Mandantenrundschreiben 07/2020
Für alle Steuerpflichtigen
1 Einkommensteuerliche Behandlung pauschaler Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenkasse
3 Keine begünstigte Handwerkerleistung für die Erschließung einer öffentlichen Straße
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
4 Erleichterter Zugang zur Kurzarbeit wird verlängert
5 Entfernungspauschale bei Zeitarbeitern
Für Unternehmer und Freiberufler
7 Corona-Überbrückungshilfe: 2. Phase September bis Dezember beschlossen
9 Rückstellung: Eigenbetriebliches Interesse schädlich?
10 Zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung
Für Personengesellschaften
13 Schenkungsteuer: Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs
14 Schenkung-/Erbschaftsteuer: Nicht begünstigtes „junges Verwaltungsvermögen“
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
15 Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebs- in das Privatvermögen
Für Hauseigentümer
17 Fahrtkosten zum Vermietungsobjekt
18 Unterlagen zu Airbnb-Vermietern liegen wohl der Finanzverwaltung vor
19 Nießbrauch an Gesellschaftsanteil bei einer Grundstücks-GbR
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
21 FG Münster zur Verfassungsmäßigkeit des § 8b Abs. 3 Satz 1 und des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG
23 Fremdvergleich bei unverhältnismäßig hohen Geschäftsführervergütungen
1 Einkommensteuerliche Behandlung pauschaler Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenkasse
Der BFH hat nun mit Urteilen vom 6.5.2020 (Aktenzeichen X R 16/18 und X R 30/18) den in der Praxis häufig vorkommenden Fall entschieden und klargestellt, dass die von einer gesetzlichen Krankenkasse gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten auch bei pauschaler Ausgestaltung keine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung darstellt, sofern durch sie konkreter, der jeweiligen Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Stpfl. ganz oder teilweise ausgeglichen wird.
Voraussetzung für die Erlangung des Bonus war, dass mindestens vier bonifizierbare Aktivitäten gemäß der Satzung der Krankenkasse (u.a. für die Inanspruchnahme regelmäßiger Leistungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten) im Kalenderjahr durchgeführt wurden. Der Gesamtbonus war auf 300 € jährlich begrenzt. Der Nachweis war durch ein sog. Bonusheft zu führen.
Der BFH differenziert hinsichtlich solcher Bonuszahlungen nun folgendermaßen:
- Der Bonus wird – anders als bei klassischen Beitragserstattungen oder bei Prämien für Wahltarife – nicht etwa gezahlt, weil bestimmte Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen oder durch einen Selbstbehalt wirtschaftlich selbst getragen wurden, sondern – letztlich umgekehrt – gerade weil der Versicherte bestimmte auf dem Gebiet der Gesundheitsprävention und des Gesundheitsbewusstseins liegende Maßnahmen und Aktivitäten ergriffen hat.
- Demgemäß stehen satzungsgemäße Boni in diesem Sinne dann nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basiskrankenversicherungsschutzes, wenn durch den jeweiligen Bonus eigene Kosten des Versicherten für die Inanspruchnahme entsprechender Gesundheitsmaßnahmen und Aktivitäten ausgeglichen werden. In diesem Fall wird durch den Bonus nicht nachträglich die Gegenleistung des Versicherten für die Erlangung seines Versicherungsschutzes herabgesetzt, so dass die hierauf bezogene wirtschaftliche Belastung unverändert bleibt. Nicht erforderlich ist hierbei, dass der pauschale Bonus exakt den tatsächlichen Aufwand des Versicherten abdeckt.
- Dies gilt auch, wenn Anlass für eine Bonuszahlung der Nachweis gesundheitsbewussten Verhaltens ist, so z.B. Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einem Fitness-Studio. Voraussetzung hierfür ist allerdings ebenfalls, dass der Versicherte finanzielle Aufwendungen trägt, die konkret auf die Inanspruchnahme der jeweils geförderten Gesundheitsmaßnahme zurückzuführen sind. Auch insoweit steht der Bonus nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Krankenversicherungsschutzes, sondern gleicht – wenn ggf. auch nur zum Teil – Kosten des Versicherten für die gesetzlich als förderungswürdig qualifizierte Gesundheitsmaßnahme aus.
- Nimmt der Stpfl. dagegen gesundheitliche Vorsorge- oder Schutzmaßnahmen in Anspruch, die Bestandteil des Basiskrankenversicherungsschutzes sind (z.B. Leistungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten oder Zahnvorsorgeuntersuchungen), fehlt es an eigenem – einer solchen Maßnahme konkret zuzuordnenden – Gesundheitsaufwand, der durch einen hierfür gezahlten Bonus ausgeglichen werden könnte. Wird der Stpfl. trotz oder gerade wegen der Inanspruchnahme solcher Versicherungsleistungen noch durch einen Bonus wirtschaftlich entlastet, stellt sich dies für ihn als Beitragserstattung dar. Die insoweit gezahlten Boni sind mit den Krankenversicherungsbeiträgen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs zu verrechnen.
- Gleiches gilt für Boni, die auf Grund des Nachweises eines aufwandsunabhängigen Verhaltens oder Unterlassens (z.B. gesundes Körpergewicht, Nichtraucherstatus) gezahlt werden. Auch insoweit ist ein Bonus nicht geeignet, eigenen Gesundheitsaufwand des Stpfl. auszugleichen.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis sind die einzelnen Modelle also zu differenzieren. Wichtig ist, dass die Bescheinigungen der Krankenkassen und die insoweit von den Krankenkassen an die FinVerw übermittelten Daten nicht maßgebend sind.
2 Bau-/Handwerkerleistungen vor dem Hintergrund des Auslaufens der Umsatzsteuerabsenkung zum 31.12.2020
Bei Privatpersonen stellt die Umsatzsteuer aus bezogenen Lieferungen und Leistungen eine endgültige Belastung dar. Gleiches gilt auch bei unternehmerisch tätigen Stpfl., die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wie bspw. Ärzte, Physiotherapeuten oder bei der Wohnungsvermietung. Daher sollte im Hinblick auf das Auslaufen der zeitlich befristeten Umsatzsteuerabsenkung zum 31.12.2020 geprüft werden, ob und wie die bis dahin noch geltenden abgesenkten Umsatzsteuersätze noch genutzt werden können. Herauszustellen sind an dieser Stelle vor allem bezogene Bauleistungen/Handwerkerleistungen, die oftmals ein großes Volumen erreichen. So wird z.B. aktuell auf eine Baumaßnahme über einen Nettowert von 20 000 € eine Umsatzsteuer von 3 200 € fällig; ab dem 1.1.2021 beträgt die Umsatzsteuer dann 3 800 €.
Hinsichtlich des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Bei einer Werklieferung und einer Werkleistung (z.B. Beratungsleistung, Handwerkerleistung, Dienstleistung) kommt es auf den Abschluss der Arbeiten und die Abnahme durch den Erwerber an. Dies gilt auch, wenn Leistungsbeginn für eine Werkleistung oder Dienstleistung bereits vor dem 1.7.2020 ist, die Leistung jedoch erst nach dem 30.6.2020 beendet bzw. abgenommen wird. Entsprechendes gilt dann in Bezug auf das Auslaufen der Steuersatzabsenkung zum 31.12.2020. Unmaßgeblich ist der Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Ausstellung der Rechnung und der Zahlung des Entgelts.
Handlungsempfehlung:
Der Abschluss der Leistung bzw. die Abnahme sollte z.B. in einem Abnahmeprotokoll dokumentiert werden.
Hinweis:
Wichtig für den Handwerker ist, dass dieser ausdrücklich einen Leistungspreis „zzgl. der gesetzlichen Umsatzsteuer” vereinbart, damit nicht die Gefahr eintritt, dass bei einer Verzögerung der Fertigstellung der dann wieder höhere Umsatzsteuersatz an den Kunden zivilrechtlich nicht weitergegeben werden kann.
Da zeitlich umfangreiche Bau-/Handwerkerleistungen oftmals bis zum 31.12.2020 nicht mehr abgeschlossen werden können, ist zu prüfen, ob Werklieferungen und Werkleistungen wirtschaftlich teilbar sind und in Teilleistungen erbracht werden können und damit zumindest ein Teil der Gesamtsumme noch den abgesenkten Umsatzsteuersätzen unterliegt.
Auf Teilleistungen, die vor dem 1.1.2021 erbracht werden, sind die bis zum 31.12.2020 geltenden Umsatzsteuersätze von 16 % bzw. 5 % anzuwenden.
Vor dem 1.1.2021 erbrachte Teilleistungen liegen aber nur vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es muss sich um einen wirtschaftlich abgrenzbaren Teil einer Werklieferung oder Werkleistung handeln.
- Der Leistungsteil muss, wenn er Teil einer Werklieferung ist, vor dem 1.1.2021 abgenommen worden sein; ist er Teil einer Werkleistung, muss er vor dem 1.1.2021 vollendet oder beendet worden sein.
- Vor dem 1.1.2021 muss vereinbart worden sein, dass für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung entsprechende Teilentgelte zu zahlen sind. Sind für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung zunächst keine Teilentgelte gesondert vereinbart worden, muss die vertragliche Vereinbarung vor dem 1.1.2021 entsprechend geändert werden.
- Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden.
