Mandantenrundschreiben 07/2021
Für alle Steuerpflichtigen
1 Kindergeld: Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung des Hochschulstudiums; Übergangszeit
3 Spendenabzug bei Zuwendung mit Zweckbindung und fehlerhafter Angabe in der Zuwendungsbestätigung
4 Hausnotrufsystem auch außerhalb des „Betreuten Wohnens“ eine haushaltsnahe Dienstleistung
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
6 Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Auswärtstätigkeit im Falle einer Mahlzeitengestellung
8 Keine Steuerbefreiung für beamtenrechtliches pauschales Sterbegeld
9 Eine in Ausübung einer Sprinterklausel gezahlte Abfindung ist ermäßigt zu besteuern
Für Unternehmer und Freiberufler
10 Überbrückungshilfe III Plus ist bis zum 31.12.2021 verlängert worden
12 Betriebsprüfung: Keine Rückstellung für Steuernachforderungen im Steuerentstehungsjahr
13 Bei einem gemischten Bankkonto muss die Herkunft von Bareinzahlungen nachgewiesen werden
14 Datenbereitstellung bei Betriebsprüfung im Falle einer Einnahmen-Überschussrechnung
15 Keine Gewerbesteuer auf sog. Rendering-Leistungen von Architekten
16 Vorsteuerabzug – Angabe des Leistungszeitpunkts bzw. -zeitraums in der Rechnung
Für Personengesellschaften
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
20 Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Gold ETF-Fondsanteilen
Für Hauseigentümer
22 Abzugsfähigkeit einer Ablösezahlung für ein Wohnrecht
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
27 Steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung
29 Verpflichtung einer UG zur Abgabe einer elektronischen Bilanz
1 Kindergeld: Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung des Hochschulstudiums; Übergangszeit
Nach den gesetzlichen Vorgaben besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, u.a. dann, wenn es entweder
- für einen Beruf ausgebildet wird oder
- sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt.
Das Kindergeld wird vom Beginn des Monats gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Im Hinblick auf ein Hochschulstudium stellt der BFH insoweit mit Urteil v. 7.7.2021 (Az. III R 40/19) folgende Grundsätze klar:
- Eine Berufsausbildung in Form eines Hochschulstudiums beginnt nicht schon mit der Bewerbung für dieses Studium, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden.
- Die Beendigung eines Hochschulstudiums setzt grundsätzlich voraus, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dass dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse bekannt gegeben worden sind.
- Die Bekanntgabe erfordert regelmäßig, dass das Kind entweder eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder jedenfalls objektiv in der Lage war, eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist, welches Ereignis früher eingetreten ist.
Damit wird deutlich, dass das Ende des – insoweit einen Kindergeldanspruch begründenden – Hochschulstudiums nicht durch das Fortbestehen der formellen Immatrikulation an einer Hochschule bestimmt wird, weil etwa das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht und nur „pro-forma” immatrikuliert ist. Gleiches gilt, soweit ein Kind trotz erfolgter Immatrikulation noch einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, aber noch nicht mit Ausbildungsmaßnahmen begonnen hat. Entsprechend beginnt ein Hochschulstudium noch nicht bereits mit der Bewerbung für dieses Studium. Bei erfolgreicher Bewerbung wird dann aber die Zeit bis zum Semesterbeginn und damit dem Beginn der eigentlichen Ausbildung als Wartezeit auf eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes eingestuft, in der Kindergeld gewährt wird.
Im Urteilsfall endete der Masterstudiengang „Management” im Oktober 2016. Anschließend studierte das Kind ab April 2017 in einem Bachelorstudiengang Politikwissenschaften. Die Zwischenzeit von November 2016 bis März 2017 umfasste fünf Kalendermonate und überschritt damit die Höchstgrenze von vier Monaten für eine anzuerkennende unschädliche Übergangszeit, in der das Kindergeld weitergewährt wird.
Handlungsempfehlung:
In der Praxis sollten die maßgeblichen Zeitpunkte sorgfältig dokumentiert werden. Dies gilt insbesondere für die Beendigung des Studiums.
2 Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen
Im Hinblick auf das Urteil des BFH v. 21.2.2018 (Az. VI R 18/16) zur Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen gibt die FinVerw nun Anwendungshinweise. Für Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand, die nicht nur einzelnen Haushalten, sondern allen an den Maßnahmen der öffentlichen Hand beteiligten Haushalten zugutekommen, ist nach diesem Urteil eine Begünstigung ausgeschlossen. Im Urteilsfall ging es um den Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes und die Erschließung einer Straße. Insoweit fehlt es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang der Handwerkerleistungen mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers.
Nun wird in Bezug auf die bisherige Verwaltungsmeinung zu Aufwendungen für Straßenreinigung und Winterdienst folgende Ansicht vertreten:
Maßnahme | begünstigt | nicht begünstigt | Haushaltsnahe Dienstleistung | Handwerkerleistung |
Straßenreinigung | ||||
– Fahrbahn | X | |||
– Gehweg | X | X | ||
Winterdienst | ||||
– Fahrbahn | X | X | ||
– Gehweg | X |
Hinweis:
Diese geänderte Sichtweise ist in allen offenen Steuerfällen zu beachten.
3 Spendenabzug bei Zuwendung mit Zweckbindung und fehlerhafter Angabe in der Zuwendungsbestätigung
Steuerlich begünstigte Spenden erfolgen im Grundsatz zur freien Verfügung des Spendenempfängers und nicht etwa zweckgebunden. Des Weiteren ist eine Zuwendungsbestätigung („Spendenbestätigung”) erforderlich, um die Spende bei der Einkommensteuer geltend zu machen. Der BFH hat insoweit nun aber mit Urteil v. 16.3.2021 (Az. X R 37/19) zu Gunsten der Stpfl. entschieden, dass eine Zuwendung mit der Vorgabe, mit den Mitteln ein bestimmtes Tier in bestimmter Art zu pflegen, als Sonderausgabe abzugsfähig sein kann, wenn das Letztentscheidungsrecht in Bezug auf das „ob” und „wie” beim Zuwendungsempfänger liegt.
Der Sachverhalt stellte sich – verkürzt dargestellt – wie folgt dar: Die Stpfl. begehrte in ihrer Einkommensteuer-Erklärung einen Spendenabzug auf Grund einer Zahlung von 5 000 € an einen Tierschutzverein (V). Die Stpfl. war ehrenamtlich für den V tätig und kümmerte sich um die dort untergebrachten Hunde. Dies betraf u.a. den Schäferhund B, welcher nicht vermittelbar war. Die Stpfl. hielt es daher für sinnvoll, B auf Dauer in einer gewerblichen Tierpension unterzubringen. Allerdings waren die Verantwortlichen des Vereins weder bereit noch in der Lage, die für die Unterbringung des Hundes erforderlichen Mittel von 5 000 € aufzubringen. Deshalb erklärte sich die Stpfl. bereit, die Kosten für die Unterbringung zu übernehmen. Die Verantwortliche des V unterschrieb den Tierpflegevertrag. V erteilte der Stpfl. eine Zuwendungsbestätigung über eine Sachzuwendung im Wert von 5 000 €.
Der BFH gewährt entgegen der Auffassung des Finanzamtes im Streitfall den Spendenabzug. Dass die Spende zur konkreten Unterstützung eines konkreten Hundes bestimmt gewesen sei, hindere einen Spendenabzug an sich nicht. Es sei zudem unschädlich, dass entgegen der Angabe in der Zuwendungsbestätigung nicht eine Sach-, sondern eine Geldzuwendung vorliege.
Dass die Stpfl. bestimmt habe, die Spende in konkreter Art und Weise zur Unterstützung des B zu verwenden, stehe einem Spendenabzug an sich nicht entgegen. Eine Zweckbindung als solche sei nicht schädlich, der begünstigte Empfänger müsse die Spende nicht annehmen, so dass bei V das Letztentscheidungsrecht verblieben sei.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen sollte stets vor der Zuwendung steuerlicher Rat eingeholt und die Frage der steuerlichen Anerkennung der Zuwendung geprüft werden.
4 Hausnotrufsystem auch außerhalb des „Betreuten Wohnens” eine haushaltsnahe Dienstleistung
Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil v. 11.6.2021 (Az. 5 K 2380/19) entgegen der Auffassung der FinVerw entschieden, dass Kosten einer alleinstehenden Seniorin für ein Hausnotrufsystem auch dann als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen steuerbegünstigt sind, wenn sie nicht im Rahmen des „Betreuten Wohnens” in einer Seniorenwohneinrichtung anfallen.
Im Urteilsfall wohnte die 77 Jahre alte Stpfl. in einem eigenen Haushalt. In den Streitjahren 2016 und 2017 war sie einem Hausnotrufsystem angeschlossen, dessen Leistungen sich im Streitfall wohl auf die Herbeiholung eines Rettungsdienstes im Notfall beschränkten. Strittig war, ob die Kosten für dieses Hausnotrufsystem als haushaltsnahe Dienstleistungen bei der Einkommensteuer steuerbegünstigt sind.
Das FG hat zu Gunsten der Stpfl. entschieden. „Haushaltsnahe Dienstleistungen” seien solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Das von der alleinstehenden Stpfl. gebuchte Notrufsystem stelle eine haushaltsnahe Dienstleistung in diesem Sinne dar. Durch das Notrufsystem werde sichergestellt, dass die Stpfl. in Notsituationen (Sturz, Übelkeit etc.) rasch Hilfe durch den automatisch informierten Notdienst erhält. Die Herbeiholung eines Rettungsdienstes erfolge sonst typischerweise im Familienverbund, womit insbesondere die notärztliche Versorgung sichergestellt werde.
Handlungsempfehlung:
Gegen dieses Urteil des FG Baden-Württemberg ist nun die Revision beim BFH anhängig, so dass die Rechtsfrage noch nicht endgültig geklärt ist. In vergleichbaren Fällen sollte geprüft werden, ob unter Hinweis auf dieses Urteil die Steuermäßigung beantragt wird.
5 Abgrenzungsfragen „Häusliches Arbeitszimmer und Home-Office-Pauschale” – Besonderheiten in 2020 und 2021
Die FinVerw hat mit Schreiben v. 9.7.2021 (Az. IV C 6 – S 2145/19/10006 : 013) zu einzelnen Zweifelsfragen zum Ansatz von Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers bzw. der Home-Office-Pauschale Stellung genommen. Dies sind Fragen, die viele Stpfl. betreffen. Herauszustellen sind folgende Aspekte:
- Soweit die zeitlichen Abläufe hinsichtlich der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bzw. des Home-Office nicht lückenlos dokumentiert worden sind, reichen „schlüssige Angaben” aus. Letztlich wird die Frage, inwieweit Nachweise für die Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers vorgelegt werden müssen oder ob eine Schlüssigkeitsprüfung, z.B. anhand bereits vorhandener Angaben aus dem Vorjahr, ausreicht, im Einzelfall im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung entschieden.
