Mandantenrundschreiben 05/2022
Für alle Steuerpflichtigen
1 Besteuerung von Prämien aus der Treibhausgasminderungs-Quote bei Haltern von Elektrofahrzeugen
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
3 Anhebung des Mindestlohns und der Grenze für Minijobs zum 1.10.2022
5 Unterstützungsleistungen an durch vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer
6 Energiepreispauschale: Berücksichtigung in der Lohnabrechnung
7 Entschädigung bei Verlust des Arbeitsplatzes nur unter engen Bedingungen steuerlich begünstigt
8 Berliner Lehramtsstipendium ist steuerbar
Für Unternehmer und Freiberufler
9 Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung
11 Keine Steuerbefreiung in Deutschland für beim Europarat beschäftigten Aushilfsdolmetscher
12 Zuwendungen im Rahmen des Corona-Förderprogramms „Hessen kulturell neu eröffnen“
13 Steuerentstehung bei Vermittlungsleistungen im Fall von Ratenzahlung
14 Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Gästeführers in einem Museum
Für Personengesellschaften
16 Entnahmen nach früherer Verlustverrechnung müssen nicht zu einer Nachversteuerung führen
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
17 FinVerw nimmt Stellung zur steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen („Bitcoin“ usw.)
Für Hauseigentümer
19 Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietungseinkünften
20 Erbschaft-/Schenkungsteuer: Nachweislast für den gemeinen Wert von Grundbesitz
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
23 Schenkungsteuer bei Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen (Amortisation)
25 Bewertung von Unternehmensanteilen nach § 11 Abs. 2 BewG
Grundbesitzwerte für Zwecke der Grundsteuer: Erklärungsfrist 1.7.2022 bis 31.10.2022 – Checklisten für das Bundesmodell
27 Aktueller Stand der Grundsteuerreform
28 Ermittlung der Grundsteuerwerte nach dem Bundesmodell
1 Besteuerung von Prämien aus der Treibhausgasminderungs-Quote bei Haltern von Elektrofahrzeugen
Seit 2019 sind die Emissionseinsparungen von (reinen) Elektrofahrzeugen auf die sog. Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) anrechenbar. Mit jeder Kilowattstunde, die an einem Ladepunkt geladen wird, geht eine Treibhausgasminderung einher, die als THG-Quote an quotenverpflichtete Unternehmen verkauft werden kann.
Seit dem 1.1.2022 sind alle Betreiber von Ladepunkten Eigentümer der THG-Quote und damit berechtigt, diese weiterzuverkaufen. Als Ladepunktbetreiber gilt jede Person, auf die das reine Batterieelektrofahrzeug zugelassen ist. Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit der Fahrzeugbesitzer eines Batteriefahrzeugs von der THG-Quote profitieren, indem er die eingesparten CO2-Emissionen „verkauft”. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wird, es gekauft, geleast oder finanziert wurde. Einzig notwendig ist die Eintragung als Halter im Fahrzeugschein.
Hierzu gilt steuerlich, wie das Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz mit Bezug auf die bundeseinheitlich abgestimmte Verwaltungsauffassung mitteilt:
- Elektrofahrzeuge im Betriebsvermögen: Ist das Fahrzeug dem Betriebsvermögen zuzuordnen, so stellen die Zahlungen Betriebseinnahmen dar.
- Elektrofahrzeuge im Privatvermögen: Da der private Fahrzeughalter die THG-Quote nicht entgeltlich erwirbt, sondern diese vielmehr durch die eingesparten THG-Emissionen der geschätzten Strommenge sowie dem Nachweis der Zulassungsbescheinigung jährlich neu entsteht, unterliegt die Veräußerung der THG-Quote mangels Anschaffung nicht der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft. Die Prämienzahlung im Privatvermögen unterliegt daher nicht der Einkommensteuer.
Handlungsempfehlung:
Der „Verkauf” der THG-Quote ist über verschiedene Dienstleister und vielfach auch über die örtlichen Energieversorger möglich.
2 Keine Entfernungspauschale für Fahrten eines erwerbslosen Steuerpflichtigen im Rahmen seines Teilzeitstudiums
Gesetzlich fingiert eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte. Dies hat zur Folge, dass Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und dieser Bildungseinrichtung nur mit der sog. Entfernungspauschale, also einem Betrag von in der Regel 0,30 € pro Entfernungskilometer angesetzt werden dürfen und nicht etwa nach Reisekostengrundsätzen mit 0,30 € je gefahrenem Kilometer. Die FinVerw vertritt insoweit die Auffassung, ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme liege insbesondere vor, wenn der Stpfl. keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des FG Niedersachsen zu sehen. Im Urteilsfall war der Stpfl. nicht erwerbstätig und studierte im Rahmen eines Teilzeitstudiums an der Fernuniversität in Hagen Wirtschaftswissenschaften. Für seine Fahrten zu der Fernuniversität begehrte er die steuerliche Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen. Das Finanzamt gewährte dagegen nur die Entfernungspauschale, weil es das Studium wegen der Erwerbslosigkeit des Stpfl. als Vollzeitstudium und die Fernuniversität daher als „erste Tätigkeitsstätte” des Stpfl. ansah.
Dem widersprach nun das FG Niedersachsen mit Entscheidung vom 16.2.2022 (Az. 4 K 113/20). Anders als die FinVerw stellt das Finanzgericht für die Qualifikation eines Studiums als Voll- oder Teilzeitstudium nicht darauf ab, ob der Stpfl. daneben noch einer Beschäftigung nachgeht, sondern ob die berufliche Fort- oder Ausbildung selbst „typischerweise darauf ausgerichtet ist, dass sich der Stpfl. ihr zeitlich vollumfänglich widmen muss und die Lerninhalte vermittelnden Veranstaltungen jederzeit besuchen kann”. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall aber gerade nicht erfüllt. Daher gewährte das Finanzgericht den Abzug der Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen.
Hinweis:
Gegen diese Entscheidung wurde die Revision eingelegt, welche nun beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 7/22 anhängig ist. In vergleichbaren Fällen sollte geprüft werden, ob die Fahrtkosten ebenso nach Reisekostengrundsätzen angesetzt werden und ggf. im Hinblick auf das anhängige Verfahren vor dem BFH ein Ruhen des Verfahrens beantragt wird.
3 Anhebung des Mindestlohns und der Grenze für Minijobs zum 1.10.2022
Abgeschlossen ist nun das Gesetzgebungsverfahren zur Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigungen. Folgende Änderungen sind beschlossen worden:
Mindestlohn:
- Der für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Mindestlohn wird zum 1.10.2022 einmalig auf einen Bruttostundenlohn von 12 € erhöht (derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 € und zum 1.7.2022 steigt dieser turnusmäßig auf 10,45 €). Über künftige Anpassungen der Höhe des Mindestlohns entscheidet weiterhin die Mindestlohnkommission.
Handlungsempfehlung:
Bei sämtlichen bestehenden Arbeitsverhältnissen ist zu überprüfen, ob die dann zum 1.10.2022 geltende Mindestlohngrenze eingehalten wird. Es ist ggf. eine Lohnanpassung vorzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass hierdurch möglicherweise – unter Berücksichtigung der angehobenen Geringfügigkeitsgrenze (siehe nachfolgend) – Sozialversicherungspflicht eintreten kann, so dass ggf. die Stundenzahl reduziert werden muss. Weiterhin sollten Unternehmer prüfen, welche zusätzliche Kostenbelastung sich aus der Anhebung des Mindestlohns ergibt.
Minijobs im gewerblichen Bereich:
- Bislang existiert die feste Minijob-Grenze von 450 €. Diese wird ab dem 1.10.2022 durch eine flexible Grenze („Geringfügigkeitsgrenze”) ersetzt. Diese Geringfügigkeitsgrenze orientiert sich an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zu Mindestlohnbedingungen.
- Damit steigt diese Grenze zum 1.10.2022 von derzeit 450 € auf 520 € monatlich. Mit jeder folgenden Anpassung des Mindestlohns steigt diese Grenze automatisch; die Geringfügigkeitsgrenze wird jeweils vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesanzeiger bekannt gegeben.
- Gesetzlich festgeschrieben wurde nun, dass ein unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze dem Fortbestand einer geringfügigen Beschäftigung nicht entgegensteht, wenn die Geringfügigkeitsgrenze innerhalb des für den jeweiligen Entgeltabrechnungszeitraum zu bildenden Zeitjahres in nicht mehr als zwei Kalendermonaten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.
- Übergangsregelung: Die Minijob-Grenze hat insbesondere auch in der Sozialversicherung Bedeutung. Wird diese Grenze (auch nur geringfügig) überschritten, so besteht grds. eine Sozialversicherungspflicht, was bspw. einen eigenen Krankenversicherungsschutz begründet. Die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze auf 520 € wird nun von folgender Übergangsregelung für den Lohnbereich zwischen 451 € und 520 € begleitet:
- Personen, die am 30.9.2022 in einer mehr als geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig waren und ab dem 1.10.2022 aber unter die Geringfügigkeitsgrenze fallen, bleiben in dieser Beschäftigung längstens bis zum 31.12.2023 versicherungspflichtig, solange das Arbeitsentgelt 450 € übersteigt.
Handlungsempfehlung:
Insoweit besteht dann zum 1.10.2022 kein Anpassungsbedarf für die Lohnhöhe, um weiterhin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu haben. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur dann, wenn der Minijob bereits am 30.9.2022 bestanden hat. Zum 1.1.2024 muss dann spätestens eine Anpassung des Lohns über die dann bestehende Geringfügigkeitsgrenze erfolgen, damit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten bleibt.
- Auf Antrag ist hingegen auch eine Befreiung von der Versicherungspflicht möglich. Der Antrag ist bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Die Befreiung wirkt vom 1.10.2022 an, wenn sie bis zum 31.12.2022 beantragt wird, im Übrigen von dem Beginn des Kalendermonats an, der auf den Kalendermonat folgt, in dem der Antrag gestellt worden ist. Die Befreiung gilt nur für die jeweilige Beschäftigung, die unter die Übergangsregelung fällt.
Handlungsempfehlung:
Betroffene Arbeitnehmer müssen also prüfen, ob die Sozialversicherungspflicht vorteilhaft ist. Ansonsten ist ein Antrag auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht zu prüfen.
Übergangsbereich:
- Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich („Midi-Jobber”) wird von monatlich 1 300 € auf 1 600 € angehoben. Diese Maßnahme bewirkt eine weitergehende Entlastung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit geringem Arbeitsentgelt als bisher. Zudem werden Beschäftigte im unteren Übergangsbereich noch stärker entlastet, um den Belastungssprung an der Geringfügigkeitsgrenze beim Übergang in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu glätten und damit die Anreize für geringfügig Beschäftigte zu erhöhen, ihre Arbeitszeit über einen Minijob hinaus auszuweiten.
Handlungsempfehlung:
Von dieser Maßnahme profitieren auch alle bestehenden Beschäftigungsverhältnisse im Lohnbereich bis 1 600 €. Die geringeren Sozialversicherungsabgaben werden automatisch bei der Lohnabrechnung berücksichtigt.
4 Zuschüsse des Arbeitgebers zu Aufwendungen des Arbeitnehmers für den ÖPNV während der Gültigkeitsdauer des 9 €-Tickets
Zuschüsse, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu deren Aufwendungen für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel gewähren, sind lohnsteuerfrei. Die Steuerfreiheit ist allerdings auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt. Für die Monate Juni, Juli und August 2022 wird es für die Anwendung der Steuerbefreiung aus Vereinfachungsgründen von der FinVerw nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel im Kalendermonat übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen bezogen auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt nicht übersteigen (Jahresbetrachtung).
Handlungsempfehlung:
Insoweit braucht also grds. keine Anpassung des Zuschussbetrages zu erfolgen. Nur sofern im Ausnahmefall bezogen auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt höhere Zuschüsse gezahlt werden, als der Arbeitnehmer Aufwendungen hatte, liegt in Höhe des Differenzbetrags steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.
Hinweis:
Die steuerfreien Arbeitgeberleistungen mindern den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag und sind vom Arbeitgeber zu bescheinigen. Bescheinigt werden müssen die gesamten steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse im Kalenderjahr.
5 Unterstützungsleistungen an durch vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer
Das BMF hat mit Schreiben vom 7.6.2022 (Az. IV C 4 – S 2223/19/10003 :017) ergänzend zur lohnsteuerlichen Behandlung Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten Stellung genommen. Herauszustellen sind folgende Aspekte:
Beihilfen und Unterstützungen
Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer können unter bestimmten engen Bedingungen steuerfrei sein. Auf Beihilfen und Unterstützungen an durch den Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber oder auch von dritter Seite geleistet werden und an sich Arbeitslohn darstellen, sind diese Regelungen mit folgenden vereinfachenden Bedingungen anzuwenden:
- Die Lohnsteuerfreiheit kommt bereits dann und ohne weitere Voraussetzungen zur Anwendung, wenn der begünstigte Arbeitnehmer durch den Krieg in der Ukraine geschädigt wurde.
- Die Unterstützungen sind bis zu einem Betrag von 600 € je Kalenderjahr steuerfrei.
- Der 600 € übersteigende Betrag gehört nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn unter Berücksichtigung der Einkommens- und Familienverhältnisse des Arbeitnehmers ein besonderer Notfall vorliegt. Im Allgemeinen kann bei einem Arbeitnehmer von einem besonderen Notfall ausgegangen werden, wenn er im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen die Ukraine verlassen hat (Kriegsflüchtling) oder vergleichbar unmittelbar vom Krieg betroffen ist.