Die Abrechnung von Teilleistungen setzt stets voraus, dass die Gesamtleistung nach wirtschaftlicher Betrachtung teilbar ist. Insoweit muss der Einzelfall betrachtet werden. Wichtige Fälle sind nach einer Zusammenstellung der FinVerw:
Art der Arbeit | Teilungsmaßstäbe |
Anschlüsse an Entwässerungs- und Versorgungsanlagen | Aufteilung erfolgt je Anlage |
Bodenbelagarbeiten | Aufteilung je Wohnung oder Geschoss |
Fliesen- und Plattenlegerarbeiten | Aufteilung nach Bädern oder Küchen ist im Regelfall zulässig. |
Gas-, Wasser- und Abwasserinstallation | Bei der Installation z.B. von Waschbecken, Badewannen und WC-Becken kann eine stückweise Aufteilung erfolgen. |
Glaserarbeiten | Aufteilung je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig. |
Heizungsanlagen | Bei selbständigen Etagenheizungen kann nach Wohnungen aufgeteilt werden. |
Maler- und Tapezierarbeiten | Die Aufteilung nach Wohnungen ist im Regelfall zulässig. Eine raumweise Aufteilung wird regelmäßig nicht anerkannt, wenn die Arbeiten untrennbar ineinanderfließen. |
Maurer- und Betonarbeiten | Bei Neubauten können Teilleistungen im Allgemeinen nur haus- oder blockweise bewirkt werden. Insbesondere bei herkömmlicher Bauweise und bei Skelettbauweise kann eine geschossweise Aufteilung grundsätzlich nicht zugelassen werden. |
Naturwerkstein- und Beton-Werksteinarbeiten | Bei Objekten, die miteinander nicht verbunden sind, kann eine stückweise Aufteilung vorgenommen werden. |
Putz- und Stuckarbeiten (innen) | Aufteilung nach Wohnungen oder Geschossen |
Schlosserarbeiten | Aufteilung je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig (z.B. je Balkongitter). |
Tischlerarbeiten | Aufteilung je nach Art der Arbeit im Regelfall stückweise zulässig (z.B. je Tür und Fenster). |
Hinweis:
Selbstverständlich sind im Hinblick auf die Abnahme von (Teil-)Leistungen nicht nur steuerliche Aspekte zu beachten. Soweit Mängel vorhanden sind oder kleinere Restarbeiten noch ausstehen, sollte dies in dem Abnahmeprotokoll unbedingt vermerkt werden.
Teilleistungen können auch bei Architekten- und Ingenieurverträgen beauftragt werden. Im Regelfall wird die Leistung eines Architekten bzw. Fachingenieurs für verschiedene Leistungsphasen des Bauvorhabens beauftragt (z.B. Entwurfs-, Genehmigungs- und Ausführungsplanung). Werden mehrere Leistungsphasen der HOAI als einheitliche Leistung beauftragt, erfolgt die Abnahme der Architektenleistung erst mit der letzten Handlung des Architekten aus der letztbeauftragten Leistungsphase. Umsatzsteuerlich bedeutet dies, dass die Leistung des Architekten erst zu diesem Zeitpunkt erbracht ist und der in diesem Zeitpunkt geltende Umsatzsteuersatz für die Besteuerung der gesamten Architektenleistung maßgeblich ist. Möglich ist aber auch die separate Beauftragung der einzelnen Leistungsphasen. Dann liegen Teilleistungen im umsatzsteuerlichen Sinne vor, die mit dem Umsatzsteuersatz belastet werden, der bei Beendigung der einzelnen Teilleistung gültig ist.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass
- Handwerker bei der Erstellung von Angeboten bzw. Auftragsbestätigungen darauf achten sollten, dass die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer an den Kunden weiterberechnet werden kann und
- Handwerker und Kunden gemeinsam Möglichkeiten der Erbringung von Teilleistungen prüfen sollten, um von den noch abgesenkten Umsatzsteuersätzen profitieren zu können.
3 Keine begünstigte Handwerkerleistung für die Erschließung einer öffentlichen Straße
Der BFH hat mit Urteil vom 28.4.2020 (Aktenzeichen VI R 50/17) entschieden, dass die Erschließung einer öffentlichen Straße nicht im räumlich-funktionalen Zusammenhang zum Haushalt des Stpfl. steht, der auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zum Erschließungsbeitrag herangezogen wird. Daher liegt insoweit keine Handwerkerleistung vor, die zu einer Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer führt.
Entscheidend ist, dass die Steuerermäßigung voraussetzt, dass die Leistung für den Haushalt des Stpfl. in Anspruch genommen wird. Nach der Rechtsprechung wird der Begriff „im Haushalt” räumlich-funktional ausgelegt. Deshalb werden die Grenzen des Haushalts nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Dies wurde z.B. bejaht, wenn der Haushalt des Stpfl. an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.
Für den Streitfall bestätigt der BFH aber die Würdigung des Finanzgerichts, die Arbeiten an der Straße seien – im Gegensatz zu solchen an einer individuellen Grundstückszufahrt ab der Abzweigung von der eigentlichen Straße – nicht grundstücks- und damit nicht haushaltsbezogen. Insbesondere fehle es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang der Leistung mit dem Haushalt des Stpfl., da die Erschließung der Straße einer Vielzahl an Nutzern zugutekomme. Die Abrechnung anhand der Grundstücksfläche und einem Nutzungsfaktor ändert an der fehlenden räumlich-funktionalen Beziehung zum Haushalt nichts. Dies dient lediglich der Verteilung der nach Abzug des Gemeindeanteils verbleibenden Gesamtkosten auf die Beitragspflichtigen und führt insbesondere nicht dazu, dass der einzelne Anlieger für das vor seinem Grundstück verlaufende Straßenstück zahlt.
Hinweis:
Insoweit setzt der BFH also gewisse Grenzen für die begünstigten Handwerkerleistungen. Nach wie vor sind allerdings noch Abgrenzungsfragen ungeklärt.
4 Erleichterter Zugang zur Kurzarbeit wird verlängert
Die bislang bis Ende 2020 befristeten Regelungen zum vereinfachten und erhöhten Bezug von Kurzarbeitergeld sollen bis zum Ende 2021 verlängert werden. Aktuell liegen hierzu Entwürfe der Bundesregierung vor.
Insbesondere werden folgende Sonderregelungen bis Ende des Jahres 2021 verlängert:
- Die Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 70 % bzw. 77 % (Beschäftigte mit mindestens einem Kind) ab dem vierten Monat und auf 80 %/87 % ab dem siebten Monat wird bis zum 31.12.2021 verlängert für alle Beschäftigten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31.3.2021 entstanden ist. Die Berücksichtigung der Bezugsmonate von Kurzarbeitergeld gilt seit dem 1.3.2020.
- Die bestehenden befristeten Hinzuverdienstregelungen werden insoweit bis zum 31.12.2021 verlängert; das Entgelt aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung, die während der Kurzarbeit aufgenommen wurde, bleibt anrechnungsfrei. Für während der Kurzarbeit aufgenommene Nebenbeschäftigungen wird die vollständige Anrechnung des Entgelts auf das Kurzarbeitergeld befristet bis zum 31.12.2020 ausgesetzt, was nun aber dann ausläuft.
- Zudem wird der Anreiz, Zeiten des Arbeitsausfalls für die berufliche Weiterbildung zu nutzen, dadurch weiter gestärkt, dass die für diese Fälle geregelte hälftige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr daran geknüpft wird, dass die Qualifizierung mindestens 50 % der Zeit des Arbeitsausfalls betragen muss.
Die Zugangserleichterungen werden bis zum 31.12.2021 verlängert für Betriebe, die bis zum 31.3.2021 Kurzarbeit eingeführt haben:
- Damit gilt weiterhin, dass ein Betrieb bereits Kurzarbeit anmelden kann, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten in der Firma von einem Arbeitsausfall von über 10 % betroffen sind.
- Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes wird weiterhin vollständig verzichtet. Vor der Pandemie galt die Regel, dass Betriebe mit Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen diese auch nutzen müssen, um Kurzarbeit zu vermeiden.
- Die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer wird bis zum 31.12.2021 verlängert für Verleihbetriebe, die bis zum 31.3.2021 Kurzarbeit eingeführt haben.
Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge:
- Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit wird bis 30.6.2021 verlängert.
- Vom 1.7.2021 bis 31.12.2021 werden die Sozialversicherungsbeiträge zu 50 % erstattet, wenn mit der Kurzarbeit bis 30.6.2021 begonnen wurde.
Die höchstmögliche Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld wird ein weiteres Mal verlängert: für Betriebe, die mit der Kurzarbeit bis zum 31.12.2020 begonnen haben, auf bis zu 24 Monate, längstens jedoch bis zum 31.12.2021.
Hinweis:
Ebenso soll die Steuerfreiheit für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld zur Aufstockung auf bis zu 80 % verlängert werden bis einschließlich für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem 1.1.2022 enden. Bislang war vorgesehen, dass diese Steuerfreiheit Ende 2020 auslaufen sollte.
5 Entfernungspauschale bei Zeitarbeitern
Kosten für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte können nicht nach Reisekostengrundsätzen (0,30 € je gefahrenem Kilometer), sondern nur nach Grundsätzen der Entfernungspauschale (0,30 € je Entfernungskilometer) angesetzt werden. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber bestimmen, wo die erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers liegen soll. Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn der Arbeitnehmer einer solchen Tätigkeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist. Ist der Arbeitnehmer nur vorübergehend einer Tätigkeitsstätte zugeordnet, begründet er dort keine erste Tätigkeitsstätte.
Fraglich ist, wie bei Zeitarbeitnehmern Wege zwischen Wohnung und Einsatzort steuerlich anzusetzen sind, da diese ja oftmals nur befristet an einem bestimmten Einsatzort tätig werden. Hierzu hat nun das FG Niedersachsen mit Urteil vom 28.5.2020 (Aktenzeichen 1 K 382/16) eine Entscheidung getroffen.
Im Urteilsfall war streitig, ob der Stpfl. seine Aufwendungen im Zusammenhang mit seinen Fahrten mit dem Pkw zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeit im Streitjahr 2014 nur mit der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Der Stpfl. befand sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Zeitarbeitsunternehmen A. Nach seinem Arbeitsvertrag sollte der Stpfl. als überbetrieblicher Mitarbeiter bei Kunden von A eingesetzt werden, ohne dass dadurch ein Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Kunden begründet werden sollte. Eingesetzt war der Stpfl. dann vereinbarungsgemäß ab Vertragsbeginn im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu A ausschließlich und durchgängig als CNC-Fräser bei B. Das Leiharbeitsverhältnis des Stpfl. war nach den zwischen B (Entleiher) und A (Verleiher) geschlossenen Vereinbarungen befristet. Der weitere Einsatz des Stpfl. bei B war also davon abhängig, dass B nach Ablauf der jeweiligen Frist mit A ein weiteres (befristetes) Leiharbeitsverhältnis begründete. Dies ist bis über das Streitjahr hinaus stets geschehen. Der Stpfl. fuhr arbeitstäglich mit seinem privaten Pkw von seiner Wohnung zu B.
