Für alle Steuerpflichtigen

1 Bundesregierung kündigt umfangreiche Entlastungen an

2 Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten

3 Gesetzentwurf zur Neuregelung der Steuerverzinsung liegt vor

4 Kindergeld: Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

5 Keine Steuerermäßigung für statische Berechnungen eines Statikers

6 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für einzeln veranlagte Ehegatten im Trennungsjahr

7 Einkommensteuerliche Berücksichtigung von Zahlungen zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

8 Mindestlohn und Minijobgrenze sollen ab 1.10.2022 steigen

Für Unternehmer und Freiberufler

9 Meldefristen beim Transparenzregister beachten

10 Ein Freiberufler kann Angehörige über eine Innen-GbR an seiner Praxis beteiligen

11 Umsatzsteuer auf private Nutzung von Elektrofahrzeugen und Elektrofahrrädern usw.

12 Umsatzsteuerliches One-Stop-Shop-Verfahren auch für an Privatkunden im EU-Ausland leistende Handwerker relevant

13 Fortgezahlte Beiträge zu einem Fitnessstudio trotz pandemiebedingter Schließung umsatzsteuerpflichtig?

Für Personengesellschaften

14 Freiberufler-Personengesellschaft: Konzentration von Organisations- und Verwaltungsaufgaben bei einem der approbierten Zahnärzte kann insgesamt Gewerbesteuerpflicht auslösen

Für Bezieher von Kapitaleinkünften

15 Veräußerungsgewinne aus Kryptowährungen steuerpflichtig

16 Besteuerung des Nutzungsersatzes für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf eines Darlehens

Für Hauseigentümer

17 Landingpage von Bund und Ländern zur Grundsteuerreform

18 Übertragung von Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt

19 Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer eines Gebäudes als 50 Jahre durch Wertgutachten

Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer

20 Berechnung der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG: Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Veräußerungskosten?

21 Grenzüberschreitende Organschaft: Begriff der negativen Einkünfte

22 Einkünfte aus Kapitalvermögen und deren Zufluss bei gespaltener Gewinnverwendung

23 Gestaltungsmissbrauch bei Einlage in die Kapitalrücklage einer GmbH mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber einer Alleingesellschafterin

24 Freigebige Zuwendung zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft bei vGA an die Personengesellschaft

Jahresabschluss zum 31.12.2021: Aktuelle Bilanzierungsfragen

25 Vorbemerkung

26 Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung

27 Abschreibung von Anlagevermögen

28 Bewertung des Vorratsvermögens

29 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

30 Corona-Hilfen im Jahresabschluss

31 Bemessung von Rückstellungen für Zinsen auf Steuernachforderungen

32 Sachentnahmen – Besonderheiten im Falle coronabedingter Schließung

 

1 Bundesregierung kündigt umfangreiche Entlastungen an

Neben dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz bzw. Steuerentlastungsgesetz 2022 hat sich der Koalitionsausschuss zuletzt am 23.3.2022 vor dem Hintergrund der stark steigenden Preise für Energie auf zehn Entlastungsschritte (Entlastungspaket Energie) verständigt, die kurzfristig in verschiedenen Gesetzesvorhaben umgesetzt werden sollen:

  • Wegfall der EEG-Umlage: Angesichts der gestiegenen Strompreise für Verbraucher und die Wirtschaft soll die EEG-Umlage bereits zum 1.7.2022 entfallen. Damit sichergestellt ist, dass die Umlageabsenkung i.H.v. 3,723 ct/kWh im zweiten Halbjahr 2022 zu einer spürbaren Entlastung von Endverbrauchern bei den Stromkosten führt, enthält das Gesetz Regelungen zur Weitergabe der Absenkung. Stromlieferanten werden in den jeweiligen Vertragsverhältnissen zu einer entsprechenden Absenkung der Preise zum 1.7.2022 verpflichtet.
  • Heizkostenzuschuss: Beschlossen wurde ein einmaliger Heizkostenzuschuss u.a. für Empfänger von Wohngeld und nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte sowie Beziehende von Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld. Für Wohngeldberechtigte (Bezugszeitraum Oktober 2021 bis März 2022 – für mindestens einen Monat) beträgt der Zuschuss 270 € (ein berücksichtigtes Haushaltsmitglied) bzw. 350 € (zwei berücksichtige Haushaltsmitglieder), für jedes weitere berücksichtigte Haushaltsmitglied zusätzlich 70 €. Studierende und Auszubildende, die staatliche Hilfen erhalten (Bezugszeitraum s.o.), erhalten einmalig 230 €. Alle Berechtigten sollen den Zuschuss ohne Antragstellung erhalten. Der Heizkostenzuschuss soll im Sommer gezahlt werden.
  • Energiepreispauschale: Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) soll einmalig eine Energiepreispauschale i.H.v. 300 € als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werden. Der Zuschlag soll unabhängig von den geltenden steuerlichen Regelungen (Pendlerpauschale, Mobilitätsprämie, steuerfreie Arbeitgebererstattungen, Job-Ticket) gewährt werden. Die Auszahlung soll über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers bzw. des Dienstherren erfolgen, bei Selbständigen über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung. Die Pauschale soll allerdings der Einkommensteuer unterliegen, was Geringverdiener tendenziell mehr entlastet. Allerdings steht noch nicht fest, wann dieser Betrag zur Auszahlung kommen soll.
  • Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags: Um Arbeitnehmer zu unterstützen, soll der Arbeitnehmerpauschbetrag rückwirkend ab dem 1.1.2022 um 200 € auf 1 200 € erhöht werden. Dies wird sich – nach entsprechender gesetzlicher Umsetzung – unmittelbar beim Lohnsteuerabzug auswirken.
  • Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate und Einführung eines ÖPNV-Tickets „9 €/Monat” für 90 Tage: Befristet für drei Monate soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher auch weitergegeben wird.
    Die Nutzung des ÖPNV soll für einen begrenzten Zeitraum von 90 Tagen deutlich subventioniert werden durch Einführung eines Tickets für 9 € pro Monat. Bei beiden Maßnahmen ist der genaue Zeitplan noch unklar.
  • Erhöhung der Pendlerpauschale für Fernpendler: Die nach derzeitigem Gesetzesstand am 1.1.2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) sowie der Mobilitätsprämie soll vorgezogen werden. Sie soll damit rückwirkend ab dem 1.1.2022 0,38 € ab dem 21. Kilometer betragen. Für die ersten 20 Kilometer gilt weiterhin die Pauschale von 0,30 €. Steuerlich auswirken würde sich dies im Grundsatz erst bei der Einkommensteuererklärung für 2022, ggf. bei der Lohnsteuer bereits dann, wenn ein entsprechender Freibetrag beantragt wird.

    Hinweis:

    Die Bundesregierung hat weiter angekündigt, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale erfolgen soll, die ökologisch-soziale Belange der Mobilität besser berücksichtigt.

  • Erhöhung des Grundfreibetrags: Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer soll von derzeit 9 984 € um 363 € auf 10 347 € angehoben werden, rückwirkend ab dem 1.1.2022. Auch diese Entlastung wird sich unmittelbar beim Lohnsteuerabzug auswirken.
  • Einführung eines Corona-Zuschusses: Erwachsene Beziehende von existenzsichernden Leistungen sollen mit einer Einmalzahlung in Höhe von 200 € unterstützt werden. Davon sollen insbesondere diejenigen profitieren, die Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung erhalten. Ab dem 1.1.2023 sollen die Regelbedarfe an die gestiegenen Energiekosten angepasst werden.
  • Familienzuschuss: Ergänzend zum Kindergeld wird ein Einmalbonus i.H.v. 100 € über die Familienkassen ausbezahlt. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.
  • Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder: Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder soll zum 1.7.2022 umgesetzt werden. Er soll in Höhe von 20 € pro Monat bis zur Einführung der Kindergrundsicherung denjenigen Kindern helfen, die besondere finanzielle Unterstützung brauchen.
  • Erhöhung des Mindestlohns: Es wurde ein Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht, mit dem die zum 1.10.2022 vorgesehene Erhöhung des Mindestlohns umgesetzt werden soll.
  • Corona-Bonus für Mitarbeiter in der Pflege: Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz sollen Pflegeprämien für Mitarbeiter in der Pflege, die auf Grund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gewährt wurden, bis zu einer Höhe von insgesamt 3 000 € steuerfrei gestellt werden. Das betrifft Mitarbeiter, die in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten tätig sind. Diese Steuerfreiheit soll rückwirkend gelten für Prämien, die ab dem 18.11.2021 ausgezahlt wurden.
  • Verlängerung des Kurzarbeitergeldes: Bereits in der gesetzlichen Umsetzung ist die Verlängerung der an sich zum 31.3.2022 auslaufenden Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld bis zum 30.6.2022 (Höchstdauer von bisher 24 Monaten auf 28 Monate, Regelungen zu den erhöhten Leistungssätzen bei längerer Kurzarbeit, Anrechnungsfreiheit von Mini-Jobs, Zugangserleichterungen). Parallel soll die Steuerbefreiung für Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (freiwillige Aufstockungen des Arbeitsgebers) bis zum 30.6.2022 verlängert werden.
  • Weitere steuerliche Entlastungen mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz: Mit dem Vierten Steuerhilfegesetz sind verschiedene punktuelle steuerliche Entlastungen vorgesehen. So soll die Home-Office-Pauschale von bis zu 600 € jährlich auch in 2022 gelten, die degressive Abschreibung für Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird auch für Anschaffungen in 2022 gewährt.

Hinweis:

Sämtliche steuerlichen Maßnahmen bedürfen noch der Umsetzung, so dass Änderungen nicht ausgeschlossen werden können, insbesondere der zeitliche Fahrplan ist teilweise noch unklar. Daher ist das weitere Gesetzgebungsverfahren zu beobachten.

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2 Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten

Die FinVerw hat mit Schreiben vom 17.3.2022 steuerliche Erleichterungen und Billigkeitsregelungen im Hinblick auf Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten bekannt gegeben. Diese gelten für die nachfolgenden Maßnahmen, die vom 24.2.2022 bis zum 31.12.2022 durchgeführt werden. Hinzuweisen ist auf folgende Aspekte:

Spenden:

  • Statt einer Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts (z.B. Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder PC-Ausdruck bei Online-Banking) für die Zuwendungen, die bis zum 31.12.2022 zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten auf ein dafür eingerichtetes Sonderkonto einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bzw. eine inländische öffentliche Dienststelle eingezahlt werden.
  • Ruft eine steuerbegünstigte Körperschaft, die nach ihrer Satzung keine hier in Betracht kommenden Zwecke verfolgt, wie insbesondere mildtätige Zwecke (z.B. Sportverein, Musikverein, Kleingartenverein oder Brauchtumsverein), zu Spenden zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten auf und kann sie die Spenden nicht satzungsgemäß verwenden, ist dies unschädlich für die Steuerbegünstigung. Bei vom Krieg in der Ukraine Geschädigten kann zudem auf den Nachweis der Hilfebedürftigkeit verzichtet werden. Es ist ferner unschädlich, wenn die Spenden z.B. entweder an eine steuerbegünstigte Körperschaft, die mildtätige Zwecke verfolgt, oder an eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts usw. zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten weitergeleitet werden. Die steuerbegünstigte Einrichtung, die die Spenden gesammelt hat, muss entsprechende Zuwendungsbestätigungen für Spenden bescheinigen, die sie für die Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten erhält und verwendet. Auf die Sonderaktion ist in der Zuwendungsbestätigung hinzuweisen.

Maßnahmen steuerbegünstigter Körperschaften zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten:

  • Neben der Verwendung der eingeworbenen Spendenmittel ist es ausnahmsweise auch unschädlich für die Steuerbegünstigung der Körperschaft, wenn sie sonstige bei ihr vorhandene Mittel, die keiner anderweitigen Bindungswirkung unterliegen, ohne Änderung der Satzung zur unmittelbaren Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten einsetzt. Gleiches gilt für die Überlassung von Personal und von Räumlichkeiten.

Hinweis:

Insbesondere gemeinnützige Organisationen müssen in diesen Konstellationen sehr sorgsam vorgehen, damit die Gemeinnützigkeit nicht in Gefahr gerät. Im Zweifel sollte steuerlicher Rat eingeholt werden.

  • Stellen steuerbegünstigte Körperschaften entgeltlich Personal, Räumlichkeiten, Sachmittel oder andere Leistungen in Bereichen zur Verfügung, die für die Bewältigung der Auswirkungen und Folgen des Krieges in der Ukraine notwendig sind, wird es nicht beanstandet, wenn diese Betätigungen sowohl ertragsteuerlich als auch umsatzsteuerlich dem Zweckbetrieb zugeordnet werden.
  • Die umsatzsteuerbaren Überlassungen von Sachmitteln und Räumen sowie von Personal können unter Zuordnung zu anderen Steuerbefreiungstatbeständen umsatzsteuerfrei sein.

