Mandantenrundschreiben 06/2022
Für alle Steuerpflichtigen
1 Steuerermäßigung bei ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen
2 Finanzverwaltung zu weiteren Fragen zur Energiepreispauschale
3 Ernstliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge
5 Erbschaftsteuerbefreiung bei verzögertem Einzug in ein Familienheim
6 Kindergeld: Abgrenzung der einheitlichen Erstausbildung von der berufsbegleitenden Zweitausbildung
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
8 Grenzgänger Schweiz – Home-Office-Tage
Für Unternehmer und Freiberufler
10 Betriebsstättenbegriff des Reisekostenrechts bei einem Gewerbetreibenden oder Freiberufler
Für Personengesellschaften
14 Keine erweiterte Grundstückskürzung im Fall einer Betriebsverpachtung
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
Für Hauseigentümer
16 Wohnriester: „unmittelbare“ Verwendung des geförderten Kapitals in Fällen der Darlehenstilgung
17 Umsatzsteuer bei Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem selbstgenutzten Einfamilienhaus
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
18 Abziehbarkeit von Gebühren für eine verbindliche Auskunft
19 Organschaft: Eigene gewerbliche Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding
1 Steuerermäßigung bei ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen
Der BFH hat eine wichtige Entscheidung zur Gewährung der Einkommensteuerermäßigung bei ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen getroffen und dabei den Anwendungsbereich der Steuerermäßigung deutlich ausgeweitet, wovon auch viele andere Stpfl. profitieren werden. Danach ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer (ESt) für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen oder Dienstleistungen auf Antrag um 20 %, höchstens jedoch um 4 000 €, der Aufwendungen des Stpfl. Ausdrücklich ist geregelt, dass die Steuerermäßigung auch in Anspruch genommen werden kann für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Stpfl. wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.
Im Streitfall machte die Stpfl. Aufwendungen für die ambulante Pflege zu Gunsten der nicht im Haushalt der Stpfl., sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Mutter bei ihrer ESt geltend. Die 1933 geborene Mutter der Stpfl. wohnte in einem eigenen Haushalt in C, knapp 100 km vom Wohnort der Stpfl. entfernt. Sie bezog im Streitjahr eine Rente sowie ergänzende Leistungen der Sozialhilfe.
Am 26.1.2015 schloss die Stpfl. mit der Sozialstation in C eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen ab. Im Anhang zu diesem Vertrag waren die Leistungen wie folgt aufgeschlüsselt: Einkaufen; Betreuung, Begleitung, Pflege und Hauswirtschaft. Im Eingang des Vertrags war die Mutter der Stpfl. als Leistungsnehmerin aufgeführt. Der Vertrag sowie der Anhang hierzu waren im Textfeld „Leistungsnehmer/in” von der Stpfl. unterschrieben. Die von der Sozialstation gestellten Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus. Übersandt wurden die Rechnungen an die Stpfl., die sie auch durch Banküberweisung beglich. Der Gesamtbetrag für die Inanspruchnahme der von der Sozialstation gegenüber der Mutter der Stpfl. erbrachten Leistungen betrug im Streitjahr 1 071 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Stpfl. diesen Betrag geltend und begehrten die Steuerermäßigung. Dies lehnte das Finanzamt ab. Der BFH entschied nun mit Urteil v. 12.4.2022 (Az. VI R 2/20) im Grundsatz zu Gunsten der Stpfl., konnte aber den Streitfall noch nicht abschließend entscheiden, da die Vorinstanz (das Finanzgericht) zu bestimmten Fragen keine Feststellungen getroffen hatte.
Der BFH stellt insoweit folgende Grundsätze heraus:
- Begünstigt sind nur eigene Aufwendungen des Stpfl., die dessen persönliche Leistungsfähigkeit mindern. Denn es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts, dass ein Stpfl. Aufwendungen eines Dritten grundsätzlich nicht abziehen kann. Deshalb setzt die Steuerermäßigung voraus, dass der Stpfl. selbst verpflichtet ist, die Aufwendungen für die Inanspruchnahme der begünstigten Leistungen zu tragen. Aufwendungen Dritter sind auch im Rahmen der Steuerermäßigung steuerlich nicht zu berücksichtigen.