Das FG kommt zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitnehmer, der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem Zeitarbeitsunternehmen steht, für seine Wege zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte auch dann nur die Entfernungspauschale geltend machen kann, wenn das Zeitarbeitsunternehmen mit dem Entleiher des Arbeitnehmers eine Befristung der Tätigkeit vereinbart hat. Dies folge daraus, dass die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer dauerhaften Zuordnung nicht ausschließt. Insbesondere steht der dem Direktionsrecht des Arbeitgebers geschuldete allgemeine Vorbehalt der jederzeitigen Umsetzung oder Versetzung im Arbeitsvertrag einer dauerhaften Zuordnung an sich nicht entgegen.
Im Ergebnis hing der Einsatz des Stpfl. bei B zwar davon ab, dass B das Leiharbeitsverhältnis nach Ablauf der jeweils mit A vereinbarten Frist fortsetzte. Damit ging es dem Stpfl. aber nicht anders als einer Vielzahl von Arbeitnehmern, deren Einsatz z.B. von der Auftragslage des Arbeitgebers abhängt.
Handlungsempfehlung:
Abzuwarten bleibt nun das Revisionsverfahren gegen diese Entscheidung, welches unter dem Aktenzeichen VI R 32/20 beim BFH anhängig ist. Die Argumentation des FG macht aber auch deutlich, dass die Beurteilung vom Einzelfall abhängt, also in anderen Fällen auch eine andere rechtliche Würdigung angezeigt sein kann.
6 Doppelte Haushaltsführung: Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz, Einrichtungsgegenstände und Hausrat
Im Rahmen einer steuerlich anerkannten doppelten Haushaltsführung können Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft nur mit höchstens 1 000 € im Monat angesetzt werden. Strittig ist erneut die Abgrenzung dieser nur begrenzt ansetzbaren Kosten. Mit Urteil vom 20.5.2020 (Aktenzeichen 2 K 1251/17) hat nun das FG des Saarlandes entschieden, dass Aufwendungen für einen separat angemieteten Pkw-Stellplatz, Einrichtungsgegenstände und Hausrat nicht unter diese begrenzt abzugsfähigen Kosten für die Unterkunft fallen.
Ein Pkw-Stellplatz ist nach den Ausführungen des Finanzgerichts – selbst, wenn es sich, wie im Streitfall, um einen Garagenstellplatz handelt – keine Unterkunft. Aufwendungen für einen Pkw-Stellplatz werden nicht für die Nutzung der Unterkunft aufgewendet, sondern für die Nutzung des Pkw-Stellplatzes. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn „Unterkunft” und „Pkw-Stellplatz” eine untrennbare Einheit bildeten, wenn also die Nutzung der Unterkunft nicht ohne Aufwendungen für die Nutzung eines Stellplatzes möglich wäre.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis müssen die einzelnen Kosten also sorgfältig aufgezeichnet und abgegrenzt werden.
7 Corona-Überbrückungshilfe: 2. Phase September bis Dezember beschlossen
Mit der Überbrückungshilfe stand kleinen und mittelständischen Unternehmen, die unmittelbar oder mittelbar durch Corona-bedingte Auflagen oder Schließungen betroffen waren, für die Monate Juni bis August 2020 (Phase 1) eine Liquiditätshilfe bereit. Die Antragsfrist für diese erste Phase endete nach nochmaliger Verlängerung am 9.10.2020.
Nun wurde eine zweite Phase der Corona-Überbrückungshilfe beschlossen. Diese umfasst die Fördermonate September bis Dezember 2020. Anträge für diese zweite Phase können ab Oktober 2020 gestellt werden. Die Bedingungen wurden vereinfacht und abgesenkt und die Förderung ausgeweitet. Als wesentliche Änderungen sind herauszustellen:
- Flexibilisierung der Eintrittsschwelle: Zur Antragstellung berechtigt sind künftig Antragsteller, die entweder
- einen Umsatzeinbruch von mindestens 50 % in zwei zusammenhängenden Monaten im Zeitraum April bis August 2020 gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten oder
- einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 % im Durchschnitt in den Monaten April bis August 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet haben.
- Förderbeträge für kleine und Kleinstunternehmen: Die Begrenzung der Förderung für Unternehmen bis zehn Beschäftigte auf maximal 15 000 € wird gestrichen.
- Erhöhung der Fördersätze: Die Förderung für Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit nahezu vollständig zum Erliegen gekommen ist, werden künftig mit höheren Fördersätzen unterstützt. Dies betrifft zum Beispiel die Veranstaltungs- und Schaustellerbranche. Bislang wurden bis zu 80 % der Fixkosten erstattet, dies wird nun auf bis zu 90 % erhöht. In der Phase September bis Dezember 2020 werden folgende Fixkosten erstattet:
Umsatzrückgang (im Fördermonat gegenüber Vorjahresmonat)
Erstattung als Überbrückungshilfe
Zwischen 30 % und unter 50 % (bisher mindestens 40 %)
40 % der förderfähigen Fixkosten
Zwischen 50 % und 70 %
60 % der förderfähigen Fixkosten (bisher 50 %)
Mehr als 70 %
90 % der förderfähigen Fixkosten (bisher 80 %)
- Die Personalkostenpauschale von 10 % der förderfähigen Kosten wird auf 20 % erhöht. Im Übrigen bleibt es dabei, dass Personalkosten grds. nicht erstattet werden, da insoweit das Instrument des Kurzarbeitergeldes eingesetzt werden kann.
- Bei der Schlussabrechnung auf Basis der tatsächlich erzielten Umsätze und der tatsächlich angefallenen Kosten sollen künftig Nachzahlungen ebenso möglich sein wie Rückforderungen.
Handlungsempfehlung:
Wie in der ersten Phase wird das Antragsverfahren durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer durchgeführt und über eine digitale Schnittstelle direkt an die EDV der Bewilligungsstellen der Bundesländer übermittelt. Nunmehr können aber auch Rechtsanwälte Anträge stellen. Unternehmen, die für die Corona-Überbrückungshilfe in Frage kommen, sollten frühzeitig mit ihrem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt Kontakt aufnehmen und prüfen, ob eine Förderung in Frage kommt und sinnvoll ist.
Hinweis:
Sowohl für Überbrückungshilfen der Phase I als auch der Phase II erfolgt später eine Schlussabrechnung, so dass möglicherweise bereits ausgezahlte Zuschüsse zurückzuzahlen sind. In der Schlussabrechnung erfolgt eine Berechnung auf Basis der endgültigen Umsatzzahlen und der endgültigen Fixkosten im Förderzeitraum. Insoweit sollten frühzeitig Kontrollrechnungen angestellt werden, um das Ergebnis der Schlussabrechnung abschätzen zu können.
Des Weiteren ist zu beachten, dass das Bundesprogramm in den einzelnen Bundesländern teilweise ergänzt wird. So werden insbesondere teilweise branchenspezifische Besonderheiten erfasst. Ebenso wird aktuell auf Bundesebene eine weitergehende Ausdehnung der Corona-Überbrückungshilfe diskutiert. Dies ist derzeit aber noch ungewiss.
8 Bilanzielle Behandlung der Kosten der erstmaligen Implementierung einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung
Elektronische Kassensysteme müssen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) geschützt werden. Die FinVerw hat sich nun mit Schreiben vom 21.8.2020 (Aktenzeichen IV A 4 – S 0316-a/19/10006:007) zur bilanzsteuerlichen Behandlung der Kosten der Implementierung von TSE und einheitlicher digitaler Schnittstelle geäußert. Insoweit gilt Folgendes:
- Die aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle bestehenden TSE werden in verschiedenen Ausführungen angeboten. Das Sicherheitsmodul gibt der TSE dabei ihr Gepräge. Zu den TSE-Ausführungen gehören z.B. USB-Sticks oder (micro)SD-Karten. Darüber hinaus werden auch Ausführungen angeboten, bei denen die TSE in ein anderes Gerät, z.B. Drucker oder elektronisches Aufzeichnungssystem, verbaut wird. Schließlich gibt es noch Hardware zur Einbindung mehrerer TSE über ein lokales Netzwerk (sog. „LAN-TSE” oder Konnektoren) und sog. Cloud-TSE.
- Eine TSE stellt nach Ansicht der FinVerw sowohl in Verbindung mit einem Konnektor als auch als USB-Stick, (micro)SD-Card u.ä. ein selbständiges Wirtschaftsgut dar, das aber nicht selbständig nutzbar ist. Die Aufwendungen für die Anschaffung der TSE sind daher zu aktivieren und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von drei Jahren abzuschreiben. Ein Sofortabzug als geringwertiges Wirtschaftsgut oder die Bildung eines Sammelpostens scheiden mangels selbständiger Nutzbarkeit aus.
- Nur wenn die TSE direkt als Hardware fest eingebaut wird, geht ihre Eigenständigkeit als Wirtschaftsgut verloren. Die Aufwendungen sind als nachträgliche Anschaffungskosten des jeweiligen Wirtschaftsguts zu aktivieren, in das die TSE eingebaut wurde, und über dessen Restnutzungsdauer abzuschreiben.
- Laufende Entgelte, die für sog. Cloud-Lösungen zu entrichten sind, sind regelmäßig sofort als Betriebsausgaben abziehbar.
- Die einheitliche digitale Schnittstelle umfasst die Schnittstelle für die Anbindung der TSE an das elektronische Aufzeichnungssystem sowie die digitale Schnittstelle der FinVerw für Kassensysteme (DSFinV-K). Die Aufwendungen für die Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle sind Anschaffungsnebenkosten des Wirtschaftsgutes „TSE”.
Von besonderer Bedeutung ist nun für die Praxis die folgende Vereinfachungsregelung: Die FinVerw beanstandet es aus Vereinfachungsgründen nicht, wenn die Kosten für die nachträgliche erstmalige Ausrüstung bestehender Kassen oder Kassensysteme mit einer TSE und die Kosten für die erstmalige Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle eines bestehenden elektronischen Aufzeichnungssystems in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Handlungsempfehlung:
Die Implementierung der TSE sollte sorgfältig dokumentiert werden durch Rechnung und entsprechendes Zertifikat/Bescheinigung des Herstellers.
