seiner Aktien einen Wertpapierdarlehensvertrag schloss. Dieser Vertrag sah vor, dass das Eigentum an den Aktien auf den Bruder übergehen und der Bruder für die Darlehenszeit ein entsprechendes Entgelt zahlen sollte. Das Darlehen sollte bis zum 31.12.2011 laufen. Wenn das Darlehen nicht unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich gekündigt wurde, sollte es sich jeweils um sechs Monate verlängern.
Auf Grund des Wegzugs des Stpfl. in die Schweiz nahm das FA in Bezug auf die Anteile an der AG einen Sachverhalt i.S.d. § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG – sog. Wegzugsbesteuerung – an und ermittelte den Veräußerungsgewinn entsprechend.
Dagegen wandte sich der Stpfl. mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG seien nicht erfüllt, da er wegen des Wertpapierdarlehens im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz keine Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG mehr gehalten habe. Denn nach den Vereinbarungen des Wertpapierdarlehensvertrags sei das Eigentum an den Aktien auf den Darlehensnehmer übergegangen. Dieser erhalte die unbeschränkte Verfügungsgewalt, sei bei der Ausübung des Stimmrechts unbeschränkt und habe bei Ablauf des Darlehens lediglich die Pflicht zur Rückgewähr von Aktien mittlerer Art und Güte. Während der Laufzeit des Vertrags sei allein der Darlehensnehmer als Eigentümer Inhaber des Dividendenrechts. Im Zeitpunkt des Wegzugs habe er (der Stpfl.) lediglich eine Sachdarlehensrückforderung gegen seinen Bruder betreffend Aktien gleicher Art und Güte gehabt.
Das Schleswig-Holsteinische FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Stpfl. hatte er seine wesentliche Beteiligung durch den Abschluss und Vollzug des Wertpapierdarlehensvertrags im Zeitpunkt des Wegzugs noch nicht verloren. In seiner Begründung betont das FG insbesondere, dass der Anspruch auf Rückerstattung von Wertpapieren gleicher Art, Menge und Güte als wirtschaftlich gleichwertiges Surrogat für die darlehensweise übertragenen Wertpapiere anzusehen sei. Ein Vorgang i.S.d. § 6 AStG i.V.m. § 17 EStG sei schon deshalb gegeben, weil der Stpfl. jedenfalls eine Anwartschaft i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG innegehabt habe; ein während der Leihzeit erfolgter Wertzuwachs sei beim Darlehensgeber fortwährend verstrickt und grundsätzlich auch von diesem zu versteuern. Die Zielsetzungen der Wegzugsbesteuerung würden nach Auffassung des Senats unterlaufen werden, wenn im Fall von Wertpapierleihverträgen trotz der Eigentumsübertragung ein Veräußerungs- und damit Realisationstatbestand zwar verneint, zugleich jedoch (auf Grund der Ablehnung einer Anwartschaft) eine fortgeltende Verstrickung nach § 17 EStG abgelehnt würde.
Hinweis:
Aus dem umfassend begründeten Urteil sind folgende Aspekte hervorzuheben:
- Bei einer Wertpapierleihe (zivilrechtlich: einem Sachdarlehen) wird der Darlehensnehmer rechtlich und wirtschaftlich Eigentümer der Papiere, weil er bis zur Beendigung des Darlehens frei über die Wertpapiere verfügen kann. Das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren verbleibt nur dann (ausnahmsweise) beim Darlehensgeber, wenn eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass dem Darlehensnehmer lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte.
- Eine Übertragung im Rahmen einer Wertpapierleihe löst keinen originären Sachverhalt i.S.d. § 17 EStG aus. Denn obwohl bei der Übertragung der Aktien auf den Entleiher zwar durchaus ein Übertragungstatbestand erfüllt wird (Übertragung des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums), wird das Vorliegen eines Realisationstatbestands verneint, weil der Verleiher einen gleichwertigen Rückforderungsanspruch und somit nach Auffassung des FG eine Anwartschaft erwirbt.
- Somit ist einerseits die Vermeidung einer Wegzugsbesteuerung praktisch ausgeschlossen. Andererseits führt die Lösung des FG über die Annahme einer Anwartschaft auf rein nationaler Ebene zu dem Ergebnis, dass z.B. die entgeltliche Abtretung des Rückgewähranspruchs durch den Darlehensgeber nach § 17 EStG einkommensteuerlich zu erfassen ist.
Nun ist unter dem Aktenzeichen I R 52/19 die Revision vor dem Bundesfinanzhof anhängig, so dass die Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt ist.
25 Steuerliche Behandlung von Arbeitszeitkonten und vGA
Mit Verfügung der OFD Frankfurt/a.M. vom 1.10.2019 (Aktenzeichen S 2742 A – 38 – St 520, StEd 2019, 781) hat die FinVerw. – unter Bezugnahme auf die aktuelle BFH-Rechtsprechung – zur steuerlichen Behandlung von Arbeitszeitkonten Stellung genommen. Dabei werden unter Arbeitszeitkonten solche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verstanden, die dem Zweck dienen, zukünftig erdienten Arbeitslohn nicht auszubezahlen, sondern „anzusparen” und für längere Freistellungen von der Arbeit zu verwenden, wobei das Dienstverhältnis während des Zeitraums der Freistellung weiterhin fortbesteht. Nicht darunter fallen sog. Flexi- und Gleitzeitkonten.
Zum Besteuerungszeitpunkt stellt die OFD fest, dass bei Fremdgeschäftsführern die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos ebenso wie die Wertgutschrift auf dem Zeitkonto grundsätzlich noch nicht zum Zufluss von Arbeitslohn beim Arbeitnehmer führt, sondern erst die Auszahlung während der Freistellungsphase als Zufluss die Besteuerung auslöst. Für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer wird die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos lohn- und einkommensteuerrechtlich allerdings nicht anerkannt. Entsprechende Rückstellungen der Gesellschaft führen somit zur Annahme einer vGA. Demgegenüber soll bei nichtbeherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nach den allgemeinen Grundsätzen (insbesondere also Fremdüblichkeit) zu prüfen sein, ob eine vGA vorliegt. Bei Nichtvorliegen einer vGA sind Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten lohn- und einkommensteuerlich grundsätzlich anzuerkennen.
Der Erwerb der Organstellung bzw. der Mehrheitsanteile soll den Zufluss des bis zu diesem Zeitpunkt aufgebauten Guthabens auf dem Zeitwertkonto nicht beeinflussen. Allerdings gelten nach Erwerb der Organstellung hinsichtlich der weiteren Zuführungen die genannten Grundsätze hinsichtlich des Vorliegens einer vGA.
Hinweis:
Der BFH hatte bspw. mit Urteil v. 11.11.2015, (Aktenzeichen I R 26/15, BStBl II 2016, 489) entschieden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer für die GmbH eine „Allzuständigkeit” besitze und die notwendigen Tätigkeiten auch dann erledigen müsse, wenn dies einen Einsatz außerhalb und über die üblichen Arbeitszeiten hinaus bedeute; Vereinbarungen über Arbeitszeitkonten entsprächen nicht diesem Aufgabenbild.