Vorübergehende Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine:

  • Einrichtungen steuerbegünstigter Körperschaften, die ausschließlich dem satzungsmäßigen Zweck der Körperschaft dienen, können steuerunschädlich für eine vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden.
  • Die vorübergehende Unterbringung in zum Vermögensbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gehörenden Einrichtungen (z.B. einer Stadt oder Gemeinde) ist stets dem steuerlich nicht relevanten Bereich zuzuordnen (hoheitlicher Bereich).
  • Die vorübergehende Nutzung von zu einem Betrieb gewerblicher Art gehörenden Betriebsvermögen zu Gunsten der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten führt aus Billigkeitsgründen nicht zu einer gewinnwirksamen Überführung ins Hoheitsvermögen und somit nicht zur Aufgabe des Betriebes gewerblicher Art. In dieser Zeit wird die Besteuerung für diesen Betrieb gewerblicher Art vollständig ausgesetzt.
  • Bei Nutzungsänderungen von Räumlichkeiten von Unternehmen der öffentlichen Hand wird aus Billigkeitsgründen von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe und einer Vorsteuerkorrektur abgesehen, wenn und soweit der Sachverhalt in einer unentgeltlichen Nutzung zur Bewältigung der Auswirkungen und Folgen des Kriegs in der Ukraine begründet ist.

Hinweis:

Dies sollte ausreichend dokumentiert werden.

Steuerliche Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen und Unterstützungsleistungen durch Unternehmer:

  • Aufwendungen eines Unternehmers zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten werden nach den Grundsätzen des Sponsoringerlasses als Betriebsausgaben anerkannt. Aufwendungen des sponsernden Stpfl. sind danach Betriebsausgaben, wenn der Sponsor wirtschaftliche Vorteile, die in der Sicherung oder Erhöhung seines unternehmerischen Ansehens liegen können, für sein Unternehmen erstrebt. Diese wirtschaftlichen Vorteile sind u.a. dadurch erreichbar, dass der Sponsor öffentlichkeitswirksam (z.B. auf Bitte um Unterstützung durch die Gemeinde, durch Berichterstattung in Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen, Internet usw.) auf seine Leistungen aufmerksam macht.
  • Stellen Unternehmer unentgeltlich Gegenstände und Personal für humanitäre Zwecke an Hilfsorganisationen u.Ä. bereit, so kann von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe im Billigkeitswege abgesehen werden. Insoweit ergeben sich dann also keine Auswirkungen bei der Umsatzsteuer. Für die insoweit eingesetzten Gegenstände kann aber aus Billigkeitsgründen – unter den sonstigen Voraussetzungen – der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Dies gilt z.B. bei Lebensmittelspenden oder der Spende von medizinischem Material.
  • Von der Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe und einer Vorsteuerkorrektur wird im Billigkeitswege ebenfalls abgesehen, wenn private Unternehmen Unterkünfte, die für eine umsatzsteuerpflichtige Verwendung vorgesehen waren (Hotelzimmer, Ferienwohnungen o.Ä.), unentgeltlich Personen zur Verfügung stellen, die auf Grund des Kriegs in der Ukraine geflüchtet sind. Bei insoweit notwendigem Bezug von Nebenleistungen wie z.B. Strom oder Wasser kann in diesen Fällen auch der Vorsteuerabzug – unter den sonstigen Bedingungen – geltend gemacht werden.

Lohnsteuer:

  • Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens (a) zu Gunsten einer steuerfreien Beihilfe und Unterstützung des Arbeitgebers an vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer des Unternehmens oder Arbeitnehmer von Geschäftspartnern oder (b) zu Gunsten einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung, bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies dokumentiert.

Hinweis:

Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist im Lohnkonto aufzuzeichnen. Auf die Aufzeichnung kann verzichtet werden, wenn stattdessen der Arbeitnehmer seinen Verzicht schriftlich erteilt hat und diese Erklärung zum Lohnkonto genommen worden ist. Die steuerfrei belassenen Lohnteile dürfen in der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nicht als Spende berücksichtigt werden.

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3 Gesetzentwurf zur Neuregelung der Steuerverzinsung liegt vor

Steuernachzahlungen und Steuererstattungen werden nach Ablauf einer gewissen Karenzzeit verzinst. Bislang war insoweit gesetzlich ein fester Zins von 6 % p.a. festgeschrieben. Die Höhe dieses Zinssatzes ist allerdings mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Die aktuelle gesetzliche Regelung ist daher für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 nicht mehr anwendbar. Der Gesetzgeber muss bis Ende Juli 2022 für alle offenen Fälle eine rückwirkende verfassungsgemäße Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 treffen.

Nun wurde eine gesetzliche Neuregelung vorgelegt, die im Kern Folgendes vorsieht:

  • Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 ist ein Zinssatz von 0,15 % pro Monat oder 1,8 % p.a. (statt bislang 0,5 % pro Monat und 6 % p.a.) vorgesehen. Dies gilt gleichermaßen für Erstattungs- und Nachzahlungszinsen. Die Höhe des geplanten Zinssatzes wird wie folgt begründet: „Der neue Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen orientiert sich dabei am aktuellen Basiszinssatz nach § 247 BGB (-0,88 % p.a.) mit einem sachgerechten Zuschlag in Höhe von rund 2,7 Prozentpunkten. Er bleibt damit aber deutlich unterhalb des Zinssatzes für Verzugszinsen nach § 288 Absatz 1 Satz 2 BGB und bildet damit einen angemessenen Mittelwert zwischen Guthabenzinsen und Verzugszinsen.”
  • Für schon festgesetzte Guthabenzinsen von 6 % p.a. für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 soll offenbar Vertrauensschutz gelten. Insoweit werden dann bereits festgesetzte – ggf. schon ausgezahlte – Erstattungszinsen nicht zu Lasten der Stpfl. herabgesetzt.
  • Im Grundsatz wird der Zinssatz in dieser Höhe gesetzlich verankert. Jedoch soll die Angemessenheit des Zinssatzes unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume gesetzlich evaluiert werden. Dies erstmals zum 1.1.2026. Eine Anpassung des Zinssatzes erfolgt nur, wenn der zum 1.1. des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz abweicht.
  • „Freiwillige” Vorauszahlungen auf noch nicht festgesetzte (aber später wirksam gewordene) Steuernachzahlungen zur Vermeidung der Nachzahlungszinsen werden gesetzlich geregelt. Insoweit kann mittels freiwilliger Vorauszahlungen eine (weitere) Verzinsung vermieden werden. Bislang bestand insoweit nur eine Billigkeitsregelung der FinVerw.

Hinweis I:

Bislang ausgebliebene Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 werden dann nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung nachgeholt. Hierauf sollten sich Stpfl. einstellen.

Hinweis II:

Sind im unternehmerischen Bereich noch abzurechnende Steuernachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 bilanziell abzubilden, so sind diese mit dem Zinssatz des nun vorliegenden Gesetzentwurfs anzusetzen. Soweit bereits Zinsrückstellungen passiviert wurden, sind diese auf Basis dieses Zinssatzes zu überprüfen.

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4 Kindergeld: Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Der BFH hat in mehreren Entscheidungen vom 31.8.2021 (insbesondere Az. III R 41/19) zur sehr praxisrelevanten Frage Stellung genommen, ob und unter welchen Bedingungen ein Kindergeldanspruch besteht für ein Kind, das krankheitsbedingt die Ausbildung abgebrochen hat. Hintergrund ist, dass volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres insbesondere kindergeldberechtigt sind, wenn diese für einen Beruf ausgebildet werden. In mehreren Fällen war nun strittig, ob und unter welchen Bedingungen der Kindergeldanspruch fortbesteht, wenn die Berufsausbildung krankheitsbedingt abgebrochen wird. Hierzu gibt der BFH nun folgende Leitlinien:

  • Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern – z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses – abgebrochen hat.
  • Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird – abgesehen von dem Ausnahmefall, dass eine Kindergeldberechtigung auch dann besteht, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortsetzt werden kann.
  • Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.

Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht:

  • Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Bei einer dauerhaften Erkrankung kann allerdings in Ausnahmefällen die Berücksichtigung des Kindes dann in Betracht kommen, wenn dieses wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
  • Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Als Nachweis können z.B. Bewerbungen um eine Ausbildungsstelle oder um die Aufnahme an einer Schule dienen.
  • Die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Die Kindergeldstellen fordern insoweit als Nachweis eine schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen. Denkbar sind daher auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)Aufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Denkbar ist auch, dass sich das Kind während der Erkrankung um eine andere Ausbildungsstelle bemüht hat.

Hinweis:

Das Gericht führt ausdrücklich aus, dass es regelmäßig nicht ausreichend ist, wenn der Kindergeldberechtigte die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet, indem er etwa zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht die Familienkasse nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder die Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert und der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt.

Handlungsempfehlung:

In der Praxis ist also für den Einzelfall streng zu beachten, dass (a) die Nachweispflichten gegenüber der Familienkasse erbracht werden, (b) die Bemühungen um die Fortsetzung der Berufsausbildung oder die Suche einer anderen Ausbildung sorgfältig nachzuweisen sind und (c) der Verlauf der Krankheit zu dokumentieren ist. Letztlich muss jeder Fall anhand der individuellen Verhältnisse beurteilt und dann entschieden werden.

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5 Keine Steuerermäßigung für statische Berechnungen eines Statikers

Der BFH hat mit Urteil vom 4.11.2021 (Az. VI R 29/19) entschieden, dass für die Leistung (hier: statische Berechnung) eines Statikers die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen auch dann nicht gewährt werden kann, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung erforderlich war.

Der Urteilsfall lag wie folgt: Das Dach des Hauses wurde durch Holzpfosten getragen, welche sich im Laufe der Zeit verdrehten. Zudem bildeten sich zahlreiche tiefe Risse in der Holzstruktur. Die schadhaften Pfosten sollten von der Firma K durch Stahlstützen ersetzt werden. K hielt eine statische Berechnung vor Ausführung der Arbeiten für unbedingt erforderlich, die von der Firma M durchgeführt wurde. Im Jahr 2016 wurden auf dieser Grundlage die Holzpfosten durch K ausgetauscht. Für die statische Berechnung erteilte M den Stpfl. eine Rechnung, wobei ausschließlich Arbeitskosten abgerechnet wurden. Strittig war nun, ob insoweit eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen in Frage kommt.

Der BFH bestätigt nun die Auffassung des Finanzamts, dass keine Steuerermäßigung gewährt werden kann. Das Gericht begründet dies damit, dass ein Tragwerksplaner (sog. Statiker) grundsätzlich nicht handwerklich tätig ist. Die statischen Berechnungen stellen auch nicht deshalb eine Handwerkerleistung dar, weil diese für den Austausch der schadhaften Dachpfosten, was unstreitig eine Handwerkerleistung darstellt, unerlässlich waren. Beide Leistungen sind jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als „Handwerkerleistungen” zu beurteilen.

Hinweis:

Damit wird die enge Auslegung des Begriffs der „Handwerkerleistung” fortgesetzt.

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6 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für einzeln veranlagte Ehegatten im Trennungsjahr

Der BFH hat mit Urteil v. 28.10.2021 (Az. III R 17/20) klargestellt, dass Stpfl., die als Ehegatten einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende im Jahr der Trennung zeitanteilig in Anspruch nehmen können, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllten, insbesondere nicht in einer Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person leben, für die kein Kinderfreibetrag gewährt wird. Streitig war, ob der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bereits im Trennungsjahr der Ehegatten zu berücksichtigen ist, wenn die Ehegatten einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Stpfl. ist Vater zweier Kinder, die im Streitjahr 2017 minderjährig waren. Die damalige Ehefrau des Stpfl. und Mutter der Kinder zog im April 2017 aus dem gemeinsamen Haushalt aus, der Stpfl. lebte danach allein mit seinen beiden Kindern. Der Stpfl. beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für 2017 die zeitanteilige Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende. Er wurde einzeln veranlagt. Den Anspruch bestätigte nun auch der BFH und verwarf damit die Ansicht der FinVerw.

Handlungsempfehlung:

Betroffene Stpfl. sollten ggf. prüfen, ob verfahrensrechtlich noch ein Entlastungsbetrag geltend gemacht werden kann.

Nach der Parallelentscheidung des BFH ebenfalls vom 28.10.2021 (Az. III R 57/20) gilt dies entsprechend auch für das Jahr der Eheschließung. Im Urteilsfall waren die Stpfl. seit Dezember 2015 miteinander verheiratet. Sie lebten seit diesem Tag zusammen. Der Stpfl. ist Vater eines im Streitjahr 2015 22-jährigen, studierenden Sohnes, mit dem er bis zur Eheschließung allein lebte. Die Stpfl. ist Mutter einer im Streitjahr 20-jährigen, gleichfalls studierenden Tochter und lebte mit dieser bis zur Heirat allein in einem eigenen Haushalt. Das Gericht bestätigt, dass den Stpfl. im Streitjahr für den Sohn des Stpfl. und die Tochter der Stpfl. jeweils der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zusteht und zwar im Streitfall für 2015 jeweils der ungekürzte Betrag, da die Voraussetzungen hierfür in jedem Kalendermonat (im Dezember zeitweise) vorgelegen haben.

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7 Einkommensteuerliche Berücksichtigung von Zahlungen zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft

Der BFH hatte über einen nicht selten vorkommenden Fall zu entscheiden: Im Urteilsfall erzielte der Stpfl. u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Rechtsanwalt. Von seinen beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg erworbenen Rentenanwartschaften übertrug das Familiengericht im Rahmen der Scheidung von seiner Ehefrau im Streitjahr 2014 im Wege der internen Teilung zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht nach Maßgabe der Satzung des Versorgungswerks.