9 Rückstellung: Eigenbetriebliches Interesse schädlich?
Der BFH hatte die insbesondere für die Bauwirtschaft wichtige Frage zu klären, ob Rückstellungen für die mit der Auflösung von Baustellenlagern verbundenen Aufwendungen zu bilden waren. Die Stpfl. war im Wesentlichen im Spezialgerüstbau für Großindustrieanlagen tätig. Mit den Betreibern dieser Anlagen schloss sie jeweils Rahmenverträge mit einer Laufzeit von regelmäßig drei Jahren. Auf dieser Grundlage vereinbarte sie mit den jeweiligen Auftraggebern Einzelverträge („Abrufe”) über konkret zu erbringende Gerüstbauarbeiten. In den Rahmenverträgen waren Entgelte für die Erstellung von Gerüsten vereinbart, die überwiegend nach der Größe bemessen waren. Mit diesen Entgelten waren auch der An- und Abtransport des Gerüstmaterials, dessen Vorhaltung, die Baustelleneinrichtung sowie die Montage und die Demontage der Gerüste abgegolten. Die Abrechnung der Arbeiten mit dem jeweiligen Auftraggeber und die gewinnerhöhende Erfassung der Entgelte bei der Stpfl. erfolgte jeweils nach Abwicklung der Einzelaufträge.
Um der Vorhalteverpflichtung nachzukommen und die geschuldeten Arbeiten zeitnah ausführen zu können, errichtete die Stpfl. in zahlreichen Fällen mit Zustimmung des jeweiligen Auftraggebers auf dem Gelände der Industrieanlagen Materiallager, in denen sich die für die Abwicklung der Aufträge benötigten Materialbestände sowie weitere Betriebs- und Geschäftsausstattung (u.a. Container für Büroarbeiten und für die Unterbringung von Arbeitnehmern, Trecker, Anhänger und Gabelstapler etc. für den Transport des Gerüstmaterials auf der Baustelle) befanden.
Mit den Rahmenverträgen verpflichtete sich die Stpfl. regelmäßig gegenüber ihren Auftraggebern, von diesen zur Verfügung gestellte Lager- und Arbeitsplätze sowie Zufahrtswege in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten bzw. wieder in den Zustand zu versetzen, in dem sie der Stpfl. zu Beginn des Vertrages zur Verfügung gestellt worden waren.
Ab dem Jahre 2004 erfasste die Stpfl. eine (nach der Laufzeit der Rahmenverträge abgezinste) Rückstellung für den bei Auslaufen der Rahmenverträge erforderlichen Abtransport des auf der jeweiligen Baustelle befindlichen Materials. Die Bemessung der Rückstellung nahm die Stpfl. in der Weise vor, dass sie zum jeweiligen Bilanzstichtag den auf der Baustelle gelagerten Materialbestand erfasste und hiervon ausgehend eine Kalkulation der Personalkosten im Zusammenhang mit der Rückführung des Materials ins Zentrallager nach Y sowie der Kosten für den Transport vornahm.
Das Finanzamt erkannte die Rückstellungen nicht an. Dies bestätigte nun im Ergebnis der BFH mit Urteil vom 22.1.2020 (Aktenzeichen XI R 2/19). Im Wesentlichen begründet das Gericht die Entscheidung wie folgt:
- Der Ansatz einer (steuerlich wirksamen) Verbindlichkeitsrückstellung setzt eine Verpflichtung voraus, die gegenüber einer dritten Person besteht (sog. Außenverpflichtung) und als erzwingbarer Anspruch eine wirtschaftliche Belastung darstellt.
- Auch wenn eine solche Außenverpflichtung besteht, kann diese jedoch im Einzelfall durch die eigenen Interessen des Unternehmers überlagert werden (sog. eigenbetriebliches Interesse als wirtschaftlich auslösendes Moment der Belastung). Dann liege – so das Gericht – bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Aufwandsrückstellung vor, die steuerlich nicht angesetzt werden darf.
- Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall an, scheidet der Ansatz einer Rückstellung für die Räumung und den Abtransport des (Gerüstbau-)Materials aus.
- Vorliegend nahm das eigenbetriebliche Interesse der Stpfl. an der Auflösung des (jeweiligen) Materiallagers an den Baustellen und der Rückführung des (für die weitere Betriebsfortführung der Stpfl. notwendigen) Materials in das Zentrallager der Stpfl. eine wirtschaftliche Bedeutung ein, die den Umstand der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Räumung des jeweiligen Grundstücks vollen Umfangs überlagerte. Gerade mit Blick auf den Leistungsgegenstand der Einzelverträge („Abrufe”), der insbesondere An- und Abtransport und Montage und Demontage am Bauobjekt beinhaltete, lag das Einrichten des Materiallagers auf dem Grundstück für künftige Verwendungen im Interesse der Stpfl. und die Grundstücksräumung wies einen untrennbaren Zusammenhang mit dem (Rück-)Transport der eigenen Materialien in das Zentrallager der Stpfl. auf. Auch sei ein Gerüstbauunternehmen darauf angewiesen, Gerüstbaumaterialien und Betriebs- und Geschäftsausstattung für Folgeaufträge wieder zur Verfügung zu haben.
Hinweis:
Dies ist eine weitere Facette bei der Abgrenzung von steuerlich zulässigen Verbindlichkeitsrückstellungen. Die Abgrenzung ist in der Praxis oftmals schwierig. Dies zeigt, dass der Einzelfall sehr sorgfältig zu würdigen und zu dokumentieren ist.
10 Zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung
a) Anschrift des leistenden Unternehmers
Eingangsrechnungen berechtigen nur dann zum Vorsteuerabzug, wenn diese die gesetzlich geforderten Angaben enthalten. Danach muss eine Rechnung folgende Angaben enthalten – Vereinfachungen gelten insoweit bei Rechnungen über Kleinbeträge (bis 250,00 €):
- den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
- die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
- das Ausstellungsdatum,
- eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
- die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
- den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; bei Abschlagszahlungen den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
- das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
- den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
- insbesondere bei Bauleistungen, die an Privatpersonen erbracht werden: einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers, und
- in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten die Angabe „Gutschrift”.
In der Praxis führen diese Rechnungsanforderungen immer wieder zu Streitigkeiten mit der FinVerw und es droht eine Nichtanerkennung des Vorsteuerabzugs. Der BFH hatte sich in mehreren Urteilen zur Frage der „Anschrift des leistenden Unternehmers” geäußert und die FinVerw hat nun mit Schreiben des BMF vom 13.7.2020 (Aktenzeichen III C 2 – S 7280-a/19/10001:001) diese Rechtsprechung allgemein anerkannt. Insoweit gelten folgende Grundsätze:
- Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nicht voraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, sofern der leistende Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
- Diese Aussage hat der BFH dahingehend präzisiert, dass für die Prüfung des Rechnungsmerkmals „vollständige Anschrift” der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich ist. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfänger.
- Weiterhin hat der BFH entschieden, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug eine Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer erforderlich ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, demzufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Steuerverwaltungen die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts kontrollieren können.
Handlungsempfehlung:
Insbesondere der Nachweis der postalischen Erreichbarkeit des Leistenden unter der angegebenen Adresse ist in der Praxis vielfach schwierig. Bei Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen sollten entsprechende Nachweise dokumentiert werden.
b) Rückwirkende Rechnungsberichtigung
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine Rechnung nicht alle umsatzsteuerlich geforderten Anforderungen erfüllt, so ist zu prüfen, ob dieser Fehler geheilt werden kann. Dies kann entweder durch eine neu erstellte Rechnung erfolgen oder aber in einer Berichtigung der seinerzeit erstellten, aber nicht ausreichenden Rechnung. Der BFH bekräftigt aber seine Auffassung, wonach eine berichtigungsfähige Rechnung nur dann vorliegt, wenn das Dokument zumindest ausreichende Angaben zu Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt sowie gesondertem Umsatzsteuerausweis enthält. Ist dies gegeben, so wirkt die Berichtigung gemäß BFH auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung zwingend zurück. Andererseits wird aber auch herausgestellt, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug neben dem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch weiterhin den Besitz einer Rechnung voraussetzt.
In einem umfangreichen Schreiben vom 18.9.2020 (Aktenzeichen III C 2 – S 7286-a/19/10001:001) hat die FinVerw den aktuellen Stand zu diesem Fragenkomplex aus ihrer Sicht dargestellt.
- Die FinVerw hält an dem Grundsatz fest, dass der Besitz einer Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinne Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs ist. Funktion der Rechnung ist die Kontrolle sowohl des Leistenden als auch des Leistungsempfängers durch die FinVerw. Ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung ist daher nicht möglich. Das Recht auf Vorsteuerabzug kann jedoch ausnahmsweise auch geltend gemacht werden, wenn der Unternehmer eine Rechnung besitzt, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt. Der Vorsteuerabzug ist unter Anwendung eines strengen Maßstabes – also nur ganz ausnahmsweise – auch zu gewähren, wenn die FinVerw über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen. Ohne Rechnung sei aber kein Nachweis möglich, dass auf der vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Umsatzsteuer entrichtet wurde.
- Eine fehlerhafte Rechnung kann im Grundsatz berichtigt werden durch Nachholung der fehlenden Angaben. Insoweit ist Voraussetzung, dass vorher überhaupt eine berichtigungsfähige Rechnung vorlag. Ein Dokument ist dann eine rückwirkend berichtigungsfähige Rechnung, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Sind diese Anforderungen erfüllt, so entfaltet eine Rechnungsberichtigung Rückwirkung.
- Die Berichtigung kann sowohl durch Berichtigungsdokumente unter Bezugnahme auf die Rechnung erfolgen als auch in Gestalt der Stornierung und Rechnungsneuerteilung.
- Wird eine Rechnung mit Rückwirkung berichtigt, ist das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum auszuüben, in dem die Leistung bezogen wurde und die ursprüngliche Rechnung vorlag. Abweichend hiervon kann bei einem zu niedrigen Steuerausweis in der ursprünglichen Rechnung ein Vorsteuerabzug nur in Höhe des ursprünglich zu niedrigen Steuerbetrags ausgeübt werden. Das Recht zum Vorsteuerabzug in Höhe des Mehrbetrags kann erst in dem Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem der Leistungsempfänger im Besitz der Rechnung ist, die den Steuerbetrag in zutreffender Höhe ausweist.
Handlungsempfehlung:
Stellt sich heraus, dass Rechnungen nicht alle geforderten Angaben enthalten, so muss sehr sorgfältig geprüft werden, welche Handlungsoptionen zur Heilung dieses Fehlers bestehen. Bei materiell bedeutsamen Fällen sollte stets steuerlicher Rat eingeholt werden.