26 Share Deal: Grundsätzlich keine umsatzsteuerliche Geschäftsveräußerung trotz vollständiger Übertragung der Anteile an einer GmbH
Im Umsatzsteuerrecht gilt der Grundsatz, dass die Umsätze im Rahmen einer sog. Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG mangels Steuerbarkeit nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Vorsteuern aus Ausgaben im Zusammenhang mit der Geschäftsveräußerung im Ganzen, z.B. Beratungs- und Beurkundungsleistungen, können dagegen unter den normalen Bedingungen geltend gemacht werden. Anders ist dies nun dann, wenn eine steuerfreie Anteilsveräußerung vorliegt. Dann können Vorsteuern nicht geltend gemacht werden, außer der Unternehmer optiert für diesen Umsatz zur Umsatzsteuer.
Vor diesem Hintergrund ist das aktuelle BFH-Urteil vom 18.9.2019 (Aktenzeichen XI R 33/18, HFR 2020, 271) zu sehen, mit dem sich der BFH mit einer Geschäftsveräußerung in Gestalt eines Share Deals befasst hat. Im Streitfall hatte die Stpfl., eine GmbH & Co. KG, sämtliche Anteile an ihrer umsatzsteuerrechtlichen Organtochter (der B-GmbH) veräußert. Aus den für den Veräußerungsvorgang in Anspruch genommenen Beratungsleistungen machte sie Vorsteuer geltend. Das FA verwehrte den Vorsteuerabzug jedoch mit der Begründung, dass die Beratungsleistungen für einen steuerfreien Ausgangsumsatz (Anteilsveräußerung) erbracht worden seien; dem folgte das FG.
Der BFH hat die Entscheidung des FG aber aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen und ausgeführt, dass die in Rede stehende Veräußerung der Anteile an der B-GmbH an die Erwerberin sowohl als ein steuerfreier Umsatz als auch als Geschäftsveräußerung anzusehen sein könnte. Bei Vorliegen einer Geschäftsveräußerung schied ein Vorsteuerabzug auf Grund der im Übrigen steuerpflichtigen Ausgangsumsätze nicht aus. Steuerfrei seien nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG u.a. die Umsätze von Anteilen an Gesellschaften, dazu gehörten insbesondere die Anteile an einer GmbH. Da ein Verzicht auf diese Steuerbefreiung im Streitfall nicht erklärt worden sei, scheide ein Vorsteuerabzug unter diesem Gesichtspunkt aus.
Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung sei gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht werde. Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasse die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden könne. Übertragen werden müsse ein Gesamt- oder „Teilvermögen”. Zudem müsse der Erwerber beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt sei die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.
Zur Geschäftsveräußerung bei Veräußerung von Anteilen hat der EuGH entschieden, dass die Veräußerung sämtlicher Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie einer verbleibenden Beteiligung an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens sein kann. Weiter hat der EuGH entschieden, dass die Veräußerung von 30 % der Anteile an einer Gesellschaft, für die der Veräußerer mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbringt, keine Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens bei der Lieferung von Gegenständen oder bei Dienstleistungen i.S.d. Umsatzsteuerrechts sein könne.
Denn die Inhaberschaft von Anteilen an einem Unternehmen reiche im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieses Unternehmens nicht aus, um eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können. Es könne aber anders zu beurteilen sein, wenn die bisherige Organträgerin (im Streitfall lag unstreitig eine Organschaft vor) die Anteile an der GmbH an eine/n neue Organträger/in übertrage. Bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Organschaft könne die Beteiligung an der Organgesellschaft ein hinreichendes Ganzes bilden.
Hinweis:
Da der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen hat, wird das Verfahren nun also wieder beim FG verhandelt, so dass die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in dieser umsatzsteuerlich bedeutsamen Frage aufmerksam zu beobachten ist. Das FG hat die Frage zu klären, ob zwischen der Erwerberin, einer Beteiligungsgesellschaft, und der veräußerten B-GmbH eine Organschaft bestanden hat bzw. besteht. Sofern hiernach die Übertragung der Anteile als Geschäftsveräußerung zu beurteilen ist, sind die Vorsteuern auf die Beratungsleistungen abzugsfähig.
27 Zahlungen des Geschäftsführers auf Grund einer Lohnsteuerhaftung als Werbungskosten abzugsfähig
Nach § 69 AO haften GmbH-Geschäftsführer u.a. für Schulden der GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Insofern sollte gerade den Verpflichtungen zur Erklärung und zur Zahlung von Lohnsteuern wie auch von Umsatzsteuern höchste Priorität beigemessen werden.
Vor diesem Hintergrund ist das nicht rechtskräftige Urteil des Hessischen FG vom 19.11.2019 (Aktenzeichen 6 K 360/18, EFG 2020, 346) zu sehen, mit dem sich das FG insbesondere mit der Regelung des § 12 Nr. 3 EStG befasste, nach der u.a. die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern regelmäßig weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Konkret hat das FG dazu entschieden, dass die GmbH-Geschäftsführerin, die für nicht abgeführte und sie selber betreffende Lohnsteuer in Haftung genommen wird, ihre diesbezüglichen Aufwendungen sehr wohl als Werbungskosten geltend machen kann.
Im Streitfall war die Stpfl. Mit-Gesellschafterin und Mit-Geschäftsführerin einer GmbH, welche ein Restaurant betrieb. Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Stpfl. wurde durch Haftungsbescheid, gestützt auf § 69 AO, für nicht abgeführte Lohnsteuer einschließlich Zuschlagsteuern und steuerliche Nebenleistungen in Haftung genommen.
Die Stpfl. leistete darauf Zahlungen in den Jahren 2014 und 2015 und beantragte, die von ihr geleisteten Haftungsbeträge für Lohnsteuer einschließlich Zuschlagsteuern und steuerliche Nebenleistungen als nachträgliche Werbungskosten anzusetzen, was das FA unter Verweis auf § 12 Nr. 3 EStG ablehnte. Es seien allenfalls die Beträge abzugsfähig, die auf Dritte entfielen, § 12 Nr. 3 EStG verbiete jedoch einen darüber hinausgehenden Abzug der Ausgaben, die auf die eigene Lohnsteuer der Stpfl. entfallen.
Das Hessische FG hat die Auffassung des FA zurückgewiesen und der Klage mit u.a. folgender Begründung stattgegeben:
- Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG stellen diejenigen Aufwendungen Werbungskosten dar, die durch den Beruf des Stpfl. veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.
- Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Stpfl. im Zusammenhang mit deren Haftungsinanspruchnahme auch insoweit Werbungskosten, als sie für rückständige Lohnsteuer, welche sie selbst als Arbeitnehmerin der GmbH betrifft, in Haftung genommen wurde.
- Im Schrifttum und der Finanzrechtsprechung ist umstritten, ob in diesen Fällen § 12 Nr. 3 EStG greift. Das FG Köln und das Niedersächsische FG haben entschieden, dass in entsprechenden Fällen das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG nicht einschlägig ist, weil dieses Verbot nur eigene Steuerschulden des Stpfl. betrifft. Bei der Lohnsteuer, welche der Arbeitgeber an das FA abzuführen habe, handele es sich hingegen um eine fremde Schuld (die des Arbeitnehmers).