Der Stpfl. nahm die ihm gemäß der Satzung des Versorgungswerks eingeräumte Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine ebenfalls in 2014 geleistete zusätzliche Zahlung i.H.v. 75 725,54 € um die Hälfte wieder aufzufüllen. Diesen Betrag machte er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, während das Finanzamt ihn als Beitrag zur Altersvorsorge (Sonderausgaben) wertete. Da der gesetzliche Höchstbetrag bereits in erheblichem Umfang durch laufende Altersvorsorgeaufwendungen in Anspruch genommen wurde, berücksichtigte das Finanzamt den Auffüllungsbetrag lediglich im Umfang von 5 074 € bei den Sonderausgaben. Hiergegen wandte sich der Stpfl. und machte insbesondere geltend, dass dem Beitragsbegriff bei den Sonderausgaben nur Leistungen zur Erlangung des Versicherungsschutzes unterfielen. Hierzu zähle die Wiederauffüllungszahlung nicht. Mit ihr werde lediglich die Kürzung einer bereits erlangten Anwartschaft vermieden.

Der BFH bestätigte nun mit Entscheidung vom 19.8.2021 (Az. X R 4/19) die Auffassung des Finanzamts. Es handele sich zwar bei den Zahlungen ihrer Rechtsnatur nach um vorweggenommene Werbungskosten, diese fallen aber unter die Regelung zum Abzug von Beiträgen zur Altersvorsorge als Sonderausgaben, welche insoweit vorrangig ist. Daher greift auch die betragsmäßig beschränkte steuerliche Abzugsfähigkeit. Dies betrifft alle Leistungen auf eine Altersvorsorge zur Erlangung des Versicherungsschutzes bzw. alle auf Grund von Gesetz oder Vertrag vom Stpfl. erbrachten Geldleistungen zu den begünstigten Versicherungen und dabei sowohl laufende Beiträge als auch Einmalbeiträge.

Handlungsempfehlung:

Im Ergebnis können damit Beiträge, die der Ausgleichsverpflichtete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, um eine Minderung seiner eigenen Rentenansprüche durch das Rentensplitting zu vermeiden, lediglich im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge als Sonderausgaben abgezogen werden, was im Regelfall nur eine begrenzte Berücksichtigung erlaubt. Ggf. kann eine Verteilung der Zahlungen auf mehrere Jahre vorgenommen werden.

Hinweis:

Die lediglich begrenzte steuerliche Abzugsfähigkeit kann zu einer grundsätzlich unzulässigen doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen führen. Diese kann nach der Rechtsprechung aber nicht bereits in der Beitrags- bzw. Ansparphase gerügt werden, sondern erst in den Veranlagungszeiträumen, in denen die Altersbezüge der Besteuerung unterworfen werden. Insofern müssen die geleisteten Beiträge und die steuerliche Berücksichtigung sorgfältig dokumentiert werden, um später in der Rentenphase ggf. eine unzulässige Doppelbesteuerung geltend zu machen.

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8 Mindestlohn und Minijobgrenze sollen ab 1.10.2022 steigen

Das Bundeskabinett hat am 23.2.2022 den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Im Kern sind insbesondere zwei Änderungen vorgesehen:

  • Der gesetzliche Mindestlohn soll zum 1.10.2022 auf 12,00 € festgesetzt werden. Aktuell beträgt dieser 9,82 € und steigt zum 1.7.2022 auf 10,45 €. Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns sollen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission erfolgen; dies dann erstmals wieder bis zum 30.6.2023 mit Wirkung zum 1.1.2024.
  • Die Grenze für Minijobs soll zum 1.10.2022 auf 520 € steigen (aktuell 450 €). Bis zu diesem Betrag sind solche Beschäftigungsverhältnisse für den Arbeitnehmer ohne Belastung durch Sozialversicherungsbeträge. Weiterhin soll die Entgeltgrenze für Minijobs dynamisch ausgestaltet werden in der Art, dass diese künftig stets eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn ermöglicht.

Daneben sollen Maßnahmen getroffen werden, die die Aufnahme einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung fördern. Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich wird von monatlich 1 300 € auf 1 600 € angehoben. Außerdem werden die Beschäftigten innerhalb des Übergangsbereichs noch stärker entlastet. Der Belastungssprung beim Übergang aus einer geringfügigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird geglättet.

Handlungsempfehlung:

Soweit diese anstehende Erhöhung des Mindestlohns greift, bedarf dies der Vorbereitung. Zunächst gilt es die betroffenen Arbeitnehmer herauszufiltern und die Mehrbelastung abzuschätzen. Sodann ist zu prüfen, ob die sich ergebende Kostensteigerung bereits frühzeitig in die Preiskalkulation einfließen kann.

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9 Meldefristen beim Transparenzregister beachten

Bislang handelte es sich beim deutschen Transparenzregister lediglich um ein sog. Auffangregister, das in der Regel auf andere Register wie das Handels-, Genossenschafts- oder Partnerschaftsregister verweist. Für einen Großteil der deutschen Gesellschaften bestand daher im Transparenzregister selbst noch kein strukturierter Datensatz in einem einheitlichen Datenformat. Mit der Reform des Geldwäschegesetzes ist die Umstellung des Transparenzregisters in ein Vollregister mit Wirkung zum 1.8.2021 erfolgt. Diese Umstellung ist erforderlich, damit die geplante Verknüpfung der Transparenzregister auf europäischer Ebene erfolgen kann. Das Gesetz hat Übergangsfristen für bestimmte Gesellschaften vorgesehen, welche wie folgt lauten:

  • Aktiengesellschaft, SE, Kommanditgesellschaft auf Aktien bis zum 31.3.2022;
  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genossenschaft, Europäische Genossenschaft oder Partnerschaft bis zum 30.6.2022;
  • in allen anderen Fällen (z.B. eingetragene Personengesellschaften) bis spätestens zum 31.12.2022;
  • Vereine werden nach der Novelle automatisch in das Transparenzregister eingetragen.

Insoweit besteht nun insbesondere für die GmbH und die Personengesellschaften Handlungsbedarf und die erforderlichen Daten müssen dem Transparenzregister gemeldet werden.

Handlungsempfehlung:

Das Transparenzregister dient der Identifizierung des bzw. der wirtschaftlich Berechtigten (Ultimate Benefical Owner = UBO) von juristischen Personen des Privatrechts sowie eingetragener Personengesellschaften. Die zu meldenden Daten sind teilweise nicht ganz einfach abzugrenzen. Daher ist eine frühzeitige Prüfung ggf. unter Hinzuziehung rechtlichen Rats sinnvoll, damit die Meldung zeitgerecht erfolgt.

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10 Ein Freiberufler kann Angehörige über eine Innen-GbR an seiner Praxis beteiligen

Der BFH hat mit Entscheidung vom 23.11.2021 (Az. VIII R 17/19) entschieden, dass ein Freiberufler mit nahen Angehörigen eine der (typisch) stillen Gesellschaft ertragsteuerlich gleichstehende Innen-GbR bilden kann. Voraussetzung hierfür ist die Fremdvergleichbarkeit der vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächliche Durchführung.

Im Urteilsfall räumte der als Zahnarzt freiberuflich tätige Stpfl. seinen noch minderjährigen Kindern schenkweise stille Beteiligungen an seiner Praxis unter Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ein. Die Schenkung erfolgte in notarieller Form, war mit Widerrufsrechten versehen und erfolgte in Anrechnung auf Pflichtteilsansprüche. Die jeweiligen Gesellschaftsverträge räumten den Kindern Einsichts- und Kontrollrechte ein, soweit dem nicht die ärztliche Schweigepflicht entgegenstand. Die auf die „stillen Beteiligungen” entfallenden Gewinnanteile wurden auf ein Konto der Kinder überwiesen, über das beide Elternteile verfügungsberechtigt waren. Das Finanzamt erkannte die als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahlungen des Zahnarztes an seine Kinder nicht als solche an, sondern stufte diese als private Aufwendungen ein.

Der BFH erkennt diese Gestaltung nun aber grds. an. Zwar könne an einer freiberuflichen Praxis mangels Handelsgewerbe des Freiberuflers keine stille Gesellschaft begründet werden. Insoweit liegt dann aber eine Innen-GbR vor, die ertragsteuerlich der stillen Gesellschaft gleichzusetzen ist. Die steuerliche Anerkennung setzt voraus, dass sowohl die Begründung der Innen-GbR als auch deren tatsächliche Durchführung einem Fremdvergleich standhält. Nicht erforderlich ist eine tatsächliche Einlageleistung. Diese kann vielmehr auch schenkweise den (zukünftigen) Gesellschaftern überlassen werden. Weiterhin ist Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung, dass der Mitgesellschafter in ausreichendem Maße Gesellschafterrechte, wie z.B. Einsicht und Kontrolle, erhält und die Ergebnisbeteiligung tatsächlich diesem zufließt.

Hinweis:

Mit einer solchen Gestaltung können insbesondere Freibetrags- und Progressionseffekte bei der Einkommensteuer genutzt werden.

Zu beachten sind ggf. bestehende berufsrechtliche Einschränkungen.

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11 Umsatzsteuer auf private Nutzung von Elektrofahrzeugen und Elektrofahrrädern usw.

Wird ein betriebliches Fahrzeug auch für private Zwecke genutzt oder wird ein Firmenwagen einem Mitarbeiter auch für private Zwecke zur Verfügung gestellt, so muss die unternehmensfremde (private) Nutzung des Fahrzeugs umsatzsteuerlich als unentgeltliche Wertabgabe erfasst werden. Dies ist ein Korrektiv dafür, dass der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und den laufenden Kosten, wie Treibstoff und Wartung, vollständig geltend gemacht werden kann.

Bei der Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für diese unentgeltliche Wertabgabe kann – neben anderen Methoden zur Wertermittlung – von den für ertragsteuerliche Zwecke nach der sog. 1 %-Regelung ermittelten Beträgen ausgegangen werden. Für Zwecke der Einkommensteuer wird bei Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen bei einer Anschaffung nach dem 31.12.2018 unter bestimmten Voraussetzungen der Bruttolistenpreis gemindert, insbesondere nur zur Hälfte oder nur zu einem Viertel angesetzt. Es handelt sich hierbei um eine ertragsteuerliche Regelung zur Steigerung der Elektromobilität und zur Reduktion des CO2-Ausstoßes.

Das BMF stellt nun mit Schreiben v. 7.2.2022 (Az. III C 2 – S 7300/19/10004 :001) klar, dass auf Grund des grds. vollen Vorsteuerabzugs aus der Anschaffung eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeuges eine Übernahme der ertragsteuerlichen Regelungen über die zulässige Pauschalierung nach der sog. 1 %-Regelung hinaus aus umsatzsteuerlicher Sicht zu einer Begünstigung des Unternehmers führen würde, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Sie ist daher nicht zu übernehmen.

Bei privater Nutzung eigenbetrieblicher Pkw durch den Unternehmer selbst ist noch ein Abschlag von 20 % für nicht vorsteuerbelastete Aufwendungen wie z.B. Versicherung und Steuern vorzunehmen. Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe beträgt somit 80 % des Werts der 1 %-Methode. Bei der Gestellung an Arbeitnehmer erfolgt dieser Abschlag nicht, hier ist aus dem ermittelten Betrag nach 1 %-Methode (Bruttowert) aber die Umsatzsteuer noch herauszurechnen.

Hinweis:

Die Ermittlung muss in der Praxis fahrzeugbezogen unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und des jeweiligen Fahrzeugtyps (Verbrennungsmotor, Hybridfahrzeug, reines Elektrofahrzeug) und unterschieden nach Lohnsteuer und Umsatzsteuer erfolgen.

Ferner weist die FinVerw darauf hin, dass auch die unternehmensfremde (private) Nutzung eines dem Unternehmen vollständig zugeordneten Fahrrads als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen ist. Der Unternehmer kann die Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung der unternehmensfremden Nutzung aus Vereinfachungsgründen hilfsweise nach der sog. 1 %-Regelung für Kraftfahrzeuge berechnen. Gleiches gilt bei der unentgeltlichen Überlassung eines Fahrrads an das Personal. Der Begriff Fahrrad umfasst dabei auch Elektrofahrräder, die verkehrsrechtlich als Fahrrad (keine Kennzeichen-, Versicherungs- oder Führerscheinpflicht) einzuordnen sind. Auch insoweit können also die abweichenden ertragsteuerlichen Grundsätze (vollständige Lohnsteuerfreiheit bzw. Verzicht auf eine Sachentnahme) bei der Umsatzsteuer nicht genutzt werden.

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12 Umsatzsteuerliches One-Stop-Shop-Verfahren auch für an Privatkunden im EU-Ausland leistende Handwerker relevant

Am 1.7.2021 traten im Bereich der Umsatzsteuer neue Bestimmungen in Kraft, welche unter anderem für Online-Shop-Betreiber, die Waren an Endkunden in mehreren verschiedenen Mitgliedstaaten liefern, deutliche Vereinfachungen brachten. Dieses sog. One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) ist aber auch für an Privatkunden im EU-Ausland leistende Handwerker relevant.