- Zinszuschüsse und Zinsvorteile bei Darlehen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Kriegsschäden in der Ukraine aufgenommen worden sind, sind ebenso steuerfrei, und zwar während der gesamten Laufzeit des Darlehens. Voraussetzung hierfür ist, dass das Darlehen die Schadenshöhe nicht übersteigt.
- In diese Regelung auch einzubeziehen sind Vorteile aus einer erstmalig nach Kriegsausbruch erfolgten
- Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer, deren privates Kraftfahrzeug durch die Kriegsereignisse nicht mehr verfügbar ist,
- Nutzungsüberlassung von Wohnungen oder von Unterkünften, wenn die vom Arbeitnehmer bisher bewohnte Wohnung oder Unterkunft durch die Kriegshandlungen unbewohnbar geworden ist,
- Gewährung von unentgeltlicher Verpflegung an Arbeitnehmer, soweit der Arbeitnehmer sich nicht selbst versorgen kann, oder
- Nutzungsüberlassung anderer Sachen, wenn entsprechende Güter des Arbeitnehmers durch die Kriegsereignisse nicht mehr verfügbar sind oder die Überlassung der Schadensbeseitigung dient.
- Der Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übereignung von gebrauchten Gegenständen zum Zweck der Ausstattung der Wohnung oder der Unterkunft eines Arbeitnehmers, der auf Grund der Kriegsereignisse die Ukraine verlassen hat, ist nicht dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen.
Die genannten Grundsätze gelten bei Leistungen zur Unterstützung der Angehörigen des Arbeitnehmers entsprechend.
Hinweis:
Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen. Dabei ist auch zu dokumentieren, dass der die Leistung empfangende Arbeitnehmer durch die Kriegshandlungen zu Schaden gekommen ist. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die erforderlichen Angaben zur Glaubhaftmachung der Schadenshöhe sowie der wegen des Schadens erhaltenen bzw. zu erwartenden Entschädigung oder Zuwendung zur Verfügung zu stellen.
Arbeitslohnspende
Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens zu Gunsten
- einer steuerfreien Beihilfe und Unterstützung des Arbeitgebers an vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer des Unternehmens oder Arbeitnehmer von Geschäftspartnern oder
- einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung,
bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies dokumentiert.
Hinweis:
Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist im Lohnkonto aufzuzeichnen. Auf die Aufzeichnung kann verzichtet werden, wenn stattdessen der Arbeitnehmer seinen Verzicht schriftlich erteilt hat und diese Erklärung zum Lohnkonto genommen worden ist. Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist nicht in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben.
Die steuerfrei belassenen Lohnteile dürfen in der Einkommensteuerveranlagung nicht als Spende berücksichtigt werden, damit kein doppelter Vorteil entsteht.
6 Energiepreispauschale: Berücksichtigung in der Lohnabrechnung
Mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 ist eine Energiepreispauschale eingeführt worden, um Erwerbstätige vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Energiepreise zu entlasten. Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen wird einmalig eine Energiepreispauschale (EPP) i.H.v. 300 € gewährt. In den allermeisten Fällen wird der Arbeitgeber die EPP (für den Staat) mit der Lohnabrechnung auszahlen. Die (Re-)Finanzierung erfolgt dann für den Arbeitgeber durch Kürzung der abzuführenden Lohnsteuer. Arbeitgeber müssen diesen Prozess vorbereiten, was nicht nur entsprechende Vorkehrungen bei der Lohnabrechnung erfordert, sondern auch eine Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern, damit arbeitsintensive Nachfragen möglichst vermieden werden. Zur EPP gelten nun folgende Regelungen:
Anspruchsberechtigte:
- Anspruch auf die EPP haben Stpfl. mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, die
- Lohneinkünfte aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beziehen und in die Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder als geringfügig Beschäftigte pauschal besteuert (Minijob) werden.
Dies umfasst bspw. auch- Arbeitnehmer in der passiven Phase der Altersteilzeit,
- Personen, die ein Wertguthaben bei der DRV Bund entsparen,
- Freiwillige i.S.d. § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) und Freiwillige i.S.d. § 2 Jugendfreiwilligendienstegesetzes (JFDG),
- Personen, die ausschließlich steuerfreien Arbeitslohn beziehen (z.B. ehrenamtlich tätige Übungsleiter oder Betreuer),
- Werkstudenten und Studenten im entgeltlichen Praktikum,
- Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen tätig sind,
- Arbeitnehmer mit einem aktiven Dienstverhältnis, die Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Elterngeld beziehen.
Hinweis:
Da der Arbeitgeber bei einem Minijobber nicht erkennen kann, ob es sich insoweit um das erste Dienstverhältnis handelt, fordert das Gesetz bei einem Minijob-Verhältnis, dass der Minijobber gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich bestätigt, dass es sich bei dem Minijob um das erste Dienstverhältnis handelt. Damit soll verhindert werden, dass die EPP mehrfach geltend gemacht wird, so bspw., wenn neben einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis noch ein Minijob besteht. Diese Bestätigung sollte der Arbeitgeber rechtzeitig einfordern und er muss diese zum Lohnkonto nehmen.
Die Bestätigung kann wie folgt ausformuliert sein:
„Hiermit bestätige ich ………………….. (Arbeitnehmer), dass mein am 1. September 2022 bestehendes Dienstverhältnis mit ………………… (Arbeitgeber) mein erstes Dienstverhältnis (Haupt-Dienstverhältnis) ist. Mir ist bekannt, dass bei einer unrichtigen Angabe der Tatbestand einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit vorliegen kann.”
- Ebenso begünstigt sind Stpfl., die Einkünfte aus den Gewinneinkunftsarten (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Tätigkeit) beziehen.
- Lohneinkünfte aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beziehen und in die Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder als geringfügig Beschäftigte pauschal besteuert (Minijob) werden.
- Nicht begünstigt sind
- Stpfl., die ausschließlich eine Rente beziehen oder ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen erzielen.
Hinweis:
Beziehen Rentner bspw. auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb, z.B. aus einer Photovoltaikanlage, welche steuerlich erfasst werden, oder besteht ein Minijob, so sind diese anspruchsberechtigt für die EPP.
- Ebenso sind nicht begünstigt Grenzpendler mit Wohnsitz im Ausland und Arbeitsstelle im Inland; dies gilt selbst dann, wenn diese auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Dagegen erhalten Personen, die in Deutschland leben und bei einem Arbeitgeber im Ausland beschäftigt sind (Grenzpendler und Grenzgänger sowie in Botschaften/Generalkonsulaten beschäftigte Ortskräfte) die EPP; dann allerdings nicht über den Arbeitgeber, sondern nur im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2022.
Festsetzung/Auszahlung der EPP:
- Im Grundsatz wird die EPP in der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2022 festgesetzt. Dies wird durch das Finanzamt erfolgen und bedarf keinerlei Erklärungen des Stpfl. Im Steuerbescheid wird dann neben der Einkommensteuer auch die EPP festgesetzt.
- Die Auszahlung an Arbeitnehmer erfolgt allerdings bereits mit der Lohnabrechnung für September, soweit der Stpfl. am 1.9.2022 in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis steht und in die Steuerklassen I bis V eingereiht ist oder als geringfügig Beschäftigte pauschal besteuert wird (Minijob). Auch in den Fällen des Bezugs von Lohnersatzleistungen, die zum Bezug der EPP berechtigen (z.B. Krankengeld, Elterngeld, Kurzarbeitergeld), hat der Arbeitgeber die EPP an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Arbeitnehmer, die nicht hierunter fallen, so bspw. dann, wenn am 1.9.2022 kein Arbeitsverhältnis besteht, müssen die EPP mittels Einkommensteuerveranlagung für 2022 geltend machen.
Hinweis I:
Die EPP ist vom Arbeitgeber an Arbeitnehmer auszuzahlen, die am 1.9.2022 in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Liegt die Voraussetzung nicht vor (auch, wenn sich dies erst später herausstellt), ist (a) die bereits ausgezahlte EPP vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zurückzufordern und (b) die auf die EPP entfallende Lohnsteuer nach den allgemeinen Regeln zu korrigieren. Wenn die EPP bereits über eine Minderung der Lohnsteuer in der Lohnsteuer-Anmeldung refinanziert wurde, ist diese Lohnsteuer-Anmeldung zu korrigieren.
Hinweis II:
Wird der Lohnabrechnungsstelle erst nachträglich bekannt, dass ein Arbeitnehmer zum 1.9.2022 eingestellt wurde, so muss diesem die EPP ausgezahlt werden. Die Auszahlung hat in der Regel im September 2022 zu erfolgen. Kann die Auszahlung aus organisatorischen oder abrechnungstechnischen Gründen nicht mehr fristgerecht im September 2022 erfolgen, bestehen keine Bedenken, wenn die Auszahlung mit der Lohn-/Gehalts-/Bezügeabrechnung für einen späteren Abrechnungszeitraum des Jahres 2022, spätestens bis zur Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung für den Arbeitnehmer, erfolgt. Die Refinanzierung des Arbeitgebers erfolgt über eine korrigierte Lohnsteuer-Anmeldung für August 2022.
- Ist eine Einkommensteuer-Vorauszahlung für Gewinneinkünfte zum 10.9.2022 (III. Quartal) festgesetzt, so wird diese vom Finanzamt um 300 € herabgesetzt, so dass eine Liquiditätsentlastung schon kurzfristig erfolgt und nicht erst dann, wenn die Einkommensteuerveranlagung für 2022 erfolgt ist.
- Die EPP ist steuerpflichtig. Bei Arbeitnehmern werden insoweit die Lohneinkünfte um 300 € erhöht. Bei anderen begünstigten Stpfl. werden in der späteren Einkommensteuerveranlagung sonstige Einkünfte in Höhe von 300 € angesetzt. Im Ergebnis vermindert sich damit die effektive Entlastung um die auf diesen Betrag anfallende individuelle Steuerbelastung.
- Die EPP wird jedem Anspruchsberechtigten einmal gewährt. Bei Ehegatten gilt, dass für jeden Ehegatten separat zu prüfen ist, ob dieser anspruchsberechtigt ist. Sind beide Ehegatten/Lebenspartner für die EPP anspruchsberechtigt, erhalten auch beide Ehegatten/Lebenspartner im Rahmen der Zusammenveranlagung die EPP, wenn nicht bereits eine Auszahlung der EPP durch den Arbeitgeber erfolgte. Wenn nur ein Ehegatte/Lebenspartner für die EPP anspruchsberechtigt ist, wird sie auch bei Zusammenveranlagung nur einmal gewährt.
Auszahlung der EPP durch den Arbeitgeber:
- Insbesondere Arbeitnehmer erhalten die EPP über die Lohnabrechnung durch den Arbeitgeber ausgezahlt. Maßgeblich ist insoweit, dass das Arbeitsverhältnis am 1.9.2022 besteht (Stichtagsprinzip).
- Im Grundfall erfolgt die Auszahlung der EPP mit der Lohnabrechnung für September 2022:
- Bei begünstigten Arbeitnehmern wird die EPP in der Lohnabrechnung als sonstiger Bezug erfasst. Die EPP ist selbst steuerpflichtiger Arbeitslohn, so dass hierauf Lohnsteuer anfällt. Damit ist der sich insoweit ergebende Nettoauszahlungsbetrag abhängig von den steuerlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers (Lohnsteuerklasse und evtl. Freibetrag) und dem jeweiligen Arbeitslohn. Bei geringen Einkünften fällt ggf. keine Lohnsteuer an, so dass die EPP in vollem Umfang zur Auszahlung kommt.
- Die EPP unterliegt nicht der Sozialversicherung.
- Der Arbeitgeber hat die EPP an die begünstigten Arbeitnehmer im September 2022 auszuzahlen. Ein Auszahlungswahlrecht besteht grds. nicht.
- Die EPP soll aber nicht der Arbeitgeber tragen. Dieser besorgt nur für den Staat die Auszahlung. Daher wird die insgesamt an die Arbeitnehmer auszuzahlende EPP der abzuführenden Lohnsteuer entnommen. Die im September 2022 auszuzahlende EPP ist der Lohnsteueranmeldung 8/2022 zu entnehmen. Die Anzahl der Arbeitnehmer orientiert sich an denen des 1.9.2022. Damit braucht der Arbeitgeber finanziell nicht in Vorleistung zu treten.
- Erfolgt die Lohnsteueranmeldung für das Quartal, so gilt: Die EPP ist der Anmeldung für das dritte Quartal 2022 zu entnehmen. Diese ist zum 10.10.2022 zu übertragen. Damit der Arbeitgeber in Bezug auf die EPP nicht in Vorleistung treten muss, kann die EPP auch im Oktober 2022 ausgezahlt werden.
Hinweis:
In diesem Fall sollte eine Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern erfolgen, damit insoweit nicht Rückfragen zur Lohnabrechnung für September kommen.
- Bei Lohnsteuer-Jahresanmeldung gilt: Bei Auszahlung der EPP im September 2022 erfolgt eine Refinanzierung erst durch Abgabe der Jahresanmeldung zum 10.1.2023. Um eine Vorfinanzierung durch den Arbeitgeber zu verhindern, kann dieser auf die Auszahlung durch ihn verzichten. Dann müssten die Arbeitnehmer eine Einkommensteuererklärung abgeben, damit im Rahmen der Veranlagung die EPP ausgezahlt wird.
- Eine vom Arbeitgeber ausgezahlte EPP ist in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung mit dem Großbuchstaben E anzugeben. Bei Minijobbern ist keine Lohnsteuerbescheinigung auszustellen; daher läuft der Vermerk des Großbuchstabens E ins Leere.