Dieser Auffassung, nach der vom Verbot grundsätzlich nur eigene Steuerschulden des Stpfl. erfasst werden sollten, schließt sich das Hessische FG explizit an. Bei den streitgegenständlichen Aufwendungen der Geschäftsführerin handelte es sich demgegenüber um die Entrichtungsschuld der von ihr vertretenen Gesellschaft nach § 43 Satz 2 AO i.V.m. § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG.
Die Geschäftsführerin werde durch den streitigen Werbungskostenabzug auch nicht bessergestellt, denn ebenso wie den übrigen Arbeitnehmern wurde ihr auch nur der um die anzumeldende und abzuführende Lohnsteuer gekürzte Nettolohn ausbezahlt. Nachdem die Geschäftsführerin infolge ihrer Inhaftungnahme mit dem Lohnsteuer-Betrag ein zweites Mal belastet wurde, ist es mit dem Sinn und Zweck von § 12 Nr. 3 EStG vereinbar, wenn sie in einem solchen Fall den streitigen Betrag einmal als Werbungskosten zum Abzug bringen kann.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung sollte aufmerksam beobachtet werden, da bislang noch keine BFH-Entscheidungen zu dieser Frage vorliegen. Die Revision ist anhängig unter dem Aktenzeichen VI R 19/20.
28 Corona-Krise – Hilfsmaßnahmen im Überblick
Die Bundesregierung hat umfangreiche Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie bereits umgesetzt und unterstützt wird dies durch weitere Maßnahmen der Bundesländer und Kommunen. Dies betrifft insbesondere:
a) Kurzarbeitergeld
Zum Kurzarbeitergeld wurde Folgendes umgesetzt:
- Rückwirkend zum 1.3.2020 und zunächst befristet bis Ende 2021 ist die Auszahlung von Kurzarbeitergeld deutlich leichter und länger möglich. Im Falle von Kurzarbeit übernimmt unter bestimmten Bedingungen die Bundesagentur für Arbeit rd. 60 % des ausgefallenen Nettolohns und erstattet diese dem Arbeitgeber. Lebt mindestens ein Kind im Haushalt, erhöht sich der Satz auf rd. 67 %. Die Sozialversicherungsbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden werden vollständig erstattet.
Hinweis:
Der Arbeitgeber kann das Kurzarbeitergeld bis auf den vollen Nettolohn aufstocken. Eine anteilige oder vollständige Aufstockung ist auch in manchen Tarifverträgen vereinbart. Insoweit strebt die Politik gemeinsam mit den Tarifpartnern aktuell eine allgemeine Lösung an.
- Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 % haben. Diese Schwelle lag bisher bei 30 % der Belegschaft und ist befristet bis zum 31.12.2020 abgesenkt worden. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes kann nun vollständig oder teilweise verzichtet werden. Das bisherige Recht verlangte, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt und die Arbeitszeitsalden ins Minus gefahren werden. Weiterhin können auch Leiharbeiter Kurzarbeitergeld erhalten. Die Berechnung des Kurzarbeitergeldes erfolgt über die Lohnabrechnungsprogramme.
- Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld muss grundsätzlich auf einem unabwendbaren Ereignis oder wirtschaftlichen Gründen beruhen. Dies trifft etwa dann zu, wenn Lieferungen ausbleiben und die Produktion eingeschränkt werden muss. Ein unabwendbares Ereignis liegt auch dann vor, wenn etwa durch staatliche Schutzmaßnahmen Betriebe geschlossen werden oder Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden dürfen. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, prüft die zuständige Agentur für Arbeit.
- Im ersten Schritt sind die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für Kurzarbeit zu beachten. Kurzarbeit kann nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Vielmehr bedarf es hier einer vertraglichen Grundlage. Diese kann auf Grund kollektivrechtlicher Regelungen (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) oder individualvertraglicher Vereinbarung bestehen bzw. geschaffen werden. In Betrieben mit Betriebsrat muss eine Regelung mit dem Betriebsrat getroffen werden. Können mangels entsprechenden Tarifvertrags und mangels Betriebsrats keine kollektivrechtlichen Regelungen gefunden werden, so ist eine Vereinbarung mit jedem einzelnen Mitarbeiter notwendig.
Hinweis:
Betroffene Unternehmer sollten also möglichst rasch mit den Arbeitnehmern offen die Situation und die Zukunftsentwicklung besprechen, um eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Nicht nur weil die Anordnung von Kurzarbeit dies erfordert, sondern auch die weiteren Schritte zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedürfen des Rückhalts der Beschäftigten.
- Die Beantragung von Kurzarbeitergeld erfolgt in zwei Stufen:
- Der Bedarf für Kurzarbeitergeld muss gegenüber den Arbeitsagenturen einmalig angezeigt werden. Die Formulare können von der Homepage der Bundesagentur heruntergeladen werden und sind in der Regel auch in der Lohnabrechnungssoftware enthalten.
- Die Leistungen müssen zunächst mittels der Lohnabrechnungssoftware errechnet und dann von den Unternehmen zunächst ausgezahlt werden. Der Leistungsantrag ist anschließend bei der Agentur für Arbeit einzureichen, in deren Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt. Für jeden Monat muss jeweils ein Antrag auf Erstattung des Kurzarbeitergeldes gestellt werden.
Hinweis:
Wichtig ist die rechtzeitige Anzeige über den Arbeitsausfall. Die Bundesagentur für Arbeit erstattet das Kurzarbeitergeld frühestens von dem Kalendermonat an, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall dort eingegangen ist. Auch sind die arbeitsrechtlichen Vorgaben zu beachten.
- Kurzarbeitergeld kann nur für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer beantragt werden. Keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben geringfügig Beschäftigte (Mini-Job), Rentner, Bezieher von Krankengeld, Auszubildende und ruhende Arbeitsverhältnisse (z.B. Elternzeit).
- Während der Kurzarbeit bleiben die betroffenen Mitarbeiter in allen Zweigen der Sozialversicherung als Arbeitnehmer versichert.
- Ansprechpartner für diese Belange ist die Bundesagentur für Arbeit.
- Steuerlich gilt: Kurzarbeitergeld ist lohnsteuerfrei. Dieses unterliegt beim Arbeitnehmer allerdings dem sog. Progressionsvorbehalt, ist also im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei der Berechnung des Steuersatzes (Progression) zu berücksichtigen. Im Ergebnis bleibt es bei der Steuerfreiheit, auf das restliche Einkommen kommt allerdings ein höherer Steuersatz zur Anwendung.
b) Kreditprogramme
Bezüglich Kreditprogrammen wurde Folgendes umgesetzt:
- Unternehmen, Selbständige und Freiberufler sollen schnellstmöglich mit Liquidität versorgt werden. Hierzu werden bestehende Kreditprogramme insbesondere über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausgeweitet und die Zugangsbedingungen vereinfacht. Die erste Phase des Hilfspakets steht bereits zur Verfügung. Im Auftrag der Bundesregierung stellt die KfW den Unternehmen Förderkredite bereit, die von Kreditinstituten an ihre Kunden weitergegeben werden. Die KfW übernimmt einen großen Teil der Haftung für diese Kredite, welche vomBund garantiert wird. Das erleichtert Banken, Sparkassen und anderen Finanzierungspartnern die Kreditvergabe.