Erbringt ein Handwerker an Privatkunden im EU-Ausland Leistungen, so unterliegen diese im jeweiligen EU-Ausland der Umsatzsteuer. Im Grundsatz muss sich der Handwerker dann in diesen EU-Ländern umsatzsteuerlich registrieren und dort die umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllen. Dies ist vergleichsweise aufwendig. Wahlweise kann nun auch das sog. One-Stop-Shop (OSS) genutzt werden. Die anfallenden ausländischen Umsatzsteuern können beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) über den zentralen OSS angemeldet und abgeführt werden. Das Bundeszentralamt für Steuern wird die gemeldeten Umsätze und auch die vereinnahmte Umsatzsteuer im Anschluss an die jeweiligen EU-Staaten verteilen.

Beispiel:

Dachdecker D aus Aachen hat auch Privatkunden im benachbarten Belgien und in den Niederlanden, bei denen er Dächer neu eindeckt und repariert. Erbringt er Handwerkerleistungen an diese Privatkunden in Belgien bzw. den Niederlanden, so schuldet er die darauf anfallende Umsatzsteuer in Belgien bzw. den Niederlanden. Dabei ist der Umsatzsteuersatz dieser Länder anzuwenden. D muss sich in beiden Ländern für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren und dort die jeweiligen umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllen.

Alternativ kann D diese Umsatzsteuer nun auch zentral über das Bundeszentralamt für Steuern anmelden und an dieses entrichten.

Für das One-Stop-Shop gelten folgende wesentliche Regelungen:

  • Dieses Verfahren ist nicht verpflichtend, sondern die Umsatzsteuer kann auch wie bislang über das jeweilige EU-Land angemeldet und abgeführt werden. Das One-Stop-Shop über das Bundeszentralamt für Steuern ist aber im Grunde einfacher und kostengünstiger. Die Teilnahme am One-Stop-Shop gilt einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU.
  • Die Teilnahme an dieser Sonderregelung muss beim Bundeszentralamt für Steuern beantragt werden. Mit diesem Antrag gilt die Teilnahme dann ab Beginn des folgenden Quartals. Wenn die Teilnahme also im April 2022 beantragt wird, gilt dies für Leistungen ab 1.7.2022. Die Leistungen bis Juni 2022 müssten noch über das klassische Verfahren erfolgen.
  • Im ersten Schritt muss eine Registrierung auf dem Portal des Bundeszentralamts für Steuern (BZStOnline-Portal) erfolgen.
  • Für die Sonderregelung registrierte Unternehmer können im BZStOnline-Portal ihre Registrierungsdaten ändern, ihre Steuererklärungen übermitteln sowie sich vom Verfahren abmelden.
  • Alle Formulare im Verfahren One-Stop-Shop sind auf Grund gesetzlicher Vorgaben an das Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu übermitteln. Die Steuererklärungen in diesem Verfahren sind jeweils für das Kalendervierteljahr abzugeben. Die Steuererklärung ist bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Besteuerungszeitraums (Kalendervierteljahr) folgt, elektronisch dem Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Die Steuererklärung ist somit zu übermitteln für das I. Kalendervierteljahr bis zum 30.4., das II. Kalendervierteljahr bis zum 31.7., usw. Auch wenn keine Umsätze im betreffenden Kalendervierteljahr ausgeführt wurden, ist eine Steuererklärung (sog. Nullmeldung) zu den angegebenen Terminen abzugeben.
  • Die im Verfahren One-Stop-Shop erklärten Steuerbeträge müssen so rechtzeitig überwiesen werden, dass die Zahlung bis zum Ende des Monats, der auf den Ablauf des Besteuerungszeitraums (Kalendervierteljahr) folgt, bei der zuständigen Bundeskasse eingegangen ist.

Hinweis:

Zu beachten ist, dass über dieses Verfahren keine Vorsteuern aus dem EU-Ausland geltend gemacht werden können. Der Unternehmer kann Vorsteuern, die ihm für Vorleistungen in EU-Mitgliedstaaten in Rechnung gestellt werden, in denen er ausschließlich unter die Sonderregelung fallende Umsätze erbracht hat, vielmehr nur im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltend machen. Voraussetzung ist, dass die Vorsteuerbeträge in Zusammenhang mit diesen Umsätzen stehen. Die Vorsteuervergütung ist in dem Mitgliedstaat geltend zu machen, in dem die Vorsteuerbeträge angefallen sind.

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13 Fortgezahlte Beiträge zu einem Fitnessstudio trotz pandemiebedingter Schließung umsatzsteuerpflichtig?

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter auch dann als der Umsatzsteuer unterliegende Entgelte anzusehen sind, wenn das Fitnesscenter auf Grund einer vorübergehenden, pandemiebedingten Schließung keine Nutzung seiner Räumlichkeiten anbieten kann.

Im Urteilsfall musste das Fitnessstudio gemäß der Landesverordnung in Schleswig-Holstein vom 17.3.2020 und vom 1.5.2020 auf Grund der Corona-Pandemie vom 17.3. bis zum 17.5. schließen. Der Betreiber reagierte auf die Schließung mit verschiedenen Ankündigungen. Es wurden den Kunden u.a. Gratismonate, Gratismonate zum Verschenken sowie Personaltraining zugesagt. Des Weiteren wurde eine Telefon-Hotline u.a. für Fragen zum Training eingerichtet sowie die Erreichbarkeit per Mail zugesichert. Auch wurden über die Social-Media-Kanäle Online-Kurse angeboten sowie Trainingspläne für Zu Hause erstellt.

Bereits im Voranmeldungsverfahren erklärte der Stpfl., dass die Anfang April vereinnahmten Mitgliedsbeiträge nicht in der Umsatzsteuer-Voranmeldung erklärt worden seien, da diese auf Grund der Schließung ohne Rechtsgrund gezahlt worden seien. Entsprechend werde auch für die Monate März und Mai verfahren. Das Finanzamt folgte den Angaben im Vorauszahlungsverfahren zunächst. Im Rahmen einer sich anschließenden Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass es sich bei den weitergezahlten Beiträgen um der Umsatzsteuer zu unterwerfende Entgelte handele.

Das Schleswig-Holsteinische FG entschied nun mit Beschluss v. 14.2.2022 (Az. 4 V 17/21), dass im Streitfall hinreichende Gründe dafür sprechen, dass die Mitgliedsbeiträge trotz der vorübergehenden Schließung des Studios als Entgelt für der Umsatzsteuer unterliegende Leistungen zu beurteilen sind. Insbesondere stehe der Annahme eines steuerbaren Leistungsaustauschs grundsätzlich nicht entgegen, wenn der Leistungsempfänger bewusst freiwillig mehr bezahlt, als er nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis müsste. Ausnahmsweise könne nur dann ein nicht der Umsatzsteuer unterliegender Zuschuss angenommen werden, wenn die Zahlung lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dient und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll.

Auch spreche die widerspruchslose Weiterzahlung der Kunden dafür, dass sie das Angebot der Bonusmonate angenommen hätten. Das Finanzgericht kam im Streitfall insgesamt zu dem Schluss, dass die Fortzahlung der Beiträge ungeachtet der Bonusmonate jedenfalls in einem umsatzsteuerlich relevanten Zusammenhang mit den von dem Betreiber des Studios tatsächlich erbrachten Leistungen stand. Das auslösende Moment für die Fortzahlung der Beiträge stellte dabei ein Leistungsbündel dar, welches sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzte und in einer inneren Verknüpfung zu den Zahlungen stand. Zu den Elementen gehörten zunächst die während der Schließzeiten erbrachten Leistungen, wie die einmal pro Werktag über die Social-Media-Kanäle einsehbaren Online-Kurse. Daneben trat der persönliche Onlineservice mit der Zurverfügungstellung von Trainingsplänen für zu Hause und die täglich von 10:00–14:00 Uhr eingerichtete Telefonhotline.

Hinweis:

Letztlich muss immer der konkrete Fall beurteilt werden. Insbesondere ist eine sorgfältige Dokumentation der jeweiligen Kommunikation gegenüber den Nutzern erforderlich.

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14 Freiberufler-Personengesellschaft: Konzentration von Organisations- und Verwaltungsaufgaben bei einem der approbierten Zahnärzte kann insgesamt Gewerbesteuerpflicht auslösen

Im Urteilsfall ging es um eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, in der sieben Berufsträger tätig waren. Daneben wurden fünf weitere Zahnärzte beschäftigt. Zwischen den Gesellschaftern entstand Streit über den Arbeitsbeitrag einer der Partner, der nur zu einem sehr geringfügigen Anteil Behandlungen an Patienten übernahm. Dies ging letztlich so weit, dass der Gemeinschaftspraxisvertrag im Verhältnis zu diesem Partner fristlos gekündigt wurde. Aus dieser Situation resultierten nun massive steuerliche Probleme. Die Tatsache, dass einer der Gesellschafter selbst nur eine ganz geringe fachliche Arbeit (zahnärztliche Tätigkeit) ausübte, bewegte die FinVerw dazu, für die Gemeinschaftspraxis insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit eine Belastung mit Gewerbesteuer festzustellen. Hieran änderte auch das Vorbringen des betroffenen Gesellschafters hinsichtlich seiner Tätigkeit nichts. Dieser führte an, dass seine Aufgabe innerhalb der Partnerschaft darin bestand, die internen Aufgaben zu erledigen. Dazu gehören u.a. alle vertraglichen Angelegenheiten, die Vertretung gegenüber Bezirksärztekammer, Kassenzahnärztlicher Vereinigung, Gesundheitsamt, Banken, Steuerberatung, Finanzamt, die interne Revision, die Instandhaltung sämtlicher zahnärztlicher Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände, Erweiterung und Umbaumaßnahmen, Personalangelegenheiten u.Ä.

Das Gericht bestätigte nun die Sichtweise der FinVerw. Zwar wurden sämtliche Partner als Mitunternehmer eingestuft, jedoch ging es im Kern darum, dass eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit entfaltet, die die Ausübung eines freien Berufs darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Die Hauptmerkmale des freien Berufs muss dabei jeder Gesellschafter als Stpfl. in eigener Person positiv erfüllen. Er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein. In welchem Umfang der Berufsträger selbst tätig sein muss, hängt vom jeweiligen Berufsbild ab.

Der Berufsträger muss zudem auf Grund eigener Fachkenntnisse „leitend” und „eigenverantwortlich” tätig werden. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit auf Grund eigener Fachkenntnisse liegt vor, wenn der Berufsträger seine Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, die ihm tatsächlich ermöglicht, uneingeschränkt die fachliche Verantwortung auch für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen zu übernehmen. Dies setzt voraus, dass die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist.

Auch in einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft ist der persönliche Einsatz jedes Mitunternehmers im arzttypischen Heilbereich erforderlich. Die alleinige Wahrnehmung bloß kaufmännischer Leitungs- oder sonstiger Managementaufgaben ist insofern schädlich und führt zur Gewerblichkeit. Im konkreten Fall stützt sich das Gericht hinsichtlich der Abgrenzung der Tätigkeit eines Zahnarztes insbesondere auf die Prüfungs- und Berufsordnungen. Dies umfasst ganz vorrangig die Arbeit am Patienten.

Hinweis:

Dieses Urteil verdeutlicht die Gefahren einer gewerblichen Abfärbung bei Freiberuflergesellschaften. Allerdings ist stets der Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen. Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zumisst, ob bei vorgeblich freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaften eine – auch unter Wahrung der Freiberuflichkeit grundsätzlich zulässige – Arbeitsteilung zwischen mehreren Berufsträgern so weit gehen kann, dass ein einzelner Berufsträger in einer zahnärztlich tätigen Mitunternehmerschaft nur in (allenfalls) marginalem Umfang Behandlungsleistungen an Patienten vornimmt, in Bezug auf den Gesamtumsatz der Gesellschaft aber keinerlei eigenen Betrag zur unmittelbaren Ausübung der Zahnheilkunde durch andere Berufsträger leistet und seine sonstigen Tätigkeiten für die Personengesellschaft zur mittelbaren Förderung der Berufsausübung der anderen Freiberufler auch nicht in einer Weise wahrnimmt, dass dies noch eigenverantwortlich und leitend erfolgt.

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15 Veräußerungsgewinne aus Kryptowährungen steuerpflichtig

Das Finanzgericht Köln hat nun mit Urteil v. 25.11.2021 (Az. 14 K 1178/20) entschieden, dass Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts einkommensteuerpflichtig sind.

Im Urteilsfall verfügte der Stpfl. zu Beginn des Jahres 2017 über zuvor erworbene Bitcoins. Diese tauschte er im Januar 2017 zunächst in Ethereum-Einheiten und die Ethereum-Einheiten im Juni 2017 in Monero-Einheiten. Ende des Jahres 2017 tauschte er seine Monero-Einheiten teilweise wieder in Bitcoins und veräußerte diese noch im gleichen Jahr. Für die Abwicklung der Geschäfte hatte der Stpfl. über digitale Handelsplattformen entweder Kaufverträge mit Anbietern bestimmter Kryptowerte zu aktuellen Kursen oder Tauschverträge, bei denen er eigene Kryptowerte als Gegenleistung eingesetzt hat, geschlossen. Eine selbständige Begründung von Kryptowerten, das sog. „Mining”, erfolgte weder durch den Stpfl. allein noch unter seiner Beteiligung.

Der Stpfl. erklärte den aus der Veräußerung erzielten Gewinn von rund 3,4 Mio. € in seiner Einkommensteuererklärung 2017 als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und das Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. Der Stpfl. legte daraufhin Einspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit bestehe und ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vorliege. Daher dürften diese Gewinne nicht besteuert werden. Im Übrigen fehle es bei Kryptowährungen an der erforderlichen Veräußerung eines „Wirtschaftsguts”.