- Die im Gesetz genannten Pflege- und Betreuungsleistungen sind personen- wie haushaltsbezogene Dienstleistungen, die zu den im Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgeführten Pflege- und Betreuungsleistungen zählen. Hierzu gehören insbes. neben sogenannten Grundpflegemaßnahmen und damit Maßnahmen der unmittelbaren Pflege am Menschen (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) auch Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung, wie Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung. Voraussetzungen oder Einschränkungen hinsichtlich eines Grads der Pflegebedürftigkeit enthält das Gesetz nicht.
- Anders als die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen im eigenen Haushalt, ist die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen auch dann zu gewähren, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt des Stpfl., sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden. Dahingehende Aufwendungen können daher auch von Stpfl. (z.B. Angehörigen) geltend gemacht werden, die diese Aufwendungen getragen haben.
- Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen ist auch nicht auf die Kosten für Dienstleistungen beschränkt, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. Die im Gesetz genannte dahingehende Beschränkung bezieht sich lediglich auf Aufwendungen, die dem Stpfl. wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege (in einem Heim) erwachsen.
- Die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Stpfl. wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, setzt weder den Erhalt einer Rechnung noch die Einbindung eines Kreditinstituts in den Zahlungsvorgang voraus. Derartige Einschränkungen gelten nur für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen und für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen.
Handlungsempfehlung:
Im Streitfall muss nun aber noch geklärt werden, ob vorliegend Aufwand der Mutter vorlag (dann kann die Steuerermäßigung bei der Tochter nicht gewährt werden) oder aber Aufwand der Tochter. Zwingend muss also der Stpfl., der die Kosten trägt und dann auch steuerlich geltend machen will, Leistungsempfänger sein. Dies sollte in der Praxis aus dem Vertrag mit dem Pflegedienstleister eindeutig hervorgehen.
2 Finanzverwaltung zu weiteren Fragen zur Energiepreispauschale
Die FinVerw hat ihre Hinweise („FAQ”) zur Energiepreispauschale (EPP) um einige Aspekte ergänzt. Hinzuweisen ist auf die Ausführungen zu folgenden Fragen:
Anspruchsberechtigt sind auch Vorstände und Geschäftsführer mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Anspruchsberechtigung von Empfängerinnen und Empfängern von Versorgungsbezügen oder Renten (auch Erwerbsminderungsrenten):
- Empfängerinnen und Empfänger von Versorgungsbezügen (insbes. Pensionäre) sowie Rentnerinnen und Rentner, die im Jahr 2022 keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Einkünfte als Arbeitnehmer aus einer aktiven Beschäftigung erzielen, erhalten keine EPP. Wenn Seniorinnen und Senioren neben ihren Alterseinkünften noch in einem aktiven Dienstverhältnis oder als Freiberufler oder Unternehmer tätig sind und aus einer dieser Tätigkeiten Einkünfte beziehen, dann erhalten sie die EPP. Entsprechendes gilt für Bezieher von Erwerbsminderungsrenten.
- Zu den gewerblichen Einkünften gehören z.B. Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage. Wird jedoch die Vereinfachungsregel nach dem Schreiben des BMF v. 29.10.2021 in Anspruch genommen – wonach bei kleinen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von bis zu 10,0 kW/kWp auf Antrag aus Vereinfachungsgründen keine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt wird – liegen keine gewerblichen Einkünfte vor.
Anspruchsberechtigung von Personen, die ausschließlich Arbeitslohn aus einem früheren Dienstverhältnis beziehen:
- Diese Personen sind nicht anspruchsberechtigt, denn Arbeitslohn aus einer „früheren Dienstleistung” ist kein Arbeitslohn aus einer aktiven Beschäftigung. Entsprechende Sachverhalte sind z.B.: ein ehemaliges Vorstandsmitglied bezieht Übergangsgeld nach Beendigung des Dienstverhältnisses, ein Arbeitnehmer erhält Vorruhestandsgeld.
- Anspruchsberechtigt sind aber Arbeitnehmer in der passiven Phase der Altersteilzeit.
Arbeitnehmer, die zum 15.9.2022 das Dienstverhältnis wechseln:
- Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer am 1.9.2022 noch im Rahmen des ersten Dienstverhältnisses beschäftigt ist, zahlt die EPP aus. Doppelzahlungen in den Fällen eines Arbeitgeberwechsels kann es somit nicht geben.