- Für die Geltendmachung der Home-Office-Pauschale ist die beim Arbeitszimmer geltende Voraussetzung „kein anderer Arbeitsplatz” nicht erforderlich.
- Aufwendungen für Arbeitsmittel und Telefon-/Internetkosten sind durch die Home-Office-Pauschale nicht abgegolten. Vielmehr können solche Kosten nach den üblichen Regelungen als Werbungskosten angesetzt werden.
- Die tatsächlich geleisteten Aufwendungen für eine Zeitfahrkarte zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (z.B. Jahres- und Monatsfahrkarten) können als Werbungskosten geltend gemacht werden, soweit diese die insgesamt im Kalenderjahr ermittelte Entfernungspauschale übersteigen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Zeitfahrkarte in Erwartung der regelmäßigen Benutzung für den Weg zur ersten Tätigkeitsstätte erworben hat, er die Zeitfahrkarte dann aber auf Grund der Tätigkeit im Home-Office nicht im geplanten Umfang verwenden kann. Die Aufwendungen sind nicht auf einzelne Arbeitstage aufzuteilen.
Die Berücksichtigung der Home-Office-Pauschale bleibt davon unberührt. Insoweit gilt, dass die Pauschale nur für diejenigen Tage angesetzt werden kann, an denen der Stpfl. ausschließlich im Home-Office tätig geworden ist. - Der Abzug von Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers erfordert, dass dem Arbeitnehmer „kein anderer Arbeitsplatz” zur Verfügung steht. Dies ist in der Zeit vom 1.3.2020 bis 31.12.2021 auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen des Gesundheitsschutzes (Vermeidung von Kontakten mit Kollegen) zu Hause gearbeitet, die Entscheidung über das Tätigwerden im Home-Office der Stpfl. auch ohne eine ausdrückliche (schriftliche) Anweisung des Auftraggebers/Arbeitgebers getroffen hat und er damit der Empfehlung der Bundesregierung/der Länder gefolgt ist.
- Während der Corona-Pandemie gilt folgende Annahme: Verfügt der Stpfl. über ein dem Typusbegriff entsprechendes häusliches Arbeitszimmer und erbringt er seine berufliche/betriebliche Betätigung während der Corona-Pandemie ausschließlich oder überwiegend in seinem häuslichen Arbeitszimmer, wird für die qualitative Beurteilung der Betätigung eine mindestens gleichwertige Arbeit angenommen. Bei zeitlich überwiegender Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegt dann der Mittelpunkt der betrieblichen oder beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer. Bei der Prüfung sind unverändert alle betrieblichen und beruflichen Betätigungen (Gesamttätigkeit) zusammen zu beurteilen. Das ermöglicht während der Corona-Pandemie, wenn ein dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers entsprechendes Zimmer benutzt wird, bei zeitlich überwiegender Tätigkeit in diesem, den vollen Werbungskostenabzug.
Zum Hintergrund: Anteilige Miete und Nebenkosten können dann als Werbungskosten angesetzt werden, wenn ein steuerlich anerkanntes häusliches Arbeitszimmer vorliegt. Ein häusliches Arbeitszimmer wird steuerlich nur anerkannt, wenn es
- so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird (Privatanteil bis höchstens 10 %) und
- deutlich von den Privaträumen getrennt ist (d.h. keine „Arbeitsecke” und kein sog. Durchgangszimmer).
Liegt ein steuerlich anerkanntes Arbeitszimmer vor, so gilt allerdings im Grundsatz ein Abzugsverbot für eben diese Kosten. Hiervon gelten jedoch folgende Ausnahmen:
- Wenn dem Stpfl. für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, können die Aufwendungen bis höchstens 1 250 € im Jahr berücksichtigt werden.
- Wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Stpfl. bildet, können die Aufwendungen sogar in voller Höhe berücksichtigt werden.
Wie vorstehend dargestellt, gelten hinsichtlich dieser Voraussetzungen während der Corona-Pandemie (Zeitraum vom 1.3.2020 bis 31.12.2021) deutlich geringere Anforderungen, so dass mehr Stpfl. hiervon profitieren können.
Handlungsempfehlung:
Für die Steuererklärung 2020 und 2021 ist daher für den Einzelfall zu prüfen, ob Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers als Werbungskosten angesetzt werden können.
6 Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Auswärtstätigkeit im Falle einer Mahlzeitengestellung
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für Verpflegung sind grds. nicht als Werbungskosten absetzbar. Bei einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit lässt der Gesetzgeber zur Abgeltung der dem Arbeitnehmer tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen den Ansatz einer Verpflegungspauschale zu. Diese beträgt
- 28 € für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist,
- jeweils 14 € für den An- und Abreisetag, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet,
- 14 € für den Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung außerhalb seiner Wohnung mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Beginnt die auswärtige berufliche Tätigkeit an einem Kalendertag und endet am nachfolgenden Kalendertag ohne Übernachtung, werden 14 € für den Kalendertag gewährt, an dem der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil der insgesamt mehr als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist.
Bei einer Tätigkeit im Ausland gelten die jährlich festgesetzten länderspezifischen Pauschalen. Ergänzend ist gesetzlich festgelegt, dass die Verpflegungspauschalen zu kürzen sind, wenn dem Arbeitnehmer anlässlich oder während einer Tätigkeit außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird. Die Kürzung der Verpflegungspauschalen erfolgt dann
- für ein Frühstück um 20 % und
- für ein Mittag- und Abendessen um jeweils 40 %
der maßgebenden Verpflegungspauschale für einen vollen Kalendertag.
Der BFH hat nun mit Urteil v. 12.7.2021 (Az. VI R 27/19) bestätigt, dass der Ansatz der Verpflegungspauschalen und entsprechend die Kürzung bei Mahlzeitengestellung auch dann gelten, wenn der Stpfl. nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Im Urteilsfall erzielte der Stpfl. als nautischer Offizier Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Soweit dieser auf See an Bord von Schiffen tätig war, stellte der Arbeitgeber dem Stpfl. unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung.
Im Übrigen bestätigt das Gericht auch, dass die pauschale Kürzung der Verpflegungspauschalen auch dann erfolgt, wenn die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit tatsächlich vom Arbeitnehmer nicht eingenommen wurde.
Handlungsempfehlung:
Hinsichtlich des Ansatzes von Verpflegungspauschalen und einer etwaigen Kürzung wegen Mahlzeitengestellung müssen tageweise Aufzeichnungen erstellt werden.
7 Übertragung einer Pensionszusage des Arbeitgebers auf einen Pensionsfonds kann zum Zufluss von Arbeitslohn führen
Eine betriebliche Altersversorgungszusage kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn der Durchführungsweg geändert wird, denn dies kann zu einem Lohnzufluss und damit zu Lohnsteuer führen. Dies verdeutlicht das aktuelle Urteil des BFH v. 19.4.2021 (Az. VI R 45/18). Im Urteilsfall hatte die GmbH ihrem Arbeitnehmer (hier: ein Gesellschafter-Geschäftsführer) eine Direktzusage erteilt. Das heißt der Arbeitnehmer hatte einen unmittelbaren Pensionsanspruch gegen die Gesellschaft. Im Rahmen des Verkaufs der Anteile an der GmbH erfolgte nun eine Übertragung der erteilten Pensionszusage auf einen Pensionsfonds. Mithin änderte sich zwar der Pensionsanspruch nicht der Höhe nach, nun hatte der Arbeitnehmer aber nicht mehr einen Anspruch gegenüber der GmbH, sondern gegenüber dem Pensionsfonds. Das Finanzamt sah insoweit den Zufluss von Arbeitslohn, da der Arbeitnehmer über seinen Pensionsanspruch verfügt habe.
Der BFH bestätigt dies für den Streitfall. Denn der Stpfl. hat durch die Übertragung der Pensionszusage auf den Pensionsfonds anstelle der Anwartschaften auf zukünftige Rentenzahlungen im Versorgungsfall gegenüber seinem (bisherigen) Arbeitgeber einen eigenständigen Rechtsanspruch gegen den Pensionsfonds auf Versorgung erlangt.
Insoweit grenzt das Gericht ab von der Entscheidung vom 18.8.2016 (Az. VI R 46/13). In diesem Streitfall wurde die dort erteilte Direktzusage zugunsten des Arbeitnehmers lediglich von einem anderen Rechtsträger übernommen, ohne dass sich etwas an dem Charakter der Pensionszusage oder an deren Inhalt geändert hatte. Daher fließt dem Arbeitnehmer in einem solchen Fall noch kein Arbeitslohn zu.
Vorliegend ist die Direktzusage der GmbH zu Gunsten des Stpfl. jedoch nicht lediglich auf einen anderen Rechtsträger übertragen und damit der Anwartschaftsschuldner nicht lediglich ausgetauscht, sondern der Durchführungsweg ist gewechselt worden, weil die betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktzusage auf eine Altersversorgung durch einen Pensionsfonds übergeleitet worden ist. Der Wechsel des Durchführungswegs mit nachgelagerter Besteuerung (Direktzusage) zu einem Durchführungsweg mit einer vorgelagerten Besteuerung (Pensionsfonds) führt zu lohnsteuerpflichtigen Leistungen des Arbeitgebers.
Zu beachten ist, dass ein solcher Lohnzufluss allerdings steuerfrei sein kann. Ausdrücklich ist gesetzlich geregelt, dass Leistungen eines Arbeitgebers oder einer Unterstützungskasse an einen Pensionsfonds zur Übernahme bestehender Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften durch den Pensionsfonds u.a. steuerfrei sind, wenn ein ausdrücklicher Antrag des Arbeitgebers auf gleichmäßige Verteilung der Leistungen als Betriebsausgaben über zehn Jahre gestellt worden ist. Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht geschehen.
Handlungsempfehlung:
Dieses Urteil verdeutlicht, dass die Änderung des Durchführungsweges einer betrieblichen Altersversorgungszusage stets einer vorherigen, sorgfältigen steuerlichen Überprüfung bedarf.
8 Keine Steuerbefreiung für beamtenrechtliches pauschales Sterbegeld
Strittig war, ob das nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gezahlte pauschale, nach den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt des Verstorbenen bemessene Sterbegeld steuerfrei ist. Der Stpfl. berief sich auf eine Vorschrift des Einkommensteuergesetzes, nach der u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden, steuerfrei gestellt sind. Der BFH stellt nun aber mit Urteil v. 19.4.2021 (Az. VI R 8/19) klar, dass diese Vorschrift vorliegend nicht zur Anwendung kommt. Eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne dieser Vorschrift könne – auch nicht typisierend – in Bezug auf den Anspruch auf pauschales Sterbegeld nicht angenommen werden.