Das Finanzgericht Köln folgte der Argumentation des Stpfl. nicht, sondern bestätigte die steuerliche Erfassung. Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Dieses werde insbesondere nicht durch die anonyme Veräußerung begründet. Auch weist das Gericht darauf hin, dass durchaus gewisse Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der steuerlichen Erfassung solcher Geschäfte für die Finanzbehörden bestehen. Mithilfe von Handelsplattformen, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken können z.B. bestimmte Identifizierungen vorgenommen werden, so dass keine totale Anonymität besteht.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor. Bei den Kryptowährungen handelt es sich um „andere Wirtschaftsgüter” im Sinne der gesetzlichen Regelung. Kryptowerte vermitteln im Rechtsverkehr konkrete Möglichkeiten und Vorteile. Wenn für die Erlangung einer Gewinnchance Zahlungen geleistet werden, treten Gewinnaussichten als Wirtschaftsgut in Erscheinung.

Hinweis:

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts ist nun unter dem Az. IX R 3/22 die Revision vor dem BFH anhängig. In vergleichbaren Fällen dürfte es regelmäßig anzuraten sein, erzielte Gewinne in der Steuererklärung zu deklarieren und gegen den Einkommensteuerbescheid mit Verweis auf das anhängige Verfahren Einspruch einzulegen.

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16 Besteuerung des Nutzungsersatzes für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf eines Darlehens

Erneut hatte sich ein Finanzgericht mit einem in den letzten Jahren oftmals anzutreffender Fall zu beschäftigen: Die Stpfl. hatten im Jahr 2004 ein privates Immobiliendarlehen aufgenommen. Sie kündigten das Darlehen nach Ablauf von zehn Jahren und erklärten im Jahr 2015 den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Nachdem sie Klage gegen die darlehensgewährende Bank auf Zahlung eines Betrags erhoben hatten, der sich aus der Verrechnung verschiedener gegenläufiger Ansprüche aus der Kündigung und dem Widerruf ergab, einigten sie sich mit der Bank auf Zahlung von 15 000 €. Vor Abschluss des Vergleichs hatten die Stpfl. und die Bank die Höhe der Entschädigung für die Nutzung der bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen mit rund 17 700 € bzw. 11 100 € ermittelt. Die Bank vertrat die Auffassung, dass der zu zahlende Betrag der Besteuerung unterliegt, und behielt 25 % Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein und führte die Beträge an das Finanzamt ab. In ihrer Einkommensteuererklärung sowie im Einspruchs- und Klageverfahren vertraten die Stpfl. die Auffassung, die Vergleichssumme stelle keine Kapitalerträge dar. Insbesondere habe das Darlehen der Finanzierung des selbstgenutzten Hauses gedient.

Das FG Münster bestätigt mit Urteil vom 13.1.2022 (Az. 3 K 2991/19 E) dagegen die steuerliche Erfassung. Damit folgt das Gericht der Auffassung anderer Finanzgerichte. Das Gericht stützt sich dabei maßgeblich auf die Zivilrechtslage. In diesen Altfällen ist die Zivilrechtslage so, dass bei dem Widerruf eines Darlehens der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine bereits erfolgte (Teil-)Tilgung sowie Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am überlassenen Kapital schuldet. Und dies unabhängig davon, dass der Darlehensgeber die Herausgabe der erfolgten Zins- und Tilgungsleistungen sowie Nutzungsersatz wegen der Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen schuldet. Der Nutzungswertersatz, den die Stpfl. für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erhalten haben, stellt dabei Entgelt für eine Kapitalüberlassung dar. Der Anspruch auf Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis, aus dem der hier streitige Nutzungswertersatzanspruch erwächst, ist eine sonstige Kapitalforderung, die steuerlich als Quelle für Kapitaleinkünfte erfasst wird.

Hinweis:

Mittlerweile haben mehrere Finanzgerichte derart entschieden. Allerdings ist diese Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt. Die insoweit anhängigen Revisionsverfahren beim BFH bleiben abzuwarten. Insoweit sollte in vergleichbaren Fällen der Sachverhalt gegenüber der FinVerw offengelegt werden, so dann aber gegen eine steuerliche Erfassung vorsorglich Einspruch eingelegt werden.

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17 Landingpage von Bund und Ländern zur Grundsteuerreform

Die Finanzverwaltungen der Länder und des Bundes haben die Landingpage „grundsteuerreform.de” eingerichtet. Auf dieser Internetseite sind Informationen für alle Bundesländer gebündelt verfügbar. Insbesondere kann von dieser zentralen Seite auf die Einzelinformationen der Bundesländer verzweigt werden.

Handlungsempfehlung:

Die Abgabe der notwendigen Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte – hierfür ist der Zeitraum vom 1.7.2022 bis 31.10.2022 vorgesehen – wird für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Bereits frühzeitig sollte die Erklärungsabgabe vorbereitet werden. Dabei ist vielfach ratsam, steuerlichen Rat einzuholen.

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18 Übertragung von Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt

Vielfach bietet es sich an, fremdvermietete Immobilien aus dem Vermögen der Eltern frühzeitig auf deren Kinder zu übertragen. Dabei wird dann regelmäßig zu Gunsten der Eltern ein Vorbehaltsnießbrauchsrecht bestellt. Dies hat vor allem folgende Gründe:

  • Damit behalten die Eltern die Einkommensquelle und damit einen Baustein der Altersversorgung.
  • Schenkungsteuerlich wird die Übertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt sehr vorteilhaft behandelt, da der Wert des Nießbrauchs mindernd berücksichtigt wird. Auch können durch die frühzeitige Übertragung die Freibeträge bei der Übertragung auf die Kinder genutzt werden, was alle zehn Jahre erneut erfolgen kann. Auch fallen zukünftige Wertsteigerungen unmittelbar bei den Kindern an und unterliegen damit nicht mehr der Erbschaft-/Schenkungsteuer.

Bei der Einkommensteuer führt die Übertragung der Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt grundsätzlich nicht zu einer Änderung der Besteuerungszuordnung. Entsprechend der wirtschaftlichen Wirkung sind die Mieteinnahmen und entsprechend auch die Werbungskosten weiterhin den Eltern zuzuordnen.

Besonderheiten sind nun zu beachten, wenn auf Seiten der Seniorgeneration Ehegatten vorzufinden sind. Die Eltern haben in der Regel den Wunsch, die Mieterträge so lange zu vereinnahmen, bis der Letzte von ihnen verstirbt. Auch wenn nur ein Elternteil/Ehegatte Eigentümer des Grundstücks ist, soll auch der andere Ehegatte nach seinem Tod durch Zufluss der Mieteinnahmen abgesichert werden. Insoweit ist nun aus steuerlicher Sicht Vorsicht geboten, weil ein nur einem Ehegatten gehörendes Mietobjekt ungewünschte Folgen auslösen kann, wenn der Vorbehalt des Nießbrauchs zu Gunsten beider Eheleute übertragen wird.

Zivilrechtlich kann das Nutzungsrecht des Nichteigentümer-Ehegatten auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden:

  • Entweder der Nichteigentümer-Ehegatte tritt erst aufschiebend bedingt auf den Tod des Eigentümer-Ehegatten in die Rechtsstellung des Verstorbenen ein oder
  • es wird von Anfang an ein Gesamtnießbrauch vorbehalten.

Schenkungsteuerlich sind die beiden vorgenannten Varianten unterschiedlich zu behandeln:

  • Beim Gesamtnießbrauch wird der Kapitalwert des Nießbrauchs mit dem höheren Vervielfältiger der beiden Ehegatten berechnet. Im Ergebnis ist also die Lebenserwartung des statistisch länger lebenden Ehegatten maßgebend. Die Vereinbarung eines Gesamtnießbrauchs bei vorherigem Alleineigentum eines Ehegatten kann anteilig eine (ggf. steuerpflichtige) Schenkung an den anderen Ehegatten auslösen, wobei insoweit vielfach die hohen persönlichen Freibeträge eine Steuerbelastung verhindern.
  • Vereinbaren die Ehegatten, dass der Nießbrauch aufschiebend bedingt auf den Tod des Eigentümer-Ehegatten eintritt, bestimmt sich die Bewertung des Nießbrauchs zunächst nach dem Lebensalter des Eigentümer-Ehegatten. Im Zeitpunkt des Todes des ersten Nießbrauchsberechtigten ist dann zwingend ein Antrag auf rückwirkende Änderung der festgesetzten Schenkungsteuer aus der ursprünglichen Übertragung zu stellen, damit der Nießbrauch des zweiten Ehegatten (mindernd) berücksichtigt werden kann.

Handlungsempfehlung:

Welche zivilrechtliche Gestaltung vorzuziehen ist, kann nur für den Einzelfall ermittelt werden. Insoweit ist dringend anzuraten, rechtlichen und steuerlichen Rat einzuholen, um sowohl eine wirtschaftlich sinnvolle und zivilrechtlich saubere als auch steuerlich optimale Lösung zu finden.

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19 Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer eines Gebäudes als 50 Jahre durch Wertgutachten

Wohngebäude sind in der Regel mit dem gesetzlich typisierten Satz von 2 % abzuschreiben. Es wird also eine Nutzungsdauer von 50 Jahren angenommen. Nur dann, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer ist, kann diese angesetzt werden. Das FG Münster hatte nun über die Nachweisanforderungen hinsichtlich einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer zu entscheiden.

Im Urteilsfall hatte der Stpfl. die Immobilie in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Wegen des zum damaligen Zeitpunkt anstehenden Eigentümerwechsels wurde für das Grundstück im Auftrag des Amtsgerichts vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung ein Wertgutachten erstellt. Der Gutachter ging wegen „Modernisierung und Zustand am Stichtag” (fiktiv) von einem Baujahr 1960 aus. Die Gesamtnutzungsdauer des Wohngebäudes gab er mit 80 Jahren an, die Restnutzungsdauer mit 30 Jahren. Der Sachverständige ermittelte einen Wert für das bebaute Grundstück in Höhe von 230 000 €. Hierfür führte er eine Ertragswertermittlung und eine Vergleichswertermittlung nach der auf den Stichtag der Bewertung der streitigen Immobilie geltenden Wertermittlungsverordnung durch.

Der Stpfl. machte in seinen Einkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre 2012 bis 2016 unter Berücksichtigung einer geschätzten Restnutzungsdauer von 30 Jahren eine erhöhte AfA von 3,33 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten statt der gesetzlich vorgesehenen 2 % geltend. Dies erkannte das Finanzamt nicht an.

Das FG Münster erkannte nun aber mit Urteil vom 27.1.2022 (Az. 1 K 1741/18 E) den erhöhten Abschreibungssatz an:

  • Grundsätzlich ist ein Gebäude zwar nach festen gesetzlichen Abschreibungssätzen (im Streitfall 2 % pro Jahr) abzuschreiben. Weist der Stpfl. dagegen nach, dass tatsächlich von einer kürzeren Nutzungsdauer auszugehen ist, so kann diese Nutzungsdauer zu Grunde gelegt werden.
  • Es ist Sache des Stpfl., im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und ggf. nachzuweisen. Der Stpfl. kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint; erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Stpfl. Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten, z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.

Hinweis:

Dies bestätigt, dass an den Nachweis keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden können. Dennoch muss äußerste Sorgfalt auf das beigebrachte Sachverständigengutachten gelegt werden.

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20 Berechnung der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG: Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Veräußerungskosten?

Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG führen, außer Ansatz. Veräußerungsgewinn i.S.v. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG ist nach Satz 2 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt. Betreffend die in § 8b KStG geregelten Begriffe des Veräußerungspreises und der Veräußerungskosten kann auf die Definition des § 17 EStG zurückgegriffen und die dazu ergangene Rechtsprechung zu Grunde gelegt werden. Danach werden nach ständiger BFH-Rechtsprechung die Veräußerungskosten von den laufenden Betriebsausgaben danach abgegrenzt, ob ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung besteht.

Vor diesem Hintergrund ist nun der BFH-Beschluss vom 4.1.2022 (Az. I B 83/20) zu sehen, mit dem sich der BFH mit der Einbeziehung der Ergebnisse anderer Geschäfte in die Veräußerungskosten i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG befasst hat. Im konkreten Streitfall hatte eine in 2006 gegründete Kapitalgesellschaft geklagt, die (sehr vereinfacht dargestellt) im Jahr 2007 einen Verlust aus der Veräußerung von Wandelanleihen erlitten hatte und diesen Verlust steuerlich wirksam werden lassen wollte. Zuvor hatte die Stpfl. in 2007 zwei Investitionen in Wandelschuldverschreibungen getätigt (unter Einschaltung mehrerer Zwischengesellschaften), die gegenläufig wirkten und sich in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis neutralisierten. Steuerlich erklärte die Stpfl. gleichwohl einen Verlust von rd. 72 Mio. € aus den Geschäften, da sie nur den Gewinn aus dem Verkauf der Anteile an der einen Gesellschaft als nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG steuerfrei ansah. Den entstandenen steuerlichen Verlust aus der Veräußerung von Wandelanleihen nutzte die Stpfl., um den bei ihr im Jahr 2007 anfallenden Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines Flugzeugs i.H.v. rd. 56 Mio. € steuerlich auszugleichen.