Ein Arbeitnehmer ist von Oktober 2021 bis September 2022 erkrankt und erhält ab Dezember 2021 nur noch Krankengeld von seiner gesetzlichen Krankenversicherung. Darf oder muss der Arbeitgeber in diesem Fall die EPP noch auszahlen?
- Der Arbeitgeber muss die EPP auszahlen, weil der Arbeitnehmer im Jahr 2022 anspruchsberechtigende Lohnersatzleistungen bezieht und am 1.9.2022 ein gegenwärtiges erstes Dienstverhältnis vorliegt.
Ist die EPP als Arbeitslohn pfändbar?
- Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn” oder „Arbeitsentgelt” handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich.
Für die Bezieher welcher Einkunftsarten mindert die EPP die Einkommensteuer-Vorauszahlungen?
- Einkommensteuer-Vorauszahlungen werden gemindert, wenn sie auch für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständige Arbeit festgesetzt worden sind.
- Einkommensteuer-Vorauszahlungen werden nicht gemindert, sofern gleichzeitig Einkünfte als Arbeitnehmer aus einer aktiven Beschäftigung erzielt werden. Dies vermeidet Doppelzahlungen, weil unbeschränkt Stpfl. mit Einkünften aus einer aktiven Beschäftigung die EPP regelmäßig über ihren Arbeitgeber erhalten. Anspruchsberechtigte Empfänger von Versorgungsbezügen (Anspruchsberechtigung z.B., weil neben den Versorgungsbezügen noch eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird) erhalten die EPP in der Regel ebenfalls im Rahmen der Minderung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen.
- Betragen die für den 10.9.2022 festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen weniger als 300 €, so mindert die EPP die Einkommensteuer-Vorauszahlung auf 0 €. Der übersteigende Betrag wird im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt.
Sind Stpfl., die eine EPP erhalten haben, verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung für 2022 abzugeben?
- In der Regel nein. Arbeitnehmer, an die die EPP über den Arbeitgeber ausgezahlt wird, sind allein deshalb nicht verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Wird die EPP über eine Minderung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen ausgezahlt, ist die Abgabe einer Einkommensteuererklärung erforderlich, und es wird eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt.
- In anderen Fällen können Anspruchsberechtigte die EPP infolge der Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 erhalten (z.B. Arbeitnehmer, die am 1.9.2022 in keinem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis stehen oder Selbständige, für die bisher keine Vorauszahlungen festgesetzt wurden).
Handlungsempfehlung:
Es ist zu erwarten, dass die FinVerw fortlaufend zu noch aufkommenden Zweifelsfragen Stellung nehmen wird.
3 Ernstliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge
Der BFH bestätigt mit Beschluss v. 23.5.2022 (Az. V B 4/22 (AdV)), dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nach dem 31.12.2018 verwirkten Säumniszuschläge bestehen. Insoweit verweist das Gericht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Vollverzinsung.
Handlungsempfehlung:
Auch wenn dieser Beschluss nur ein Aussetzungsverfahren betrifft und damit nur nach einer „summarischen Prüfung” ergangen ist, sollte in der Praxis bei vergleichbaren Fällen gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen verfahrensrechtlich vorgegangen werden.
4 Umsatzsteuerliche Erfassung von Prämien aus der Treibhausgasminderungs-Quote bei Haltern von Elektrofahrzeugen
Seit dem 1.1.2022 sind alle Betreiber von Ladepunkten Eigentümer der THG-Quote und damit berechtigt, diese weiterzuverkaufen. Als Ladepunktbetreiber gilt jede Person, auf die das reine Batterieelektrofahrzeug zugelassen ist. Mit Beginn des Jahres 2022 und aktuell bis zum Jahr 2030 kann somit der Fahrzeugbesitzer eines Batteriefahrzeugs von der THG-Quote profitieren, indem er die eingesparten CO2-Emissionen „verkauft”. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug privat oder gewerblich genutzt wird, es gekauft, geleast oder finanziert wurde. Einzig notwendig ist die Eintragung als Halter im Fahrzeugschein.