7 Entschädigung bei Verlust des Arbeitsplatzes nur unter engen Bedingungen steuerlich begünstigt
Erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, so ist diese unter bestimmten Bedingungen steuerlich begünstigt dadurch, dass Progressionsnachteile durch den Zufluss des regelmäßig größeren Betrages als Einmalzahlung bei der Steuerberechnung ausgeglichen werden. Zur Anwendung kommt dann ein günstigerer Einkommensteuersatz dadurch, dass die Entschädigung bei der Steuerberechnung fiktiv auf fünf Jahre verteilt wird. Dies wirkt sich dann steuermindernd aus, wenn die Einkünfte in der Progressionszone liegen.
Diese Steuersatzbegünstigung ist allerdings an enge Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere muss die Entschädigung regelmäßig (bis auf einzelne Sonderfälle) in einem Veranlagungsjahr zufließen, da es ansonsten nicht zu einer Zusammenballung und damit möglicherweise negativen Progressionseffekten kommt, die auszugleichen wären.
Dies hat der BFH nun nochmals mit Entscheidung vom 6.12.2021 (Az. IX R 10/21) bestätigt. Im Urteilsfall war die Frage zu entscheiden, ob eine Sozialplanabfindung, die dem Arbeitnehmer im Jahr 2015, sowie Prämien (Zusatzabfindung und sog. Startprämie), die dem Arbeitnehmer infolge des vorzeitigen Ausscheidens aus einer Transfergesellschaft im Jahr 2016 zugeflossen waren, als außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern waren. Diese Frage hing entscheidend davon ab, ob es sich vorliegend insgesamt um eine Entschädigung handelte, die in mehreren Teilleistungen ausgezahlt wurde (dann nicht begünstigt) oder aber um mehrere Zahlungen basierend auf verschiedenen Rechtsgründen (dann begünstigt).
Der BFH bestätigt, dass die dem Arbeitnehmer in den Streitjahren zugeflossenen Abfindungszahlungen nicht als außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern sind. Die drei Entschädigungsleistungen seien als Ersatz für dasselbe Schadensereignis, den Verlust des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers, gezahlt worden. Da diese in zwei Steuerjahren ausbezahlt wurden, liegt keine Zusammenballung von Einkünften vor.
Auch die sog. Startprämie sei als Teil einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung anzusehen. Sie ist ebenfalls als Entschädigung für ein und dasselbe Schadensereignis – den strukturbedingten Wegfall des ursprünglichen Arbeitsplatzes – anzusehen. Auch wenn sie nur infolge der Kündigung des Vertragsverhältnisses mit der Transfergesellschaft gezahlt wurde, stellt sie doch zusammen mit der „Zusatzabfindung” den letzten Akt der sozial verträglichen Abwicklung des Arbeitsplatzes des Stpfl. dar. Die Startprämie ist daher auch nicht isoliert als Entschädigung für die vorzeitige Beendigung der Tätigkeit in der Transfergesellschaft zu beurteilen.
Hinweis:
Insoweit ist der jeweilige Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Sofern dies gestaltbar ist, sollte dafür Sorge getragen werden, dass sämtliche Zahlungen in einem Steuerjahr erfolgen.
8 Berliner Lehramtsstipendium ist steuerbar
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30.3.2022 (Az. 16 K 2083/20) entschieden, dass
- Zahlungen im Rahmen des sog. „Berliner Lehramts-Stipendiums”, bei dem sich die Stipendiaten zu einer mindestens dreijährigen Tätigkeit im Berliner Schuldienst nach Abschluss der Ausbildung, anderenfalls zur Rückzahlung des Stipendiums verpflichten, der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte sind. Offen bleiben konnte, ob als Arbeitslohn oder als sonstige Einkünfte.
- Ein Werbungskostenabzug (als vorab entstandene Werbungskosten zu späteren Einkünften) ist für Bildungsausgaben (Studiengebühren, Arbeitsmaterial, Fachliteratur, Semesterticket) ausgeschlossen, soweit Stipendiumszahlungen diese erreichen oder übersteigen, weil der Student insoweit wirtschaftlich nicht belastet ist.
Die Stpfl. erhielt während ihres Masterstudiums ab dem dritten Semester auf Grund einer Vereinbarung mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin ein Lehramtsstipendium i.H.v. 500 € monatlich. Nach den vorliegenden Stipendienbedingungen verpflichtete sich die Stpfl., nach erfolgreichem Abschluss drei Jahre als Lehrkraft in Berlin tätig zu werden. Anderenfalls kann das Stipendium zurückgefordert werden. Das Finanzamt kürzte bei der Festsetzung der Einkommensteuer die geltend gemachten Fortbildungskosten der Stpfl. um die seiner Meinung nach steuerfreien Zahlungen des Landes Berlin.
Das FG bestätigt, dass in Höhe der gezahlten Stipendiumszahlungen der Werbungskostenabzug zu kürzen war. Insoweit war die Stpfl. nicht wirtschaftlich belastet, so dass ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kam.
Auch wurde ausgeführt, dass eine Steuerbefreiung für das Stipendium nicht in Betracht komme. Voraussetzung für die Steuerfreiheit sei unter anderem, dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Die Stpfl. war nach den Stipendienbedingungen hingegen verpflichtet, nach erfolgreichem Abschluss zunächst das Referendariat in Berlin zu absolvieren und dann noch mindestens drei Jahre als Lehrkraft im Berliner Schuldienst tätig zu werden.
Hinweis:
Gegen die Entscheidung ist die Revision zugelassen worden. Abzuwarten bleibt, ob diese eingelegt wird.
9 Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung
Zur Förderung von Investitionen in die Digitalwirtschaft wurde mit Schreiben der FinVerw vom 26.2.2021 für bestimmte Computerhardware und Software die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer auf ein Jahr festgelegt, so dass der Aufwand aus dem Erwerb unmittelbar steuerlich geltend gemacht werden kann. Dies gilt sowohl für gewerbliche oder freiberufliche Einkünfte als auch bspw. beim Werbungskostenabzug von Arbeitnehmern.
Begünstigt sind die materiellen Wirtschaftsgüter „Computerhardware”: Computer, Desktop-Computer, Notebook-Computer, Desktop-Thin-Clients, Workstations, Dockingstations, externe Speicher- und Datenverarbeitungsgeräte (Small-Scale-Server), externe Netzteile sowie Peripheriegeräte. Daneben ist Software begünstigt, und zwar die Betriebs- und Anwendersoftware zur Dateneingabe und -verarbeitung. Dies ist also z.B. ein Textverarbeitungsprogramm, aber auch ein Buchhaltungsprogramm oder eine komplexe ERP-Software.
Hinsichtlich der erstmaligen Anwendung dieser „Sofortabschreibung” gilt:
- Der Ansatz der Nutzungsdauer mit „einem Jahr” ist erstmals anzuwenden in Gewinnermittlungen für Wirtschaftsjahre (Wj.), die nach dem 31.12.2020 enden, in der Regel also erstmals für das Wj. 2021.
- In dieser Gewinnermittlung können Restbuchwerte von entsprechenden Wirtschaftsgütern, die in früheren Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt wurden und bei denen eine andere als die einjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt wurde, vollständig abgeschrieben werden.
In der Praxis hat diese Verwaltungsregelung viele Fragen aufgeworfen. Mit einer punktuellen Ergänzung hat das BMF mit Schreiben v. 22.2.2022 (Az. IV C 3 – S 2190/21/10002 :025) hierauf reagiert. Des Weiteren hat das BMF mit Schreiben v. 26.4.2022 auf Fragen der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft geantwortet.
Die FinVerw führt insbesondere aus, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter wegen mehrjähriger Nutzung weiterhin den AfA-Regeln unterliegen. Das bedeutet insbesondere, dass diese Wirtschaftsgüter im Anlagevermögen zu erfassen sind, also keine sofortige Buchung auf ein Aufwandskonto erfolgen darf.
Weiterhin führt die FinVerw aus, dass insoweit keine neue AfA-Methode in Form einer Sofortabschreibung geregelt worden sei. Vielmehr wurde ein „Angebot” unterbreitet, die wirtschaftliche Nutzungsdauer mit einem Jahr anzusetzen. Insoweit geht die FinVerw davon aus, dass dies bei der aktuellen technischen Entwicklung der Realität entspricht.
Betont wird weiterhin, dass sich insoweit keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Handels- und Steuerbilanz ergäben. Soweit in der Handelsbilanz eine andere Nutzungsdauer angesetzt wird oder werden muss, soll dies der steuerlichen Nutzungsdauer von einem Jahr nicht widersprechen.
Handlungsempfehlung:
Die Zweifel an der rechtlichen Grundlage der Annahme einer Nutzungsdauer von einem Jahr bestehen nach wie vor. Die FinVerw betont mehrfach, dass diese die Regelung als wichtiges Instrument einstuft. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass später in Streitfällen Gerichte dieser Annahme nicht folgen. Insofern sollte bei bedeutenderen Investitionen, wie bspw. in ein teures ERP-System, steuerlicher Rat eingeholt werden, um eventuelle Risiken abzuschätzen.
10 Einnahmenüberschussrechnung: Zeitliche Zuordnung von regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben
Wird der steuerliche Gewinn mittels Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, wie insbesondere bei kleineren Gewerbetreibenden oder Freiberuflern, so erfolgt die Erfassung von Einnahmen und Ausgaben grds. bei Zufluss bzw. bei Abfluss. Zur Vermeidung von Zufallsergebnissen gibt es insoweit aber eine Sonderregelung: Regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen, die kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres (Kj.), zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, werden nicht im Jahr des Zuflusses, sondern in dem Jahr erfasst, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Als „kurze Zeit” ist ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen anzusehen. Entsprechendes gilt für Ausgaben. Wird also bspw. die Miete für die Geschäftsräume für den Monat Januar 2023, die bis zum dritten Werktag im Januar 2023 zu zahlen ist, bereits am 30.12.2022 überwiesen, so wird diese Ausgabe nach der Sonderregelung steuerlich dem Jahr 2023 zugeordnet.
Die FinVerw und auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum geht davon aus, dass diese Sonderregelung einschränkend nur für solche Einnahmen bzw. Ausgaben gilt, die kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind. Dieses Merkmal der Fälligkeit ist im Gesetz allerdings nicht genannt, daher war dies umstritten. Nun hat der BFH diese Frage geklärt. Im Urteilsfall leistete ein Gewerbetreibender, der den Gewinn mittels Einnahmenüberschussrechnung ermittelte, die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume Mai bis Juli 2017 erst am 9.1.2018, machte sie aber als Betriebsausgaben für das Streitjahr 2017 geltend.
Der BFH widersprach dieser Vorgehensweise nun mit Entscheidung vom 16.2.2022 (Az. X R 2/21). Das Gericht stellt klar, dass die Sonderregelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG zum zeitlichen Ansatz regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben voraussetzt, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kj. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind. Zwar handelt es sich bei Umsatzsteuervorauszahlungen nach inzwischen ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf deren gesetzlich festgelegte Wiederholung um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Allerdings ist zu fordern, dass die in Rede stehende Ausgabe innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums vor Beginn bzw. nach Beendigung des Kj. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit auch fällig geworden ist. Begründet hat der BFH dies damit, dass die in ihrem Anwendungsbereich eng zu begrenzende Vorschrift Zufallsergebnisse vermeiden wolle, die allerdings einträten, wenn jede zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt des Kj. fällige Ausgabe (bzw. Einnahme) auch dann noch diesem Kj. zugerechnet werde, wenn sie erst kurz nach Beginn des folgenden Kalenderjahres erbracht werde. Ein Verzicht auf die Fälligkeit würde auf eine Übertragung der für die Bilanzaufstellung geltenden Grundsätze auf die Einnahmenüberschussrechnung hinauslaufen und damit dessen Sinn und Zweck erheblich überschreiten.
Handlungsempfehlung:
Die zeitlich richtige Zuordnung von Einnahmen bzw. Ausgaben kann verfahrensrechtlich insoweit von Bedeutung sein, wenn sich herausstellt, dass Ausgaben im „falschen” Jahr geltend gemacht werden und ein Ansatz im anderen „richtigen” Jahr nur dann möglich ist, wenn dieses verfahrensrechtlich noch änderbar ist. Insoweit sollte die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben um den Jahreswechsel herum sehr sorgfältig vorgenommen werden.
11 Keine Steuerbefreiung in Deutschland für beim Europarat beschäftigten Aushilfsdolmetscher
Im Anschluss an das Urteil des BFH v. 6.8.1998 (Az. IV R 75/97) hat nun auch der VIII. Senat des BFH entschieden, dass eine Vergütung, die ein in Deutschland ansässiger Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung beim Europarat erhält, nicht nach dem Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats v. 2.9.1949 steuerbefreit ist. Einer Verfügung des Generalsekretärs des Europarates, die hinsichtlich einer solchen Vergütung Steuerfreiheit gewährt, kommt keine Bindungswirkung zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechts zu.
Hinweis:
In Deutschland steuerbefreit ist dagegen die Tätigkeit der dauerhaft für den Europarat tätigen Dolmetscher.