Hinweis:
Bei der Lohnabrechnung muss also eine steuerliche Erfassung des pauschalen Sterbegeldes erfolgen.
9 Eine in Ausübung einer Sprinterklausel gezahlte Abfindung ist ermäßigt zu besteuern
Das Hessische Finanzgericht stellt mit rechtskräftigem Urteil v. 31.5.2021 (Az. 10 K 1597/20) klar, dass die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig (auch) im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Eine im Gegenzug gezahlte Abfindung ist daher im Regelfall als Entschädigung ermäßigt zu besteuern. Dies gilt grundsätzlich auch für eine zusätzliche Abfindung, die für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung einer sogenannten Sprinterklausel gezahlt wird. Denn in diesem Fall kann die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht separat, sondern nur im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses beurteilt werden.
Strittig war nun, ob auch die zusätzliche Abfindung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses der ermäßigten Besteuerung bei der Einkommensteuer unterliegt.
Das FG entschied nun, dass insgesamt eine begünstigt zu besteuernde Abfindung vorliegt:
- Nach der Rechtsprechung ist eine Entschädigung eine Leistung, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen” gewährt wird, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen tritt. Bei Arbeitnehmern muss die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen, und auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Diese ist i.d.R. gegeben, wenn ein Arbeitsverhältnis gegen Abfindung aufgelöst wird.
- Eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung setzt weiterhin voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, soweit er vom Stpfl. selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dass dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Der Stpfl. darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben. Zahlt allerdings der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein aus eigenem Antrieb herbeigeführt hat. Wäre dies der Fall, hätte der Arbeitgeber keine Veranlassung, eine Abfindung zu leisten.
Hinweis:
Vergleichbare Fälle sind bislang in der Rechtsprechung unterschiedlich entschieden worden. Dennoch ist das besprochene Urteil rechtskräftig geworden. Im Einzelfall ist zu dokumentieren, dass die (weitere) Abfindung ursächlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusammenhängt. Dabei ist das Eigeninteresse des Arbeitgebers an einer (noch) früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu belegen.
10 Überbrückungshilfe III Plus ist bis zum 31.12.2021 verlängert worden
Die Überbrückungshilfe III Plus gewährte nach bisherigem Stand Unterstützung bei Corona-bedingten Einschränkungen bis zum 30.9.2021. Diese Hilfen wurden nun – hinsichtlich der Förderbedingungen weitgehend unverändert – bis zum 31.12.2021 verlängert. Ebenfalls verlängert wird die Neustarthilfe Plus, mit der Soloselbständige unterstützt werden, die von Corona-bedingten Umsatzeinbrüchen betroffen sind. Im Einzelnen ist zu beachten:
- Antragsberechtigt sind nach wie vor Unternehmen mit einem Corona-bedingten Umsatzrückgang von mindestens 30 %. Insoweit ist auch für den verlängerten Zeitraum Oktober bis Dezember 2021 eine Prüfung für jeden einzelnen Monat vorzunehmen, um festzustellen, für welchen Monat eine Förderberechtigung besteht.
- Die sogenannte Restart-Prämie, die innerhalb der Überbrückungshilfe III Plus für die Monate Juli, August, September 2021 galt und mit der der Übergang vom Lockdown hin zur Wiederöffnung erleichtert werden sollte, läuft plangemäß im September aus.
- Der Eigenkapitalzuschuss zur Substanzstärkung besonders stark und andauernd betroffener Unternehmen wird auch über den September hinaus bis Dezember 2021 zur Verfügung stehen.
- Verlängert wird auch die Neustarthilfe Plus für Soloselbständige. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember können Soloselbständige, deren Umsatz durch Corona weiter eingeschränkt ist, damit zusätzlich bis zu 4 500 € Unterstützung erhalten.
Handlungsempfehlung:
Auch für die Fördermonate Oktober bis Dezember 2021 erfolgt die Antragstellung durch einen „prüfenden Dritten”, also Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt. Betroffene Unternehmen sollten rechtzeitig die erforderlichen Daten zusammenstellen, um eine Förderung prüfen und beantragen zu können. Insoweit sollte rechtzeitig Kontakt mit dem prüfenden Dritten aufgenommen werden, der bei der Antragstellung unterstützt und diesen Prozess dann durchführt.
Weiterhin gelten nun Besonderheiten für von Hochwasserereignissen im Juli 2021 betroffene Unternehmen. Die Überbrückungshilfe III Plus leistet als Corona-Hilfsprogramm keine Hilfe zur Beseitigung Hochwasser-bedingter Nachteile. Die Corona-bedingten Umsatzausfälle berechtigen nun aber nach Maßgabe der folgenden Bedingungen weiterhin zur Antragstellung auf Überbrückungshilfe III Plus. Weiterhin antragsberechtigt sind Unternehmen, die für die Überbrückungshilfe III antragsberechtigt waren und vom Juli-Hochwasser betroffen sind, soweit im Monat Juni 2021 und im jeweiligen Fördermonat ein Umsatzeinbruch von mind. 30 % gegenüber dem Vergleichszeitraum vorliegt. Die Förderhöhe bemisst sich nach dem Niedrigeren von
- Umsatzeinbruch im Juni 2021 (also nicht des Fördermonats) im Verhältnis zu den jeweiligen Vergleichsmonaten im Jahr 2019 und
- tatsächlicher Umsatzeinbruch im Fördermonat im Verhältnis zu dem jeweiligen Vergleichsmonat im Jahr 2019. Es sind in der Antragstellung die entsprechend relevanten Umsätze anzugeben.
Hinweis:
Soweit Unternehmen sowohl die Überbrückungshilfe III Plus als auch Hilfen aus dem Aufbauhilfefonds in Anspruch nehmen wollen, darf keine Überkompensation von Schäden erfolgen. Kosten dürfen nur einmal erstattet werden. Soweit eine Anrechnung erforderlich ist, erfolgt diese im Rahmen der Aufbauhilfe.
Handlungsempfehlung:
Diese erweiterten Hilfsmöglichkeiten sind für den Einzelfall sehr wichtig, machen allerdings die Antragstellung noch komplexer. Sorgfältig müssen gemeinsam mit dem prüfenden Dritten, der die Antragstellung vornimmt, die Antragsberechtigung und die ansetzbaren Kosten nach den verschiedenen Förderprogrammen geprüft werden.
11 Überbrückungshilfe I, II, III und III Plus: Schlussabrechnung muss bis zum 30.6.2022 vorgelegt werden
Spätestens bis zum 30.6.2022 hat der prüfende Dritte die Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfe I, II, III und III Plus vorzulegen. Erfolgt keine Schlussabrechnung, ist die jeweilige Corona-Überbrückungshilfe in gesamter Höhe zurückzuzahlen. Die Schlussabrechnung kann nach dem Ablauf des Förderzeitraums digital über die Antragsplattform der Überbrückungshilfe eingereicht werden.
Im Einzelnen weist das BMWi zur Schlussabrechnung der Überbrückungshilfe I auf Folgendes hin:
- Umsatzeinbruch: Im Rahmen der Schlussabrechnung sind die endgültigen Umsatzzahlen über den tatsächlich entstandenen Umsatzeinbruch im April und Mai 2020 zu übermitteln. Ergibt sich daraus, dass der durchschnittliche Umsatzeinbruch von 60 % entgegen der Prognose nicht erreicht wurde, also die grundsätzliche Förderberechtigung nicht vorgelegen hat, sind alle bereits ausgezahlten Zuschüsse zurückzuzahlen. Bei der Bestätigung der endgültigen Umsatzzahlen sind die Umsatzsteuervoranmeldungen des antragstellenden Unternehmens zu Grunde zu legen.
- Betriebliche Fixkosten: Der prüfende Dritte übermittelt zudem die endgültige Fixkostenabrechnung an die Bewilligungsstellen der Länder. Ergeben sich daraus Abweichungen von der Kostenprognose (Höhe der Gesamtkosten), sind ggf. bereits ausgezahlte Zuschüsse für den betroffenen Fördermonat zurückzuzahlen. Nachzahlungen sind ausgeschlossen.
- Rückzahlungen bereits ausgezahlter Zuschüsse sind bis zur Schlussabrechnung grundsätzlich nicht zu verzinsen. Eine Verzinsung könnte eintreten, wenn nach der Rückforderung die dort gesetzten Zahlungsziele nicht eingehalten werden oder Subventionsbetrug begangen wurde.
- Eine Nachzahlung im Zuge der Schlussabrechnung wird grundsätzlich nicht möglich sein. Abweichend hiervon ist eine Nachzahlung jedoch für den Fall möglich, dass beim Antrag auf Überbrückungshilfe die ursprünglich erhaltene Soforthilfe anteilig angerechnet, die angerechnete Soforthilfe aber zwischenzeitlich zurückgezahlt wurde. Die Rückzahlung der Soforthilfe muss hierfür spätestens bis zur Einreichung der Schlussabrechnung nachweislich erfolgt sein.
12 Betriebsprüfung: Keine Rückstellung für Steuernachforderungen im Steuerentstehungsjahr
Das FG Münster hat mit Urteil v. 24.6.2021 (Az. 10 K 2084/18 K,G) entschieden, dass für die Nachforderung von (nicht hinterzogenen) Steuern im Steuerentstehungsjahr noch keine Rückstellung gebildet werden kann. Ebenfalls unzulässig ist die Bildung einer Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung bei einem Klein- bzw. Kleinstbetrieb.
Im Urteilsfall ging es um eine GmbH, die ein Taxiunternehmen betrieb. Nach der BpO wurde sie bis 2012 als Kleinstbetrieb und ab 2013 als Kleinbetrieb eingestuft. Im Jahr 2017 führte das Finanzamt bei der GmbH eine Lohnsteueraußenprüfung für 2013 und 2014 und eine Betriebsprüfung für 2012 bis 2014 als sog. Kombiprüfung durch, in deren Rahmen es u.a. Feststellungen zu nicht vollständig erfassen Umsätzen traf. Abgeschlossen wurde die Prüfung mit einer tatsächlichen Verständigung, die zu höheren Umsätzen und Gewinnen sowie zu zusätzlichen Arbeitslöhnen führte. Das Finanzamt setzte diese Verständigung durch Erlass entsprechender Steuerbescheide und eines Lohnsteuerhaftungsbescheids um. Daraufhin machte die GmbH geltend, dass für 2012 eine Rückstellung für zusätzlichen Steuerberatungsaufwand im Zusammenhang mit der Prüfung und für 2014 eine Rückstellung für die Lohnsteuerhaftungsbeträge zu bilden seien. Beides lehnte das Finanzamt ab.