Insoweit gilt aus umsatzsteuerlicher Sicht, wie das Finanzministerium Schleswig-Holstein mit Kurzinformation v. 11.5.2022 (Az. VI 358-S 7279-033) mitteilt:
- Überträgt eine Privatperson ihre vom Umweltbundesamt bescheinigte Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) aus einem auf sie zugelassenen und ihrem nichtunternehmerischen Bereich zugeordneten oder für den nichtunternehmerischen Bereich bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei nicht um eine umsatzsteuerlich relevante Tätigkeit.
- Überträgt ein Unternehmer seine vom Umweltbundesamt bescheinigte THG-Quote aus einem auf ihn zugelassenen und seinem Unternehmen zugeordneten oder für sein Unternehmen bezogenen Elektrofahrzeug jährlich oder für mehrere Jahre gegen eine Vergütung an einen Ankäufer, handelt es sich dabei um einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit des Unternehmers.
Hinweis:
Zur ertragsteuerlichen Sicht hatte die FinVerw bereits mitgeteilt, dass die entgeltliche Veräußerung einer THG-Quote betreffend eines Privatfahrzeugs steuerlich nicht erfasst wird.
5 Erbschaftsteuerbefreiung bei verzögertem Einzug in ein Familienheim
Steuerfrei ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück durch Kinder, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (sog. Familienheim). Begrenzt ist die Steuerbefreiung auf eine Wohnfläche bis zu 200 m². Materiell kann diese Steuerbefreiung sehr bedeutsam sein. In der Praxis kommt es nun nicht selten zum Streit über die Gewährung dieser Steuerbefreiung, wenn die Selbstnutzung durch den Erben erst zeitlich verzögert erfolgt. Insoweit konkretisiert der BFH nun mit Entscheidung v. 16.3.2022 (Az. II R 6/21) weiter seine bisherige Rechtsprechung.
Im Urteilsfall war die Stpfl. Alleinerbin der im Juli 2016 verstorbenen Erblasserin. Zum Nachlass gehörte ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Die Gesamtwohnfläche des Zweifamilienhauses, bestehend aus Wohnung 1 und Wohnung 2, betrug 250 m². Die Wohnung 1 hatte die Erblasserin bis zu ihrem Tod selbst genutzt. Die Wohnung 2 war vermietet. Nach der Durchführung von Renovierungsarbeiten zogen die Tochter und ihr Ehemann Anfang 2018 in die Wohnung 1 ein. Strittig war nun, ob bzgl. der dann ab 2018 von der Tochter selbst genutzten Wohnung 1 die Steuerbefreiung genutzt werden kann. Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Selbstnutzung nicht unverzüglich erfolgt sei, da zwischen Tod der Erblasserin und Einzug eine Zeitspanne von mehr als sechs Monaten verstrichen sei. Die Stpfl. begründete diese Verzögerung mit umfangreichen Renovierungsarbeiten, welche sich u.a. auf Grund der hohen Auslastung der Handwerksbetriebe und einer eigenen Erkrankung in die Länge gestreckt hätten.
Der BFH lehnt diese restriktive Auffassung der FinVerw ab und stellt im Kern heraus:
- Erforderlich für den Erhalt der Steuerbefreiung ist, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn er sie nur als Lagerraum nutzt oder sich z.B. gelegentlich im Garten, auf dem Balkon, im Keller oder auf dem Dachboden aufhält. Der Begriff des Familienheims erfordert, dass der Erwerber dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat.
- Der Erwerber muss die Wohnung „unverzüglich”, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Erwerber in der Regel prüfen, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornehmen und den Umzug durchführen.
- Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer längeren Verzögerung des Einzugs führen (wie z.B. eine Renovierung der Wohnung), sind nur unter besonderen Voraussetzungen unschädlich. Das kann z.B. der Fall sein, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss.
- Es obliegt dem Erwerber, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs auf Grund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können.
- Ein Indiz für die unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung ist die zeitnahe Räumung bzw. Entrümpelung der erworbenen Wohnung.