Hinweis:
Nun soll allerdings im Jahressteuergesetz 2020 die Auffassung der FinVerw gesetzlich festgeschrieben werden, wonach eine Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des steuerlichen Verfahrensrechts ist, was eine Änderungsmöglichkeit der ursprünglichen Steuerveranlagung eröffnen würde. Damit will die FinVerw der anderslautenden Rechtsprechung begegnen.
11 Gefahr der Versagung des Vorsteuerabzugs bzw. der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen bei Einbezug in einen Umsatzsteuerbetrug
Einmal mehr ging es um die Frage, ob bei einem vermeintlichen Einbezug des Unternehmers in einen Umsatzsteuerbetrug die Vorteile aus dem Mehrwertsteuersystem für Unternehmer in Gestalt des Vorsteuerabzugs oder der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt werden können.
Mit Urteil vom 11.3.2020 (Aktenzeichen XI R 7/18) setzt der BFH der vielfach zu beobachtenden Praxis der FinVerw Grenzen. Insbesondere stellt das Gericht heraus:
- Liegen die materiellen und formellen Anforderungen des Vorsteuerabzugs vor, so darf dieser nur dann versagt werden, wenn nach der objektiven Sachlage die missbräuchliche Inanspruchnahme feststeht. Hierbei muss die Steuerhinterziehung nicht selbst durch den Unternehmer begangen worden sein, sondern es reicht aus, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen können, dass er mit dem Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung verstrickt war.
- Der Vertrauensschutz, den die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers bei einer vermeintlich steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausstrahlt, greift nicht, wenn der Unternehmer die gesetzlichen Nachweispflichten nicht beachtet. Diese lagen im entschiedenen Fall in Form der Belegnachweise nicht vor. Darüber hinaus hätte die Stpfl. bei der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Unrichtigkeit der Angaben des Erwerbers in Form einer ungültigen USt-IdNr. eines anderen Mitgliedsstaats erkennen können.
Handlungsempfehlung:
Insbesondere wird die Bedeutung der Abfrage der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Bestätigungsverfahren) für die Erlangung des gesetzlichen Vertrauensschutzes deutlich. Der BFH führt hierzu konkret aus, dass eine Abfrage der Gültigkeit mindestens mit der ersten Lieferung und im weiteren Verlauf in regelmäßigen Abständen erforderlich ist. In bekannt betrugsbehafteten Branchen ist eine häufigere Überprüfung empfehlenswert.
12 GmbH & Co. KG: Keine Gestaltung über unentgeltliche Geschäftsführungsleistungen der Kommanditisten möglich
Die steuerliche Belastung von Personengesellschaften mit hohen Einkünften ist in Deutschland beträchtlich. Unabhängig von der Gewinnverwendung (Entnahme oder Stehenlassen im Unternehmen) werden diese Gewinne mit fast 50 % Ertragsteuern (Einkommensteuer auf Ebene der Gesellschafter und Gewerbesteuer auf Ebene der Personengesellschaft selbst) belastet, wohingegen eine vergleichbare Kapitalgesellschaft, welche den erwirtschafteten Gewinn im Unternehmensvermögen belässt, hingegen nur mit ca. 30 % belastet wird. Hier tritt eine darüberhinausgehende steuerliche Belastung nur und erst dann ein, wenn eine Gewinnausschüttung an die Anteilseigner erfolgt.
Bei einer GmbH & Co. KG wird in diesen Fällen in der Praxis oftmals versucht, die vergleichsweise günstige Belastung der nicht ausschüttenden Kapitalgesellschaft über die Komplementär-GmbH zu nutzen. Dieser wird ein Teil des Gewinns zugewiesen. Der BFH hat nun aber mit Urteil vom 28.5.2020 (Aktenzeichen IV R 11/18) solchen Gestaltungen Grenzen aufgezeigt.
Der Urteilsfall stellte sich – stark vereinfacht – wie folgt dar: Die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG wurde gegen Entgelt von der Komplementär-GmbH erbracht. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wiederum waren Kommanditisten, die bei der Komplementär-GmbH unentgeltlich die Geschäftsführungstätigkeit erbrachten. Im Ergebnis verblieb damit die von der KG vereinnahmte Geschäftsführungsvergütung bei der Komplementär-GmbH als Gewinn.
Ziel der Struktur war offensichtlich eine teilweise Gewinnthesaurierung bei der Komplementär-GmbH, und zwar sollte diese einen Teil des Gewinns der GmbH & Co. KG über Sondervergütungen (hier: Geschäftsführungsvergütung) erhalten, damit die Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Anrechnung der Gewerbesteuer bei den Kommanditisten vollständig erhalten bleibt.
Der BFH stellt insoweit nun aber klar, dass die Vergütung als Sondervergütung nicht der Komplementär-GmbH, sondern dem die Geschäfte führenden Kommanditisten zuzurechnen ist, wenn der Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG einen Vorabgewinn der Komplementär-GmbH für die Übernahme der Geschäftsführung der KG vorsieht, die von einem Kommanditisten der KG als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH erbracht wird. Dies gelte unabhängig davon, ob die GmbH dem Kommanditisten ein Entgelt für seine Tätigkeit schuldet. Damit unterliegen diese Vergütungen für die Geschäftsführung bei den Kommanditisten der Einkommensteuer.
Der BFH hält es für entscheidend, dass ein Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der gleichzeitig Kommanditist der KG ist, bei teleologischer Auslegung der Regelung zu den Einkünften des Mitunternehmers einkommensteuerrechtlich „im Dienst” der KG tätig wird und daher die unternehmerische Leistung der Geschäftsführung der KG aus einkommensteuerrechtlicher Sicht nicht von der Komplementär-GmbH, sondern von dem Kommanditisten erbracht wird. Dementsprechend müsse auch in einem Fall wie dem Streitfall, in dem nicht der Kommanditist selbst (unmittelbar von der KG oder mittelbar unter Zwischenschaltung der Komplementär-GmbH) ein Entgelt für seine Tätigkeit „im Dienst” der KG erhält, sondern der Komplementär-GmbH ein Vorabgewinn für die Geschäftsführung zugewiesen wird, der auf die Geschäftsführung entfallende Gewinnanteil einkommensteuerrechtlich dem die Geschäfte tatsächlich führenden Kommanditisten zugerechnet werden. Insoweit handelt es sich zwar nicht um ein Entgelt, aber um einen Vorabgewinnanteil für eine Leistung, die der Kommanditist und nicht die Komplementär-GmbH erbringt. Der Vorabgewinn ist daher dem die Leistung erbringenden Kommanditisten zuzurechnen.
Hinweis:
Dies verdeutlicht die Besonderheiten bei der steuerlichen Gewinnermittlung von Personengesellschaften. Gestaltungen zur Thesaurierung über die Komplementär-GmbH bedürfen einer sorgfältigen steuerlichen Beratung.
13 Schenkungsteuer: Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs
Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften erfolgt im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge vielfach unter Nießbrauchsvorbehalt. Dies erlaubt es dem übertragenden Gesellschafter weiter Erträge zu beziehen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, andererseits aber die Nachfolgegeneration frühzeitig an das Unternehmen zu binden und in die Unternehmensführung einbeziehen zu können. Bei frühzeitigen Übertragungen auf die nächste Generation kann nun die Situation auftreten, dass der übertragene Anteil bereits mit einem Nießbrauch eines Dritten – meist der vorhergehenden Unternehmergeneration – belastet ist. Die schenkungsteuerliche Berücksichtigung des bei der Übertragung neu gewährten, nachrangigen Nießbrauchs hat nun der BFH in zwei Urteilen vom 6.5.2020 (Aktenzeichen II R 11/19 und II R 12/19) beurteilt.
Im Urteilsfall war die Stpfl. Gesellschafterin einer GbR. Ihren Gesellschaftsanteil hatte sie schenkweise von ihrer Mutter unter dem Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs erhalten. Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag übertrug sie u.a. die Hälfte dieses Anteils schenkweise auf ihre Tochter S und behielt sich den lebenslangen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch der Mutter bestand fort. Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer brachte das Finanzamt lediglich den Nießbrauch der Mutter, nicht aber den Nießbrauch der Stpfl. zum Abzug. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, beim Nießbrauch der Stpfl. handele es sich um eine Last, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhänge. Solche Lasten würden aber nicht berücksichtigt.
Diese Sichtweise verwarf der BFH nun. Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert.
Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind der vorrangige und der nachrangige lebenslange Nießbrauch als einheitliche Last nur einmal mit dem höheren Vervielfältiger entsprechend der Lebenserwartung der jüngeren Person, zu deren Gunsten ein Nießbrauch besteht, zu berücksichtigen.
Hinweis:
Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen bei einer Schenkung mehreren Berechtigten ein Nießbrauch in der Weise eingeräumt wird, dass der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll (sog. Sukzessivnießbrauch).
Handlungsempfehlung:
Dieses Urteil verdeutlicht, welche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen auf die nächste Familiengeneration bestehen. Insoweit sollte für den konkreten Fall unter Hinzuziehung steuerlichen Rats die günstigste Gestaltung gesucht werden.
14 Schenkung-/Erbschaftsteuer: Nicht begünstigtes „junges Verwaltungsvermögen”
Die Übertragung von Anteilen an gewerblich tätigen Personengesellschaften ist bei der Schenkung-/Erbschaftsteuer umfangreich begünstigt. Allerdings müssen auch diverse Bedingungen eingehalten werden. Insbesondere ist zu beachten, dass bestimmte Wirtschaftsgüter von der Begünstigung ausgeschlossen sind. Dies betrifft insbesondere sog. „junges Verwaltungsvermögen”. Solches liegt vor, wenn dem Betrieb weniger als zwei Jahre vor der Schenkung bzw. dem Erbfall bestimmte Wirtschaftsgüter zugeführt worden sind, was insbesondere vermietete Immobilien, Kapitalgesellschaftsbeteiligungen bei einer Beteiligungsquote unter 25 %, Kunstgegenstände und Wertpapiere betrifft.
Die FinVerw vertritt zur Abgrenzung solchen jungen Verwaltungsvermögens die Auffassung, dass zu diesem nicht nur das innerhalb des Zweijahreszeitraums eingelegte Verwaltungsvermögen gehört, sondern auch das Verwaltungsvermögen, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um Umschichtungen und Zukäufe innerhalb eines bestehenden Wertpapierdepots oder um Neuanschaffung aus Liquiditätsreserven der Gesellschaft handelt oder ob die Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts mit einer Privateinlage verknüpft war. Allein maßgeblich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift der Bestand im Besteuerungszeitpunkt. Wenn zu dem Verwaltungsvermögen gehörende Wertpapiere im Zeitpunkt des Erbfalls weniger als zwei Jahre der Personengesellschaft zuzurechnen waren, sind sie danach als junges Verwaltungsvermögen zu bewerten.