12 Zuwendungen im Rahmen des Corona-Förderprogramms „Hessen kulturell neu eröffnen”
Die Hessische Kulturstiftung gewährt aus Mitteln des Landes Hessen im Rahmen der Kulturpakete I und II sog. Arbeits- und Brückenstipendien zur Ermöglichung künstlerischen Schaffens, Förderung kreativer Arbeitsprozesse und Entwicklung künstlerischer Konzepte trotz der Corona-Pandemie. Hierzu teilt die Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M. mit Verfügung vom 3.2.2022 (Az. S 2342 A – 050 – St 29) mit, dass
- es sich bei den einmaligen Zuwendungen im Rahmen des Förderprogramms um steuerbare Betriebseinnahmen handelt. Als Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Kunst unmittelbar zu fördern, sind diese jedoch steuerfrei.
- Als Folge der Steuerbefreiung ist das Betriebsausgabenabzugsverbot für sämtliche mit dem Arbeits- bzw. Brückenstipendium verbundenen Kosten zu beachten. Die Abzugsbeschränkung ist jedoch auf die steuerfreien Einnahmen gedeckelt.
Hinweis:
Insoweit sollten hinsichtlich der Aufwendungen für die geförderten Projekte sorgfältige Aufwendungen gefertigt werden, aus denen die Abgrenzung klar hervorgeht.
13 Steuerentstehung bei Vermittlungsleistungen im Fall von Ratenzahlung
Im vom BFH zu entscheidenden Fall ging es um die Vergütung für die Vermittlung einer Grundstücksübertragung. Nach der zu Grunde liegenden Honorarvereinbarung v. 7.11.2012 hatte eine GmbH (Auftraggeber) die Stpfl. (Auftragnehmer) beauftragt, im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages über ein Grundstück in M vermittelnd tätig zu werden. Nach der Präambel zu dieser Vereinbarung war der Grundstückskaufvertrag bereits beurkundet worden. Es wurde festgestellt, dass der Auftragnehmer seine aus diesem Auftrag resultierenden Verpflichtungen umfassend erfüllt habe. Als Gegenleistung war vereinbart, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber ein Honorar i.H.v. 1 Mio. € zzgl. Umsatzsteuer erhält. Das vereinbarte Honorar sollte in fünf Teilbeträgen von jeweils 200 000 € zzgl. USt gezahlt werden. Die Teilbeträge waren in einem Abstand von jeweils einem Jahr fällig und der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 zu zahlen. Der Auftraggeber hatte dem Auftragnehmer zur Erfüllung der Honorarzahlungen eine Sicherheit zu leisten. In den Folgejahren erstellte die Stpfl. Rechnungen mit Steuerausweis über die jeweiligen Teilbeträge zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt, vereinnahmte und versteuerte sie dementsprechend. Im Übrigen versteuerte sie ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass die Stpfl. auf Grund der bereits im Streitjahr 2012 steuerpflichtig erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar zu versteuern habe.
Der BFH hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem EuGH zur Klärung vorgelegt. Nach entsprechender Entscheidung des EuGH bestätigt nun der BFH mit Entscheidung vom 1.2.2022 (Az. V R 37/21) die Auffassung des Finanzamtes. Die Vereinbarung der über mehrere Jahre laufenden Ratenzahlung bewirke nicht, dass die Entgelte zunächst als uneinbringlich im umsatzsteuerlichen Sinne einzustufen und daher die Umsatzsteuer noch nicht, sondern erst bei tatsächlicher Zahlung anzusetzen sei. Entscheidend sei, dass die Umsatzsteuer grundsätzlich mit Ausführung des Umsatzes entsteht (Sollbesteuerung) und nicht von der Zahlung des Entgelts abhängig ist. Daher schuldet der Lieferer oder der Dienstleistungserbringer dem Fiskus die Mehrwertsteuer, selbst wenn er von seinem Kunden noch keine Zahlung für den bewirkten Umsatz erhalten hat. Dementsprechend komme eine Einschränkung der Sollbesteuerung dergestalt, dass der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat, nicht in Betracht.
Hinweis:
Ausdrücklich weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass vorliegend nicht zu entscheiden war, welche Folgen sich hieraus für sog. Sicherungseinbehalte bei Gewährleistungsansprüchen ergeben, für die der Senat die Anwendung dieser Vorschrift bejaht hat mit der Folge, dass die Umsatzsteuer insoweit erst bei Zahlung/Freigabe der Einbehalte entsteht.
14 Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Gästeführers in einem Museum
Der BFH hatte zu entscheiden, ob die Umsätze des Stpfl. aus seiner Tätigkeit als Gästeführer in einem Museum umsatzsteuerfrei sind. Das Museum ist ausschließlich über Gruppenführungen begehbar. Auftraggeber des Stpfl. ist eine gemeinnützige Stiftung, die das Museum betreibt und dabei steuerfreie Umsätze an die Museumsbesucher erbringt. Die für den Stpfl. zuständige Bezirksregierung hatte ihm für die Streitjahre bescheinigt, dass er als Museumsführer die gleichen kulturellen Aufgaben erfülle wie vergleichbare Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Dem Antrag des Stpfl., seine Umsätze als Gästeführer im Museum umsatzsteuerfrei zu belassen, folgte das Finanzamt nicht.
Der BFH bestätigt nun mit Entscheidung v. 26.1.2022 (Az. XI R 19/19), dass vorliegend der Museumsführer steuerfreie Umsätze erbringt. Zwar könne sich der Stpfl. – wie im Klageverfahren ergänzend vorgetragen – nicht auf die Steuerbefreiung der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie für Schul- oder Hochschulunterricht stützen. Dies, weil der „Unterricht” des Stpfl. allenfalls ein spezialisierter Unterricht wäre, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkäme, auf die der EuGH insoweit neuerdings abstellt.
Allerdings erbringe der Museumsführer wie das Museum steuerfreie Leistungen. Die Steuerbefreiung für die Leistungen eines Museums oder einer gleichartigen Einrichtung umfasst sachlich nicht nur die Einräumung von Eintrittsberechtigungen in das Museum, sondern z.B. auch andere typische Museumsleistungen mit Kulturbezug. Das Museum, mit dem die gleichartige Einrichtung ihre Museumsleistung erbringt, kann auch das Museum einer dritten Person sein. Jedenfalls bei einem Museum, das nur in Begleitung eines Gästeführers besucht werden darf, ist die Führung der Museumsgäste eine typische Museumsleistung.
Hinweis:
Vorliegend war nicht der Fall zu entscheiden, wie die Leistungen eines Museumsführers einzustufen sind, wenn das Museum auch – wie im Regelfall – ohne Führung besucht werden kann. Vieles spricht dafür, dass auch in dieser Konstellation der Museumsführer umsatzsteuerfreie Leistungen erbringt. Voraussetzung ist, dass er eine entsprechende Bescheinigung der Bezirksregierung vorlegen kann.
15 Steuersatz bei Übernachtungsleistungen: Ernstliche Zweifel am Aufteilungsgebot der ermäßigt besteuerten Vermietungsleistungen
Im deutschen Umsatzsteuerrecht ist ausdrücklich ein Aufteilungsgebot für Übernachtungsleistungen verankert: Während die Übernachtungsleistung selbst nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt, unterliegen Nebenleistungen, wie Frühstück oder Zugang zum Wellnessbereich, der regulären Umsatzsteuer von 19 %. Der Bundesfinanzhof hatte dieses Aufteilungsgebot auch im Jahr 2013 ausdrücklich bestätigt. Nun gibt aber zwischenzeitlich ergangene EuGH-Rechtsprechung ernstliche Zweifel, ob dieses Aufteilungsgebot im nationalen Recht den Vorgaben der EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie entspricht, welche die EU-weiten (zwingenden) Vorgaben für das Umsatzsteuerrecht gibt. Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte das Aufteilungsgebot insoweit verdrängen.
Diese „ernstlichen Zweifel” hat nun der BFH in dem Beschluss vom 7.3.2022 (Az. XI B 2/21) geäußert. In einem solchen Beschluss betreffend eines Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung eines strittigen Steuerbetrags geht es allerdings „nur” um eine überschlägige Prüfung. Insoweit bleibt eine Entscheidung im endgültigen Verfahren und ggf. nach Anrufung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.
Hinweis:
Dieser Beschluss verdeutlicht einmal mehr, wie stark das Umsatzsteuerrecht in Bewegung ist und dass selbst im deutschen Recht verankerte Grundsätze stets vor dem Hintergrund der EU-rechtlichen Vorgaben zu hinterfragen sind.
16 Entnahmen nach früherer Verlustverrechnung müssen nicht zu einer Nachversteuerung führen
Bei Personengesellschaften erfolgt die einkommensteuerliche Erfassung deren Ergebnisses erst auf Ebene der Gesellschafter. Dies umfasst auch die Möglichkeit, Verluste der Gesellschaft steuerlich auf Ebene des Gesellschafters geltend zu machen und insbesondere mit Erträgen aus anderen Einkunftsquellen zu verrechnen. Allerdings ist die Verlustverrechnung begrenzt auf die Verluste, die der Gesellschafter auch wirtschaftlich tragen muss. So kann insbesondere ein Kommanditist, der für Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Ergebnis nur mit seiner Einlage einsteht und im Übrigen nicht persönlich für die Schulden der Gesellschaft haftet, Verluste nur bis zur Höhe der geleisteten Einlage oder einer etwaigen höheren im Handelsregister eingetragenen Haftsumme steuerlich geltend machen (insoweit handelt es sich um ausgleichsfähige Verluste). Darüber hinausgehende Verluste können nur mit späteren Gewinnen aus dieser Beteiligung verrechnet werden (sog. verrechenbare Verluste).
Weiterhin ist gesetzlich als Vorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen vorgesehen, dass wenn der Kommanditist durch Einlagen oder eine Erhöhung der Haftsumme das Verlustverrechnungsvolumen erhöht, dieses genutzt wird und dann aber alsbald wieder eine Entnahme oder Verminderung der Haftsumme erfolgt, eine Nachversteuerung der zuvor ausgleichsfähigen Verluste erfolgt. Dadurch soll verhindert werden, dass kurz vor dem maßgeblichen Bilanzstichtag von beschränkt haftenden Gesellschaftern Einlagen geleistet werden, um bei einem voraussichtlichen Gesellschaftsverlust ein positives Kapitalkonto als Verlustausgleichspotenzial aufweisen zu können, damit sie in den Genuss der Abzugs- und Ausgleichsfähigkeit des Verlustanteils gelangen. Anschließend könnte die Einlage nach dem Bilanzstichtag folgenlos wieder abgezogen werden.
Mittels der Missbrauchsvermeidungsvorschrift wird der Gesellschafter faktisch so gestellt, als ob die kurzzeitige Einlagenerhöhung nicht erfolgt wäre. Technisch wird dem Kommanditisten dabei im Jahr des Entstehens des Verlusts dessen Ausgleich nach Maßgabe der höheren Einlage bzw. der erweiterten Außenhaftung belassen; im Jahr der Einlageminderung bzw. der Reduzierung der Außenhaftung hat der Kommanditist jedoch den entsprechenden Betrag als fiktiven laufenden Gewinn zu versteuern. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichs- bzw. abzugsfähige Verlust in einen verrechenbaren Verlust, der nur für künftige Verrechnungen mit Gewinnanteilen aus der Beteiligung zur Verfügung steht, umgewandelt.
Die Anwendung dieser Missbrauchsvermeidungsvorschrift wirft nun in der Praxis Fragen auf. So hatte das Finanzgericht Köln über einen Fall zu entscheiden, in dem der Kommanditist eine Erhöhung der Haftsumme um 1 Mio. € in das Handelsregister eintragen ließ und hiervon einen Anteil von ca. 600 000 € tatsächlich einlegte, es zu Verlusten kam, die als ausgleichsfähige Verluste behandelt wurden und dann aber auch erhebliche Entnahmen getätigt wurden. Allerdings waren diese Entnahmen nicht mit einer Verminderung der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme verbunden, diese blieb vielmehr bei ca. 1 Mio. €. Das Finanzamt wollte nun im Jahr der Entnahmen eine teilweise Rückgängigmachung der vorher erfolgten Verlustverrechnung vornehmen (technisch über eine fiktive Gewinnhinzurechnung).
Dies hat das Finanzgericht Köln nun mit Urteil vom 16.2.2022 (Az. 12 K 509/19) anders gesehen. Auch wenn dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der gesetzlichen Norm folge, müsse diese Missbrauchsvermeidungsvorschrift von ihrem Sinn und Zweck her einschränkend ausgelegt werden. Gewinnzurechnungen seien nicht nur auszuschließen, soweit auf Grund der Entnahmen eine zu berücksichtigende Außenhaftung wiederauflebt, sondern auch soweit eine Haftung auf Grund noch (gar) nicht geleisteter Hafteinlage generell besteht. Der Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, den Kommanditisten so zu stellen, als hätte er die entnommene Einlage nie geleistet. Dann aber erscheint es inkonsequent, den Verlustausgleich auf den Betrag der geleisteten und sodann entnommenen Einlage zu beschränken. Hätte der Kommanditist überhaupt keine Einlage geleistet, würde sich die Höhe des zulässigen Verlustausgleichs an der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme orientieren. Der Kommanditist, der die Einlage zu keinem Zeitpunkt geleistet hat, wäre besser gestellt als der Kommanditist, der einen Teil seiner Einlage leistet und sodann wieder entnimmt, obwohl in wirtschaftlicher und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht kein Unterschied zwischen den beiden bestünde.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass solche Fälle stets einer steuerlichen Begleitung bedürfen, da es sich um eine komplexe steuerliche Regelung handelt, die über mehrere Jahre hinweg betrachtet werden muss. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob im angesprochenen Fall das Finanzamt die zugelassene Revision gegen die Entscheidung des FG Köln einlegen wird.