Handlungsempfehlung:
Vorliegend muss nun das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang klären, ob es der Stpfl. nach den Gesamtumständen tatsächlich möglich war, den Arbeiten einen schnelleren Fortgang zu geben. In der Praxis ist in solchen Fällen sorgfältig zu dokumentieren, aus welchen Gründen sich der Einzug verzögert.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim rückwirkend entfällt, wenn die Kinder das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Insoweit ist die Aufgabe der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nur dann unschädlich, wenn sie aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert sind. Zweckmäßigkeitserwägungen allein reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe sein, wenn sie dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen.
Dies hat der BFH nun mit Urteil v. 1.12.2021 (Az. II R 18/20) nochmals klargestellt. Im Urteilsfall erbte die Stpfl. von ihrem Vater ein im Jahr 1951 erbautes Einfamilienhaus, in dem sie gemeinsam mit dem Vater wohnte und nach der Erbfolge zunächst weiterhin das Obergeschoss nutzte. Innerhalb der Zehnjahresfrist zog sie aus und das Haus wurde bereits am Folgetag abgerissen. Als Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung nannte die Stpfl. den außerordentlich schlechten Zustand des Gebäudes, das praktisch nicht mehr nutzbar gewesen sei, und ihren Gesundheitszustand; sie habe sich kaum mehr allein im Haus bewegen können und sei auch deshalb in eine nahegelegene angemietete Erdgeschosswohnung umgezogen. Das Gericht sah den schlechten Bauzustand nicht als zwingenden Grund an und die Erkrankung nur, wenn die nun noch zu erfolgende weitere Sachaufklärung ergibt, dass die Stpfl. deshalb in keiner Weise mehr in der Lage war, einen Haushalt in dem Familienheim zu führen.
Hinweis:
Dies gilt es zu bedenken und ggf. sollten die Gründe für den Wegfall der Selbstnutzung sorgfältig dokumentiert werden. Die Hürden für eine unschädliche Aufgabe der Selbstnutzung sind hoch.
6 Kindergeld: Abgrenzung der einheitlichen Erstausbildung von der berufsbegleitenden Zweitausbildung
Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht im Regelfall nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind allerdings nur dann berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind insoweit unschädlich.
Vor diesem Hintergrund ist der Fall zu sehen, über den der BFH nun zu entscheiden hatte. Beantragt wurde Kindergeld für die Tochter T. Diese begann nach der mit dem Abitur abgeschlossenen Schulausbildung im September 2017 eine dreijährige Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (duales Studium), die sie im August 2020 erfolgreich abschloss. Anschließend nahm sie eine Tätigkeit in der FinVerw auf, die sie zunächst in Vollzeit (40 Wochenstunden) und ab Dezember 2020 in Teilzeit (28 Wochenstunden, Montag bis Freitag jeweils von 06:00 Uhr bis 11:45 Uhr) ausübte. Im Oktober 2020 begann T ein Studium der Rechtswissenschaften. Die Familienkasse gewährte der Stpfl. bis einschließlich August 2020 Kindergeld. Eine weitergehende Kindergeldgewährung ab September 2020 lehnte die Familienkasse mit der Begründung ab, dass T bereits eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen habe und einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehe.
Der BFH bestätigt nun mit Entscheidung v. 7.4.2022 (Az. III R 22/21) die Ansicht der Finanzkasse. Im Kern geht es um die Abgrenzung einer einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung).
Insoweit ist eine einheitliche Erstausbildung nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen. Nach der Rechtsprechung kommt es bei dieser Prüfung insbesondere darauf an, auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat, in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen, ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend und muss stets auf den Einzelfall angewendet werden.
Für den Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass zu Recht die Auffassung vertreten worden sei, dass das Studium der Rechtswissenschaften gegenüber der anschließend aufgenommenen Erwerbstätigkeit in den Hintergrund trat. Hierfür sprachen folgende Punkte:
- Vorliegend hatte sich T nach der Erlangung ihres Abschlusses als Diplom-Finanzwirtin in einem längerfristigen Beschäftigungsverhältnis an die Landesfinanzverwaltung als Dienstherr gebunden. Dies geschah schon deshalb, weil T vermeiden wollte, eine Abstandszahlung von 30 000 € leisten zu müssen, die sich erst innerhalb einer Dienstzeit von fünf Jahren um jährlich ein Fünftel auf 0 € reduziert. Dieses Kriterium spricht daher für eine im Vordergrund stehende Berufsausübung.