- Über die KfW werden betragsmäßig in unbegrenzter Höhe verschiedene Kreditprogramme zur Verfügung gestellt. Für einen Kredit in Höhe von bis zu 3 Mio. € prüft die KfW den Vorgang nicht selbst, sondern akzeptiert die Bonitätsprüfung durch die Hausbank des Antragstellers.
- Zugang zu diesen Programmen haben nicht nur Unternehmen, sondern auch Freiberufler und Selbstständige. Betroffene Unternehmen, die ein Programm des Corona-Schutzschilds in Anspruch nehmen möchten, können dies über ihre Hausbank oder einen anderen Finanzierungspartner beantragen. Neben der eigenen Bank können dies Geschäftsbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Direktbanken, Bausparkassen, Versicherungen oder Finanzvermittler sein. Eine direkte Beantragung bei der KfW ist nicht möglich.
- Der Kreditantrag erfolgt in folgenden Schritten:
- Finanzierungspartner finden: Kontakt mit der Hausbank oder anderem Finanzierungspartner aufnehmen und Termin vereinbaren. Bei der Suche nach einem Finanzierungspartner unterstützt auch die Website der KfW: www.kfw.de.
- Kredit beantragen: Der Finanzierungspartner stellt für das Unternehmen den Kreditantrag bei der KfW.
- Kreditantrag wird geprüft: Die KfW prüft alle Unterlagen und entscheidet über die Förderung.
- Kreditvertragabschließen und Liquidität erhalten: Das Unternehmen schließt beim Finanzierungspartner den Kreditvertrag ab, anschließend werden die Mittel bereitgestellt.
Hinweis:
Herauszustellen ist, dass es sich insoweit nicht um Zuschüsse handelt, sondern um Kreditprogramme. D.h., die Liquiditätshilfen müssen von dem Unternehmen bzw. Freiberufler oder Selbstständigen später in vollem Umfang zurückbezahlt werden.
Handlungsempfehlung:
Betroffene Unternehmen sollten möglichst rasch mit ihrer Hausbank Kontakt aufnehmen. Diese informiert, welche Unterlagen für die Bearbeitung des Kreditantrags eingereicht werden müssen. Des Weiteren bieten auch die Förderbanken der Länder Hilfen an, so z.B. die NRW.Bank. Auch in diesen Fällen erfolgt die Kreditvergabe in der Regel über die Hausbank.
- Daneben wurde ein separates Unterstützungsprogramm für Start-ups aufgelegt. Insbesondere werden öffentliche Wagniskapitalinvestoren (z.B. KfW Capital, Europäischer Investitionsfonds, High-Tech Gründerfonds, coparion) mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet, die im Rahmen der Ko-Investition zusammen mit privaten Investoren für Finanzierungsrunden von Start-ups eingesetzt werden können.
c) Wirtschaftsstabilisierungsfonds
Bezüglich des Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurde Folgendes beschlossen:
- Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz wurde ein umfangreicher Fonds aufgelegt, der große Unternehmen stützen kann. Erfasst werden Unternehmen, die mindestens zwei der drei nachfolgenden Kriterien erfüllen: mind. 43 Mio. € Bilanzsumme, 50 Mio. € Umsatzerlöse, 249 Arbeitnehmer. Der Fonds kann solchen Unternehmen unter bestimmten Bedingungen Kredite gewähren und sich auch selbst an den betroffenen Unternehmen beteiligen.
d) Entschädigung für Personalkosten bei von Quarantäne betroffenen Beschäftigten
Bezüglich Entschädigung für Verdienstausfall gilt:
- Sollte wegen des Corona-Virus für Beschäftigte eine Quarantäne angeordnet worden sein, so muss zunächst der Arbeitgeber für maximal sechs Wochen die Lohnfortzahlung übernehmen. Auch die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungspflicht besteht weiterhin. Arbeitgeber können für Arbeitnehmer allerdings eine Entschädigung des Verdienstausfalls beantragen. Voraussetzung ist stets, dass das Tätigkeitsverbot bzw. die Quarantäne vom zuständigen Gesundheitsamt ausgesprochen wurde. Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeträgen trägt in diesem Fall das jeweilige Bundesland. Ab der siebten Woche besteht für den Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse.
- Selbstständige, deren Betrieb oder Praxis während einer angeordneten Quarantäne ruht, können nach § 56 Infektionsschutzgesetz bei der zuständigen Behörde einen Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang beantragen.
Hinweis:
Unklar ist, ob Entschädigungen gewährt werden z.B. bei Betriebsschließungen oder Veranstaltungsverboten. Die zuständigen Landesbehörden vertreten jedoch derzeit einhellig die Auffassung, dass auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes in diesen Fällen kein Anspruch auf Entschädigung besteht.
e) Soforthilfen für Selbstständige und kleinere Unternehmen
Bezüglich Soforthilfen gilt:
- Selbstständigen und kleineren Unternehmen wird mit einem separaten Maßnahmenpaket geholfen. Betroffene erhalten zunächst für drei Monate einen Zuschuss. Insoweit besteht eine Soforthilfe des Bundes, welche von den Ländern noch individuell erweitert wurde. Dieser Zuschuss muss nicht zurückbezahlt werden, gehört allerdings zu den steuerpflichtigen Einnahmen und löst somit später Steuern aus – quasi wie ausgefallene reguläre Einnahmen des Selbstständigen. Damit sollen Mitnahmeeffekte vermieden werden.
- Antragsberechtigte sind Soloselbständige, Angehörige der Freien Berufe und kleine Unternehmen einschließlich Landwirten mit bis zu 10 Beschäftigten (Vollzeitäquivalente), die wirtschaftlich am Markt als Unternehmen tätig sind. Die Soforthilfe dient der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen in Folge der Corona-Krise.
- Unternehmen bzw. Selbständige aus allen Wirtschaftsbereichen mit bis zu 5 Beschäftigten können einen einmaligen Zuschuss von bis zu 9 000 € für drei Monate beantragen, Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten einen einmaligen Zuschuss von bis zu 15 000 €, ebenfalls für drei Monate. Die meisten Bundesländer haben ergänzende Programme, welche meist Unternehmen bis 50 Beschäftigte erfassen.
- Der Antragsteller muss versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Antragstellende Unternehmen dürfen sich nicht bereits am 31.12.2019 in finanziellen Schwierigkeiten befunden haben.
Hinweis:
Die Beantragung des Zuschusses erfolgt über die Bundesländer (meist) in einem Onlineverfahren. Die Bearbeitung erfolgt unmittelbar nach Antragstellung in einem weitgehend automatisierten Verfahren, so dass dann auch kurzfristig mit dem Liquiditätszufluss zu rechnen ist. Anträge sind bis spätestens 31.5.2020 bei der zuständigen Landesbehörde zu stellen. Ergänzt wird dieses Bundesprogramm durch Programme der Länder, mit denen auch größere Unternehmen (teilweise bis zu 250 Erwerbstätige) gefördert werden.