Das FA kam (verkürzt dargestellt) zu der Würdigung, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang zwischen den beiden Käufen der Wandelschuldverschreibungen (und weiteren Darlehensverträgen) bestanden habe, so dass die Geschäfte in ihren Auswirkungen zusammen zu betrachten und die Verluste aus dem einen Darlehensgeschäft als Veräußerungskosten des nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG steuerfreien Erlöses aus dem Veräußerungsgeschäft des Anteilsbestands anzusehen seien. Beide Wandelanleihen könnten nicht getrennt voneinander gesehen werden, da eine Erhöhung des einen Darlehens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit automatisch eine Minderung des Darlehens gegenüber der anderen Gesellschaft nach sich gezogen hätte. Darüber hinaus, so das FA, sei die von der Stpfl. gewählte Gestaltung missbräuchlich und dürfe daher der Besteuerung nach § 42 Abs. 1 AO nicht zu Grunde gelegt werden, da die gewählte Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert worden sei und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erwiesen habe.

Das Hessische FG (die Vorinstanz) hatte dieses Ergebnis bestätigt: Die Auswirkungen aus den beiden gegenläufigen Geschäften mit den Wandelschuldverschreibungen seien steuerlich nicht zu berücksichtigen, da vorliegend beide Geschäfte so aufeinander abgestimmt und derart miteinander verknüpft seien, dass beide Geschäfte nur in ihrer Gesamtheit einen wirtschaftlichen Sinn ergeben würden. Mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei gewährleistet gewesen, dass ein künftig entstehender Veräußerungsgewinn aus einer Anlageveräußerung durch einen entsprechend gleichhohen Verlust aus der Veräußerung der Wandelanleihe kompensiert würde. Im Übrigen sei auch das Vorliegen einer unangemessenen Gestaltung i.S.d. § 42 AO zu bejahen.

Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, hat die GmbH eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die der BFH aktuell als unbegründet zurückgewiesen hat, insbesondere da er keine sog. Divergenz zu anderen Urteilen erkennen konnte. Es wird zudem ausgeführt, dass zum Vorliegen eines Veranlassungszusammenhangs zwischen den einzelnen Geschäften nicht zwingend eine zu 100 % gegenläufige Korrelation der Geschäfte gegeben sein muss.

Hinweis:

Dieser Beschluss vom 4.1.2022 liegt also auf der Linie der BFH-Rechtsprechung, der z.B. mit Urteil vom 8.3.2017 (Az. IX R 5/16, HFR 2017, 665) entschieden hatte, dass ein Gestaltungsmissbrauch dann angenommen werden kann, wenn ein Verkauf und (Wieder-)Kauf von Bezugsrechten gleicher Art und gleicher Stückzahl am selben Tag vorliegt und der Stpfl. insoweit kein Kursrisiko eingeht; ebenso dann, wenn Beteiligte durch zivilrechtlich mögliche Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungsverpflichtungen begründen, damit aber ihre jeweilige Position weder tatsächlich noch wirtschaftlich verändern (BFH v. 29.8.2007, IX R 17/07, BStBl II 2008, 502). Der Nutzung der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne durch Einbezug verschiedener Geschäfte setzt der BFH also Grenzen, die in der Praxis zu beachten sind.

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21 Grenzüberschreitende Organschaft: Begriff der negativen Einkünfte

Die sog. körperschaftsteuerliche Organschaft bietet neben anderen Vorteilen insbesondere die Möglichkeit, Verluste der Organgesellschaft (einer Kapitalgesellschaft) mit steuerlicher Wirkung beim Organträger (einer Kapital- oder Personengesellschaft) geltend zu machen (also Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns – zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft – zu verrechnen). Die Organschaft setzt für ihre Anerkennung neben der sog. finanziellen Eingliederung, die beim Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an den Anteilen an der Organgesellschaft erfordert, grundsätzlich auch den Abschluss und die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags (Ergebnisabführungsvertrag) voraus.

Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung einer Organschaft ist u.a., dass negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt bleiben, soweit sie in einem ausländischen Staat im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist das Urteil des BFH vom 12.10.2016 (Az. I R 92/12, BStBl II 2022, 123) zu sehen, mit dem der BFH entschieden hat, dass negative Einkünfte des Organträgers in diesem Sinne nur dann vorliegen, wenn bei diesem nach der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft ein Verlust verbleibt.

Dazu hat das BMF mit Datum vom 14.1.2022 (BStBl I 2022, 160) einen sog. Nichtanwendungserlass veröffentlicht, d.h., diese Auslegung des Begriffs der negativen Einkünfte ist nach Auffassung der FinVerw nicht über den entschiedenen Urteilsfall hinaus allgemein anzuwenden. Die FinVerw vertritt – gegen die Rechtsprechung – weiterhin die Auffassung, dass insoweit jeweils isoliert auf die Einkünfte des Organträgers und auf die Einkünfte der einzelnen Organgesellschaften abzustellen ist.

Hinweis:

Die rechtliche Situation bleibt damit unbefriedigend, weil in einschlägigen Praxisfällen nicht allein auf die günstige Rechtsprechung verwiesen werden kann, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach der Rechtsweg beschritten werden muss, der immer auch ein „Restrisiko” beinhaltet, selbst wenn der BFH seine Auffassung mit dem o.g. Urteil vom 12.10.2016 klar und überzeugend abgeleitet hat.

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22 Einkünfte aus Kapitalvermögen und deren Zufluss bei gespaltener Gewinnverwendung

Mit seinem Urteil vom 28.9.2021 (Az. VIII R 25/19, HFR 2022, 227) hat der BFH entschieden, dass

  • ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem zwar einerseits die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn andererseits aber nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist.
  • eine solche Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen führt.

Damit hat der BFH das Urteil der Vorinstanz (Niedersächsisches FG v. 4.7.2019, Az. 10 K 181/17, EFG 2019, 1583) aufgehoben. Das Niedersächsische FG hatte zwar auch den Gewinnverwendungsbeschluss steuerlich anerkannt, jedoch einen Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter mit dem jeweiligen Beschluss über die Einstellung in das persönliche Rücklagenkonto gesehen.

Die Gesellschafter einer GmbH können, so der BFH, im Rahmen der Gewinnverwendung (§ 29 Abs. 2 GmbHG) beschließen, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden (sog. gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendung). Für spätere Ausschüttungen aus einer solchen gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage, die als Unterkonto der Gewinnrücklage geführt wird, ist erneut ein Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen. Derart gespaltene Gewinnverwendungen sind gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn sie nach der Satzung der GmbH möglich sind und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen.

Der BFH stellt in seiner Entscheidung heraus, dass eine gespaltene Gewinnverwendung ebenso wie eine zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene inkongruente Gewinnausschüttung in Gestalt einer anteilsabweichenden Verteilung des Gewinns (inkongruente Gewinnverteilung) grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist.

Insbesondere liege bei derartigen Gestaltungen kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor. Somit führt ein gesellschaftsrechtlich zulässiger und steuerlich anzuerkennender Beschluss über die gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendung nicht zur Gewinnausschüttung an den Gesellschafter, dessen Anteil am Gewinn thesauriert wird, und insoweit auch nicht zum Zufluss eines Gewinnanteils i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Die Ausschüttung eines Gewinnanteils oder eines sonstigen Bezugs könne insoweit auch nicht fingiert werden.

Hinweis:

Dieses Urteil unterstreicht, dass auch bei der GmbH weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich personenbezogener Ausschüttung/Thesaurierung bestehen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist stets nur, dass diese Möglichkeiten im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen sind bzw. ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird. Hinzuweisen ist darauf, dass das steuerliche Einlagekonto nach § 27 KStG nicht personenbezogen geführt wird, was im Einzelfall bei solchen Gewinnverwendungsbeschlüssen zu Verwerfungen führen kann. Insoweit sollte in einschlägigen Fällen fachlicher Rat eingeholt werden.

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23 Gestaltungsmissbrauch bei Einlage in die Kapitalrücklage einer GmbH mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber einer Alleingesellschafterin

Mit seinem Urteil vom 22.12.2021 (Az. 7 K 101/18 K,G,F) hat sich das FG Düsseldorf mit der Frage befasst, ob eine Einlage der Alleingesellschafterin (B AG) in die Kapitalrücklage der Tochter-GmbH (Stpfl.) und die anschließende Begleichung von Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen durch die Stpfl. gestaltungsmissbräuchlich war und als ein – den Gewinn der Stpfl. erhöhender – Forderungsverzicht zu behandeln ist.

Im Streitfall wies – sehr verkürzt dargestellt – die Bilanz der nicht mehr aktiven GmbH im Wesentlichen auf der Aktivseite einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag und auf der Passivseite ein unverzinsliches Gesellschafterdarlehen und eine Darlehensschuld gegenüber der Gesellschafterin auf einem Verrechnungskonto aus. Zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung hatte die Alleingesellschafterin mehrfach Rangrücktrittsvereinbarungen abgegeben und in ihrer Bilanz die entsprechenden Forderungen weitestgehend abgeschrieben.

Die bilanzielle Sanierung erfolgte nun dadurch, dass eine Einlage der Alleingesellschafterin und gleichzeitig hieraus eine Tilgung der Verbindlichkeiten gegenüber dieser beschlossen wurde. Dies wurde in der Buchhaltung durch unmittelbare Buchung in die Kapitalrücklage und als Gegenbuchung durch Ausbuchung der Verbindlichkeiten abgebildet. Geldflüsse erfolgten nicht. Das FA sah insoweit einen Gestaltungsmissbrauch und wertete diesen Vorgang als Forderungsverzicht, welcher bei der GmbH auf Grund der Ausbuchung der Verbindlichkeiten zu einem steuerlichen Gewinn führen würde.

Das FG Düsseldorf hat diese Auffassung mit der Begründung bestätigt, die gewählte Vorgehensweise stelle einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 Abs. 2 AO dar, da beide Schritte – Kapitalzuführung und Tilgung der Verbindlichkeiten – lediglich buchhalterisch vollzogen wurden. Die Vorgehensweise diente nur der Vermeidung der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge bei einem Verzicht eines Gesellschafters auf seinen Rückzahlungsanspruch aus einem der Gesellschaft hingegebenen Darlehen und stellt sich als eine unangemessene Gestaltung mit dem alleinigen Ziel der Steuerminderung dar, die nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt war. Denn der Zweck der Einlage habe einzig darin bestanden, ein wertloses Darlehen zu tilgen. Eine Entlastung der Bilanz der Stpfl. von der nicht mehr werthaltigen Darlehensverbindlichkeit sei durch einen Forderungsverzicht ebenfalls möglich gewesen, der bei der Stpfl. eine gewinnerhöhende Ausbuchung der Verbindlichkeit zur Folge gehabt hätte. Anstelle des Forderungsverzichts sei von der Stpfl. und ihrer Alleingesellschafterin in gem. § 42 Abs. 2 AO gestaltungsmissbräuchlicher Weise der Umweg über ein Hin- und Herzahlen gewählt worden. Zur Erreichung des Ziels sei diese gewählte Vorgehensweise unangemessen gewesen. Denn mit der gewählten Vorgehensweise wurden lediglich die steuerrechtlichen Folgen eines Forderungsverzichts vermieden.

Hinweis:

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass gerade in Sanierungsfällen bzw. bei Stützungsmaßnahmen in der Krise die Einholung fachlichen Rats unverzichtbar ist. Dies gilt über die Gestaltung des Streitfalls hinaus für alle Fälle des Verzichts auf künftig zu leistenden Vergütungen sowie auch auf bereits entstandene Vergütungsansprüche (z.B. Gehälter, Tantiemen, Mieten, Zinsen) und auch bei Darlehensverzicht (ggf. mit sog. Besserungsabrede). Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein bei der Gesellschaft auf Grund eines Forderungsverzichts entstehender Gewinn mglw. als Sanierungsertrag steuerfrei ist, was allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen einschlägig ist. Betreffend den konkreten Streitfall ist die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten, da das FG die Revision zugelassen hat.

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24 Freigebige Zuwendung zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft bei vGA an die Personengesellschaft

Mit seinem vorläufig nicht rechtskräftigen Urteil vom 7.10.2021 (Az. 4 K 1274/20, EFG 2022, 278) hat sich das FG Rheinland-Pfalz mit der Frage der freigebigen Zuwendung zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft bei vGA an die Personengesellschaft befasst. Dabei hat das FG entschieden,

  • dass die Gewinnausschüttung einer GmbH, deren Anteile im Betriebsvermögen einer Personengesellschaft als Gesellschafterin gehalten werden, ertragsteuerlich ausschließlich dem Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft zusteht.
  • Sollte die Auszahlung des Gewinnbetrags im Einvernehmen aller Gesellschafter direkt an einen Gesellschafter erfolgen, so sei dieser Vorgang nicht im Sonderbetriebsvermögen dieses Gesellschafters, sondern im Gesamthandsvermögen zu erfassen.
  • Fließe der Ausschüttungsbetrag im Einvernehmen aller Gesellschafter allein einem Gesellschafter persönlich zu, so stelle dies jeweils eine freigebige Zuwendung jedes einzelnen Gesellschafters i.S.d. § 7 ErbStG an den Bezieher des Ausschüttungsbetrags in der Höhe dar, die dem Anteil des zuwendenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen entspricht. Darin liege keine verfassungswidrige Doppelbelastung desselben Vorgangs mit Einkommen- und Schenkungsteuer.