Das FG bestätigt die Auffassung des Finanzamtes:
- Für den zusätzlichen Beratungsaufwand im Zusammenhang mit der Außenprüfung konnte im Jahr 2012 noch keine Rückstellung gebildet werden. Insoweit ist das auslösende Ereignis für die Aufwendungen erst die Durchführung der Prüfung im Jahr 2017. Am 31.12.2012 musste die Stpfl. noch nicht mit einer späteren Prüfung rechnen, da es sich bei ihr nicht um einen Großbetrieb handelt und sie deshalb nicht der Anschlussprüfung unterliegt.
- Auch für die Lohnsteuernachforderung wurde erst durch den Haftungsbescheid im Jahr 2017 eine Zahlungsverpflichtung der Stpfl. begründet. Eine Rückstellung darf zu einem früheren Bilanzstichtag nur gebildet werden, wenn mit einer Inanspruchnahme zu rechnen war. Dies war im Streitfall frühestens mit Beginn der Prüfung im Jahr 2017 der Fall. Dem stehe auch nicht entgegen, dass aus der Verwirklichung des festgestellten Besteuerungstatbestandes denklogisch die hieraus resultierende steuerliche Verpflichtung bereits am Bilanzstichtag zumindest dem Grunde nach vorhanden war. Insoweit mangelte es zu diesem Zeitpunkt an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, da die FinVerw noch keine Kenntnisse über ihren Anspruch erlangt hatte.
Hinweis:
Die Frage, zu welchem Bilanzstichtag für solche Mehrsteuern eine Rückstellung gebildet werden darf, ist rechtlich umstritten. Steuerliche Auswirkung hat dies allerdings auch nur dann, wenn diese Steuern zu steuerlich abzugsfähigem Aufwand führen, nicht also z.B. hinsichtlich der Gewerbe- oder Körperschaftsteuer.
13 Bei einem gemischten Bankkonto muss die Herkunft von Bareinzahlungen nachgewiesen werden
Das FG Münster hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Frage des Ansatzes steuerpflichtiger Einkünfte strittig war. Auf einem Bankkonto, welches sowohl im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit genutzt, aber auch Privatbuchungen verbucht wurden, hat der Stpfl. insgesamt 70 000 € in bar (in zwei Teilbeträgen zu 45 000 € bzw. 25 000 €) eingezahlt. Die Bank erstattete eine Geldwäscheverdachtsanzeige. Letztlich blieb die Herkunft der Barmittel ungeklärt. Nach Angaben der Stpfl. sollte es sich um ein Privatdarlehen von einem Bekannten gehandelt haben, dessen Name und Adresse aber nicht preisgegeben wurde. Auch auf ausdrückliche Aufforderung hin wurden keine weiteren Angaben gemacht. Das Finanzamt ging schließlich davon aus, dass der Betrag von 70 000 € als steuerpflichtige Einnahmen zu behandeln seien und setzte entsprechend Einkommensteuer fest. Hiergegen wehrte sich die Stpfl.
Das FG Münster bestätigte hingegen mit Urteil v. 9.6.2021 (Az. 13 K 3250/19 E) das Vorgehen des Finanzamtes und stellte heraus:
- Erfolgt eine Bareinzahlung auf ein Konto, das sowohl betrieblich als auch privat genutzt wird, besteht eine verstärkte Mitwirkungspflicht bei der Prüfung der Frage, ob steuerpflichtige Einnahmen oder nichtsteuerpflichtige Vermögenszugänge (insbesondere Darlehen oder Einlagen) vorliegen. Das Finanzamt bzw. das Finanzgericht kann bei Verletzung dieser Pflicht den Sachverhalt ohne weitere Sachaufklärung dahingehend würdigen, dass in Höhe der unaufgeklärten Kapitalzuführungen nicht versteuerte Einnahmen vorliegen.
- Für die steuerliche Behandlung eines Darlehens ist es von entscheidender Bedeutung, wer der Darlehensgeber ist. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht müssen durch namentliche Benennung des Darlehensgebers in die Lage versetzt werden, den Sachverhalt aufzuklären, etwa indem sie den Darlehensgeber befragen.
Das FG sah vorliegend die Voraussetzungen für eine Schätzung der Einnahmen durch das Finanzamt als gegeben. Die Stpfl. habe über ihre Angaben nicht ausreichend aufgeklärt und im Übrigen ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht verletzt.
Handlungsempfehlung:
Auch wenn das Finanzamt nur im Ausnahmefall zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt ist, sollte deutlich werden, dass bei Bareinzahlungen stets die Herkunft der Mittel sorgfältig dokumentiert werden muss.
14 Datenbereitstellung bei Betriebsprüfung im Falle einer Einnahmen-Überschussrechnung
Erfolgt durch das Finanzamt eine steuerliche Außenprüfung („Betriebsprüfung”), so muss der Stpfl. die Daten der steuerlichen Gewinnermittlung dem Finanzamt auf Anfrage in elektronisch verwertbarer Form zur Verfügung stellen. Damit soll das Finanzamt in die Lage versetzt werden, die Daten elektronisch auszuwerten. Die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) enthalten diesbezügliche Regeln zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen und zur Mitwirkungspflicht der Stpfl. bei Betriebsprüfungen.
Der BFH hat nun mit Urteil v. 7.6.2021 (Az. VIII R 24/18) klargestellt, dass sich die Pflicht zur Datenbereitstellung auf die Daten beschränkt, die nach den gesetzlichen Aufzeichnungspflichten erstellt werden müssen. Bei der Gewinnermittlung mittels Einnahmen-Überschussrechnung, wie insbesondere bei Freiberuflern, sind dies die Erfassung der Einnahmen und Ausgaben und die Aufzeichnungen für umsatzsteuerliche Zwecke. Damit ist aber auch in diesen Fällen die Aufforderung der FinVerw, einen Datenträger „nach GDPdU” zur Verfügung zu stellen, als unbegrenzter Zugriff auf alle elektronisch gespeicherten Unterlagen unabhängig von den gesetzlich bestehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Stpfl. zu verstehen und deshalb rechtswidrig.
Hinweis:
Die an die Betriebsprüfung zur Verfügung zu stellenden Daten sind gesetzlich klar umschrieben. Insoweit muss der Stpfl. mit seinem Berater für die richtige Abgrenzung sorgen, um dem Betriebsprüfer nur den notwendigen Einblick zu gewähren.
15 Keine Gewerbesteuer auf sog. Rendering-Leistungen von Architekten
Streitig war, ob sog. Rendering-Leistungen eines Architekten als freiberufliche oder als gewerbliche Tätigkeit einzustufen sind. Die A GbR betrieb in den Streitjahren ein Rendering-Büro zur Visualisierung von Architekturprojekten. Die Tätigkeiten der GbR stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar: Auf Basis von Entwürfen anderer Architekten generierte die GbR interaktive 3-D-Welten und fotorealistische Ansichten der jeweiligen Objekte und animierte diese ggf. auch. Die Entwurfskonzepte Dritter wurden folglich aufgenommen, verstanden und mittels Computergrafik möglichst optimal in Szene gesetzt. Gesellschafter der GbR waren die Stpfl. B und C, beides Diplomingenieure und Architekten. Neben den beiden Gesellschaftern waren bei der GbR in den Streitjahren nach ihren Angaben Architekten und ein Mediengestalter unterstützend tätig. Das Finanzamt sah insoweit gewerbliche Einkünfte. Auf Grund des begrenzten eigenen Gestaltungsspielraums bei der Visualisierung fremder Architektenentwürfe stehe die Anwendung technischer Fertigkeiten und die Beherrschung der entsprechenden Grafik-Software so deutlich im Vordergrund, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung die konkrete Tätigkeit weder dem Berufsbild eines Architekten oder Ingenieurs entspreche noch die Voraussetzungen einer künstlerischen Tätigkeit erfülle.
Gegen die Annahme gewerblicher Einkünfte wandten sich die Stpfl. Zur Begründung trugen diese vor, dass die Einordnung als Katalogberuf „Architekt” schon daraus folge, dass die Leistungen „Rendern/Visualisierung von Architekturprojekten” dem üblichen Angebotsportfolio eines Architekturbüros entsprechen. Deshalb sei diese Tätigkeit auch in der HOAI geregelt und danach abrechenbar. Nach der Rechtsprechung führe bereits dieser Umstand dazu, dass die durch die Stpfl. angebotenen Visualisierungsleistungen unter die originäre Tätigkeit eines Architekten zu subsumieren seien.
Das FG Köln bestätigt nun mit Urteil v. 21.4.2021 (Az. 9 K 2291/17) das Vorliegen von freiberuflichen Einkünften. Eine Gewerbesteuerpflicht ergibt sich mithin nicht. Beide Gesellschafter der GbR üben als studierte und eingetragene Architekten ihre Tätigkeit in einem Hauptbereich der Architektur aus. Das Visualisieren/Rendern von Architekturprojekten gehört unstreitig zur typischen Architektentätigkeit dazu. Rendering ist inzwischen unerlässlicher Teil des Architekturstudiums, wird regelmäßig von Architekturbüros im Rahmen der Objektplanung mitangeboten und ist zudem explizit in der HOAI in Leistungsphase 2 (Vorplanung) enthalten. Zudem flossen vorliegend mithilfe der Visualisierung eigene gestalterische Elemente im Architekturbereich in das Entwurfsprojekt mit ein. Fehlende Details und die vorhandenen Lücken in den ersten, noch groben Entwürfen der originär beauftragten Architekten wurden von den Stpfl. gefüllt.
Hinweis:
Mit entscheidend für das Zustandekommen des Urteils des FG waren die ausführlichen Schilderungen der beiden GbR-Gesellschafter in der mündlichen Verhandlung. Dort haben diese ihre Tätigkeit ausführlich beschrieben. Dies verdeutlicht, dass oftmals die klare und ausführliche Darstellung des Sachverhalts ein wesentlicher Schlüssel im Finanzgerichtsprozess ist. Gerade dann, wenn es wie im Streitfall um die Tätigkeit in einem besonderen Fachgebiet geht, muss dies den Finanzrichtern verständlich gemacht werden.
16 Vorsteuerabzug – Angabe des Leistungszeitpunkts bzw. -zeitraums in der Rechnung
Die FinVerw stellt mit Schreiben v. 9.9.2021 (Az. III C 2 – S 7280-a/19/10004 :001) heraus, dass Rechnungen, die nicht den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung enthalten (ausreichend ist die Angabe des Kalendermonats), nicht ordnungsgemäß ausgestellt sind und damit grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Ein Vorsteuerabzug aus solchen Rechnungen ist nur ausnahmsweise möglich, und zwar dann, wenn die FinVerw über sämtliche Angaben verfügt, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen. Der BFH hatte entschieden, dass sich im Einzelfall aus dem Rechnungsdatum das Leistungsdatum ergeben kann. Umgekehrt kann dies nicht gelten, wenn nicht feststeht, dass die Daten zusammenfallen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine unmittelbar mit der Leistung zusammenfallende Rechnungsstellung nicht branchenüblich ist, vom betroffenen Rechnungsaussteller nicht immer durchgeführt wird oder bei der konkreten Leistung sonstige Zweifel an einem Zusammenfallen der Daten bestehen. Bestehen Zweifel, obliegt deren Ausräumung dem Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht.