Diese Auffassung hat der BFH in mehreren Entscheidungen vom 22.1.2020 (Aktenzeichen II R 8/18, II R 13/18, II R 18/17, II R 41/18 sowie II R 21/18) bestätigt. Das Gericht hat ausdrücklich klargestellt, dass zum nicht begünstigten jungen Verwaltungsvermögen jedes einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens gehört, das sich weniger als zwei Jahre vor dem für die Besteuerung maßgebenden Stichtag durchgehend im Betriebsvermögen befand. Es ist weder eine gruppenbezogene Betrachtung vorzunehmen noch kommt es auf die Herkunft der Vermögensgegenstände oder der zu ihrer Finanzierung verwendeten Mittel an.
Handlungsempfehlung:
Die Rechtsprechung ist zwar zu der bis zum 30.06.2016 geltenden Rechtslage ergangen, dürfte aber auch auf die aktuelle Definition des jungen Verwaltungsvermögens übertragbar sein. Dies verdeutlicht, dass die Nutzung der schenkungs-/erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen bei der Übertragung von Personengesellschaftsanteilen einer sehr sorgfältigen Planung bedarf. Im Einzelnen sind die Vermögensgegenstände daraufhin zu untersuchen, ob diese unter die Begünstigung fallen. Hier sollte steuerlicher Rat eingeholt werden.
15 Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebs- in das Privatvermögen
Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 wurde eine umfassende steuerliche Erfassung von erzielten Gewinnen (und Verlusten) aus privaten Aktiengeschäften eingeführt. Die damalige Übergangsvorschrift sah allerdings ausdrücklich vor, dass vor dem 1.1.2009 erworbene Wertpapiere weiterhin unter die bisherige Regelung fallen, wonach nur ausnahmsweise eine steuerliche Erfassung erfolgt, wenn ein „Spekulationsgeschäft”, also eine Haltefrist von weniger als einem Jahr vorlag. Das heißt die steuerliche Erfassung von Veräußerungsgewinnen (und Verlusten) erfasst nur nach dem 31.12.2008 erworbene Wertpapiere.
Strittig war nun der Fall, dass vor 2009 erworbene Aktien zunächst in einem steuerlichen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehalten wurden. Im Jahr 2011 erfolgte nun eine Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft. Die insoweit erklärte Betriebsaufgabe führte zur Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven mit der Folge, dass die in der Zeit zwischen Anschaffung und 2011 entstandenen Wertsteigerungen der Aktien versteuert wurden. Das Betriebsvermögen wurde in das steuerliche Privatvermögen überführt und die Personengesellschaft war fortan nur noch vermögensverwaltend tätig. Die Einkünfte wurden in der Folge unmittelbar den Gesellschaftern als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet. Im Jahr 2014 wurden diese Wertpapiere veräußert. Das Finanzamt wollte diese private Veräußerung steuerlich erfassen.
Das FG Münster widersprach dem mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 26.3.2020 (Aktenzeichen 8 K 1192/18 F). Die Entnahme aus dem Betriebsvermögen im Zuge der Betriebsaufgabe sei keine Anschaffung im Sinne der Übergangsregelung. Vielmehr handelte es sich um „Altaktien”, deren Veräußerungsgewinn nicht von der Abgeltungsteuer erfasst werde.
Hinweis:
Im Rahmen der in 2011 erfolgten Betriebsaufgabe wurden die Wertsteigerungen der Wertpapiere bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe erfasst, nach der Entscheidung des Finanzgerichts sind die bis zur Veräußerung in 2014 eingetretenen Wertsteigerungen im steuerlichen Privatvermögen allerdings auf Grund des Vorliegens von Altanteilen nicht steuerbar.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen muss unter Hinzuziehung steuerlichen Rats die Historie der Wertpapiere ermittelt und dokumentiert werden.
16 Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen des Steuerpflichtigen vor Anschaffung
Der BFH bestätigt mit Beschluss v. 28.4.2020 (Aktenzeichen IX B 121/19), dass vor der Anschaffung des Grundstücks vom Stpfl. getätigte Aufwendungen nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen sind. Anschaffungsnahe Aufwendungen könnten wegen des klaren Gesetzeswortlauts nicht vorliegen. Dieser bestimmt eine besondere Behandlung für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren „nach” der Anschaffung vom Stpfl. getragen werden. Und zwar gehören nach dieser gesetzlichen Sonderregelung zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage, sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
Im Urteilsfall hatten die Eheleute mit notariellem Kaufvertrag vom 9.9.2011 ein Mehrfamilienhaus zum Zwecke der Fremdvermietung erworben. Der vereinbarte Kaufpreis sollte spätestens zum 1.1.2012 fällig sein. Gemäß dem Kaufvertrag sollte die Besitzübergabe sofort nach vollständiger Kaufpreiszahlung erfolgen. Der Kaufpreis wurde am 24.1.2012 überwiesen.
Bereits im Oktober 2011, also noch vor dem Eigentumsübergang, begannen die Erwerber in Absprache mit den Veräußerern mit umfangreichen Sanierungsarbeiten im Haus. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 gaben die Eheleute noch keine Einnahmen aus der Vermietung des streitbefangenen Objekts an; auch machten sie keine AfA geltend, jedoch u.a. auf fünf Jahre zu verteilende Erhaltungsaufwendungen.
Das Finanzamt wollte die Erhaltungsaufwendungen nicht anerkennen, sondern sah anschaffungsnahe Aufwendungen, welche nicht sofort als Werbungskosten geltend gemacht werden können, sondern nur über die Gebäude-AfA anzusetzen seien. Die maßgebliche Grenze von 15 % der Anschaffungskosten sei überschritten worden.
Das im Rahmen der Klage angerufene Finanzgericht bestätigte dagegen, dass (ganz überwiegend) sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen vorlägen. Die Sonderregelung für anschaffungsnahe Aufwendungen können nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut für Aufwendungen vor Anschaffung nicht angewendet werden. Dies bestätigte nun der BFH.
Handlungsempfehlung:
Im Einzelfall eröffnet dieses Urteil Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis.
17 Fahrtkosten zum Vermietungsobjekt
Sind Fahrten zum Vermietungsobjekt vorzunehmen, so z.B. anlässlich von Terminen mit den Mietern, mit Handwerkern, Reparaturen in Eigenregie oder für Kontrollzwecke, so können die Fahrtkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden. Dabei können entweder die tatsächlich angefallenen Kosten oder bei der Benutzung des eigenen Pkw auch pauschal 0,30 € je gefahrenem Kilometer angesetzt werden.
Anders kann der Fahrtkostenansatz allerdings dann sein, wenn das Vermietungsobjekt als erste Tätigkeitsstätte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusehen ist. In diesem Fall können Fahrtkosten nur nach den Regelungen der Entfernungspauschale, also mit 0,30 € je Entfernungskilometer angesetzt werden.
So hat das FG Köln mit Urteil vom 19.2.2020 (Aktenzeichen 1 K 1209/18) entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte am Vermietungsobjekt anzunehmen ist, wenn der Vermieter mindestens 1/3 seiner Tätigkeiten dort ausübt. Im Streitfall lag die Besonderheit vor, dass der Stpfl. in dem Vermietungsobjekt ein Arbeitszimmer vorhielt, welches er auch für die Verwaltungstätigkeiten des Vermietungsobjektes nutzte. Daneben erledigte er an dem Objekt umfassende Handwerker- und Hausmeistertätigkeiten selbst. Dies zusammengenommen führte dazu, dass an dem Vermietungsobjekt eine erste Tätigkeitsstätte anzunehmen war.
Handlungsempfehlung:
Stets sollten Aufzeichnungen über die getätigten Fahrten gefertigt werden. Der Anlass der Fahrt ist zu dokumentieren und ggf. sind Tank-/Parkquittungen aufzubewahren.
18 Unterlagen zu Airbnb-Vermietern liegen wohl der Finanzverwaltung vor
Die Hamburger Finanzbehörde meldet in einer Pressemitteilung vom 2.9.2020: „Weltweit agierendes Vermittlungsportal für Buchung und Vermittlung von Unterkünften liefert Kontrolldaten an die Hamburger Steuerfahndung”. Offensichtlich handelt es sich wohl um das Vermittlungsportal Airbnb. Mittels dieser Daten soll bundesweit überprüft werden, ob Einkünfte aus Wohnungsvermietungen erklärt und besteuert wurden.
Zum Hintergrund: Die Vermietung von Räumen der selbstgenutzten Wohnung oder eines selbstgenutzten Hauses an fremde Personen ist grundsätzlich steuerlich relevant. Soweit insofern eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, werden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Es können aber auch gewerbliche Einkünfte vorliegen, wenn neben der eigentlichen Vermietung noch gewichtige und unübliche Sonderleistungen erbracht werden (so bspw. tägliche Zimmerreinigung, Frühstücksangebot, jederzeit ansprechbares Personal) oder die Vermietungstätigkeit eine unternehmerische Organisation erfordert, die mit gewerblichen Beherbergungsbetrieben (z.B. Hotels) vergleichbar ist (z.B. durch ständige Erreichbarkeit wie bei einer Hotelrezeption).
Hinweis:
Einnahmen aus der vorübergehenden (Unter-)Vermietung von selbst genutzten Immobilien dürfen bis zu einer Höhe von 520 € pro Veranlagungszeitraum unbesteuert bleiben. Wird diese Grenze überschritten, so sind die Einkünfte insgesamt der Besteuerung zu unterwerfen.
Handlungsempfehlung:
In derartigen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob steuerlich relevante Einkünfte vorliegen, die erklärt werden müssen. Ist dies zu bejahen, so sind auch entsprechende Werbungskosten gegenzurechnen. Soweit das Zimmer bzw. die Räume dauerhaft zur (Unter-)Vermietung angeboten werden, sind auch auf Leerstandszeiten entfallende Kosten den Werbungskosten zuzuordnen.