17 FinVerw nimmt Stellung zur steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen („Bitcoin” usw.)
Mit Schreiben vom 10.5.2022 (Az. IV C 1 – S 2256/19/10003 :001) hat die FinVerw nun erstmals eine bundesweit einheitliche Verwaltungsanweisung zur steuerlichen Behandlung von Token im Allgemeinen und virtuellen Währungen wie z.B. Bitcoin im Speziellen veröffentlicht. Dies ist für die Praxis von besonderer Bedeutung.
Das umfangreiche Schreiben behandelt verschiedene Krypto-Sachverhalte, die technisch erläutert und ertragsteuerrechtlich eingeordnet werden. Neben dem An- und Verkauf etwa von Bitcoin oder Ether betrifft dies insbes. die Blockerstellung (bei Bitcoin Mining genannt). Daneben beschäftigt sich das Schreiben mit Staking, Lending, Hard Forks, Airdrops, den ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token sowie Token als Arbeitnehmereinkünfte. Den Ausführungen zur ertragsteuerlichen Beurteilung verschiedenster Tätigkeiten im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und mit sonstigen Token sind ausführliche technische Erläuterungen vorangestellt.
Inhaltlich herauszustellen ist, dass der An- und Verkauf von virtuellen Währungen im Regelfall nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern steuerlich als sonstige Einkünfte erfasst wird, so dass dies steuerlich nur dann relevant ist, wenn zwischen An- und Verkauf die Einjahresfrist für die steuerliche Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften noch nicht abgelaufen ist.
Anders kann die aktive Tätigkeit (Fälle des sog. Minings, Stakings, der aktiven und passiven Airdrops, Forks etc.) zu beurteilen sein. Insoweit wird der Stpfl. ggf. im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit aktiv, so dass Wertsteigerungen stets steuerlich zu erfassen sind. Dies ist allerdings nach Lage des Einzelfalls zu beurteilen. Mining und Forging können je nach den Umständen des Einzelfalls eine private oder eine gewerbliche Tätigkeit sein. Eine gewerbliche Tätigkeit liegt insbesondere nur dann vor, wenn Gewinnerzielungsabsicht und Wiederholungsabsicht bestehen. Die Blockerstellung ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist. Sie muss auf Dauer dazu geeignet sein, aus dieser Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen.
Hinweis:
Sind die Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token Betriebsvermögen, sind die Veräußerungserlöse Betriebseinnahmen.
Beim Lending werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token gegen eine Vergütung zur Nutzung überlassen. Werden dem Privatvermögen zuzuordnende virtuelle Währungen überlassen, so sind die erzielten Erlöse als sonstige Einkünfte bei der Einkommensteuer zu erfassen. Sofern die virtuellen Währungen dem Betriebsvermögen zugeordnet sind, fallen beim Lending Betriebseinnahmen an.
Daneben spielen in der Praxis Airdrops eine wichtige Rolle:
- Bei einem Airdrop werden Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token „unentgeltlich” verteilt. In der Regel handelt es sich dabei um Marketing-Aktionen, deren Ausgestaltung unterschiedlich sein kann. Mit einem Airdrop kann z.B. die Auflage verbunden sein, dass die Teilnehmenden mehrere Online-Formulare ausfüllen müssen.
- Steuerlich kann dies relevant sein: Hängt die Zuteilung der Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token davon ab, dass Stpfl. Daten von sich zur Verfügung stellen, die über die Informationen hinausgehen, die für die schlichte technische Zuteilung oder Bereitstellung erforderlich sind, liegt in der (personenbezogenen) Datenüberlassung eine als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer unterliegende Leistung der Stpfl., für die sie als Gegenleistung Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstige Token erhalten.
- Ist der Airdrop darauf ausgerichtet, dass neben einer Leistung auch „der Zufall” über den Erhalt von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token entscheidet, wird der Zurechnungszusammenhang von Leistung und Gegenleistung durch das „Zufallselement” unterbrochen oder überlagert.
Hinweis:
Die passive Spekulation mit Krypto Assets ist für Privatinvestoren somit nach einem Jahr Haltedauer steuerfrei, solange sie die Schwelle zum „gewerblichen Händler” nicht überschreitet. Eine präzise Bestimmung dieser Schwelle fehlt allerdings weiterhin.
18 Kapitalmaßnahme Hewlett-Packard Company (USA) im Jahr 2015, eBay Inc. (USA) im Jahr 2015 und Kraft Foods Inc. (USA) im Jahr 2012
Die steuerliche Behandlung der Kapitalmaßnahme der Hewlett-Packard Company (USA) im Jahr 2015, der eBay Inc. (USA) im Jahr 2015 und der Kraft Foods Inc. (USA) im Jahr 2012 haben die Rechtsprechung beschäftigt. Hierzu hat der BFH in 2021 mit drei Urteilen entschieden, dass in diesen Fällen die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile treten. Da die „alten” Anteile im vorliegenden Fall einer Abspaltung – anders als bspw. bei einem Anteilstausch im Rahmen einer Verschmelzung – nicht untergehen, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten auf die „alten” und „jungen” Anteile aufzuteilen. Hierbei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abspaltung abzustellen. Ein Kapitalertrag ergibt sich nicht. Die Banken haben dies damals aber anders behandelt: Die depotführenden Stellen buchten für die „jungen” Anteile die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein. Außerdem wurde in gleicher Höhe ein steuerpflichtiger Kapitalertrag abgerechnet.
Die FinVerw hat nun mit Schreiben vom 15.6.2022 (Az. IV C 1 – S 2252/19/10028 :018) zu dieser Rechtsprechung Stellung genommen. Die Urteilsgrundsätze des BFH sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und führen zu einer Minderung des bisher angesetzten steuerpflichtigen Kapitalertrags. Insoweit sind Korrekturen im Rahmen der Einkommensteuer der betroffenen Anleger vorzunehmen.
Es werden auch Lösungen angeboten für die Fälle, in denen die entsprechenden Einkommensteuerveranlagungen schon bestandskräftig sind. Insbesondere wird hier eine Kompensation zum Zeitpunkt der Veräußerung ermöglicht.
Handlungsempfehlung:
Betroffene Stpfl. sollten prüfen, auf welchem Weg eine Korrektur des damals fehlerhaft vorgenommenen Kapitalertragsteuerabzug möglich ist.
19 Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietungseinkünften
Ein Vermietungsobjekt wird nur dann bei der Einkommensteuer erfasst, wenn der Stpfl. eine Einkünfteerzielungsabsicht hat, also auf Dauer einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten anstrebt. Diese Frage ist vor allem dann relevant, wenn auf Grund von hohen Erhaltungsaufwendungen oder auch Fremdfinanzierungszinsen über einige Jahre hinweg wegen hoher Werbungskosten Verluste ausgewiesen werden.
Der BFH bestätigt nun mit Beschluss vom 29.3.2022 (Az. IX B 18/21), dass bezogen auf die Einkünfteerzielungsabsicht in Form der Überschusserzielungsabsicht wie folgt zu differenzieren ist:
- Bei einer auf Dauer angelegten, auf Wohnimmobilien bezogenen Vermietungstätigkeit ist typisierend vom Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Insoweit braucht der Stpfl. also grds. keinen Nachweis zur Einkünfteerzielungsabsicht zu erbringen.
- Demgegenüber gilt bei Immobilien, die nicht Wohnzwecken dienen (sog. „Gewerbeimmobilien”), die Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht. In diesen Fällen muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Stpfl. beabsichtigt hat, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Den Stpfl. trifft insoweit die objektive Beweislast für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass bei Gewerbeimmobilien insoweit ggfs. eine Prognose aufzustellen ist.
20 Erbschaft-/Schenkungsteuer: Nachweislast für den gemeinen Wert von Grundbesitz
Sind Grundstücke für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu bewerten, so kommt grundsätzlich ein stark pauschalierendes Verfahren zur Anwendung. Dies hat den Vorteil, dass die Bewertung vergleichsweise einfach erfolgen kann. Andererseits führt dies nicht selten dazu, dass der so ermittelte Wert recht deutlich von dem Verkehrswert abweichen kann. Dabei ergeben sich insbesondere dann deutlich zu hohe Werte, wenn bei dem Grundstück besondere individuelle Verhältnisse zu berücksichtigen sind, die in das pauschalierte Verfahren aber nicht eingehen. In diesen Fällen hat der Stpfl. die Möglichkeit, anhand eines Sachverständigengutachtens einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, der dann der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.
Der BFH hat nun mit Urteil vom 17.11.2021 (Az. II R 26/20) herausgestellt, dass – wenn der Stpfl. geltend macht, der gemeine Wert von Grundvermögen sei niedriger als der typisierte Wert – es ihm obliegt, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Das Finanzgericht ist in einem späteren Streitfall nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zur Bestimmung des Grundbesitzwerts einzuholen.
Im vorliegenden Klageverfahren verwies die Stpfl. auf den ruinösen Bauzustand des Gebäudes und trug vor, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Kosten eines Gutachtens aufzubringen. Zum Beweis des niedrigeren Werts des Gebäudes beantragte sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab, da die Bewertung als Gebäude auf fremdem Grund und Boden im Sachwertverfahren zutreffend erfolgt sei und die Stpfl. keinen niedrigeren gemeinen Wert nachgewiesen habe. Dies bestätigte nun der Bundesfinanzhof.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass in solchen Fällen rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Wertgutachten einzuholen ist. Das Gutachten muss entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein. Insoweit sind die dann entstehenden Gutachterkosten der möglichen Steuerminderung gegenüber zu stellen.
21 Renovierungskosten für eine vormals vermietete und anschließend selbst genutzte Wohnung regelmäßig steuerlich keine Werbungskosten
Das Finanzgericht Hamburg hatte über einen nicht selten vorkommenden Fall zu entscheiden. Streitig war die Berücksichtigung von Renovierungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Stpfl. vermietete eine in seinem Eigentum stehende Wohnung in Hamburg ab dem 1.1.1999 bis zur mieterseitigen Kündigung des Mietverhältnisses im November 2016 zum 28.2.2017. Der Mieter hatte die Wohnung in unrenoviertem Zustand übernommen und diese nach seinen Vorstellungen renoviert. Der Mietvertrag sah vor, dass der Mieter bei Auszug keinerlei Schönheitsreparaturen vorzunehmen hatte. Unmittelbar darauf erfolgte eine Renovierung der Wohnung. Seit Juni 2017 nutzt der Stpfl. die Wohnung selbst.
Das FG Hamburg bestätigte mit Entscheidung vom 5.11.2021 (Az. 2 K 163/19), dass die Renovierungskosten steuerlich nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden können. Vielmehr fehle es bei wertender Gesamtschau an einem Veranlassungszusammenhang zur beendeten Vermietung. Die kausale Mitverursachung infolge der Abnutzung der Wohnung durch den vormaligen Mieter werde bei wertender Betrachtung vollständig von der Tatsache überlagert, dass die Renovierung vornehmlich dazu diente, die Wohnung in der Zukunft selbst nutzen zu können.
Handlungsempfehlung:
Wäre dagegen zunächst eine Weitervermietung geplant und entscheidet sich der Stpfl. später dann doch zur Selbstnutzung, so wäre dies anders zu beurteilen. In diesem Fall sollte die zunächst vorgesehene Weitervermietung sorgfältig dokumentiert werden, bspw. mittels Wohnungsanzeigen, der Beauftragung eines Maklers oder auch Besichtigungsterminen potenzieller Mieter.
22 Anweisung der FinVerw zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen, Bürgschaftsregress- und vergleichbaren Forderungen (nachträgliche Anschaffungskosten)
Bereits mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I, 2451) hat der Gesetzgeber mit § 17 Abs. 2a EStG eine Regelung neu eingeführt, welche insbesondere die steuerlichen Folgen bei einem Ausfall von Gesellschafterdarlehen bzw. bei einem Verzicht i.H.d. wertlosen Teils einer Gesellschafterforderung oder Bürgschaftsregressforderungen u.Ä. betrifft.
Inhaltlich hat die Neuregelung einige Fragen aufgeworfen, z.B. ob bei einem in der Krise stehengelassenen Darlehen ein Darlehensverlust nur i.H.d. im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltigen Teils des stehengelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten führt.
Vor diesem Hintergrund ist nun das aktuelle Schreiben des BMF v. 7.6.2022 (Az. IV C 6 – S 2244/20/10001 :001) zu sehen, mit dem die FinVerw erstmals zu diesem neuen Regelungskreis Stellung nimmt. Aus der Fülle der Details sind an dieser Stelle folgende Einordnungen und Wertungen der FinVerw hervorzuheben:
- Zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören insbesondere
- offene oder verdeckte Einlagen,
- Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war, und
- Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war.
- Zu den verdeckten Einlagen gehört insbesondere der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen i.H.d. werthaltigen Teils, und zwar unabhängig davon, ob es sich im Zeitpunkt des Verzichts um ein fremdübliches oder gesellschaftsrechtlich veranlasstes Darlehen handelt. Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Gesellschafterdarlehens ist ggf. unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 2 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
- Allein die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens zu nicht marktüblichen Bedingungen (z.B. ein zinsloses Darlehen) führt daher noch nicht zur Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung i.S.v. § 17 Abs. 2a Satz 4 EStG.
- Ein Darlehen ist dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung (sog. stehengelassenes Darlehen) die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise).
- Bei sog. krisenbestimmten Darlehen und Finanzplandarlehen ist unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.