Handlungsempfehlung:
In umsatzsteuerlichen Rechnungen sollte grundsätzlich der Leistungszeitpunkt bzw. -zeitraum (ausreichend als Kalendermonat) angegeben werden. Bei Kleinbetragsrechnungen (Gesamtbetrag max. 250 €) ist die Angabe des Leistungszeitpunktes nicht erforderlich.
17 Vorsteuerabzug: Dokumentation des Zuordnungswahlrechts bei Erwerben in 2020 spätestens bis 1.11.2021
Beabsichtigt der Unternehmer, einen einheitlichen Gegenstand sowohl für unternehmerische Zwecke (mind. 10 % unternehmerische Nutzung) als auch für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden, hat er ein Zuordnungswahlrecht. Der Gegenstand kann dem Unternehmen zugeordnet werden, was den Vorsteuerabzug nach sich zieht, aber eben auch einen Eigenverbrauch hinsichtlich der nichtunternehmerischen Nutzung – oder der Gegenstand kann dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet werden. Nur wenn der Unternehmer einen solchen Gegenstand (ggf. anteilig) ausdrücklich seinem Unternehmen zuordnet, kann er – unter den sonstigen Voraussetzungen – die Vorsteuer aus dessen Erwerb oder Herstellung abziehen.
Grundsätzlich muss diese Zuordnungsentscheidung bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs getroffen werden. Die Dokumentation dieser Zuordnungsentscheidung erfolgt grds. in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den entsprechenden Anmeldungszeitraum. Spätestens muss diese Zuordnungsentscheidung – so nach Ansicht der FinVerw und bislang auch der Rechtsprechung – in der „zeitnah” erstellten Umsatzsteuer-Jahreserklärung dokumentiert sein. Für den Besteuerungszeitraum 2020 wurde nun die gesetzliche Regelabgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung bis zum 1.11.2021 (bzw. in den Bundesländern, in denen der 1.11.2021 ein Feiertag ist, bis zum 2.11.2021) verlängert. Das Landesamt für Steuern und Finanzen Sachsen teilt nun mit Verfügung v. 4.8.2021 mit, dass die Zuordnungsentscheidung für Leistungsbezüge im Besteuerungszeitraum 2020 auch dann zeitnah dokumentiert, wenn sie bis zum 1.11.2021 dem Finanzamt vorliegt.
Handlungsempfehlung:
Diese Frist ist zwar rechtlich umstritten, sollte in der Praxis allerdings tunlichst beachtet werden. Soweit die Umsatzsteuer-Jahreserklärung kurzfristig noch nicht fertiggestellt werden kann, sollte eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat des Erwerbs des betreffenden Gegenstands erstellt werden.
18 Umsatzsteuerliche Folgen bei Abrechnung über nicht ausgeführte sonstige Leistung mittels Gutschrift
Eine umsatzsteuerliche Rechnung kann auch durch den Leistungsempfänger ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart worden ist (Gutschrift). Auch dann gilt wie bei einer umsatzsteuerlichen Rechnung allerdings der Grundsatz, dass eine in dieser Gutschrift ausgewiesene Umsatzsteuer grds. auch dem Finanzamt geschuldet wird, selbst dann, wenn tatsächlich gar keine Steuerschuld besteht. Entsprechend der jüngeren Rechtsprechung ist insoweit allerdings zu differenzieren, wie die FinVerw mit Schreiben v. 19.8.2021 (Az. III C 2 – S 7283/19/10001 :002) mitteilt:
- Abrechnung an Nichtunternehmer: Nach der Rechtsprechung steht ein als Gutschrift verwendetes Abrechnungsdokument an einen Nichtunternehmer einer Rechnung nicht gleich. Dieses Abrechnungsdokument begründet daher keine Steuerschuld. Insoweit ist dann aus diesem Abrechnungsdokument auch kein Vorsteuerabzug möglich.
- Abrechnung an Unternehmer über eine nicht erbrachte Leistung: Wird hingegen eine Gutschrift zwischen zwei Unternehmern über eine nicht erbrachte Leistung ausgestellt, steht dieses Abrechnungsdokument einer Rechnung gleich und begründet damit grds. eine Steuerschuld. Ein Vorsteuerabzug aus einem solchen Abrechnungsdokument ist nicht möglich.
- Widerspruch gegen eine Gutschrift: Durch einen wirksamen Widerspruch des Gutschriftempfängers gegen eine ihm erteilte Gutschrift liegt ab dem Besteuerungszeitraum des wirksamen Widerspruchs kein Rechnungsdokument mehr vor. Dem Gutschriftaussteller liegt somit ab diesem Zeitpunkt keine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinne mehr vor, so dass kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist. Allerdings führt allein ein wirksamer Widerspruch gegen eine Gutschrift nicht zur Beseitigung der Steuergefährdung, so dass auch in diesem Fall der Gutschriftempfänger die ausgewiesene Steuer weiterhin schuldet, bis die Steuergefährdung beseitigt worden Ist.
Handlungsempfehlung:
Bei der Ausstellung umsatzsteuerlicher Gutschriften muss also stets sehr sorgfältig vorgegangen werden.
19 Betriebsaufspaltung: Erforderlich ist eine beherrschende Stellung sowohl in der Besitzgesellschaft als auch in dem Betriebsunternehmen
Wird Anlagevermögen – meist in Form von Grundstücken –, das eine operativ tätige Gesellschaft für ihre gewerbliche Tätigkeit nutzt, nicht von dieser Gesellschaft selbst, sondern von einer separaten Vermögensverwaltungsgesellschaft gehalten, so handelt es sich insoweit im Grundsatz bei der Überlassung des Anlagevermögens um eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit, die z.B. nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Die Überlassung des Anlagevermögens an die operativ tätige Gesellschaft wird aber dann als gewerbliche Tätigkeit eingestuft, wenn unter folgenden Bedingungen eine sog. steuerliche Betriebsaufspaltung vorliegt:
- sachliche Verflechtung: Es muss mindestens eine für den Betrieb der operativ tätigen Gesellschaft (sog. Betriebsgesellschaft) wesentliche Betriebsgrundlage überlassen werden. Dies ist regelmäßig bei der Überlassung von Immobilien gegeben.
- personelle Verflechtung: Daneben muss eine personelle Verflechtung zwischen der Betriebsgesellschaft und dem verpachtenden Unternehmen (sog. Besitzgesellschaft) vorliegen. Dies ist dann gegeben, wenn ein Gesellschafter oder ggf. auch eine Personengruppe in beiden Unternehmen ihren Willen durchsetzen können.
Rechtsfolge bei Bestehen einer solchen steuerlichen Betriebsaufspaltung ist, dass das Besitzunternehmen auch gewerbliche Einkünfte erzielt, also der Gewerbesteuer unterliegt und etwaige Wertsteigerungen in den überlassenen Wirtschaftsgütern steuerlich erfasst werden. Problematisch ist insbesondere die Beendigung einer steuerlichen Betriebsaufspaltung durch Wegfall entweder der sachlichen oder der personellen Verflechtung, weil darin eine Betriebsaufgabe gesehen wird – mit der Folge der Versteuerung der stillen Reserven im Vermögen des Besitzunternehmens und der Anteile der Betriebsgesellschaft.
Der BFH hat nun mit Urteil v. 14.4.2021 (Az. X R 5/19) klargestellt:
- Die personelle Verflechtung verlangt – abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung –, dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus.
- Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.
Im Urteilsfall drohte unbeabsichtigt eine Betriebsaufspaltung vorzuliegen. Der Fall stellte sich wie folgt dar:
- Ursprünglich lag offensichtlich eine Gestaltung entsprechend dem Wiesbadener Modell vor: V war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer im Baugewerbe tätigen GmbH und seine Ehefrau (Stpfl.) war Alleineigentümerin des mit einer Lagerhalle inkl. Büro- und Sozialtrakt sowie Garagen bebauten Grundstücks, welches an die GmbH verpachtet war. In einer solchen Konstellation wird keine steuerliche Betriebsaufspaltung gesehen.
- In 2010 verstarb V. Erben des V waren zu ½ seine Ehefrau und zu ¼ die beiden Söhne. Einer von ihnen war im Streitjahr noch minderjährig. Die Erbengemeinschaft blieb im Streitjahr ungeteilt. Mit Beschluss vom 7.6.2010 ordnete das Familiengericht eine Ergänzungspflegschaft für den noch minderjährigen Sohn an. Sie umfasste die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und -pflichten des Sohnes in der GmbH.
- Am 17.6.2010 fasste die Gesellschaftsversammlung der GmbH den Beschluss, die Stpfl. zur einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin der GmbH zu bestellen. Diesen Beschluss unterschrieb die Ergänzungspflegerin für den minderjährigen Sohn.
- Die am 13.7.2010 beim Handelsregister eingegangene Gesellschafterliste führte die Erbengemeinschaft als Gesellschafterin der GmbH auf. Die Stpfl. wurde am 14.7.2010 als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH in das Handelsregister, allerdings ohne Befreiung von den Beschränkungen nach § 181 BGB, eingetragen.
- Das Finanzamt sah nun eine Betriebsaufspaltung. Dieses war der Ansicht, dass mit der Bestellung der Stpfl. zur einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin neben der bereits bestehenden sachlichen Verflechtung auch eine personelle Verflechtung mit der GmbH eingetreten sei. Gegen ihren Willen habe sie als Geschäftsführerin nicht abberufen werden können.
Der BFH bestätigt dagegen, dass vorliegend keine personelle Verflechtung gegeben war. Die Stpfl. war zwar Alleineigentümerin des überlassenen Grundstücks, nicht aber in der Lage, auch in der GmbH ihren Willen durchzusetzen. Damit ein Gesellschafter eine GmbH beherrscht, ist es gesellschaftsrechtlich ausreichend – aber auch notwendig –, dass er über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter ansonsten die laufende Geschäftsführung innehat (sog. Geschäfte des täglichen Lebens). Exakt 50 % der Stimmen reichen deshalb noch nicht aus.
Eine Beherrschung der GmbH ergab sich im Streitfall auch nicht daraus, dass die Stpfl. zugleich Geschäftsführerin der GmbH wurde und so die sog. Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft bestimmen konnte. Es fehlte die weiterhin notwendige Mehrheitsbeteiligung der Stpfl. an der GmbH.