Im konkreten Streitfall waren – verkürzt dargestellt – der Stpfl., seine Ehefrau und seine Eltern an einer KG beteiligt; die Kapitalbeteiligung des Stpfl. betrug 48 %. Die KG hielt im gesamten Jahr 2004 eine 100 %-Beteiligung an der F GmbH. Unternehmensgegenstand der F GmbH war u.a. der Handel mit Maschinen. Alleiniger Geschäftsführer der F GmbH war im Jahr 2004 der Vater des Stpfl. Im Jahr 2004 erwarb diese F GmbH von einem Maschinenhersteller eine hochpreisige Maschine, wobei der Vater des Stpfl. im Rahmen dieses Erwerbs „Schmiergeld” bzw. eine „Rückvergütung” durch eine zur Firmengruppe des Maschinenherstellers gehörende Gesellschaft in Gestalt der Zahlung auf ein Bankkonto in der Schweiz erhielt (ohne diesen Vorgang der F GmbH anzuzeigen). In 2013 verstarb der Vater des Stpfl., er wurde durch seine Frau (die Mutter des Stpfl.) beerbt.

Diese zeigte in 2014 mit zwei Selbstanzeigeschreiben in eigener Sache und als Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen eine Zuwendung des Sohnes an den Vater i.H.v. 48 % des „Schmiergelds/Rückvergütung” an, erklärte – neben verschiedenen, gleichgelagerten Fällen – auch eine vGA aus 2004 und wies zudem auf die mögliche Steuerbarkeit der disquotalen Zuweisung zum Verstorbenen nach dem ErbStG hin. In der Folge reichte die Witwe „rein vorsorglich” eine Schenkungsteuererklärung ein, auf deren Basis das FA einen Schenkungsteuerbescheid erließ, gegen den die Witwe Einspruch einlegte. Sie führte u.a. aus, dass bei Vorliegen einer vGA daneben für eine Schenkungsteuerpflicht kein Raum sei. Nach ihrem Tod in 2019 wurde sie vom Stpfl. beerbt, der das Verfahren als Rechtsnachfolger fortführt.

Das FA würdigte den Sachverhalt dahingehend, dass die KG von ihrer Tochtergesellschaft F GmbH eine vGA erhalten habe, die ihr als Alleingesellschafterin zu 100 % zuzurechnen sei. Allerdings sei die vGA den Gesellschaftern sodann inkongruent, d.h. nicht entsprechend der allgemeinen Gewinnverteilung, sondern allein dem Vater (Kommanditisten) zugerechnet worden. In Höhe des 48 %-Anteils des Stpfl. habe dieser seinem Vater eine unentgeltliche Zuwendung erbracht. Hierbei handele es sich um einen eigenständigen, von der Gewinnausschüttung zu unterscheidenden Vorgang der Vermögensverwendung. Da die Gesellschafter der KG den gesamten Vorgang gekannt und geduldet hatten, seien alle Merkmale einer freigebigen Zuwendung erfüllt.

Das FG hat die gegen den Schenkungsteuerbescheid gerichtete Klage als unbegründet zurückgewiesen: Die vGA sei zunächst dem Gesamthandsvermögen der KG zuzurechnen. Dass die vGA im Einverständnis aller Gesellschafter der KG dann zu 100 % dem (lediglich zu 20 % beteiligten) Vater zustehen sollte, stellte nach (schenkung)steuerlichen Grundsätzen eine anteilige unentgeltliche Zuwendung jedes Mitgesellschafters in der Höhe, die seiner jeweiligen Beteiligung an der KG entsprach, an diesen dar. Denn wenn sich die Beteiligung im Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft befinde, erhöhe eine vGA den von der Gesamthand erzielten Gewinn aus Gewerbebetrieb und stelle keine Sonderbetriebseinnahmen der Kommanditisten dar. Eine vGA habe im Streitfall in Form der verhinderten Vermögensmehrung aus der F GmbH vorgelegen, da ein fremder Dritter z.B. die Zahlung der verfahrensgegenständlichen Kick-Back-Zahlung („Schmiergeld”) für den Einkauf einer Maschine durch die F GmbH direkt an die F GmbH verlangt hätte.

Hinweis:

Mit diesem Urteil führt das FG die Rechtsprechung des BFH fort, nach der einerseits bei einer Schenkung an eine Gesamthandschaft nicht die Gesamthandsgemeinschaft, sondern die einzelnen Gesamthänder als bereichert anzusehen sind und andererseits bei Erwerb „von” einer Gesamthandsgemeinschaft der Bedachte bereichert und Zuwendender der durch die Zuwendung allein vermögensmäßig entreicherte Gesamthänder ist. Positiv kann dazu vermerkt werden, dass nicht die KG, sondern die anderen Gesellschafter die Schenker sind, was wegen der Steuerklasse bedeutsam ist. Dies gilt wie z.B. im Streitfall auch dann, wenn ein Gesellschafter zum Nachteil der Gesamthandsgemeinschaft eine vGA von einer Tochter-GmbH erhält (vorliegend in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung der GmbH).

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25 Vorbemerkung

In dieser Sonderbeilage gehen wir auf aktuelle Bilanzierungsfragen im Jahresabschluss zum 31.12.2021 ein, welcher vielfach jetzt erstellt wird. Dabei sind Besonderheiten hinsichtlich der Abschreibungsregeln, aber auch die aktuellen Krisen – Krieg in der Ukraine und Corona-Pandemie – zu beachten.

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26 Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung

Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die souveräne Ukraine am 24.2.2022 stellt ein einschneidendes Ereignis dar, das auch in der globalen Wirtschaft und damit in der Rechnungslegung der Unternehmen deutliche Spuren hinterlassen wird. Unternehmen können davon ganz unterschiedlich betroffen sein, z.B. durch Ausfall von Forderungen, Abbrechen von Lieferketten oder nicht einkalkulierte steigende Energiepreise. Insofern stellt sich die Frage, ob dies bereits im Jahresabschluss zum 31.12.2021 zu berücksichtigen ist, wenn z.B. in diesem Abschluss eine Forderung ausgewiesen wird, die nach jetzigem Erkenntnisstand ausfallen wird, oder z.B. bereits in 2021 verpflichtend ein Liefergeschäft eingegangen wurde, welches auf Grund der nun gestiegenen Rohstoffpreise voraussichtlich zu einem Verlust führen wird.

Grundsätzlich ist zunächst zu erkennen, dass die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Krieges für Abschlüsse auf Stichtage vor dem 24.2.2022 als wertbegründend einzustufen sind. Als maßgebliches Ereignis ist der widerrechtliche Übertritt der Grenzen des ukrainischen Staatsgebiets (bzw. der Eintritt in den ukrainischen Luftraum) durch das russische Militär an eben jenem Tag anzusehen. Dementsprechend sind die bilanziellen Konsequenzen (Bewertung und Ansatz) auf Grund des Stichtagsprinzips grundsätzlich erst in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung von Jahresabschlüssen mit Stichtag nach dem 23.2.2022 zu berücksichtigen.

Hinweis:

Insoweit ergibt sich nur im Ausnahmefall etwas anderes, wenn wegen der Auswirkungen des Krieges die Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Allerdings ist bei der GmbH und der GmbH & Co. KG im Anhang zum Jahresabschluss auch eine Nachtragsberichterstattung vorzunehmen. In diese sind die Auswirkungen dieses Krieges aufzunehmen und zu erläutern, wenn im konkreten Fall ein „Vorgang von besonderer Bedeutung” vorliegt. Dies kann z.B. gegeben sein, wenn auf Grund der aktuellen Entwicklung wesentliche Absatz- oder Beschaffungsmärkte ausfallen oder die Rohstoffpreisentwicklung für das Unternehmen wesentlich ist. Bei der Darstellung der finanziellen Auswirkungen sind die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu berücksichtigen, soweit diese jeweils betroffen sind. Konkrete quantitative Angaben sind allerdings nicht erforderlich, eine qualitative Berichterstattung ist ausreichend. Diese Ausführungen müssen aber hinreichend die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt bzw. – soweit im Einzelfall entscheidend – auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft hinweisen.

Hinweis:

Kleine und Kleinstgesellschaften i.S.d. HGB brauchen weder einen Lagebericht aufzustellen noch eine Nachtragsberichterstattung in den Anhang aufzunehmen. Diese sind also grds. nicht betroffen. Dies ist nur ausnahmsweise dann anders, wenn die aktuellen Entwicklungen zu bestandsgefährdenden Risiken führen.

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27 Abschreibung von Anlagevermögen

a) Degressive Abschreibung auch steuerlich möglich

Nach derzeitigem Recht kann befristet für die Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in den Kalenderjahren 2020 und 2021 alternativ zur linearen Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer wahlweise auch eine degressive Abschreibung gewählt werden. Die degressive Abschreibung kann nach einem festen Prozentsatz vom jeweiligen Buchwert (Restwert) i.H.v. bis zu 25 %, höchstens das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung berechnet werden. Im Jahr der Anschaffung/Herstellung kann die Abschreibung nur anteilig ab dem Monat der Anschaffung/Herstellung angesetzt werden. Die zulässigerweise gewählte Abschreibungsmethode gilt dann für die gesamte Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes.

Die Anwendung der degressiven Abschreibung bewirkt im Ergebnis eine frühere Aufwandsverrechnung der Anschaffungs-/Herstellungskosten und mindert dabei gegenüber der Anwendung der linearen Abschreibung die Steuerzahlungen in den ersten Jahren und erhöht entsprechend die Steuerzahlungen in den letzten Jahren der Nutzungsdauer. Damit ergibt sich ein positiver Zins- und Liquiditätseffekt durch das Vorziehen des Abschreibungsaufwands.

Hinweis:

Nach derzeitigem Stand soll die degressive Abschreibung mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz auch für Anschaffungen/Herstellungen im Jahr 2022 zulässig sein.

b) Nutzungsdauer für Computer-Hardware und Software („digitale Wirtschaftsgüter”) kann mit einem Jahr angesetzt werden

Zur Förderung von Investitionen in die Digitalwirtschaft wurde mit Schreiben der FinVerw vom 26.2.2021 für bestimmte Computerhardware und Software zugelassen, dass bei der Abschreibung die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer vom Stpfl. mit einem Jahr angesetzt werden kann. Im Ergebnis ermöglicht dies eine „Sofortabschreibung”, so dass der Aufwand aus dem Erwerb unmittelbar steuerlich geltend gemacht werden kann. Dies gilt sowohl für gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte als auch z.B. beim Werbungskostenabzug von Arbeitnehmern.

Begünstigt sind folgende Wirtschaftsgüter:

Hardware

Software

Begünstigt

Computer, Desktop-Computer, Notebook-Computer, Desktop-Thin-Clients, Workstations, Dockingstations, externe Speicher- und Datenverarbeitungsgeräte (Small-Scale-Server), externe Netzteile sowie Peripheriegeräte.

Dabei wird auf die Begriffe nach der EU-Verordnung zu Effizienzvorgaben zurückgegriffen. Diese Richtlinie verpflichtet die Hersteller in den technischen Unterlagen die entsprechende Produktart anzugeben. Diese Kennzeichnung ist für die Einordnung maßgebend.

Erfasst wird die Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung. Erläuternd wird ausgeführt: „Dazu gehören auch die nicht technisch physikalischen Anwendungsprogramme eines Systems zur Datenverarbeitung, sowie neben Standardanwendungen auch auf den individuellen Nutzer abgestimmte Anwendungen wie ERP-Software, Software für Warenwirtschaftssysteme oder sonstige Anwendungssoftware zur Unternehmensverwaltung oder Prozesssteuerung.”

Nicht
begünstigt

Andere Hardware, insbesondere Computerserver

Systemsoftware, also Betriebssysteme und systemnahe Software, wie z.B. Dienstprogramme, Datenbank-Verwaltungswerkzeuge

Hinsichtlich der Abbildung in der steuerlichen Gewinnermittlung gelten folgende Grundsätze:

  • Diese Wirtschaftsgüter sind wie andere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zunächst auf Anlagekonten zu buchen und in das Anlageverzeichnis aufzunehmen. Nicht zulässig ist also eine sofortige Aufwandsbuchung.
  • Eingeführt wurde nicht etwa eine neue Abschreibungsmethode. Vielmehr macht die FinVerw das „Angebot”, die Nutzungsdauer für Zwecke der Abschreibung mit einem Jahr anzusetzen. Zusätzlich wird nicht beanstandet, wenn im Jahr des Zugangs dieses Wirtschaftsgutes die volle Jahresabschreibung geltend gemacht wird. Das heißt, im Ergebnis werden im Jahr des Zugangs und der Betriebsbereitschaft die Anschaffungs-/Herstellungskosten in vollem Umfang als Abschreibungsaufwand gewinnmindernd gezeigt.
  • Ausgestaltet ist diese Annahme der Nutzungsdauer von einem Jahr ausdrücklich als „Angebot” der FinVerw, welches der Stpfl. annehmen kann oder auch nicht. Alternativ kann die voraussichtliche Nutzungsdauer der Abschreibung zu Grunde gelegt werden, also vielfach eine Zeitspanne von drei bis fünf Jahren und Berücksichtigung nach den üblichen Abschreibungsregeln.
  • Erstmalige Anwendung: Der Ansatz der Nutzungsdauer mit „einem Jahr” ist erstmals anzuwenden in Gewinnermittlungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden, in der Regel also erstmals für das Wj. 2021. Eine zeitliche Befristung dieser Regelung ist nicht vorgesehen.
  • Steuerliche Restbuchwerte aus Anschaffungen früherer Jahre: Im ersten Anwendungsjahr (in der Regel also Wj. 2021) können Restbuchwerte von entsprechenden Wirtschaftsgütern, die in früheren Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt wurden und bei denen eine andere als die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde, vollständig abgeschrieben werden. Mithin werden dann (wahlweise) alle Restbuchwerte zum 1.1.2021 als Aufwand gebucht.
  • Handelsbilanz: In der Handelsbilanz kann dieser eher als Konjunkturstützungsmaßnahme einzustufenden Verwaltungsanweisung i.d.R. nicht gefolgt werden. Die Nutzungsdauer von einem Jahr kann nur ausnahmsweise dann in der Handelsbilanz angesetzt werden, wenn diese „Sofortabschreibung” dem tatsächlichen Wertverzehr entspricht. Ansonsten muss die tatsächliche Nutzungsdauer der Abschreibung zu Grunde gelegt werden. Regelmäßig ergeben sich also Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz.