19 Nießbrauch an Gesellschaftsanteil bei einer Grundstücks-GbR
Das FG Düsseldorf hatte über einen in der Praxis häufigen Gestaltungsfall zu entscheiden: Der Vater räumte dem Sohn im Wege der Schenkung einen auf vier Jahre befristeten Zuwendungs-Quotennießbrauch an seinem Anteil an einer vermögensverwaltenden, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielenden GbR ein. Entsprechend sollten Vermietungseinkünfte bei dem Sohn anfallen. Das FG Düsseldorf hat aber mit Urteil vom 9.5.2019 (Aktenzeichen 10 K 3108/17 F) die Wertung des Finanzamtes bestätigt, dass dem Sohn keine anteiligen Einkünfte aus der Vermietungstätigkeit zuzurechnen seien, weil die Nießbrauchsbestellung lediglich gegenüber den anderen Mitgesellschaftern angezeigt wurde, nicht aber im Außenverhältnis gegenüber den Grundstücksmietern.
Handlungsempfehlung:
Dieses Urteil ist sehr kritisch zu sehen. Letztlich kann für die steuerliche Anerkennung des Quotennießbrauchs nur die Rechtsstellung des Nießbrauchers entscheidend sein. Zu fragen ist also, welche Mitverwaltungsrechte, Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung und Rechte im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesellschaftern diesem zustehen. Andererseits zeigt sich auch die Gefahr einer Nichtanerkennung solcher Gestaltungen in der Praxis. Das nun beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 4/20 anhängige Revisionsverfahren bleibt abzuwarten. In vergleichbaren Fällen sollte vorsorglich bis zu dieser Klärung auch eine Anzeige des Nießbrauchs im Außenverhältnis erfolgen.
20 BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung sog. Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG und § 9 Nr. 2a GewStG
Der BFH hat sich mit Urteil vom 18.12.2019 (Az. I R 29/17) mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von sog. Streubesitzdividenden (wie auch entsprechend mit § 9 Nr. 2a GewStG) befasst. Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben erhaltene Dividenden bei der Ermittlung des Einkommens einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich außer Ansatz. Nach der Vorschrift des § 8b Abs. 4 KStG sollen Dividenden aus sog. Streubesitzbeteiligungen, d.h. aus Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften von weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals (maßgeblich ist der Beginn des Kalenderjahres), bei der Einkommensermittlung der Mutterkapitalgesellschaft hingegen nicht zu kürzen, also voll steuerpflichtig sein. Die Mindestbeteiligungsquote für eine Kürzung bei der GewSt beträgt 15 %. Dagegen hatte eine Kapitalgesellschaft geklagt, die im Streitjahr 2013 aus einer Beteiligung von weniger als 10 % an einer inländischen Kapitalgesellschaft Dividendeneinnahmen erzielt hatte.
Die Vorinstanz, das FG Hamburg, hatte dazu entschieden, dass das Gebot der Steuergleichheit insbesondere für die Einkommen- und Körperschaftsteuer eine Belastung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit fordere (diese bemessen nach dem Nettoprinzip). In der Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG sei insoweit ein Systembruch zu sehen. Die Abstimmung mit Anforderungen aus der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie und die Anpassung an internationale Gepflogenheiten betreffend die Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden stellten aber sachliche Rechtfertigungsgründe dar, die gegen die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Streubesitzdividenden sprechen.
Der BFH hat die Auffassung des FG Hamburg bestätigt und festgestellt, dass § 8b Abs. 4 KStG und § 9 Nr. 2a GewStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind. Der BFH stellt darauf ab, dass der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum hat.
Zwar durchbreche § 8b Abs. 4 KStG im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Für die (verfassungsgemäße) Durchbrechung sei aber schon die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci als hinreichender Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks anzusehen, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Frage der Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag. Dies gelte entsprechend für § 9 Nr. 2a GewStG.
Hinweis:
Die der Körperschaftsteuer unterliegenden Stpfl. müssen also eine mögliche Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen in ihr Investitionskalkül weiterhin einbeziehen bzw. darauf hinarbeiten, dass zu Beginn des Kalenderjahres eine Beteiligung in Höhe der gesetzlichen Vorgaben besteht.
21 FG Münster zur Verfassungsmäßigkeit des § 8b Abs. 3 Satz 1 und des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 4.5.2020 hat das FG Münster (Az. 13 K 178/19 K) ausgeführt, dass das BVerfG den pauschalen Ansatz von nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat und dass dies eine erneute sachliche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm ausschließe, solange nicht später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten.
Im konkreten Streitfall hatte ein Kreditinstitut mit solchen Beteiligungserträgen geklagt, bei denen zweifelhaft war, ob es sich tatsächlich um steuerfreie Einkünfte handelte, die dem Regime des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG (also der „Steuerfreiheit”) unterlegen haben. Das FG hielt jedenfalls die (für Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen bestehende) Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 7 KStG nicht für einschlägig und wies zudem den Vortrag der Stpfl., § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG seien verfassungswidrig, als unbegründet zurück.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist aufmerksam zu beobachten, da die Revision (zugelassen vom FG wegen „grundsätzlicher Bedeutung” der Sache) beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 23/20 anhängig ist.
22 Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zeitpunkt des Zuflusses von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses
Tantiemen sind beim Geschäftsführer nach § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses zu versteuern. Für den maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung im Grundsatz darauf ab, wann die tatsächliche Verfügungsmacht vom Empfänger der in Frage stehenden Leistungen erlangt worden ist. Bei beherrschenden Gesellschafternfließt ein Vermögensvorteil allerdings nicht erst bei Zahlung, sondern schon bei Fälligkeitzu, sofern die Kapitalgesellschaft zum Zeitpunkt der Fälligkeit zahlungsfähig ist. Zu diesem Zeitpunkt hat es der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer allein in der Hand, sich durch Auszahlung die Erfüllung seines fälligen Anspruchs zu verschaffen. Würde demgegenüber der Zufluss erst mit der konkreten Erfüllung des Anspruchs angenommen werden, hätte es der beherrschende Gesellschafter in der Hand, willkürlich den Zuflusszeitpunkt und damit den Zeitpunkt der Besteuerung zu verschieben.
Vor diesem Hintergrund sind nun zwei Urteile des BFH vom 28.4.2020 (Az. VI R 44/17 bzw. VI R 45/17) zu sehen, mit denen der BFH zur Zuflussfiktion bei beherrschenden Gesellschaftern festgestellt hat, dass eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht in jedem denkbaren Fall zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre, führt.
In den konkreten Streitfällen waren die Jahresabschlüsse auf den 31.12.2008 bei zwei Gesellschaften, an denen der Stpfl. beherrschend beteiligt und deren Geschäftsführer er war, erst im Dezember 2009 festgestellt worden. Dazu entschied der BFH (gegen die Vorinstanz, das FG Rheinland-Pfalz), die Tantiemen seien im Streitjahr 2009 noch nicht (fiktiv) zugeflossen, weil sie nach den Geschäftsführerverträgen erst im Januar 2010 fällig waren. Entscheidend war insoweit für den BFH, dass die Tantiemen – auf Grund expliziter Regelungen in den Arbeitsverträgen – auch erst jeweils einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig wurden. Eine solche vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam – und die zivilrechtlichen Regelungen in einem Anstellungsvertrag zwischen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und „seiner” Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich auch im Steuerrecht beachtlich. In den Streitfällen waren diese Fälligkeitsvereinbarungen i.Ü. auch fremdüblich ausgestaltet.
Da der jeweilige Jahresabschluss erst mit der Feststellung verbindlich wurde, konnte damit auch erst dann ein Anspruch des Geschäftsführers auf Tantieme rechtlich entstehen. Dies gelte selbst dann, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nicht fristgerecht erfolgt ist. Eine vorgezogene (fiktive) Fälligkeit könne der noch nicht existente Jahresabschluss nicht bewirken.
Hinweis:
Explizit offen gelassen hat der BFH (da vorliegend nach den Feststellungen des FG nicht gegeben) die Frage, ob im Hinblick auf § 42 AO (sog. Gestaltungsmissbrauch) etwas anderes gelten würde, wenn ein beherrschender Gesellschafter durch Nichtbeachtung der gesetzlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Feststellung des Jahresabschlusses gem. § 42a Abs. 2 GmbHG zielgerichtet die Fälligkeit eines ihm zustehenden Tantiemeanspruchs und damit den Zeitpunkt der Versteuerung der Tantieme hinauszögern würde. In der Praxis sollten daher die Gründe für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Verpflichtung sorgfältig dokumentiert werden.
23 Fremdvergleich bei unverhältnismäßig hohen Geschäftsführervergütungen
Die Frage der Angemessenheit der Vergütung (Gesamtausstattung) des (Gesellschafter-)Geschäftsführers steht – vor dem Hintergrund der Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) – regelmäßig im Fokus der Diskussionen mit der FinVerw. Dabei wird eine Angemessenheitsprüfung häufig auf einen Fremdvergleich in Gestalt von Gehaltsstrukturuntersuchungen gestützt. Dass dies nicht nur bei steuerpflichtigen GmbH, sondern auch sog. gemeinnützigen GmbH relevant ist, hat der BFH mit Urteil vom 12.3.2020 (Az. V R 5/17) bestätigt.
Für den Streitfall hat der BFH ausgeführt,
- dass zur Feststellung von Mittelfehlverwendungen i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO durch überhöhte Vergütungen an den Geschäftsführer einer gemeinnützigen Körperschaft die Grundsätze der vGA zu berücksichtigen sind. Maßstab des externen Fremdvergleichs sind dabei die für vergleichbare Tätigkeiten auch von Wirtschaftsunternehmen gewährten Vergütungen.
- Soweit eine Körperschaft ihrem Geschäftsführer eine Versorgungszusage gewährt, die über eine Unterstützungskasse erfüllt wird, ist der für den Geschäftsführer liegende Vorteil in Höhe der fiktiven Jahresnettoprämie in die Gesamtausstattung einzubeziehen.
- Bei kleineren Verstößen gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO soll ein Entzug der Gemeinnützigkeit i.Ü. unverhältnismäßig sein (Bagatellvorbehalt).
Im Streitfall ging es um eine im Grundsatz gemeinnützige GmbH, die im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche tätig war und insbesondere Kliniken, aber auch Kindertagesstätten und andere Betreuungseinrichtungen betrieb. Der Geschäftsführer, dessen Vergütung hinsichtlich der Angemessenheit strittig war, war ausgebildeter Sozialarbeiter. Seine Tätigkeit war – gemessen an Umsätzen und Jahresergebnis – erfolgreich.