Weiterhin stellt der BFH heraus, dass eine über ihren Stimmenanteil von 50 % hinausgehende Zurechnung der Stimmen des minderjährigen Kindes an die Stpfl. für ertragsteuerrechtliche Zwecke mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen nicht vorgenommen werden konnte. Dem stand insbesondere entgegen, dass das Kind hinsichtlich der GmbH-Anteile durch die Ergänzungspflegerin vertreten wurde. Damit waren die Stimmrechte des Kindes im Verhältnis zur GmbH nicht mehr Teil der Vermögenssorge der Stpfl. Eine Vermutung gleichgerichteter Interessen bestand damit nicht.
Handlungsempfehlung:
Liegt eine steuerliche Betriebsaufspaltung vor, so kann dies weitreichende Folgen nach sich ziehen. Dabei sind bei der Prüfung des Vorliegens der personellen Verflechtung stets die zivilrechtlichen Verhältnisse des Einzelfalles sehr genau zu beachten. In solchen Fällen sollte stets steuerlicher Rat eingeholt werden.
20 Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Gold ETF-Fondsanteilen
Die Veräußerung von physischem Gold wird steuerlich nur als privates Veräußerungsgeschäft erfasst, ist also nur dann steuerlich relevant, wenn die Veräußerung innerhalb der Jahresfrist nach dem Erwerb erfolgt. Bei Zertifikaten ist dagegen wie folgt zu differenzieren:
- Werden Inhaberschuldverschreibungen veräußert oder eingelöst, die einen Lieferanspruch auf Gold oder einen anderen Rohstoff verbriefen und durch Gold oder einen anderen Rohstoff in physischer Form nicht gedeckt sind, sind die Einnahmen Einkünfte aus Kapitalvermögen und unabhängig von der Haltedauer steuerlich zu erfassen.
- Sehen die Vertrags-/Emissionsbedingungen hingegen vor, dass der Emittent das zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig in Gold oder einen anderen Rohstoff zu investieren hat, und besteht ausschließlich ein Anspruch auf Auslieferung des hinterlegten Rohstoffs oder ein Anspruch auf Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung des Rohstoffs durch den Emittenten, liegt keine Kapitalforderung, sondern ein Sachleistungsanspruch vor. Gegebenenfalls kommt eine Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft in Betracht.
Insoweit hat der BFH nun mit Urteil v. 12.4.2021 (Az. VIII R 15/18) bestätigt, dass der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einem Fonds nach schweizerischem Recht, der sein Kapital allein in physischem Gold anlegt, als Kapitaleinkünfte zu versteuern ist. Die Veräußerung des Fondsanteils begründet keinen Anspruch auf die Lieferung von physischem Gold.
Hinweis:
Insoweit hängen die steuerlichen Folgen also von dem gewählten Anlageprodukt ab.
21 Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft kann durch rechtzeitige Schenkung auf die Kinder verlagert werden
Vorliegend ging es um ein privates Veräußerungsgeschäft, da ein Grundstück nach nur etwa einem Jahr Haltedauer weiterveräußert wurde. Strittig war aber, ob der Gewinn aus diesem privaten Veräußerungsgeschäft bei der Mutter als ursprünglichem Eigentümer des Grundstücks zu versteuern war oder bei den Kindern, denen das Grundstück kurz vor Veräußerung geschenkt wurde. Die Mutter erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag im Jahr 2011 das Grundstück und übertrug dieses in 2012 unentgeltlich jeweils zu hälftigem Miteigentum auf ihren volljährigen Sohn und ihre volljährige Tochter. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom selben Tag verkauften die Tochter und der Sohn das Grundstück an Z. Der Kaufpreis wurde je zur Hälfte an die Tochter und den Sohn ausgezahlt. Die Verkaufsverhandlungen mit Z waren allein von der Mutter geführt worden. Strittig war nun, ob bei der Mutter ein privates Veräußerungsgeschäft anzusetzen sei oder aber bei den Kindern (was vorliegend steuerlich günstiger war und daher angestrebt wurde).
Der BFH bestätigt mit Urteil v. 23.4.2021 (Az. IX R 8/20) die vorgenommene Gestaltung und das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts bei den Kindern. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber ausdrücklich (als Reaktion auf frühere Rechtsprechung) geregelt hat, dass bei einem unentgeltlichen Erwerb der Erwerber in die Rechtsstellung des Überträgers eintritt und mithin ein steuerlich zu erfassendes privates Veräußerungsgeschäft realisiert, wenn innerhalb der durch den Rechtsvorgänger in Gang gesetzten „Spekulationsfrist” von zehn Jahren das Grundstück veräußert wird. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, dass durch die unentgeltliche Übertragung die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nicht umgangen werden soll, indem vor einer Veräußerung das betroffene Wirtschaftsgut z.B. auf eine nahestehende Person übertragen wird, die dann den Veräußerungsvorgang verwirklicht.
Auch ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, der zu einer steuerlichen Erfassung des privaten Veräußerungsgeschäfts bei der Mutter geführt hätte, wurde nicht verwirklicht. Es lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die vertraglichen Regelungen zur Schenkung des Grundstücks an die Kinder sowie die Veräußerung des Grundstücks an Z unangemessene Vereinbarungen enthielten. Die Kinder konnten über das geschenkte Grundstück nach der Übertragung frei verfügen. Sie waren insbesondere nicht vertraglich gebunden, an die Erwerber zu veräußern, mit denen ausschließlich die Mutter zuvor Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Die Kinder waren auch nicht verpflichtet, den Veräußerungserlös an die Stpfl. abzuführen. Zudem war in der Folge der Übertragung an beide Kinder das Entstehen eines steuerbaren Veräußerungsgewinns nicht vermieden und ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil nicht erzielt worden. Vielmehr ist der Veräußerungsgewinn bei den Kindern entstanden und auch dort zu erfassen.
Hinweis:
Dies zeigt, dass in der Praxis Steuersatzeffekte genutzt werden können. Schenkungsteuerliche Aspekte sind jedoch zu beachten.
22 Abzugsfähigkeit einer Ablösezahlung für ein Wohnrecht
Vor dem Niedersächsischen Finanzgericht war die Frage streitig, ob die Zahlung zur Ablösung eines Wohnungsrechts als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig ist. Der Stpfl. hatte das im Erbbaugrundbuch verzeichnete Erbbaurecht für das Grundstück W geerbt. Auf dem Grundstück befindet sich eine Doppelhaushälfte. Das Erbbaurecht war u.a. mit einem Wohnungsrecht belastet. Im Jahr 2017 verzichtete die Begünstigte des Wohnrechts A auf ihr Wohnungsrecht und verpflichtete sich, das Gebäude bis zum 30.11.2017 besenrein zu räumen. Der Stpfl. verpflichtete sich im Gegenzug, eine Ausgleichsentschädigung i.H.v. 40 000 € an A zu bezahlen, nebst den Kosten der notariellen Beurkundung i.H.v. insgesamt 3 591,89 €. Nach einer umfassenden Renovierung der Doppelhaushälfte ist diese seit dem 1.5.2018 vermietet. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machte der Stpfl. die Entschädigungszahlung für das Wohnungsrecht als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Das Finanzamt hingegen berücksichtigte die Entschädigungszahlung für die Aufgabe des Wohnungsrechts als Anschaffungskosten, welche sich nur über die Abschreibung steuermindernd auswirken.
Das Niedersächsische FG bestätigt mit Urteil v. 2.7.2020 (Az. 2 K 228/19) die Auffassung des Finanzamtes. Entscheidend ist insoweit folgende Überlegung: Steht einem Dritten ein dingliches Recht an einem Grundstück zu und löst der Eigentümer das dingliche Recht ab, sind die Ablösezahlungen nachträgliche Anschaffungskosten, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers zur Nutzung und Veräußerung des Vermögensgegenstandes beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück verschafft. Denn erwirbt ein Stpfl. einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, so erhält er zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Seine Rechte als Eigentümer sind durch das Nutzungsrecht begrenzt. Löst er das Nutzungsrecht ab, so verschafft er sich die vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen.
Für die Frage, ob es sich um nachträgliche Anschaffungskosten handelt, ist somit alleine maßgebend, ob Aufwendungen dazu dienen, die vom Stpfl. bezweckte Betriebsbereitschaft des Grundstücks herzustellen und eine Werterhöhung für das Grundstück zu bewirken. Dies war im Streitfall mit der Ablösung des dinglichen Wohnungsrechts durch die Zahlung der 40 000 € der Fall. Der Stpfl. erhielt erstmalig mit dem Wegfall des dinglichen Wohnungsrechts das unbelastete Erbbaurecht, das ihn in die Lage versetzt, die Doppelhaushälfte im Folgejahr zu vermieten.
Hinweis:
Gegen diese Entscheidung ist nun unter dem Az. IX R 9/21 die Revision beim BFH anhängig, so dass die Streitfrage noch nicht endgültig geklärt ist.
23 Veräußerung eines auf einem Campingplatz aufgestellten Mobilheims kein privates Veräußerungsgeschäft
Bekanntlich unterliegt die Veräußerung von Grundstücken innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach dem Erwerb als sog. privates Veräußerungsgeschäft grds. der Besteuerung, soweit nicht eine Selbstnutzung vorliegt. Das FG Niedersachsen hat abgrenzend entschieden, dass die Veräußerung eines auf einem Campingplatz aufgestellten Mobilheims kein privates Veräußerungsgeschäft darstelle, weil insoweit kein Grundstück betroffen sei.
Im Streitfall hatte der Stpfl. im Jahr 2011 ein sog. Mobilheim als „gebrauchtes Fahrzeug” (ohne Grundstück) von einer Campingplatzbetreiberin und Grundstückseigentümerin erworben und anschließend vermietet. Dabei handelte es sich um ein Holzhaus mit einer Wohnfläche von 60 qm, das auf einer vom Stpfl. gemieteten Parzelle auf einem Campingplatz ohne feste Verankerung stand. Dort befand sich das Mobilheim bereits seit 1997. Der Erwerbsvorgang unterlag der Grunderwerbsteuer. Im Jahr 2015 veräußerte der Stpfl. dieses Mobilheim mit Gewinn. Das Finanzamt unterwarf den Vorgang der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft.
Dies lehnte das Finanzgericht nun mit Urteil v. 28.7.2021 (Az. 9 K 234/17) ab. Die isolierte Veräußerung eines Mobilheims ist selbst kein privates Veräußerungsgeschäft. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass es sich bewertungsrechtlich um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden handelt, dessen Erwerb und Veräußerung der Grunderwerbsteuer unterliegt. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut werden Gebäude aber nicht isoliert durch die Regelung als privates Veräußerungsgeschäft erfasst. Gebäude gehen nur in die Bewertung ein, wenn Grund und Boden innerhalb der Zehnjahresfrist veräußert wird.
Hinweis:
Insoweit ist nun allerdings unter dem Az. IX R 22/21 die Revision beim BFH anhängig, so dass die Streitfrage noch nicht endgültig geklärt ist. In vergleichbaren Fällen sollte geprüft werden, ob unter Hinweis auf dieses Urteil des Finanzgerichts eine Nichtbesteuerung – unter Offenlegung des Sachverhalts – beantragt wird.