Zu beachten ist, dass dieser Zuschuss steuerpflichtig ist. D.h., es ergibt sich später bei der Steuerveranlagung hierauf eine Steuerbelastung. Allerdings ist ausdrücklich geregelt, dass dieser Zuschuss bei der Bemessung der Steuervorauszahlungen für 2020 nicht zu berücksichtigen ist, damit die anfallende Steuerzahlung noch nicht jetzt, sondern erst frühestens im kommenden Jahr mit der Steuerveranlagung liquiditätswirksam wird.
- Freiwillig gesetzlich Versicherte (z.B. Selbstständige) können prüfen, ob eine Beitragsermäßigung gewährt wird. Nach dem geltenden Recht sind bei Veränderungen der Einkommen Reduzierungen der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich. Allerdings wird eine monatliche Mindesteinnahme von 1 061,67 € zu Grunde gelegt.
f) Entlastung für Mieter – sowohl gewerbliche Mieter als auch für private Wohnzwecke, Vermieter und Darlehensnehmer –
Bezüglich Mieterentlastungen wurde Folgendes beschlossen:
- Wohnraum- und Gewerbemieter haben aktuell durch die Corona-Krise auf Grund von Umsatzausfällen oder Lohneinbußen z.B. durch Kurzarbeitergeld oder Fehlzeiten wegen Kinderbetreuung, u.U. Schwierigkeiten, die laufende Miete zu begleichen. Gravierend ist diese Problematik insbesondere bei Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistern, die ihre Tätigkeit aktuell nicht ausüben können. Nach dem bislang geltenden Mietrecht können Mietverhältnisse aus wichtigem Grund allerdings außerordentlich gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Zahlung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrags in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Dieses Kündigungsrecht des Vermieters wurde nun für Mietverhältnisse über Wohn- und Gewerberäume insoweit eingeschränkt, als dass der Vermieter ein Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen darf, dass der Mieter im Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht.
- Allerdings muss klar herausgestellt werden, dass dies nichts an der Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Miete ändert. Auch der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist vom Mieter glaubhaft zu machen.
Hinweis:
In diesen Fällen ist dringend anzuraten, dass der Mieter frühestmöglich Kontakt mit dem Vermieter aufnimmt und die Situation bespricht. Der Vermieter wird regelmäßig an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses und damit auch an einer Sicherung der Existenz des gewerblichen Mieters Interesse haben und damit lassen sich dann vielfach für beide Seiten tragbare Lösungen finden.
- Für Wohnungseigentümergemeinschaften stellt sich aktuell die Problematik, dass Eigentümerversammlungen nicht abgehalten werden können. Damit die Handlungsfähigkeit weiter erhalten bleibt, ist insoweit bestimmt worden, dass der zuletzt bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Auch gilt der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.
- Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15.3.2020 abgeschlossen wurden (nicht für Teilzahlungsgeschäfte) sind nun besondere Regelungen zu Stundung und Vertragsanpassung getroffen worden: Es wurde eine Regelung für eine gesetzliche Stundung und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist eingeführt, verbunden mit der Möglichkeit für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu finden. Flankiert werden diese Vorschriften von einem gesetzlichen Kündigungsschutz. Ansprüche von Darlehensgebern gegen Verbraucher, die im Zeitraum zwischen dem 1.4. und dem 30.6.2020 fällig werden, werden kraft Gesetzes gestundet. Die Stundung betrifft Ansprüche auf Rückzahlung des Darlehens sowie laufende Zins- und Tilgungsleistungen. Die Fälligkeit der Ansprüche, die im Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.2020 zu erbringen sind, wird um drei Monate hinausgeschoben. Zum Beispiel wäre die Fälligkeit eines Anspruchs, der am 2.5.2020 fällig würde, somit bis zum Ablauf des 1.8.2020 gestundet und seine Fälligkeit auf den 2.8.2020 verschoben. Voraussetzung der Stundung ist, dass der Darlehensnehmer wegen der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat. Dies hat der Darlehensnehmer ggf. darzulegen und zu beweisen. Diese Stundung ist aber nicht zwingend, sondern kann einzelvertraglich bei betroffenen Darlehensnehmern auch anders geregelt werden. So sieht die gesetzliche Regelung vor, dass Darlehensgeber Verbrauchern, die von krisenbedingten Einnahmeausfällen betroffen sind und deren Darlehensverpflichtungen nach den neuen gesetzlichen Regeln gestundet sind, die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs anbieten sollen. Flankierend zu der Stundung gilt nun ein befristeter Ausschluss der Kündigungsrechte des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs und wegen einer (drohenden) Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Darlehensnehmers.
Hinweis:
Darlehensnehmer sollten mit den Darlehensgebern in Kontakt treten, sofern eine Anpassung der bisherigen Verträge auf Grund der durch die COVID-19-Pandemie eingetretenen Verschlechterung der Vermögenslage des Darlehensnehmers erforderlich ist.
g) Weitere Maßnahmen
Bezüglich weiterer Maßnahmen gilt Folgendes:
- Auch Sozialversicherungsbeiträge können auf Antrag gestundet werden. Der Antrag ist an die jeweilige Krankenkasse zu richten. Der GKV-Spitzenverband hat hierzu mitgeteilt, dass Unternehmen bzw. Betriebe, die von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich betroffen sind, einen erleichterten Zugang zu Beitragsstundungen haben. Voraussetzung ist allerdings, dass andere Unterstützungsmaßnahmen, wie insbesondere Kurzarbeitergeld und z.B. Fördermittel und Kredite, vorrangig in Anspruch genommen werden. Dass die sofortige Einziehung der Beiträge ohne die Stundung trotz vorrangiger Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld, Fördermitteln und/oder Krediten mit erheblichen Härten für den Arbeitgeber verbunden wäre, ist in geeigneter Weise darzulegen. Insoweit ist aktuell allerdings grds. eine glaubhafte Erklärung des Arbeitgebers ausreichend, dass er erheblichen finanziellen Schaden durch die Pandemie, z.B. in Form von erheblichen Umsatzeinbußen, erlitten hat. Sicherheiten sind dann nicht zu stellen und auf Stundungszinsen wird verzichtet.
- Die Insolvenzantragspflicht ist bis zum 30.9.2020 unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Voraussetzung für die Aussetzung ist, dass der Insolvenzgrund kausal auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht und dass auf Grund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf eine Sanierung bestehen. Wichtig ist die gesetzliche Vermutung: „War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.”
Hinweis:
Eine (drohende) Insolvenz erfordert sehr umsichtiges Handeln, da sich der Unternehmer bzw. die Geschäftsführer bei falschem Handeln strafbar machen und Geschäftsführer z.B. einer GmbH auch persönlich in Haftung genommen werden können. Daher sollte in solchen Fällen stets rechtliche Beratung in Anspruch genommen werden.