Der BFH hat es im Ergebnis angesichts der Gesamtsituation und des erfolgreichen Wirkens des Geschäftsführers als sachgerecht erachtet, bei der Angemessenheitsprüfung von der durchschnittlichen Vergütung im obersten Quartil der Gehaltstrukturuntersuchung auszugehen und zusätzlich einen „Sicherheitszuschlag” von 20 % vorzunehmen. Insoweit hat der BFH bei der Mittelfehlverwendungsprüfung im Streitfall die Grundsätze angewendet, wie sie zur Angemessenheitsprüfung bei Gesellschafter-Geschäftsführern von steuerlich nicht begünstigten Wirtschaftsunternehmen entwickelt worden sind. Nach diesen Grundsätzen ist die obere Grenze für die Angemessenheit der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers im Einzelfall durch Schätzung (§ 162 AO) zu ermitteln, wobei Gehaltstrukturuntersuchungen einen Anhaltspunkt für diese Schätzung bieten können. Dabei erstreckt sich der Bereich des Angemessenen nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf eine gewisse Bandbreite von Beträgen; unangemessen sind nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.
Hinweis:
Bei gemeinnützigen GmbH sind also die gleichen (Fremdvergleichs-)Maßstäbe anzulegen wie bei der vGA-Prüfung im Bereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei steuerlich nicht begünstigten Wirtschaftsunternehmen. Bei einem externen Fremdvergleich ist auf Gehälter für eine vergleichbare Tätigkeit abzustellen („Entgelten, die unter gleichen Bedingungen an Fremdgeschäftsführer anderer Unternehmen gezahlt werden”). Der BFH hält das Abstellen der Vorinstanz auf die Werte der sog. BBE-Studie für zulässig, obwohl die FinVerw vorgetragen hatte, in den BBE-Studien würden Unternehmen mit hohen Mitarbeiter- und Umsatzzahlen nicht abgebildet. In der Praxis sollte jedenfalls – bei jeder GmbH – eine regelmäßige Überprüfung der Gesamtausstattung des (Gesellschafter-)Geschäftsführers erfolgen.
24 Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen auch ohne entsprechende Satzungsregelung
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 6.5.2020 (Az. 9 K 3359/18 E,AO) hat sich das FG Münster mit der Problematik der steuerlichen Anerkennung sog. inkongruenter Gewinnausschüttungen befasst.
Im Sachverhalt waren – sehr verkürzt dargestellt – die Stpfl. in den Streitjahren 2012 bis 2015 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Stpfl. war in diesen Jahren mit einer Beteiligung von 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH. Die andere Gesellschafterin der A GmbH war die B GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls der Stpfl. war. In den Streitjahren wurden bei der A GmbH diverse Vorabgewinnausschüttungen beschlossen, die jeweils unmittelbar vollständig an die B GmbH flossen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der A GmbH qualifizierte der Prüfer die alleinigen Ausschüttungen an die B GmbH als disquotale (inkongruente) Gewinnausschüttungen, die entsprechend der Beteiligungsverhältnisse, also zu jeweils 50 % dem Stpfl. und der B GmbH, zuzurechnen seien. Zur Begründung verwies die FinVerw u.a. darauf, dass der Gesellschaftsvertrag der A GmbH nur Regelungen zur Gewinnverwendung, nicht aber zur Gewinnverteilung enthalte, so dass eine steuerliche Anerkennung der inkongruenten Gewinnausschüttungen nicht in Betracht komme.
Das FG Münster hat der Klage stattgegeben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 als rechtswidrig qualifiziert, weil dem Stpfl. wie folgt keine Kapitaleinkünfte zuzurechnen gewesen seien:
- Gesellschaftsrechtlich seien inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig; die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen. Grundsätzlich und für sich genommen bestünden keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolge (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), stelle ja zugleich eine inkongruente dar.
- Inkongruente Gewinnausschüttungen könnten (entgegen der Auffassung der FinVerw) zivilrechtlich nicht nur dann anzuerkennen sein, wenn im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt ist oder eine Öffnungsklausel besteht.
- Vielmehr genüge ein unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommener Beschluss über die abweichende Gewinnverteilung.
- Ein solcher von der Satzung abweichender Gewinnverteilungsbeschluss stelle auch keine Satzungsänderung dar, die zu ihrer Wirksamkeit notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden müsste.
- Vielmehr würden im Streitfall punktuell satzungsdurchbrechende/satzungsverletzende bzw. gegen die gesetzliche Grundregel zur Gewinnverteilung verstoßende Beschlüsse über Vorabgewinnausschüttungen vorliegen, die aber gleichwohl zivilrechtlich wirksam und damit grundsätzlich auch steuerlich für die Zurechnung der Kapitaleinkünfte maßgebend seien.
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung hat das FG Münster die Grundsätze der steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen, mit denen im Einzelfall ein weitreichendes Gestaltungspotential verbunden ist, klar vorgezeichnet. Dabei weicht das FG teilweise von den Vorgaben der FinVerw ab. Gleichwohl muss die weitere Rechtsentwicklung noch sorgfältig beobachtet werden, da das FG die Revision zugelassen hat, die beim BFH unter dem Az. VIII R 20/20 anhängig ist.
25 Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Lohnsteuer (auch pauschalierte Lohnsteuer) und steuerliche Nebenleistungen einer insolventen GmbH
Nach § 69 AO haften GmbH-Geschäftsführer u.a. für Steuerschulden der GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden; insofern ist gerade den Verpflichtungen zur Erklärung und zur Zahlung der Lohnsteuer und der Umsatzsteuer höchste Priorität beizumessen. Dabei ist hervorzuheben, dass auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters den Geschäftsführer nicht von seiner steuerlichen Pflichtenstellung nach § 34 AO suspendiert.
Vor diesem Hintergrund ist das noch nicht rechtskräftige Urteil des FG München vom 29.5.2020 zu sehen (Az. 8 K 2529/19), mit dem das FG unterstrichen hat, dass die allgemeinen Grundsätze der Lohnsteuer-Haftung auch bei der Haftung für pauschalierte Lohnsteuer und Säumniszuschläge zur pauschalierten Lohnsteuer Anwendung finden.
Im konkreten Streitfall war die Stpfl. seit Gründung der GmbH alleinige Geschäftsführerin. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für den Zeitraum September 2014 bis Juni 2017 wurde festgestellt, dass für die private Nutzung eines Firmen-Kfz durch die Stpfl. keine Lohnsteuer angemeldet, einbehalten und abgeführt worden war. Ferner setzte der Prüfer einen geschätzten Anteil von an die Arbeitnehmer der GmbH erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen, die bisher in vollem Umfang als steuerfrei behandelt worden waren, als steuerpflichtig an. Diesbezüglich erfolgte im Einvernehmen mit der GmbH eine pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG bzw. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG. Der Nachforderungsbescheid erging am 9.3.2018.
Im Dezember 2017 war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt worden. Das zuständige Amtsgericht ordnete am 1.2.2018 die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestimmte, dass Verfügungen der GmbH nur mehr mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam waren. Nachdem die Steuerforderungen von der GmbH nicht beigetrieben werden konnten, nahm das Finanzamt die Stpfl. nach §§ 69, 34 AO für die zur Insolvenztabelle festgestellten Steuerschulden der GmbH zzgl. darüber hinaus angefallener Säumniszuschläge in Haftung.
Das FG hat dazu festgestellt,
- dass der Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haftet, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden,
- dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer (und der weiteren Lohnabzugsbeträge) zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten darstellt,
- dass sich ein Geschäftsführer nicht dadurch exkulpieren kann, er habe Dritte (wie z.B. einen Steuerberater) für die Lohnbuchhaltung beauftragt, da es sich konkret bei der Abführung von Lohnsteuer bzw. der weiteren Lohnabzugsbeträge (deren Fehlen die Pflichtverletzung im Streitfall begründet) um eine nicht delegierbare Pflicht handelt,
- dass auch eventuelle Zahlungsschwierigkeiten der GmbH (wie im Streitfall) ein Verschulden bei der Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten nicht ausschließen.
- Auch die am 1. Februar 2018 erfolgte Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters („mit Zustimmungsvorbehalt”) entbinde die Stpfl. nicht von der Wahrnehmung der lohnsteuerlichen Pflichten, wozu eben auch die Abführung der Lohnsteuer bzw. der weiteren Lohnabzugsbeträge in zutreffender Höhe gehört. Durch diese Bestellung ohne Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots sei die Stpfl. nicht an der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten gehindert gewesen, da in solchen Fällen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wie auch die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner verbleibt.
- Da die Lohnsteuer und weitere Lohnabzugsbeträge als treuhänderisch verwaltete Fremdgelder stets vorrangig vor sonstigen Verbindlichkeiten an das Finanzamt abzuführen sind, bestehe eine unbeschränkte Haftung des Geschäftsführers in Höhe der angemeldeten, nach den geschuldeten Bruttolöhnen berechneten Steuerabzugsbeträgen – und dies selbst bei unzureichender Liquidität der Gesellschaft.
Unter Bezugnahme auf die vorgenannten Grundsätze zur Lohnsteuer-Haftung hat das FG zudem festgestellt, dass die Stpfl. zu Recht auch für die auf Grund der Lohnsteuer-Außenprüfung festgesetzte pauschale Lohnsteuer im Wege der Haftung in Anspruch genommen wurde. Denn die auf die geldwerten Vorteile entfallende Lohnsteuer entstünde (materiell-rechtlich) nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG bereits im Zeitpunkt des Lohnzuflusses, so dass Lohnsteuer sowie weitere Lohnabzugsbeträge bereits in 2015 bis 2017 einzubehalten und abzuführen gewesen waren. Und auch bei der Haftung für eine pauschale Nachversteuerung von Arbeitslohn findet der Grundsatz der anteiligen Tilgung keine Anwendung, so dass auch insoweit eine unbeschränkte Haftung des Geschäftsführers besteht.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung (zur unbeschränkten Haftung des Geschäftsführers, der auch durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt werde) ist aufmerksam zu beobachten, da die Revision gegen diese Entscheidung beim BFH unter dem Aktenzeichen VII R 32/20 anhängig ist.