24 Privates Veräußerungsgeschäft – Berechnung der Zehnjahresfrist bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung
Ein Gewinn aus der Veräußerung einer vermieteten Immobilie wird steuerlich dann nicht erfasst, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung eine Frist von mehr als zehn Jahren verstrichen ist. Insoweit kann gerade bei den in den letzten Jahren vielfach zu beobachtenden großen Wertsteigerungen ein exaktes zeitliches Abstimmen steuerlich sehr wichtig sein. Der BFH hat insoweit nun mit Entscheidung v. 25.3.2021 (Az. IX R 10/20) konkretisierend ausgeführt, dass eine „Anschaffung” bzw. „Veräußerung” in diesem Sinne vorliegt, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Zehnjahresfrist bindend abgegeben worden sind.
Im Urteilsfall stand die Veräußerung noch unter dem Vorbehalt einer sanierungsrechtlichen Genehmigung. Das Verpflichtungsgeschäft wurde noch innerhalb der Zehnjahresfrist abgeschlossen, die Genehmigung wurde aber erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist erteilt. Der BFH stellt heraus, dass die Bindungswirkung eines innerhalb der zehnjährigen Haltefrist abgeschlossenen, wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung (noch) schwebend unwirksamen Vertrags ausreichen kann, um die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäfts eintreten zu lassen. Haben sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich mithin dergestalt gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts innerhalb der Zehnjahresfrist erfüllt.
Handlungsempfehlung:
Gerade der Streitfall zeigt, dass oftmals wenige Tage darüber entscheiden, ob ein entstehender Veräußerungsgewinn der Besteuerung unterliegt oder nicht. Insoweit ist stets der zeitliche Ablauf sehr genau zu planen und es sollte steuerlicher Rat eingeholt werden.
25 Besteuerung sog. Streubesitzdividenden: FinVerw zur Berechnung des Vorliegens einer 10 %igen Beteiligung
§ 8b KStG regelt im Grundsatz, dass Gewinnausschüttungen aus Beteiligungen an in- und ausländischen Körperschaften bei der Einkommensermittlung von Körperschaftsteuerpflichtigen steuerfrei gestellt werden. Nach § 8b Abs. 4 KStG wird danach die Steuerfreiheit nur gewährt, wenn schon zu Beginn des Kalenderjahrs eine mind. 10 %ige Beteiligung vorgelegen hat. Zugleich gilt für Zwecke dieser Streubesitzregelung der unterjährige Erwerb einer Beteiligung von mind. 10 % als bereits zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt; das Gesetz enthält also für diesen Fall eine Rückbeziehungsfiktion.
Nach der aktuell veröffentlichten Auffassung der FinVerw (OFD Frankfurt v. 16.8.2021, S 2750a A-027-St 52), insbesondere zum unterjährigen Hinzuerwerb, gilt diese Rückbeziehungsfiktion ausschließlich für den Erwerb eines Anteilspaketes von mind. 10 % durch einen einzelnen Erwerbsvorgang. Danach habe die Regelung keine Auswirkung auf die Behandlung von Anteilen, die zum Beginn des Kalenderjahres bereits bestehen, und sei auch nicht anzuwenden, wenn im laufenden Kalenderjahr durch verschiedene Erwerbsvorgänge jeweils Anteile von weniger als 10 % erworben werden würden, die Erwerbe insgesamt aber die Grenze von 10 % erreichen. Die FinVerw erläutert ihre Auffassung an folgenden Beispielen:
Hinzuerwerb einer Beteiligung im Laufe des Jahres von 11 % | Auf Grund der Rückbeziehungsfiktion sind Erträge aus dieser Beteiligung bereits im Erwerbsjahr steuerfrei. |
Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres von 7 % | Erträge aus dieser Beteiligung sind im Erwerbsjahr nicht steuerfrei, sondern als Streubesitz in voller Höhe steuerpflichtig, weil nicht mind. 10 % hinzuerworben werden. |
Beteiligungshöhe zu Beginn des Jahres 4 %, Hinzuerwerb im Laufe des Jahres 11 % | Die Rückbezugsfiktion ist nur für den hinzuerworbenen Anteil von 11 % anzuwenden, so dass in diesem Jahr des Erwerbs Erträge aus der Beteiligung insoweit steuerfrei sind, als sie auf den hinzuerworbenen 11 %igen Anteil entfallen, und steuerpflichtig, soweit sie auf den Anteil von 4 % entfallen. |
Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Erwerb einer Beteiligung von 20 % am 1.4. und einer Beteiligung von 7 % am 1.6. und einer Beteiligung von 4 % am 1.9. | Die Rückbezugsfiktion ist nur für den hinzuerworbenen Anteil von 20 % anzuwenden, so dass in diesem Jahr des Erwerbs Erträge aus der Beteiligung insoweit steuerfrei sind, als sie auf den erworbenen 20 %igen Anteil entfallen, und steuerpflichtig, soweit sie auf die Anteile von 7 % und 4 % entfallen. |
Keine Beteiligung zu Beginn des Jahres, Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 1 und Hinzuerwerb von 5 % von Veräußerer 2 | Keine Steuerbefreiung im Erwerbsjahr, da (i.S.d. Rückbeziehungsfiktion) nicht in einem Erwerbsvorgang mindestens 10 % erworben werden. |
Erwerb von 15 % und Veräußerung von 10 % im gleichen Jahr mit anschließender Ausschüttung | Da die Rückbeziehungsfiktion greift, sind Erträge aus der Beteiligung steuerfrei, auch wenn die Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Ausschüttung nur noch zu 5 % beteiligt ist. Der Erwerber der Beteiligung, der ja in einem Erwerbsvorgang 10 % hinzuerwirbt, profitiert i.Ü. ebenfalls von der Rückbeziehungsfiktion – und kann auch steuerfreie Erträge erzielen. |
Hinweis:
Die dargestellte Auffassung der FinVerw ist umstritten. So hat das Hessische FG mit Urteil v. 15.3.2021 (gegen das beim BFH die Revision unter dem Az. I R 16/21 anhängig ist) entschieden, dass die Steuerfreiheit bereits dann eintritt, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Kalenderjahres eine Beteiligungshöhe von mindestens 10 % erreicht wurde – dabei komme es nicht auf das Vorliegen eines oder mehrerer Erwerbsvorgänge an. Die weitere Entwicklung ist zu beobachten.
Handlungsanweisung:
Die der Körperschaftsteuer unterliegenden Stpfl. müssen also darauf hinarbeiten, dass entweder zu Beginn des Kalenderjahres bereits eine Beteiligung in Höhe der gesetzlichen Vorgaben besteht oder unter Beachtung der Rückbezugsfiktion unterjährig möglichst Mindestbeteiligungen von 10 % erworben werden – oder die Ausschüttungspolitik im Erwerbsjahr möglichst günstig gestalten.
26 Unklare Pensionszusage: vGA bei Vereinbarung eines möglichen Pensionseintritts schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 9.6.2021 hat das FG Düsseldorf (Az. 7 K 3034/15 K,G,F) zur Problematik des gesetzlichen Erfordernisses der Eindeutigkeit einer Pensionszusage entschieden, dass
- allgemein in den Fällen, in denen für den Pensionsberechtigten die Möglichkeit besteht, unter bestimmten Bedingungen vor Vollendung des in der Zusage festgelegten Regelpensionsalters (des 65. Lebensjahrs) die Pension zu beziehen, die Pensionszusage insgesamt nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 EStG erfüllt, wenn die Voraussetzungen für den vorzeitigen Bezug nicht dem Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG genügen,
- konkret dann, wenn für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Möglichkeit besteht, bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma des Zusagenden eine Pension zu beziehen, die Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis (mit-)veranlasst ist, weshalb jedenfalls die Pensionszahlungen vor Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind.
Eine Pensionsrückstellung dürfe in der Bilanz einer GmbH nur gebildet werden, wenn und soweit die Pensionszusage u.a. schriftlich erteilt wurde und sie eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalte.
Eine Rückstellung sei auch dann zulässig, wenn die maßgebliche schriftliche Pensionszusage der Auslegung bedürfe. Dabei werde dem Eindeutigkeitsgebot auch dann noch genügt, wenn sich der Inhalt der Pensionszusage erst durch deren Auslegung einfach und ohne verbleibende Restzweifel am Auslegungsergebnis feststellen lasse.
Im konkreten Streitfall sei nun aber die mit den Gesellschafter-Geschäftsführern vereinbarte Klausel „Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Fa. eine Altersrente gem. Punkt A-1. zu beziehen.... Der vorzeitige Bezug der Rente ist jedoch... frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich.” gerade keinem eindeutigen Auslegungsergebnis zugänglich; insoweit fehle es an der notwendigen Eindeutigkeit.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist angesichts des beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens (Az. des BFH: I R 29/21) aufmerksam zu verfolgen. Der Aspekt der Eindeutigkeit gehört (ebenso wie das Schriftformerfordernis) jedenfalls in jede Checkliste zur Prüfung von Pensionsrückstellungen.
27 Steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 30.6.2021 (Az. 13 K 272/19 G,F) hat das FG Münster festgestellt, dass inkongruente Gewinnausschüttungen im Regelfall keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen.
Im konkreten Streitfall ging es um die steuerliche Zurechnung der Gewinnausschüttung der N-GmbH. An dieser waren verschiedene Gesellschafter beteiligt, u.a. die G-GmbH mit 2,33 %. Beide Gesellschaften waren in eine Unternehmensgruppe eingebunden. In einer Gesellschafterversammlung der N-GmbH vom 27.12.2013 fasste diese u.a. die folgenden Beschlüsse:
- „Aus dem Bilanzgewinn der N-GmbH soll ein Betrag i.H.v. Euro [X] an die G-GmbH ausgeschüttet werden. Als Tag der Auszahlung wird der 24.12.2014 bestimmt.
- Dieser Beschluss ist aufschiebend bedingt auf die Eintragung der Änderung des § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der N-GmbH dahingehend, dass in der Satzung geregelt wird, dass die Gesellschafter alljährlich auch über die Verteilung des Gewinns abweichend von der gesetzlichen Regelung aus § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbH-Gesetz beschließen können, im Handelsregister.
- Zum Ausgleich des Nachteils i.H.v. [X] € aus dieser Ausschüttung an die G-GmbH erhalten die restlichen Gesellschafter bei Liquidation der Gesellschaft vorab einen bestimmten Betrag ./. Quote – beschränkt auf den Liquidationserlös.