Hinweis:
Bei einer Berücksichtigung eines Darlehensausfalls im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Verlustausgleichsbeschränkungen zu beachten. So darf der Verlust aus einer ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung regelmäßig nur i.H.v. 20 000 € mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Der darüber hinausgehende Verlust kann in den Folgejahren verrechnet werden, jeweils mit der Maßgabe, dass je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20 000 € mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden darf. Insoweit ist allerdings stets der Einzelfall zu prüfen, da für Altdarlehen andere Regeln gelten können.
- Hinsichtlich der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten differenziert die FinVerw wie folgt:
- Im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise ist bei Verlust der Nennwert des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung des Verlustes eines solchen Darlehens im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nicht möglich. Entsprechendes gilt für sog. krisenbestimmte Darlehen.
- Der Verlust eines sog. Finanzplandarlehens ist ebenfalls in Höhe seines Nennwerts als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
- Im Falle eines stehengelassenen Darlehens führt bei Verlust allerdings nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehengelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten. Der insoweit nicht mehr werthaltige Teil des stehengelassenen Darlehens ist allenfalls im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.
- Im Falle des Verzichtes führt nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehengelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten. Der bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltige Teil des stehengelassenen Darlehens ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.
- Ein Verlust aus der Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens an die Gesellschaft oder einen Dritten führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S.v. § 17 Abs. 2a EStG, soweit keine verdeckte Einlage vorliegt.
- Diese Einordnungen und Wertungen gelten sinngemäß für Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen.
- Eine Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist nur möglich, soweit der Darlehensverlust nach den vorstehenden Ausführungen nicht nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist.
Hinweis:
Das BMF-Schreiben enthält differenzierte Anwendungsregelungen (für die Anwendung in allen noch offenen Fällen) einerseits für Veräußerungen bis zum 31.7.2019 und andererseits ab dem 1.8.2019. Inhaltlich ist davon auszugehen, dass die z.T. als restriktiv einzuordnende Auffassung der FinVerw gerichtlich überprüft werden wird, so dass die weitere Rechtsentwicklung zu beobachten ist und in einschlägigen Fällen fachlicher Rat eingeholt werden sollte.
23 Schenkungsteuer bei Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen (Amortisation)
In der Praxis ist in vielen GmbH-Satzungen die Möglichkeit der Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen (mehr oder weniger detailliert) geregelt. Dabei ist sowohl eine Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters als auch eine Einziehung ohne dessen Zustimmung möglich. Dem insoweit betroffenen Gesellschafter steht bei der Einziehung eine Abfindung zu, da die Anteile der verbliebenen Gesellschafter in diesem Zuge eine Wertsteigerung erfahren.
Vor diesem Hintergrund ist der konkrete Streitfall zu sehen. Nach dem Gesellschaftsvertrag war die Einziehung von Geschäftsanteilen mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig, ohne Zustimmung war sie unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Auch konnten die Gesellschafter die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die Gesellschaft oder eine zu benennende Person beschließen. Auf dieser Grundlage beschlossen die Gesellschafter einstimmig und mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters zum 31.12.2007.
Die FinVerw stellte insoweit einen Wert des eingezogenen Gesellschaftsanteils fest und erließ gegenüber den verbliebenen Gesellschaftern entsprechende Schenkungsteuerbescheide. Einspruch und Klage vor dem FG blieben erfolglos. Auch der BFH hat die dort vertretene Auffassung, wonach der Begriff der Einziehung nicht nur die Zwangseinziehung nach § 34 Abs. 2 GmbHG, sondern auch die Einziehung nach § 34 Abs. 1 GmbHG mit Zustimmung des Anteilsberechtigten erfasse, bestätigt und ausgeführt,
- dass § 7 Abs. 7 ErbStG gesellschaftsrechtlich veranlasste Wertverschiebungen bei Ausscheiden eines Gesellschafters der Schenkung gleichstelle, und zwar in Satz 1 solche durch Übergang dessen Anteils und in Satz 2 solche durch Werterhöhung der anderen Anteile,
- dass § 7 Abs. 7 ErbStG kein subjektives Tatbestandselement (das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit bzw. die Absicht, die verbleibenden Gesellschafter oder die Gesellschaft zu bereichern) enthalte,
- und dass § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG die Werterhöhung von Anteilen der verbleibenden Gesellschafter durch jegliche Einziehung von GmbH-Anteilen erfasse. Diese Norm erfasse also sowohl die Zwangseinziehung als auch Einziehung mit Zustimmung des Anteilsberechtigten.
Hinweis:
Nach diesem Urteil kann also auch die Einziehung mit Zustimmung des Gesellschafters grundsätzlich Schenkungsteuer auslösen, so dass in einschlägigen Praxisfällen die Einziehungsvergütung nachvollziehbar und fremdüblich zu ermitteln ist. Dies sollte auch sorgfältig dokumentiert werden. Der Vollständigkeit halber ist zugleich darauf zu hinzuweisen, dass § 7 Abs. 7 ErbStG nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht auf die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils unter Lebenden, also auf einen derivativen Erwerb, anwendbar ist. Dies ergibt sich aus den gesetzlich genannten Begriffen „Ausscheiden eines Gesellschafters” und „Abfindungsanspruch”.
24 Erbschaft- und Schenkungsteuer: Höhe eines gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruchs
Mit seinem Beschluss v. 14.3.2022 (Az. II B 25/21) hat sich der BFH (in einem Verfahren über die Nichtzulassung der Revision) mit der Frage der Ermittlung der Höhe eines in der Satzungsregelung einer GmbH festgelegten Abfindungsanspruchs befasst und dabei – anknüpfend an die Rechtsprechung des I. und des IV. Senats des BFH – entschieden, dass
- wenn sich die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus einer Satzungsregelung einer GmbH ergibt, diese korporationsrechtliche Bestimmung nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen ist, und
- die subjektiven Vorstellungen der beim Erstellen der betreffenden Klausel beteiligten Personen insoweit unbeachtlich sind.
Im Streitfall enthielt die aus dem Jahre 1989 stammende Satzung einer GmbH für den Fall des Todes der Mitgesellschafterin Regeln, nach denen die GmbH unter bestimmten Voraussetzungen einen ererbten Anteil gegen „Zahlung eines Abfindungsentgeltes, das dem realen Wert seines Anteils entspricht, bewertet nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung (sogenannte Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren)” erwerben oder einziehen konnte. Die GmbH erwarb mit Vertrag aus dem Jahr 2018 den dem Stpfl. aus dem Nachlass zustehenden Anteil von 15 % für 523 T€. Dieser Wert war nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt worden.
Der BFH hat schlussendlich die Beschwerde des Stpfl. zurückgewiesen und in der Sache festgestellt, dass es aus Rechtsgründen unerheblich ist, welchen Sinngehalt die Gesellschafter seinerzeit der streitigen Formulierung des Abfindungsanspruchs beilegen wollten. Die Vorschriften der Satzung seien nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrem systematischen Bezug zu anderen Satzungsvorschriften auszulegen. Umstände außerhalb der Satzung können grundsätzlich auch dann nicht herangezogen werden, wenn sie allen Mitgliedern und Organen bekannt seien. Dies gelte auch für die Vorstellungen der bei Erstellen der betreffenden Klausel beteiligten Personen.
Die Formulierung „realen Wert” sei zwar juristisch nicht klar (auch wenn sie nach üblichem Sprachgebrauch den gemeinen Wert meinen dürfte), eindeutig sei jedoch die Wendung, dass die Bewertung nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien „in der jeweils gültigen Fassung” vorzunehmen ist. Sie enthalte unmissverständlich eine dynamische Verweisung, nach der nicht eine bestimmte Bewertungsmethode zu wählen ist, sondern gerade diejenige, die den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien zu dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Bewertung vorzunehmen ist. Die Vorschrift des § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG, auf die sich der Stpfl. beruft, knüpfe ausdrücklich an den gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruch, nicht an einen nach dem Erbfall abgeschlossenen abweichenden Vertrag und erst recht nicht an die tatsächlich gezahlte Abfindung an.
Hinweis:
Mit diesem Beschluss hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung von Verträgen bestätigt. So hatte er bspw. schon in einem Organschaftsfall zur Auslegung eines Gewinnabführungsvertrags entschieden, dass ein solcher nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen sei und dabei dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelung eine maßgebende Bedeutung zukomme. Außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge seien daher bei der Vertrags- bzw. Satzungsauslegung nicht einzubeziehen. In der Gestaltungspraxis ist also sorgfältig darauf zu achten, dass sich der subjektive Wille der Vertragsparteien auch tatsächlich möglichst eindeutig in der Satzung niederschlägt.
25 Bewertung von Unternehmensanteilen nach § 11 Abs. 2 BewG
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, für die kein Börsenkurs notiert wurde bzw. wird, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG ist der gemeine Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Ist dies nicht möglich, so ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde.
Vor diesem Hintergrund ist das rechtskräftige Urteil des FG München v. 26.1.2022 (Az. 4 K 1283/20) zu sehen, mit dem das FG entschieden hat,
- dass Verhandlungen über den Verkauf von Anteilen an einem Unternehmen, die vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden, aber zu keinem Vertragsabschluss geführt haben, bei der Ableitung des gemeinen Wertes nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht zu berücksichtigen sind.
- Erfolgt der Verkauf der Anteile an einem Unternehmen nach dem Bewertungsstichtag, ist er auch dann nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zu berücksichtigen, wenn bereits vor dem Bewertungsstichtag mit anderen potenziellen Käufern (erfolglose) Verkaufsverhandlungen stattgefunden haben sollten.
- Eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen, die erst nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossen worden sind, erfolgt ausnahmsweise, wenn der formelle Vertragsabschluss kurz nach dem Stichtag liegt und die Einigung über den Kaufpreis schon am Bewertungsstichtag herbeigeführt war.
Im konkreten Streitfall war zwar vordergründig die Bewertung eines KG-Anteils (in einem die Schenkungsteuer betreffenden Sachverhalt) umstritten, für die Ermittlung des gemeinen Werts eines GmbH-Anteils ist die Regelung des § 11 Abs. 2 BewG aber ebenso anzuwenden, so dass die Urteilsgrundsätze auf die Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften übertragbar sind.
Hinweis:
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die starren Bewertungsregeln ihrem Wortlaut nach vergleichsweise wenig Gestaltungsspielraum bieten. Sollte wie im Streitfall eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem bewertungsrechtlichen Unternehmenswert und dem später tatsächlich erzielten Verkaufserlös bestehen, so könnte eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen (§§ 163, 227 AO) angestrebt werden (es bedarf zwar keines gesonderten Antrags des Stpfl., in der Praxis wird die FinVerw aber über eine Billigkeitsmaßnahme i.d.R. nur auf Grund eines Antrags entscheiden).
26 Grunderwerbsteuer: Anwendung der Begünstigung nach § 6a GrEStG bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete GmbH
Die Begünstigungsvorschrift des § 6a GrEStG sieht vor, dass für bestimmte Rechtsvorgänge (Umwandlungen, Einbringungen, andere Erwerbsvorgänge) die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird, auch wenn im Zuge der Rechtsvorgänge Grundstücke auf andere Rechtsträger übertragen werden. Voraussetzung für die Begünstigung ist, dass die unter das Gesetz fallenden Erwerbsvorgänge zwischen herrschenden Unternehmen und abhängigen Gesellschaften oder zwischen von einem herrschenden Unternehmen abhängigen Gesellschaften verwirklicht werden (sog. Konzernklausel) – und die begünstigten Rechtsvorgänge grundsätzlich durch Umwandlungen veranlasst sind.
Vor diesem Hintergrund ist nun der Beschluss des FG Münster v. 3.5.2022 (Az. 8 V 246/22 GrE) zu sehen, mit dem das FG – explizit gegen die Auffassung der FinVerw – entschieden hat, dass bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft diese Begünstigungsvorschrift des § 6a GrEStG tatsächlich Anwendung findet, Grunderwerbsteuer also nicht erhoben wird.
Im konkreten Streitfall war der Stpfl. N Alleineigentümer mehrerer Grundstücke im Bezirk des FA, die er im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens mit dem Gegenstand Vermietung und Verpachtung von Gewerbeobjekten und Betriebsausstattung hielt. Er war als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen. Mit Vertrag vom 17.3.2021 gliederte er sein Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva gemäß §§ 152, 158 ff., 123 ff. UmwG auf die im Zuge der Ausgliederung gegründete N-GmbH aus. Hinsichtlich der zum Teil zum Betriebsvermögen und zum Teil zum Privatvermögen gehörenden Grundstücke wurden im Zuge der Ausgliederung zur Neugründung jeweils zwei entsprechende Miteigentumsanteile begründet und der „betriebliche Miteigentumsanteil” auf die N-GmbH übertragen. Mitübertragen wurden auch die Anteile an der A GmbH, die Alleingesellschafterin weiterer, teils grundbesitzender Kapitalgesellschaften war.
Das FA ging von einer Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG aus. Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid legte die N-GmbH Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.
Das FG Münster hat im vorliegenden Verfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids bejaht. Die Anwendung des § 6a GrEStG sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil Herr N als Einzelunternehmer beteiligt war. „Unternehmen” würde im Rahmen des § 6a GrEStG alle Rechtsträger umfassen, die wirtschaftlich tätig sind. Herrschendes Unternehmen könne jedes Unternehmen unabhängig von der Rechtsform sein, also Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaft sowie natürliche und juristische Personen, die wirtschaftlich tätig sind. Aus dem Begriff „Unternehmen” lasse sich nicht herleiten, dass für die Anwendung des § 6a GrEStG die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten werden müsste. Dies gelte auch für die Konstellation des Streitfalls, in der ein Einzelunternehmen im Wege der Ausgliederung zur Neugründung auf eine Kapitalgesellschaft übertragen werde.