Handlungsempfehlung:

Diese Förderung von Investitionen in die Digitalstruktur hat in der Praxis eine sehr hohe Bedeutung. Ob von diesem Sofortabschreibungs-Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, ist im Einzelfall zu prüfen und muss spätestens mit der Steuererklärung entschieden werden.

c) Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe

Neben der linearen oder degressiven Abschreibung kann für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter unter folgenden Bedingungen eine Sonderabschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren von bis zu 20 % vorgenommen werden, wenn:

  • der Betrieb im Wirtschaftsjahr, das der Anschaffung oder Herstellung vorangeht, einen steuerlichen Gewinn von maximal 200 000 € erzielt hat – bei beabsichtigter Nutzung der Sonderabschreibung in 2021 ist also der steuerliche Gewinn des Jahres 2020 maßgebend – und
  • das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Stpfl. ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Hinweis:

Der Stpfl. kann die Verteilung der Sonderabschreibung i.H.v. bis zu 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den Zeitraum von fünf Jahren frei bestimmen, wobei auch die volle Sonderabschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung gewählt werden kann. Einschließlich der degressiven Abschreibung kann somit im Jahr der Anschaffung maximal eine Abschreibung i.H.v. 45 % vorgenommen werden.

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28 Bewertung des Vorratsvermögens

a) Selbst hergestellte Vorräte

Selbst hergestellte Vorräte sind mit den Herstellungskosten anzusetzen. Die Herstellungskosten umfassen Materialkosten (Fertigungsmaterial und Materialgemeinkosten), Fertigungskosten (Fertigungslöhne, Fertigungsgemeinkosten und Sondereinzelkosten der Fertigung) und Verwaltungskosten. Zu beachten ist, dass bei der Ermittlung von Vorräten nur angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens berücksichtigt werden. Daher sind Gemeinkosten, die z.B. auf Zeiten der coronabedingten Stilllegung, Nutzungseinschränkungen oder der Unterbrechung von Lieferketten entfallen, als sog. Leerkosten nicht einzubeziehen, sondern führen unmittelbar zu Aufwand.

b) Prüfung eines niedrigeren beizulegenden Werts zum Bilanzstichtag

Sowohl bei selbst hergestellten als auch fremdbezogenen Vorräten muss zum Bilanzstichtag geprüft werden, ob diese mit einem niedrigeren Stichtagswert anzusetzen sind. Das Handelsrecht spricht insoweit vom „beizulegenden Wert”.

Für die Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sind die Verhältnisse auf dem Beschaffungsmarkt maßgebend. Liegen daher für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die Wiederbeschaffungskosten unter den Anschaffungskosten, so sind die geringeren Wiederbeschaffungskosten anzusetzen. Soweit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe nicht mehr voll verwertbar sind, sind zur Einhaltung des Niederstwertprinzips angemessene Abschläge (Gängigkeitsabschläge/Reichweitenabschläge) vorzunehmen. Gängigkeitsabschläge erfassen Risiken aus einer längeren Lagerdauer und einer möglichen Unverkäuflichkeit. Reichweitenabschläge dienen der Abbildung des Risikos, dass Vorratsvermögen z.B. wegen technischem Ablaufdatum, Verderb, verändertem Marktumfeld (z.B. bei Mode) oder Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Kennzeichnungspflicht auf Verpackungen) nicht mehr verwertet werden können. Dazu wird üblicherweise zur Überprüfung die zeitliche Reichweite des Lagerbestandes herangezogen.

Hinweis:

Beim Vorratsvermögen ist zwingend eine Abwertung vorzunehmen, wenn der Marktpreis zum Bilanzstichtag unter den Anschaffungskosten liegt. Es ist eine Dokumentation der Preise zum Bilanzstichtag vorzunehmen und für wichtige Bestände an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sollten dafür ggf. aktuelle Marktpreise bei den Lieferanten abgefragt werden.

Bei der Bewertung der fertigen und unfertigen Erzeugnisse ist vom Absatzmarkt auszugehen, um die sog. verlustfreie Bewertung sicherzustellen. Verlustfreie Bewertung bedeutet, dass den Anschaffungs- oder Herstellungskosten die zukünftigen Veräußerungserlöse abzüglich noch entstehender Aufwendungen (Verpackung, Vertriebskosten und dergleichen) gegenüberzustellen sind. Der beizulegende Wert ergibt sich im Grundsatz aus dem erwarteten Verkaufswert abzüglich eventueller Erlösschmälerungen und der noch anfallenden Aufwendungen für die Fertigstellung, aber auch z.B. Lager- und Frachtkosten (retrograde Bewertung).

Hinweis:

Die Prüfung der verlustfreien Bewertung ist bei allen größeren Vorratsbeständen vorzunehmen. Dies sollte sorgfältig dokumentiert werden.

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29 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ist zum Bilanzstichtag deren Werthaltigkeit vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung zu überprüfen. Zu prüfen sind Einzelwertberichtigungen, aber auch eine Anhebung der Pauschalwertberichtigungen. Hierzu muss eine konkrete Prüfung der Einzelbestände erfolgen und hinsichtlich der Pauschalwertberichtigung kann auch auf die wirtschaftliche Entwicklung von Branchen zurückgegriffen werden. Für die Bewertung sind grds. die Verhältnisse zum Bilanzstichtag maßgebend, so dass diese zu dokumentieren sind. Zur Dokumentation von Wertberichtigungen geeignet sind z.B. die erfolgten Zahlungserinnerungen/Mahnungen, eingeleitete gerichtliche Mahnverfahren, diesbezügliche Korrespondenz mit dem Kunden, Informationen über eingetretene Zahlungsschwierigkeiten oder gar die Einleitung eines Insolvenzverfahrens.

Soweit zu einem vorhergehenden Bilanzstichtag eine Einzelwertberichtigung einer Forderung erfolgte, muss diese zum aktuellen Bilanzstichtag zwingend überprüft werden. Dies sollte ausreichend dokumentiert werden.

Hinweis:

Eine teilweise oder vollständige Uneinbringlichkeit der Forderung führt auch zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer.

Für die Forderungen, die nicht in eine Einzelwertberichtigung einbezogen werden, ist eine Pauschalwertberichtigung zu prüfen. Der Abschlagsatz ist aus Erfahrungen in der Vergangenheit abzuleiten, ggf. aber auch um aktuelle positive wie negative Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft insgesamt und dem speziellen Kundenmarkt zu korrigieren. Dabei können aktuelle Branchenentwicklungen (Tourismus, Unterhaltung, Messebau) eine Rolle spielen.

Hinweis:

Der angesetzte Pauschalwertberichtigungssatz muss sorgfältig hergeleitet und dieser Vorgang muss ausreichend dokumentiert werden. Eine Pauschalwertberichtigung führt nicht zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer.

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30 Corona-Hilfen im Jahresabschluss

a) Aktivierung von Hilfszusagen und Gewinnausweis

Corona-Hilfen sind als Forderungen gewinnerhöhend zu aktivieren, wenn und soweit ihre Bewilligung am Bilanzstichtag so gut wie sicher ist. Dies ist gegeben, wenn die sachlichen Voraussetzungen am 31.12.2021 erfüllt sind und der Antrag auf Bewilligung der Corona-Hilfe am Bilanzstichtag gestellt oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestellt werden wird. Ein Indikator für das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen ist die Antragstellung durch einen prüfenden Dritten bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses. Einer Bewilligung bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses bedarf es nicht.

Soforthilfen, November-/Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe und vergleichbare Unterstützungsleistungen sind als steuerpflichtige Betriebseinnahmen zu erfassen. Der Umsatzsteuer unterliegen diese aber mangels Leistungsaustausch nicht. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind diese als sonstige betriebliche Erträge zu erfassen.

In der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung sind diese Hilfen als „sonstige betriebliche Erträge” zu erfassen. Eine ertragswirksame Erfassung scheidet nur ausnahmsweise dann aus, wenn die Hilfen ausdrücklich für die Anschaffung von bilanzierungspflichtigen Wirtschaftsgütern gewährt werden, wie z.B. die Überbrückungshilfe III ggf. für coronabedingte Umbaumaßnahmen oder für Anschaffung von EDV.

Hinweis:

Anders ist der Zufluss solcher Hilfsmaßnahmen bei Stpfl., die ihren Gewinn mittels Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln. In diesem Fall sind die Hilfen als Einnahme im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen. Dementsprechend sind auch bloße Abschlagszahlungen mit Gutschrift als Einnahme zu buchen. Kommt es im Rahmen der Schlussrechnung zu Rückzahlungen, so sind diese im Zeitpunkt des Abflusses als Ausgabe zu verbuchen.

b) Mögliche Rückzahlungsverpflichtung

Die Corona-Hilfen stehen stets unter dem Vorbehalt der Schlussabrechnung. Bei den Soforthilfen ist diese vielfach bereits erfolgt, ansonsten steht die Schlussabrechnung aber regelmäßig noch aus.

Ergibt die Schlussabrechnung oder eine durch den Stpfl. probeweise durchgeführte Endabrechnung auf Grund der tatsächlich eingetretenen Ist-Zahlen oder ggf. auch geänderter Förderbedingungen, dass eine Rückzahlungsverpflichtung folgt, so ist diesem Umstand bei der Vereinnahmung Rechnung zu tragen. Dies dürfte unabhängig davon sein, ob bereits eine Rückforderung von Seiten der bewilligenden Behörde besteht. Es ist ggf. gewinnmindernd eine Rückstellung oder Verbindlichkeit einzubuchen.

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31 Bemessung von Rückstellungen für Zinsen auf Steuernachforderungen

Sind in dem Jahresabschluss Rückstellungen für voraussichtlich anfallende Steuerzahlungen auszuweisen, so können ggf. auch die Zinsen auf diese Steuernachforderungen zu berücksichtigen sein. Dies betrifft z.B. die Fälle, in denen auf Grund einer steuerlichen Betriebsprüfung noch Steuerzahlungen anstehen. Insofern besteht aktuell eine Unsicherheit über die Höhe der anzusetzenden Steuerzinsen. Dies wegen der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht die aktuelle gesetzliche Regelung, die eine Verzinsung mit einem festen Zinssatz von 6 % vorsieht, verfassungswidrig eingestuft hat und für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 das aktuelle Gesetz nicht mehr angewendet werden darf. Vielmehr muss der Gesetzgeber bis zum 31.7.2022 eine verfassungskonforme Neuregelung treffen. Nun wurde vom BMF ein diesbezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 einen Zinssatz von 1,8 % p.a. vor. Nach der Äußerung des Instituts der Wirtschaftsprüfer vom 25.2.2022 kann – ungeachtet der Tatsache, dass das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist – aktuell bei der Bemessung von Rückstellungen für Steuernachzahlungszinsen dieser Zinssatz zu Grunde gelegt werden.

Hinweis:

Damit sind auch bereits bestehende Zinsrückstellungen zu überprüfen und ggf. anzupassen.

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32 Sachentnahmen – Besonderheiten im Falle coronabedingter Schließung

Unternehmer, die Lebensmittel, Getränke und Essen verkaufen oder z.B. eine Gaststätte betreiben, müssen die entsprechenden Sachentnahmen für den eigenen Bedarf als Korrektur ertragswirksam erfassen. Die FinVerw veröffentlicht dazu anwendbare Pauschalbeträge. Der Unternehmer kann aber alternativ auch Einzelaufzeichnungen über seine Entnahmen fertigen.

Der Ansatz der Pauschalbeträge lässt keine Zu- und Abschläge zur Anpassung an die individuellen Verhältnisse (z.B. persönliche Ess- oder Trinkgewohnheiten, Krankheit oder Urlaub) zu. War der Betrieb jedoch nachweislich auf Grund einer landesrechtlichen Verordnung, einer kommunalen Allgemeinverfügung oder einer behördlichen Anweisung vollständig wegen der Corona-Pandemie geschlossen, kann in diesen Fällen ein zeitanteiliger Ansatz der Pauschbeträge erfolgen. So sollten die Ansätze für 2021 überprüft werden, was insbesondere bei Gaststätten relevant sein kann.

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