- Die G-GmbH wird ihren Anspruch gegenüber der N-GmbH aus diesem Gesellschafterbeschluss an die G-GmbH & Co Kommanditgesellschaft abtreten. Entsprechend der Vorgehensweise der Vergangenheit sollen zum Ausschüttungsstichtag 24.12.2014 die Verbindlichkeiten der N-GmbH aus den vorgenannten Ausschüttungen mit bestehenden Ausleihungen der N-GmbH gegenüber der G-GmbH & Co Kommanditgesellschaft aufgerechnet werden.”
Das FA sah in dieser inkongruenten Gewinnausschüttung einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO und wollte die Gewinnausschüttung den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsquote steuerlich zurechnen. Diese Ansicht verwarf das FG mit folgenden Überlegungen:
- Der Ausschüttungsbeschluss enthalte dezidierte Regelungen zum Ausgleich der inkongruenten Ausschüttung gegenüber den „restlichen Gesellschaftern”, welche keine Ausschüttung erhalten haben. Die Rechtsfolge der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs, der dann ja eine fiktive kongruente Ausschüttung herstellen würde, würde zu einer Überkompensation der inkongruenten Gewinnausschüttung führen, wenn im Nachgang einer fiktiv kongruenten Ausschüttung noch Ausgleichsansprüche der „restlichen Gesellschafter” bestünden; insoweit ergäbe sich ein „überschießendes” Ergebnis. Vor diesem Hintergrund habe der BFH bereits ausgeführt, dass § 42 AO lediglich zulasse, einen missbräuchlichen Vorgang zu neutralisieren, nicht aber, Ersatzsachverhalte zu fingieren (BFH v. 19.8.1999, I R 77/96, BStBl II 2001, 43, Rz. 36).
- Im Übrigen liegt im Streitfall ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO auch deshalb nicht vor, weil kein Rechtssatz existiere, wonach inkongruente Gewinnausschüttungen grds. einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellten.
- Auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte bestünden keine Bedenken, eine zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene inkongruente Gewinnausschüttung gleichfalls steuerlich als zulässig anzuerkennen, selbst für den Fall einer anschließenden inkongruenten Wiedereinlage. Das gelte jedenfalls uneingeschränkt dann, wenn im Gesellschaftsvertrag gem. § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt sei oder eine Öffnungsklausel bestehe.
- Für den Streitfall konnte das FG daher in der an die G-GmbH bewirkten disquotalen Gewinnausschüttung der N-GmbH keinen Gestaltungsmissbrauch erkennen, da die N-GmbH mit Gesellschafterbeschluss vom 17.3.2014 eine Öffnungsklausel in § 16 ihres Gesellschaftsvertrags eingefügt und Abweichungen von § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG explizit zugelassen hatte. Zudem hätten ausreichende wirtschaftliche und somit außersteuerliche Gründe für die gewählte inkongruente Gewinnausschüttung bestanden (nämlich ein besonderer Kapitalbedarf bei der G-GmbH).
Hinweis:
Diesem erfreulich klar zu Gunsten der Stpfl. getroffenen Urteil kommt eine besondere Bedeutung zu, da solche inkongruenten Gewinnausschüttungen in der Praxis nicht gerade selten vorkommen.
28 Verdeckte Gewinnausschüttung durch Ausgabe von Darlehen von einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 9.6.2021 hat das FG Münster (Az. 13 K 668/19 E) entschieden, dass
- es zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei einem Gesellschafter auch dann kommen kann, wenn eine Kapitalgesellschaft an diesen ein von vornherein nicht ernstlich vereinbartes Darlehen ausreicht.
- ein Vermögensvorteil zu Gunsten des Gesellschafters vorliege, wenn bereits bei Darlehensauszahlung auf Grund der wirtschaftlichen Situation des Gesellschafters mit einer Rückzahlung der „Darlehensbeträge” nicht gerechnet werden könne, da in diesem Fall der Darlehensgewährung von vornherein kein Gegenwert gegenüberstehe und davon auszugehen ist, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nicht begründet werden solle.
Im konkreten Fall stritten die Beteiligten über die Erfassung von vGA bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012. Mit Gesellschaftsvertrag aus 2010 hatte die Stpfl. die L-UG (haftungsbeschränkt) gegründet, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie war. Im Dezember 2010 (genaues Datum im Urteil geschwärzt) wurde über das Vermögen der Stpfl. das Insolvenzverfahren eröffnet; bei Insolvenzeröffnung bestanden ungedeckte Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 436 T€.
Am 15.12.2010 schloss die Stpfl. als Darlehensnehmerin mit der UG als Darlehensgeberin einen Darlehensvertrag u.a. mit dem Inhalt, dass die UG der Stpfl. ein variables Darlehen gewähre, das mit 4 % zu verzinsen sei. Zins- und Tilgungsleistungen waren vertragsgemäß erst ab dem 1.2.2017 zu leisten; Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die Stpfl. erhielt in den Jahren 2011 bis 2018 Darlehensauszahlungen, das Darlehen valutierte in der Spitze mit rd. 157 T€.
Im Zuge einer Betriebsprüfung gelangte die FinVerw zu dem Ergebnis, das von der UG an die Stpfl. ausgereichte Darlehen stelle eine vGA dar. Das Darlehen sei auf Grund des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Stpfl. (bei dem der Stpfl. die Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO erteilt worden war) sowie auf Grund des Verzichts auf die Gestellung von Sicherheiten bereits bei der Hingabe uneinbringlich gewesen. Dabei berücksichtigte die FinVerw auch, dass die vertraglichen Vereinbarungen zur Verzinsung, Tilgung und Besicherung des Darlehens nicht fremdüblich gewesen seien. In der Folge rechnete die FinVerw der Stpfl. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. zunächst rd. 64 T€ zu.
Das FG hat die Klage dagegen abgewiesen und – verkürzt dargestellt – folgende Aspekte hervorgehoben:
- So führe die Ausreichung eines von vornherein nicht ernstlich vereinbarten Darlehens zu einem Vermögensvorteil beim Gesellschafter, und zwar bereits im Zeitpunkt der Hingabe der „Darlehensvaluta”.
- Das Merkmal der Veranlassung des Vermögensvorteils durch das Gesellschaftsverhältnis entscheide sich in Darlehensfällen nicht nach der Verwendung der Mittel bzw. dem Zweck der Darlehensaufnahme, sondern nach den geschäftlichen Bedingungen der Darlehensvergabe (Verzinsung, Sicherheiten, Rückzahlungsrisiko) nach Maßgabe eines Fremdvergleichs.
- Eine vGA könne im Zeitpunkt der Darlehensgewährung anzunehmen sein, wenn eine behauptete Darlehensvereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter mangels Fremdüblichkeit nicht anzuerkennen ist, weil der Darlehensvertrag von Anfang an mangels nennenswerter Tilgungsleistungen und Zinszahlungen seitens des Gesellschafters nicht ernsthaft durchgeführt worden ist.
- Das FG folgert u.a. aus dem Fehlen von Sicherheiten, dass das Darlehen von vornherein nicht ernstlich vereinbart war und dass bereits bei Darlehensauszahlung auf Grund der wirtschaftlichen Situation der Stpfl. mit einer Rückzahlung der „Darlehensbeträge” nicht gerechnet werden konnte. Auf Grund des Fehlens von Sicherheiten sei auch die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu bejahen. Denn unter Berücksichtigung der ungedeckten Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 436 T€ musste es bei Abschluss des Darlehens als aussichtslos erscheinen, dass das Darlehen zurückgezahlt werden würde. Der „Darlehensgewährung” stand damit von vornherein kein Gegenwert gegenüber.
Hinweis:
Für die Praxis folgt aus diesem Urteil, dass bei Darlehensgewährungen an Gesellschafter sehr sorgfältig auf den Fremdvergleich geachtet und möglichst auch die Stellung von Sicherheiten vereinbart werden sollte.
29 Verpflichtung einer UG zur Abgabe einer elektronischen Bilanz
Der BFH bestätigt mit Urteil v. 21.4.2021 (Az. XI R 29/20), dass eine Unternehmergesellschaft (UG), die im laufenden Wirtschaftsjahr und in den meisten Vorjahren Gewinne im unteren vierstelligen Bereich erwirtschaftet hat, zur Abgabe einer elektronischen Bilanz verpflichtet ist. Dies gelte auch dann, wenn die UG zwar über Hardware, nicht aber über die erforderliche Software verfüge. Denn der geringe Kostenaufwand für die Beschaffung einer geeigneten Software begründe keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit.
Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund des § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG zu sehen, nach dem der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln ist („elektronische Übermittlung”). Auf Antrag kann die Finanzbehörde nach § 5b Abs. 2 Satz 1 EStG zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.
Im Urteilsfall war zwischen der haftungsbeschränkten UG, deren Unternehmensgegenstand im Betrieb von Internetplattformen bestand, und dem FA strittig, ob die UG einen Anspruch auf Verzicht zur elektronischen Abgabe ihrer Steuerbilanz hat. Für 2018 wurden die Erklärungen zur USt, zur KSt und zur GewSt in elektronischer Form eingereicht, die Bilanz jedoch in Papierform. Die UG beantragte den Verzicht auf die elektronische Übermittlung und verwies darauf, dass die Buchhaltung von ihrem Geschäftsführer erledigt werden würde; das FA lehnte diesen Antrag ab. Der BFH hat die Auffassung des FA bestätigt und u.a. ausgeführt, dass der UG die elektronische Übermittlung weder persönlich noch wirtschaftlich unzumutbar sei, denn sie sei ja in der Lage gewesen, ihre Steuererklärungen elektronisch zu übermitteln und ihr Zweck sei der Betrieb von Internetplattformen. Auch wirtschaftlich sei dies zumutbar, da auf der ELSTER-Website bereits mehrere Software-Anbieter aufgelistet seien, die die Möglichkeit der Übertragung einer E-Bilanz zu sehr geringen Kosten bieten.
Hinweis:
Unter dem Az. VIII R 29/19 hat der BFH mit Urteil v. 16.6.2021 (HFR 2021, 164) i.Ü. bestätigt, dass eine Zumutbarkeit fehlt, wenn die Schaffung der technischen Voraussetzungen in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis mehr zu den Einkünften stehe, für die nach § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG die ESt-Erklärung durch Datenfernübertragung zu übermitteln sei. Kleinstbetriebe sollten sich auf die Härtefallregelung berufen können.
Unter dem Az. VIII R 29/17 hat der BFH (Urteil v. 16.6.2020, HFR 2021, 166) auf die Begründung dieses Urteils Bezug genommen und einen selbständig tätigen Physiotherapeuten mit Einkünften von rd. 14 T€ p.a. von der elektronischen Erklärungsabgabe befreit, da dieser weder über Mitarbeiter und Praxisräume noch über die erforderliche Hard- und Software verfügte.
Soweit sich allerdings der Stpfl. für die Erstellung der Steuererklärungen eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe bedient, dürfte die Berufung auf einen Härtefall i.S.d. § 150 Abs. 8 AO regelmäßig ausgeschlossen sein.