- Staatliche Exportkreditgarantien sichern Exporteure gegen wirtschaftlich oder politisch bedingte Forderungsausfälle ab und ermöglichen in vielen Fällen erst die notwendige Absatzfinanzierung eines Geschäfts. Diese sog. „Hermesdeckungen” ergänzen Absicherungsangebote der privaten Wirtschaft in besonders risikobehafteten Ländern und kommen daher typischerweise für Entwicklungs- und Schwellenländer zur Anwendung. Durch die Übernahme einer Hermesdeckung wird das Risiko eines Zahlungsausfalls vom Exporteur bzw. der finanzierenden Bank zu einem großen Teil auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen. Hierfür zahlen die Deckungsnehmer eine risikoadäquate Prämie.
Auf Grund der massiven Wirtschaftskrise sind nun aber auch Exporte in andere europäische Länder risikobehaftet. Daher hat die EU-Kommission entschieden, dass Exportgeschäfte zu kurzfristigen Zahlungsbedingungen (bis 24 Monate) innerhalb der EU und in ausgewählten OECD-Ländern mit staatlichen Exportkreditgarantien abgesichert werden können. Die erweiterten Deckungsmöglichkeiten sind zunächst bis zum 31.12.2020 befristet. Sie gelten für alle 27 EU-Länder sowie Australien, Island, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, die USA und das Vereinigte Königreich.Hinweis:
Die Hermesdeckungen helfen vor allem kleinen oder mittelständischen Unternehmen, die Risiken eines Exportgeschäfts abzusichern. Als Exporteur besteht die Möglichkeit, sich im Vorfeld mit einer unverbindlichen Deckungsanfrage an den Bund zu wenden. Diese Voranfrage erfolgt online und ist kostenlos.
- Weiterhin sollen die Investitionen vor allem in Verkehrswege des Bundes und den Bau bezahlbarer Wohnungen nochmals erhöht werden.
Handlungsempfehlung:
Ausgehend von einer Analyse der aktuellen Liquiditätssituation einschließlich der Planung verschiedener Szenarien für die kommenden Monate müssen die verschiedenen Handlungsoptionen für das jeweils einzelne Unternehmen aufgezeigt werden. Folgende Prüfschritte können eine Hilfestellung geben:
1. | Analyse der Liquiditätssituation einschließlich Planung verschiedener Szenarien für die kommenden Monate; Analyse des operativen Bereichs zur Identifizierung von Schwachstellen und Risiken in der Produktionskette |
2. | Effektive Kommunikation |
3. | Schutz der Mitarbeiter: |
4. | Sicherstellung zumindest der administrativen Abläufe im Unternehmen und Digitalisierung interner Prozesse |
5. | Liquiditätssicherung: |
6. | Beantragung staatlicher Hilfen: |
7. | Analyse der rechtlichen/vertraglichen Situation im Hinblick auf Kündigung von Verträgen: |
8. | Vorbereitung des Unternehmens auf die weiteren Phasen, in denen unter gelockerten Einschränkungen Tätigkeiten wieder aufgenommen werden und Anpassung von Vertriebsstrukturen bspw. auf Online, sowie Anpassung von Beschaffungs- und Produktionsabläufen |
9. | ggf. Krisenbewältigung in Form von der Erarbeitung von Restrukturierungskonzepten |
29 Übersicht über steuerliche Instrumente
Insbesondere auf die Belastung der Liquiditätssituation kann mit steuerlichen Instrumenten reagiert werden. Wichtige Instrumente und deren Wirkungsweise sind:
Instrument | Wirkung |
Anpassung von Steuervorauszahlungen | Kurzfristige Entlastung der Liquidität – im Ergebnis endgültige Liquiditätsentlastung |
Stundung von Steuerzahlungen | Zeitliches Hinausschieben von Steuerzahlungen und damit temporäre Liquiditätsentlastung |
Fristverlängerungen | Entlastung der vorhandenen Ressourcen und Hinausschieben evtl. Nachzahlungen |
„Corona-Prämien” | Lohnsteuerfreie Zuwendungen an durch die Krise besonders belastete Mitarbeiter |
30 Anpassung von Steuervorauszahlungen
Kurzfristig können positive Effekte auf die Liquiditätslage erreicht werden durch eine Anpassung von Steuervorauszahlungen. Dies kann auch die Rückzahlung bereits geleisteter Vorauszahlungen umfassen. Die Anpassung von Vorauszahlungen ist ein bekanntes und bewährtes Instrumentarium, welches rasch und unkompliziert eingesetzt werden kann. Einzubeziehen sind Vorauszahlungen zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Hinweis:
Für das Instrument einer Anpassung der Vorauszahlungen spricht, dass dies – im Gegensatz z.B. zu Überbrückungskrediten – im Falle von Einnahmeausfällen und damit Ertragseinbußen einen endgültigen Liquiditätseffekt hat. Durch die sich realisierende niedrigere steuerliche Bemessungsgrundlage werden die nun herabgesetzten Vorauszahlungen endgültig.
Grundsätzlich bemessen sich die Vorauszahlungen zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer nach der zuletzt veranlagten Steuer. Grundlage ist aktuell also vielfach die Einkommenssituation des Jahres 2018. Auf Antrag des Stpfl. kann eine Anpassung der Vorauszahlungen erfolgen. Dies betrifft die laufenden Vorauszahlungen, insbesondere zu den noch ausstehenden Vorauszahlungsterminen – die nächste Vorauszahlung bei der Gewerbesteuer ist am 15.5.2020 und bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer am 10.6.2020 fällig. Die Anpassung kann aber auch zu einer Rückzahlung bereits gezahlter Vorauszahlungen führen. Der Stpfl. muss Anpassungsgründe vortragen, also den voraussichtlichen Gewinn beziffern und glaubhaft machen. Auf dieser Basis werden dann die Vorauszahlungen neu berechnet, bis hin zu einer Herabsetzung auf 0 €.
Hinweis:
Auch eine Anpassung für das Jahr 2019 ist noch möglich. Gerade der jetzt in Vorbereitung befindliche oder bereits erstellte Jahresabschluss zum 31.12.2019 sollte zum Anlass genommen werden, zu prüfen, ob eine Herabsetzung der Vorauszahlungen angezeigt ist (vgl. hierzu auch Tz. 10 des Mandanten-Rundschreibens). Ausreichend ist insoweit die Vorlage einer aktuellen Steuerberechnung und des (Entwurfs des) Jahresabschlusses. Soweit die bereits entrichteten Vorauszahlungen das neue Vorauszahlungs-Soll übersteigen, sind Überzahlungen zu erstatten. Hat sich in 2019 ein höherer steuerlicher Gewinn ergeben, als bei der Bemessung der Vorauszahlungen angesetzt, so besteht keine Verpflichtung für den Stpfl. zu einer Anpassung der Vorauszahlungen.
Ergibt sich aus der aktuellen Einkommensprognose für 2020 ein Verlust, so führt dies ggf. zu einer Herabsetzung und Erstattung der für 2019 geleisteten Vorauszahlungen. Bei Ermittlung des Vorauszahlungs-Soll für 2019 wird in diesen Fällen – unter Zugrundelegung einer aktualisierten Prognose für 2019 – der Verlustrücktrag aus 2020 berücksichtigt. Dies sollte ausdrücklich beantragt werden.