Hinweis:
Da nun der BFH mit dem Streitfall befasst ist, ist die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam zu beobachten.
27 Aktueller Stand der Grundsteuerreform
Zum 1.1.2025 treten die neuen Grundsteuerregelungen in Kraft. Damit verliert der Einheitswert als Berechnungsgrundlage seine Gültigkeit. Vielmehr sind auf der Grundlage des reformierten Grundsteuer- und Bewertungsrechts für alle rund 36 Mio. wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes neue Bemessungsgrundlagen zu ermitteln. Maßgebender Ausgangswert für die zukünftige Berechnung der Grundsteuer ist der Grundsteuerwert. Dieser wird nach Maßgabe der Wertverhältnisse zum 1.1.2022 festgestellt. Hierfür ist eine Steuererklärung für jede wirtschaftliche Einheit erforderlich.
Der Ablauf der Ermittlung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 stellt sich folgendermaßen dar:
Zeitraum | Ablaufschritt | Handelnder |
30.3.2022 | Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung durch den Grundstückseigentümer per öffentlicher Bekanntmachung | Bundesländer bzw. FinVerw |
seit April 2022 | Versand Informationsschreiben (so bspw. in NRW) | Finanzämter |
1.7.2022 bis 31.10.2022 | Abgabe der Feststellungserklärung durch den Grundstückseigentümer an das Finanzamt | Grundstückseigentümer |
Mitte 2022 bis Mitte 2024 | Erlass des Grundsteuerwertbescheids und Bekanntgabe an den Grundstückseigentümer und Weiterleitung des Wertes an die Gemeinde | Finanzamt |
voraussichtlich 2024 | Festlegung des Hebesatzes der jeweiligen Gemeinde | Stadtrat o.Ä. |
voraussichtlich 2024 bzw. Anfang 2025 | Erlass des Grundsteuerbescheides an den Grundstückseigentümer, der die Höhe der Grundsteuer ab 2025 bestimmt | Gemeinde |
Hinweis:
Im Bundesmodell sind zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet:
- Eigentümer eines Grundstücks,
- Eigentümer eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft,
- bei Grundstücken, die mit einem Erbbaurecht belastet sind: Erbbauberechtigter unter Mitwirkung des Eigentümers des Grundstücks (Erbbauverpflichteter). Das Erbbaurecht bildet zusammen mit dem durch das Erbbaurecht belasteten Grundstück eine wirtschaftliche Einheit, so dass insoweit nur eine Erklärung abzugeben ist und nicht etwa der Eigentümer des Grund und Bodens eine weitere Erklärung abgeben muss.
- bei Grundstücken mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden: Eigentümer des Grund und Bodens unter Mitwirkung des Eigentümers des Gebäudes.
28 Ermittlung der Grundsteuerwerte nach dem Bundesmodell
a) Keine bundeseinheitliche Bewertung
Die Ermittlung der Grundsteuerwerte erfolgt nicht bundeseinheitlich. Zwar hat der Gesetzgeber insoweit ein sog. Bundesmodell vorgegeben, jedoch können die Bundesländer hiervon abweichende Bewertungsregeln festlegen, wovon auch Gebrauch gemacht wurde. Insoweit sind auch die mit der Grundsteuererklärung anzugebenden Daten unterschiedlich.
Hinsichtlich der Grundsteuer B (für bebaute und unbebaute Grundstücke, die nicht der Land- und Forstwirtschaft dienen) gelten folgende Berechnungsvorgaben:
Bundesland | Berechnungsmodell |
Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen | Bundesmodell |
Saarland, Sachsen | grundsätzlich Bundesmodell, jedoch abweichende Höhe der Steuermesszahlen |
Baden-Württemberg | Bodenwertmodell |
Bayern | Flächenmodell |
Hamburg, Hessen, Niedersachsen | Flächen-Lage-Modell (in Teilen unterschiedlich) |
Das Bundesmodell hält an der bisher gewählten wertabhängigen Bewertung des Grundvermögens fest. Um eine wiederkehrende Bewertung der Grundsteuerobjekte zu gewährleisten, wird aber vermehrt auf vorhandene Informationen zurückgegriffen, wie z.B. die von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte. Auch erfolgt die Bewertung deutlich pauschalierter als bislang. Die pauschalierende Vorgehensweise zeigt sich z.B. darin, dass die bei der Bewertung im Ertragswertverfahren erforderlichen Mieten nicht für das einzelne Objekt individuell ermittelt werden, sondern für den einzelnen Hauptfeststellungszeitpunkt je Bundesland für einzelne Gebäudearten, Wohnflächen und Baujahre fixe Werte vorgegeben werden, welche dann noch gemeindebezogen um pauschale Ab- oder Zuschläge korrigiert werden. Im Ergebnis soll dann mit vergleichsweise wenigen Angaben des Grundstückseigentümers eine EDV-gestützte Wertermittlung ermöglicht werden.
b) Ermittlung des Grundstückswerts für die einzelne wirtschaftliche Einheit
Zu bewerten ist die einzelne wirtschaftliche Einheit. Die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ist das Grundstück. Allerdings ist dies nicht identisch mit dem Grundstück nach bürgerlichem Recht, also mit der einzelnen Einheit laut Grundbuch. Steuerlich ist allein maßgeblich, was als wirtschaftliche Einheit nach den Anschauungen des Verkehrs anzusehen ist. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen. Dabei können auch mehrere Flurstücke, Gebäude oder selbständige Gebäudeteile zusammenzufassen sein.
Grundsätzliche Beispiele für wirtschaftliche Einheiten (abweichende Beurteilung im Einzelfall möglich!):
- ein Einfamilienhaus oder ein Zweifamilienhaus (ggf. inkl. zugehöriger Garagen),
- eine Eigentumswohnung (ggf. inkl. zugehöriger Garagen),
- ein Mehrfamilienhaus (ggf. inkl. zugehöriger Garagen), d.h. ein Hauseingang bzw. eine Hausnummer,
- ein Werksgelände (inkl. aller enthaltenen Flurstücke und Gebäude),
- im Bereich der Land- und Forstwirtschaft können auch Grundstücke, die in verschiedenen Gemeinden liegen, einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden.
Hinweis:
Sofern sich seit der letzten Einheitswertfeststellung keine tatsächlichen Veränderungen ergeben haben, ist davon auszugehen, dass je bestehendem Einheitswertaktenzeichen (bzw. je bestehender Auftragsnummer) eine wirtschaftliche Einheit vorliegt.
Beispiel:
Sachverhalt: Ein Einfamilienhaus ist auf einem Grundstück belegen, welches im Grundbuch aus drei Flurstücken besteht. Die drei Flurstücke werden insgesamt im Zusammenhang mit dem Einfamilienhaus und dem zugehörigen Garten usw. genutzt.
Lösung: Die drei Flurstücke bilden gemeinsam eine wirtschaftliche Einheit im steuerlichen Sinne. Damit ist der Grundsteuerwert für diese Einheit insgesamt festzustellen.
Hinweis:
Voraussetzung für die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit ist aber stets, dass die einzelnen Flurstücke zu einer Vermögensart und demselben Eigentümer oder denselben Eigentümern gehören. Ansonsten liegen separate wirtschaftliche Einheiten vor.
Beispiel:
Sachverhalt: Ein Einfamilienhaus ist auf einem Grundstück belegen, welches im Grundbuch aus zwei Flurstücken besteht. Das Haus selbst steht auf dem vorderen Flurstück und das andere Flurstück wird als Gartenfläche genutzt. Das vordere Flurstück gehört den Ehegatten zu Bruchteilseigentum und das hintere Flurstück gehört einem Ehegatten in Alleineigentum.
Lösung: Zwar liegt eine einheitliche Nutzung vor, jedoch sind die Besitzverhältnisse unterschiedlich, so dass separate wirtschaftliche Einheiten vorliegen.
c) Bewertungsverfahren – Abgrenzung der Anwendungsbereiche
Bei der Bewertung kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung:
Bewertungsverfahren | Anwendungsbereich |
Vergleichsverfahren | unbebaute Grundstücke |
typisiertes – vereinfachtes – Ertragswertverfahren als Regelverfahren | Ein- und Zweifamilienhäuser Mietwohngrundstücke Wohnungseigentum |
typisiertes – vereinfachtes – Sachwertverfahren als Auffangverfahren | Teileigentum Geschäftsgrundstücke gemischt genutzte Grundstücke sonstige bebaute Grundstücke |
Abzugrenzen ist insbesondere zwischen Mietwohngrundstücken – dann Ertragswertverfahren – und Geschäftsgrundstücken – dann Sachwertverfahren. Insoweit gilt:
- Mietwohngrundstücke sind Grundstücke, die (a) zu mehr als 80 % der Wohn- und Nutzfläche Wohnzwecken dienen und (b) nicht Ein- und Zweifamilienhäuser oder Wohnungseigentum sind. Das gilt auch, wenn sich die Wohnungen in unterschiedlichen Gebäuden einer wirtschaftlichen Einheit befinden.
- Geschäftsgrundstücke sind Grundstücke, die (a) zu mehr als 80 % der Wohn- und Nutzfläche eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und (b) nicht Teileigentum sind.
Beispiel 1:
Sachverhalt: Zu bewerten ist ein Gebäude mit vier gleich großen Geschossen. Das Erdgeschoss wird als Ladenlokal vermietet und das erste bis dritte Obergeschoss werden zu Wohnzwecken vermietet.
Lösung: Da nur 75 % der Fläche zu Wohnzwecken genutzt werden, handelt es sich um ein gemischt genutztes Grundstück, welches nach dem Sachwertverfahren bewertet wird.
Beispiel 2:
Sachverhalt: Zu bewerten ist ein Gebäude mit vier gleich großen Geschossen. Es handelt sich bei den einzelnen Einheiten um Wohnungs-/Teileigentum. Das Erdgeschoss wird als Ladenlokal vermietet und das erste bis dritte Obergeschoss werden zu Wohnzwecken vermietet.
Lösung: Als Wohnungs-/Teileigentum sind die einzelnen Einheiten separat zu bewerten, nämlich Erdgeschoss und jeweils Wohnungen im ersten bis dritten Obergeschoss. Das als Ladenlokal genutzte Erdgeschoss wird nach dem Sachwertverfahren bewertet, die Wohnungseigentum-Einheiten (erstes bis drittes Obergeschoss) jeweils nach dem Ertragswertverfahren.
Insoweit gelten zur Ermittlung der Wohn-/Nutzflächen folgende Grundsätze:
Wohnfläche | Nutzfläche | |
Grundsatz | Wohnflächen liegen vor, wenn die Flächen Wohnbedürfnissen dienen. Hierzu zählen auch Wohnräume, die betrieblich oder freiberuflich mitgenutzt werden (z.B. Arbeitszimmer). | Zu den Nutzflächen zählen Flächen, die betrieblichen (z.B. Werkstätten, Verkaufsläden, Büroräume), öffentlichen oder sonstigen Zwecken (z.B. Vereinsräume) dienen und keine Wohnflächen sind. |
Bei Leerstand ist darauf abzustellen, für welche Nutzung die leerstehenden Räume vorgesehen sind. | ||
Ermittlungsgrundsatz | Für die Ermittlung des Verhältnisses von Wohn- und Nutzfläche wird regelmäßig die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV) und die Nutzfläche nach der DIN 277 in der jeweils geltenden Fassung ermittelt. | |
Praxis | Rückgriff auf Mietvertrag oder Baupläne Aber: Besonderheiten der Wohnflächenverordnung beachten. So werden bspw. Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte eingerechnet. | |
Nebenräume | Nutzflächen von Nebenräumen, die in einem Nutzungszusammenhang mit Wohnflächen stehen, sind nicht einzubeziehen. Nebenräume sind z.B. Keller-, Abstell-, Wasch-, Trocken- und Heizungsräume sowie Garagen. | Nutzflächen von Nebenräumen, die nicht im Nutzungszusammenhang mit Wohnflächen stehen, sind bei der Ermittlung des Verhältnisses von Wohn- und Nutzfläche zu berücksichtigen. |
Beispiel 3:
Sachverhalt: Zu bewerten ist ein Gebäude mit fünf Geschossen. Das Erdgeschoss wird als Ladenlokal vermietet (Nutzfläche 45 qm) und das erste bis vierte Obergeschoss werden zu Wohnzwecken (Wohnfläche jeweils 50 qm) vermietet.
Lösung: Zu Wohnzwecken werden 4 x 50 qm = 200 qm von insgesamt 245 qm, also ca. 81 % der Fläche genutzt. Die Bewertung des Gebäudes insgesamt erfolgt nach dem Ertragswertverfahren.
Beispiel 4:
Sachverhalt: Zu bewerten ist ein Gebäude mit fünf Geschossen. Das Erdgeschoss wird als Ladenlokal vermietet (Nutzfläche 45 qm) und das erste bis vierte Obergeschoss werden zu Wohnzwecken (Wohnfläche jeweils 50 qm) vermietet. Der Mieter des Ladenlokals nutzt zusätzlich noch einen Kellerraum von 10 qm als Archiv.