Der Herabsetzungsantrag ist zu stellen für die:
- Einkommensteuer beim Wohnsitzfinanzamt,
- Körperschaftsteuer beim Betriebsfinanzamt und
- Gewerbesteuer ebenfalls beim Betriebsfinanzamt, welches dann die Gemeinde entsprechend informiert.
Personengesellschaften stellen den Herabsetzungsantrag beim Betriebsfinanzamt, welches dann die Wohnsitzfinanzämter der Gesellschafter informiert.
In dem Herabsetzungsantrag ist die voraussichtliche Einkommenssituation glaubhaft zu machen, wobei ein großzügiger Maßstab hinsichtlich der zu erwartenden Entwicklung anzusetzen ist.
Hinweis:
Wird vom Stpfl. ein Herabsetzungsantrag gestellt, so sind alle zu diesem Zeitpunkt erkennbaren neuen Entwicklungen darzulegen, also insbesondere nicht nur die einkommensmindernden, sondern auch die einkommenserhöhenden Tatsachen. Ansonsten kann der Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht sein.
In der aktuellen Situation müsste die Ergebnisentwicklung von Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres bis zum jetzigen Zeitpunkt anhand der Ist-Zahlen z.B. anhand einer aktuellen BWA dargelegt werden und dies durch eine Hochrechnung für den weiteren Verlauf bis zum Ende des Wirtschaftsjahres ergänzt werden.
Vereinfachungen zur Darlegung hat die Finanzverwaltung nun mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19.3.2020 (Aktenzeichen IV A 3 – S 0336/19/10007 :002) und den Ländererlassen vom gleichen Tag für „nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich [von der Corona-Pandemie] betroffene Steuerpflichtige” bekannt gegeben. Dies betrifft also u.a. Einzelhändler, die ihre Geschäfte schließen mussten, Dienstleistungsbetriebe, die nicht mehr tätig sein dürfen, wie z.B. Frisöre, Reise- oder Eventveranstalter, die Veranstaltungen absagen mussten oder auch Produktionsunternehmen, die von Lieferengpässen betroffen sind. Zu Anpassungsanträgen in diesen Fällen bestimmt die Finanzverwaltung: „Diese Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können.” D.h., es sind großzügige Maßstäbe bei der Prüfung anzulegen und es brauchen keine detaillierten Unterlagen vorgelegt zu werden.
Handlungsempfehlung:
Betroffene Unternehmen sollten unmittelbar unter Hinzuziehung steuerlichen Rats einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen stellen. Viele Bundesländer haben ein vereinfachtes Formular zur Beantragung einer zinslosen Stundung und zur Herabsetzung der Steuervorauszahlungen herausgegeben. Mittels dieser Formulare können mit einigen wenigen Angaben solche Anträge gestellt werden. Allgemein müssen von der Corona-Krise unmittelbar Betroffene aktuell keine umfangreichen Nachweise über die voraussichtliche Einkommenssituation beibringen. Ausreichend ist eine knappe Schilderung, warum der Stpfl. von der Corona-Krise unmittelbar betroffen ist – z.B. Nennung der Branche oder Geschäftstätigkeit.
31 Stundung von Steuerzahlungen
Die Finanzbehörden können konkret anstehende Steuerzahlungen stunden, wenn die Einziehung eine erhebliche Härte darstellen würde. Die Stundung führt zu einem Hinausschieben der Steuerzahlung und kann insbesondere in angespannter Liquiditätslage hilfreich sein. Gestundet werden können insbesondere
- Abschlusszahlungen zur Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer (einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag),
- Vorauszahlungen zu diesen Steuern,
- Umsatzsteuervorauszahlungen und
- Grundsteuern/Grundbesitzabgaben.
Hinweis:
Aktuell ist insbesondere eine Stundung von zu leistenden Umsatzsteuervorauszahlungen relevant. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Umsatzsteuer auf Lieferungen und Leistungen grundsätzlich bereits für den Monat geschuldet wird, in dem die Lieferung ausgeführt bzw. die Leistung erbracht wird, aktuell Zahlungen der Kunden aber oftmals erst zeitlich verzögert erfolgen.
In der derzeitigen Situation sind persönliche Stundungsgründe vorzutragen. Stundungsbedürftigkeit liegt vor, wenn sich der Stpfl. zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet; was allerdings noch keine Zahlungsunfähigkeit voraussetzt. Dies ist im konkreten Fall nachzuweisen anhand einer Liquiditätsrechnung und einem Liquiditätsstatus, der die Vermögenswerte in kurzfristig realisierbare und nicht kurzfristig realisierbare aufteilt. Insbesondere ein Liquiditätsstatus ist erforderlich, da der Stpfl. gehalten ist, seine verfügbaren Mittel zur Zahlung fälliger Steuern einzusetzen, ggf. auch Kredite in Anspruch zu nehmen. Hinzuweisen ist darauf, dass eine Stundung nur dann in Betracht kommt, wenn die Zahlungsunfähigkeit nicht dauerhaft ist.
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19.3.2020 führt insoweit aus, dass für „nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich [von der Corona-Pandemie] betroffene Steuerpflichtige” […] „bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für Stundungen keine strengen Anforderungen zu stellen” sind. Ausreichend ist eine knappe Schilderung, warum der Stpfl. von der Corona-Krise unmittelbar betroffen ist – z.B. Nennung der Branche oder Geschäftstätigkeit. Eine detaillierte Schilderung der finanziellen Verhältnisse ist in diesen Fällen dagegen nicht notwendig.
Hinweis:
Diese Billigkeitsmaßnahmen erfassen allerdings nicht alle Steuerarten. Erfasst sind insbesondere die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer und vor allem auch die Umsatzsteuer. Nicht erfasst sind dagegen z.B. anstehende Zahlungen zur Grunderwerbsteuer oder Erbschaft-/Schenkungsteuer. In diesen Fällen greifen die allgemeinen Regeln zum Stundungsantrag, d.h., es müssen detailliert persönliche Stundungsgründe vorgetragen werden.
Gesetzlich ist vorgesehen, dass eine Stundung in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt wird. In dem aktuellen Schreiben der Finanzverwaltung vom 19.3.2020 wird insoweit keine Erleichterung genannt.
Hinweis:
Ebenso ist in der Praxis zu beachten, dass eine Stundung grundsätzlich eine Verzinsung mit einem Zinssatz von 6 % p.a. auslöst. „„Nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffenen Steuerpflichtigen” wird eine zinslose Stundung gewährt.
Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Stundung bei Abzugssteuern. Dies betrifft insbesondere die Lohnsteuer. Dagegen können Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag gestundet werden. Der Antrag ist an die jeweilige Krankenkasse zu richten. Voraussetzung für die Stundung ist allerdings, dass alternative Hilfsangebote, wie Kurzarbeitergeld, Fördermittel und Überbrückungshilfen vorrangig ausgeschöpft sind. Nur wenn diese nicht ausreichen, kommt eine vereinfachte Stundung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Betracht.
Eine Stundung darf allerdings – ebenso wie bei Steuerzahlungen – nicht gewährt werden, wenn eine Gefährdung des Anspruches eintreten würde. Das ist gegeben, wenn die Zahlungsschwierigkeiten nicht nur vorübergehend sind oder eine Überschuldung in absehbarer Zeit offensichtlich nicht abgebaut werden kann.
Hinweis:
Die Lohnabrechnungen sind – nach derzeitigem Stand – nach üblichen Regeln zu erstellen und Lohnsteuer abzuführen. Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge kann dann geprüft werden, ob ein Stundungsantrag gestellt wird. Dringend abzuraten ist aber davon, die Beiträge zur Sozialversicherung einfach einzubehalten, ohne dass eine Stundung zuvor bewilligt wurde. Denn ohne vorherige Stundungsbewilligung besteht das Risiko einer Strafbarkeit wegen der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Stundungsanträge betreffend Einkommen-, Körperschaft- oder Umsatzsteuer sind an das zuständige Finanzamt zu richten. Stundungen der Gewerbesteuer müssen die Unternehmen bei den zuständigen Gemeinden beantragen (Ausnahme: Stadtstaaten Hamburg und Bremen – dort auch das Finanzamt).
32 Umsatzsteuer: Besonderheiten in Krisensituationen
a) Berichtigung der Umsatzsteuer bei Nichtzahlung des Kunden
Die Umsatzsteuer auf Lieferungen und Leistungen wird grundsätzlich bereits für den Monat geschuldet, in dem die Lieferung ausgeführt bzw. die Leistung erbracht wird. Allerdings ist bei offenen Forderungen die bereits gegenüber dem Finanzamt erklärte und abgeführte Umsatzsteuer in dem Voranmeldungszeitraum zu berichtigen, in dem die Nichtzahlung oder teilweise Nichtzahlung des Kunden feststeht oder sehr wahrscheinlich ist.
Falls dann später doch eine Zahlung durch den Kunden erfolgen sollte, muss eine erneute Berichtigung vorgenommen werden.
Hinweis:
Das Feststehen der Nichtzahlung des Kunden sollte entsprechend dokumentiert werden z.B. durch Schriftverkehr mit dem Kunden. Daher ist eine rechtzeitige Kontaktaufnahme mit dem Kunden angezeigt.
b) Erstattung von Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungen
Wie oben unter Tz. 11 dargestellt, kann von betroffenen Unternehmen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ein Antrag auf zinslose Stundung gestellt werden. Voraussetzung sind akut vorhandene oder anstehende Liquiditätsengpässe. Daneben sehen viele Bundesländer auch die Erstattung von bereits getätigten Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungen vor, was einen Liquiditätsaufschub bedeutet. Dies gilt allerdings nicht generell, sondern regelmäßig nur für unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Stpfl.
Zum Hintergrund: Grundsätzlich müssen Unternehmer nach Ablauf eines jeden Monats als Voranmeldungszeitraums bis zum 10. des Folgemonats ihre Umsatzsteuer-Voranmeldungen an das Finanzamt übermitteln und die errechnete Umsatzsteuer abführen. Auf Antrag kann den Unternehmen eine Dauerfristverlängerung um einen Monat gewährt werden. Bei Unternehmen mit monatlichem Voranmeldungszeitraum ist dies jedoch von der Leistung einer Sondervorauszahlung abhängig, welche 1/11 der Summe der Vorauszahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr beträgt und bei der letzten Voranmeldung des Jahres angerechnet wird. Zur Schaffung von Liquidität wird diese Sondervorauszahlung in einigen Bundesländern den Unternehmen wieder zur Verfügung gestellt werden, was im Ergebnis eine Liquiditätsentlastung bis zur Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2020 bedeutet.
So setzen z.B. die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen auf Antrag die Sondervorauszahlungen für Dauerfristverlängerungen bis auf Null fest. Um eine schnelle Bearbeitung des Antrags zu gewährleisten, empfiehlt das Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen diesen Unternehmern die Verwendung des bekannten Vordrucks „Antrag auf Dauerfristverlängerung – Anmeldung der Sondervorauszahlung” (USt 1 H). Der Antrag kann mit ELSTER erstellt und dem Finanzamt übermittelt werden. Auszufüllen ist die Zeile 22 mit einer „1” (berichtigter Antrag) und die Zeile 24 (Basis für die Berechnung der Sondervorauszahlung). Die Eintragung in Zeile 24 mit „0” führt zu einer vollständigen Erstattung der Sondervorauszahlung.
Vergleichbares gilt in anderen Bundesländern.
Hinweis:
Der aktuelle Stand solcher Hilfen ist zu beobachten. Hinweise geben die Internetseiten der jeweiligen Finanzministerien der Länder. Vorteilhaft ist die einfache und schnelle Abwicklung dieser Hilfen über die bewährten Verfahren zur elektronischen Anmeldung der Sondervorauszahlung bzw. in einzelnen Bundesländern einen formlosen Antrag an das Finanzamt.
33 Verzicht auf Säumniszuschläge und Vollstreckungsmaßnahmen
Wird dem Finanzamt auf Grund Mitteilung des Vollstreckungsschuldners oder auf andere Weise bekannt, dass der Vollstreckungsschuldner unmittelbar und nicht unerheblich (von der Corona-Pandemie) betroffen ist, soll bis zum 31.12.2020 von Vollstreckungsmaßnahmen bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern abgesehen werden.
In den betreffenden Fällen werden Säumniszuschläge für diese Steuern zum 31.12.2020 erlassen.
Hinweis:
Auch in diesen Fällen sollte möglichst rasch mit dem zuständigen Finanzamt Kontakt aufgenommen werden.
34 Steuerfreiheit für „Corona-Prämien”
Angekündigt ist eine Steuerfreiheit für Corona-Prämien bis zu 1 500 €. Dies soll Prämien betreffen, die Arbeitgebern besonders durch die Corona-Pandemie belasteten Arbeitnehmern zahlen wollen, wie Pflegekräften, Krankenhausärzten oder Kräften im Supermarkt.
Aktuell stand die genaue Ausgestaltung noch nicht fest. Die Prämien sollen auch sozialversicherungsfrei sein.
35 Steuerliche Pflichten, Fristverlängerungen
Die generellen Pflichten zur pünktlichen Abgabe z.B. von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen bleiben unverändert bestehen. Dies gilt auch für Unternehmen, die massiv von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen sind. Sollten betriebliche Abläufe wegen Quarantänemaßnahmen massiv gestört sein, können Anträge auf Fristverlängerung gestellt werden. In diesen Fällen sollte rechtzeitig mit der Finanzverwaltung Kontakt aufgenommen werden.
Die Finanzverwaltung hat allerdings angekündigt, dass individuell gesetzte Fristen des Finanzamtes z.B. für Anforderung von Unterlagen oder Rückfragen „großzügig” verlängert werden.
Hinweis:
Auch in diesen Fällen muss möglichst rasch mit dem zuständigen Finanzamt Kontakt aufgenommen werden.