Lösung: Zu Wohnzwecken werden 4 x 50 qm = 200 qm von insgesamt 255 qm, also ca. 78 % der Fläche genutzt. Die Bewertung des Gebäudes insgesamt erfolgt nach dem Sachwertverfahren.
d) Bewertung unbebauter Grundstücke
Der Wert unbebauter Grundstücke wird mittels Multiplikation der Grundstücksfläche mit den vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerten errechnet. Anzusetzen ist der Bodenrichtwert, der vom Gutachterausschuss auf den jeweiligen Hauptfeststellungszeitpunkt ermittelt wurde. Dabei sind grds. keine individuellen Besonderheiten des Grundstücks zu berücksichtigen. So bleiben besondere Merkmale des einzelnen zu bewertenden Grundstücks wie Ecklage, Zuschnitt, Vorder- und Hinterland, Oberflächenbeschaffenheit, Beschaffenheit des Baugrundes, Lärm-, Staub-, Geruchsbelästigungen, Altlasten sowie Außenanlagen außer Ansatz.
Allerdings ist der Entwicklungszustand des Grundstücks einzubeziehen. Insbesondere wird unterschieden zwischen baureifem Land, Rohbauland und Bauerwartungsland. Weicht der Entwicklungszustand des Bodenrichtwertgrundstücks vom zu bewertenden Grundstück ab, sind die Abweichungen durch pauschalierte Ab- und Zuschläge zu berücksichtigen.
Hinweis:
Hat der Gutachterausschuss für ein Grundstück im Entwicklungszustand Bauerwartungsland oder Rohbauland keinen Bodenrichtwert ermittelt, gelten folgende Wertansätze: Für Bauerwartungsland 25 % und für Rohbauland 50 % des Bodenrichtwerts für vergleichbares erschließungsbeitragsfreies Bauland.
e) Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist grundsätzlich wie folgt aufgebaut:
Berechnungsschritt | Erläuterung | |
jährlicher Rohertrag | Der Rohertrag wird nicht auf Basis der tatsächlich erzielten Mieten ermittelt. Vielmehr ergibt sich dieser aus der in der Anlage zum Gesetz nach Bundesland, Gebäudeart, Wohnungsgröße und Baujahr des Gebäudes angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche. Lagebedingte Wertunterschiede zwischen den Kommunen werden über sogenannte Mietniveaustufen berücksichtigt. Die tatsächlichen Mieten spielen keine Rolle. | |
- | nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten | Diese ergeben sich aus pauschalen Erfahrungssätzen, die in einer Anlage zum Gesetz festgelegt sind. |
= | jährlicher Reinertrag | |
x | Vervielfältiger | Die Liegenschaftszinssätze und die Nutzungsdauern je nach Grundstücksart sind gesetzlich festgelegt. |
= | Barwert des Reinertrags | |
+ | abgezinster Bodenwert | Zur Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts ist vom Bodenwert (Bodenrichtwert x Grundstücksfläche) auszugehen. Bei der Bewertung von Ein- und Zweifamilienhäusern sind zur Berücksichtigung abweichender Grundstücksgrößen beim Bodenwert gesetzlich festgelegte Umrechnungskoeffizienten anzuwenden. |
= | Grundsteuerwert (Abgleich mit Mindestwert = 75 % Bodenwert) |
Hinweis:
Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale wie z.B. von den marktüblich erzielbaren Erträgen erheblich abweichende Erträge des Bewertungsobjekts, Baumängel oder Bauschäden, eine wirtschaftliche Überalterung, ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand, Bodenverunreinigungen sowie grundstücksbezogene Rechte und Belastungen sind im Rahmen dieser typisierenden Wertermittlung nicht gesondert zu ermitteln und zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Berechnung ist der jährliche Rohertrag. Der Rohertrag wird nicht auf Basis der tatsächlich erzielten Mieten ermittelt. Vielmehr ergibt sich dieser aus der in der Anlage zum Gesetz nach Bundesland, Gebäudeart, Wohnungsgröße und Baujahr des Gebäudes angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche. Hinsichtlich der Wohnungsgröße werden bei der Festlegung der pauschalierten Nettokaltmieten drei Größenklassen gebildet, und zwar (a) unter 60 qm, (b) von 60 qm bis 100 qm und (c) 100 qm und mehr. So kann eine Wohnung mit einer Größe von 60 qm günstiger bewertet werden als eine Wohnung mit einer Größe von 59 qm, da bei letzterer eine höhere pauschale Nettokaltmiete je qm angesetzt wird.
Ein wichtiger Faktor bei der Bewertung ist die Restnutzungsdauer des Gebäudes. Diese wird errechnet aus dem tatsächlichen Alter und einer gesetzlich festgelegten pauschalierten Gesamtnutzungsdauer. Als wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer werden in der Regel 80 Jahre angesetzt (so bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken, Mehrfamilienhäusern und Wohnungseigentum). Abweichende pauschalierte Gesamtnutzungsdauern werden angesetzt bei Geschäftsgrundstücken, so bspw. bei Büro- und Verwaltungsgebäuden 60 Jahre und bei Produktionsgebäuden 40 Jahre.
Hinweis:
In Ausnahmefällen kann eine Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes anzunehmen sein. Dies ist aber nicht bereits bei laufender Erhaltung oder Modernisierung einzelner Ausbauelemente der Fall, sondern nur bei einer Kernsanierung oder Entkernung. Hierzu führt die FinVerw aus: „Eine Kernsanierung liegt vor, wenn nicht nur der Ausbau (u.a. Heizung, Fenster und Sanitäreinrichtungen) umfassend modernisiert, sondern auch der Rohbau jedenfalls teilweise erneuert worden ist. […] Durch eine Kernsanierung wird das Gebäude in einen Zustand versetzt, der nahezu einem neuen Gebäude entspricht.” Liegt dieser Ausnahmefall vor, so beträgt im Jahr der Kernsanierung die Restnutzungsdauer aus Vereinfachungsgründen 90 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes.
Die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes beträgt mindestens 30 % der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer.
Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. Insbesondere Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten führen nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes.
f) Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren kommt bei Immobilien zum Einsatz, bei denen die Erzielung eines Ertrags nicht im Vordergrund steht bzw. bei denen sich ein fiktiver Ertrag nur schwer ermitteln lässt. Daher kommen im Sachwertverfahren für die Ermittlung des Grundsteuerwerts die Anschaffungskosten (Grund und Boden) bzw. die (Wieder-)Herstellungskosten (Gebäude) zum Ansatz. Bei der Ermittlung des Gebäudesachwerts spielen die hierbei standardisiert ermittelten und vorgegebenen Nettoherstellungskosten (NHK) in € pro qm Bruttogrundfläche differenzierend nach Gebäudeart und nach Baujahresgruppen eine zentrale Rolle.
g) Hinweise auf besondere Sachverhalte
Weitere bzw. abweichende Angaben werden für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke benötigt, was an dieser Stelle nicht dargestellt wird.
Des Weiteren bestehen Besonderheiten bei der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts bei Grundbesitz, der ganz oder teilweise einer Grundsteuerbefreiung unterliegt. Eine Grundsteuerbefreiung kommt u.a. für folgende Personen(-gruppen) oder Institutionen in Betracht:
- juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden oder Städte),
- gemeinnützige oder mildtätige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen und
- Religionsgemeinschaften.
Daneben kommt ein Abschlag auf die Steuermesszahl u.a. für Grundbesitz in Betracht,
- auf dem Wohnungen gebaut wurden, die nach dem Wohnungsbauförderungsgesetz gefördert wurden,
- der Wohnungsgesellschaften, -genossenschaften oder -vereinen gehört, oder
- auf dem sich ein Baudenkmal i.S.d. jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetzes befindet.
Hinweis:
Diese Aspekte müssen bei der Erklärung zum Grundbesitzwert in einer separaten Anlage „Anlage Grundsteuerbefreiung/-vergünstigung” erfasst werden.
29 Checklisten Bundesmodell
Notwendig sind die folgenden Daten (alle anderen Daten ergeben sich aus dem Gesetz bzw. können – wie der Bodenrichtwert – öffentlich abgerufen werden):
a) Checkliste I: Bundesmodell – unbebautes Grundstück
Checkliste I: Bundesmodell – unbebautes Grundstück
Angaben zum Eigentümer: | |
Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am Grundstück | |
ggfs. Daten zu weiteren Eigentümern: Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am Grundstück | |
Angaben zum Grund und Boden: | |
Lage des Grundstücks: Straße und Hausnummer Postleizahl und Ort Einheitswertaktenkennzeichen (1) | |
Grundstücksgröße in qm (2) Gemarkung Grundbuchblatt Flur Flurstück (ggfs. separat für alle Flurstücke dieser wirtschaftlichen Einheit) |
(1) Das Einheitswertaktenkennzeichen findet sich auf dem jährlichen Grundsteuerbescheid der Kommune, auf dem Einheitswertbescheid, auf dem Grundsteuer-Messbescheid und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
(2) Diese Angaben finden sich im notariellen Kaufvertrag oder auf dem Grundbuchauszug und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
b) Checkliste II: Bundesmodell – Wohngrundstück
Checkliste II: Bundesmodell – Wohngrundstück
Angaben zum Eigentümer: | |
Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am zu bewertenden Grundstück | |
ggfs. Daten zu weiteren Eigentümern: Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am zu bewertenden Grundstück | |
Art des Grundstücks: | |
Wohngrundstück: (2) Einfamilienhaus (3) Zweifamilienhaus (4) Mietwohngrundstück (5) Wohnungseigentum | |
Angaben zum Grund und Boden: | |
Lage des Grundstücks: Straße und Hausnummer Postleizahl und Ort Einheitswertaktenkennzeichen (1) | |
Grundstücksgröße in qm (2) Gemarkung Grundbuchblatt Flur Flurstück (ggfs. separat für alle Flurstücke dieser wirtschaftlichen Einheit) | |
Anteil am Grund und Boden (3) | |
Angaben bei Wohngrundstücken zum Ertragswert: | ggfs. gesondert für jedes Gebäude |
Baujahr (bzw. Angabe, dass Gebäude vor 1949 erstmals bezugsfertig war) Anzahl Garagen (nicht Außenstellplätze)/Tiefgaragenstellplätze Anzahl Wohnungen Wohnfläche der einzelnen Wohnungen in qm (4) | |
bei vermietetem Mehrfamilienhaus: (Angabe je Raum) Nutzfläche von sonstigen Räumen Nutzung (z.B. Heizungsraum) | |
bei (teilweiser) Nutzung nicht zu Wohnzwecken: (z.B. Büro oder Ladenlokal) Nutzfläche | |
Angabe, ob sich ein Baudenkmal auf dem Grundstück befindet | |
Besteht für das Gebäude eine Abbruchverpflichtung? Falls ja, in welchem Jahr muss abgebrochen werden? | |
Erfolgte eine Kernsanierung? Falls ja, in welchem Jahr wurde diese abgeschlossen? | |
Befinden sich auf dem Grundstück fremde Gebäude? | |
Ist der Erklärende Erbbaunehmer? |
(1) Das Einheitswertaktenkennzeichen findet sich auf dem jährlichen Grundsteuerbescheid der Kommune, auf dem Einheitswertbescheid, auf dem Grundsteuer-Messbescheid und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
(2) Diese Angaben finden sich im notariellen Kaufvertrag oder auf dem Grundbuchauszug und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
(3) bei Alleineigentum: 100 %; bei Eigentumswohnung bspw. 444/10 000
(4) Hinweis: In die Wohnfläche sind Nutzflächen wie Keller, Garage, Heizungsräume etc. nicht einzubeziehen.
c) Checkliste III: Bundesmodell – Nichtwohngrundstück
Checkliste III: Bundesmodell – Nichtwohngrundstück
Angaben zum Eigentümer: | |
Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am zu bewertenden Grundstück | |
ggfs. Daten zu weiteren Eigentümern: Vorname, Nachname Anschrift Steuer-ID Finanzamt Steuernummer Anteil am zu bewertenden Grundstück | |
Art des Grundstücks: | |
Nichtwohngrundstück: (1) Teileigentum (2) Geschäftsgrundstück (3) gemischt genutztes Grundstück (4) sonstiges bebautes Grundstück | |
Angaben zum Grund und Boden: | |
Lage des Grundstücks: Straße und Hausnummer Postleizahl und Ort Einheitswertaktenkennzeichen (1) | |
Angaben zum Grund und Boden: | |
Grundstücksgröße in qm (2) Gemarkung Grundbuchblatt Flur Flurstück (ggfs. separat für alle Flurstücke dieser wirtschaftlichen Einheit) | |
Anteil am Grund und Boden (3) | |
Angaben bei Nichtwohngrundstücken zum Sachwert: | ggf. gesondert für jedes Gebäude |
(Lageplan-)Nummer Gebäudeart Baujahr Bruttogrundfläche in qm davon für Zivilschutz (in qm) | |
Besteht für das Gebäude eine Abbruchverpflichtung? Falls ja, in welchem Jahr muss abgebrochen werden? | |
Erfolgte eine Kernsanierung? Falls ja, in welchem Jahr wurde diese abgeschlossen? | |
Befinden sich auf dem Grundstück fremde Gebäude? | |
Ist der Erklärende Erbbaunehmer? |
(1) Das Einheitswertaktenkennzeichen findet sich auf dem jährlichen Grundsteuerbescheid der Kommune, auf dem Einheitswertbescheid, auf dem Grundsteuer-Messbescheid und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
(2) Diese Angaben finden sich im notariellen Kaufvertrag oder auf dem Grundbuchauszug und ggf. auf dem aktuellen Informationsschreiben des Finanzamtes (z.B. in NRW).
(3) bei Alleineigentum: 100 %; bei Eigentumswohnung bspw. 444/10 000