- Auch habe T ihren Abschluss als Diplom-Finanzwirtin genutzt, um im erlernten Beruf zu arbeiten, was dafür spricht, dass die Berufsausübung im Vordergrund stand.
- Daneben hat T allenfalls gleichviel Zeit in das Studium und in die Erwerbstätigkeit investiert, wobei sich die Ausbildungszeiten nach den arbeitsfreien Zeiten gerichtet haben.
Handlungsempfehlung:
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Frage, ob eine schädliche Erwerbstätigkeit vorliegt, stets nur für den Einzelfall beurteilt werden kann. Somit sind zunächst eine genaue Aufklärung und Dokumentation des Sachverhalts erforderlich.
7 Der BFH bestätigt: Aufwendungen für sog. bürgerliche Kleidung sind nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar
Der BFH bestätigt mit Entscheidung v. 16.3.2022 (Az. VIII R 33/18), dass Aufwendungen für sog. bürgerliche Kleidung nicht als Betriebsausgaben (bzw. Werbungskosten) absetzbar sind, auch wenn die Kleidung nur aus beruflichen Anlässen getragen wird und durch die ständige berufliche Nutzung ein hoher Verschleiß eintritt. Aufwendungen für Kleidung sind vielmehr nur dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn es sich um „typische Berufsbekleidung” handelt, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann. Streitig waren bei einem selbständigen Trauerbegleiter und seiner bei ihm angestellten Ehefrau Aufwendungen für Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals und Schuhe. Soweit die ältere Rechtsprechung schwarze Anzüge und Hosen bei einem Leichenbestatter, einem Oberkellner oder einem katholischen Geistlichen als Werbungskosten anerkannt hat, bezeichnet der BFH diese Rechtsprechung als überholt.
Im Streitfall konnte allerdings nicht abschließend entschieden werden, ob die Aufwendungen für die Kleidung der angestellten Ehefrau als Arbeitslohn (Sachbezug) Betriebsausgaben sein können.
Hinweis:
Zu berücksichtigende typische Berufsbekleidung kann nur in engem Rahmen angenommen werden. Typische Berufskleidung umfasst nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen, oder durch dauerhaft angebrachte Firmenembleme oder durch ihre Schutzfunktion – wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen o.Ä. – folgt. Somit scheidet die Qualifizierung eines Kleidungsstücks als typische Berufskleidung immer dann aus, wenn die Benutzung – objektiv – als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt.
8 Grenzgänger Schweiz – Home-Office-Tage
Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz arbeiten – sog. Grenzgänger – haben ihre Steuern im Wohnsitzstaat (Deutschland) zu entrichten. Dem Grenzgänger wird durch den Arbeitgeber eine begrenzte Quellensteuer von 4,5 % vom Bruttolohn abgezogen. Der Steuerabzug darf allerdings nur dann auf 4,5 % begrenzt werden, wenn der Grenzgänger dem Arbeitgeber eine vom deutschen Wohnsitzfinanzamt ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung bzw. deren Verlängerung vorlegt. Diese Steuer wird in Deutschland nach Vorlage des Lohnausweises, der den Betrag der abgezogenen Quellensteuer angibt, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer angerechnet.
Insoweit ist allerdings die „60-Tage-Regelung” zu beachten: Wenn ein Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückkehren kann (Nichtrückkehrtage), wird die volle Quellensteuer einbehalten. Diese Einkünfte sind in Deutschland von der Steuer befreit, unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt.
Vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmende ihre Tätigkeit zunehmend auch an ihrem Wohnsitz ausüben möchten, haben die zuständigen Behörden Deutschlands und der Schweiz zur einheitlichen Anwendung und Auslegung dieser Grenzgängerregelung vereinbart, dass solche Home-Office-Tage nicht als Arbeitstage gelten, an welchen die Person nach Arbeitsende auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Diese Arbeitstage gelten somit nicht als „Nichtrückkehrtage” i.S.d. 60-Tage-Regelung.
Handlungsempfehlung:
Diese Tage sollten entsprechend aufgezeichnet werden.
9 Bewertung einer Unterkunft als Sachbezug bei Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit in einer Wohngemeinschaft
Der Wert einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Unterkunft ist in der Sachbezugsverordnung festgelegt. Der Wert der Unterkunft nach dieser Vorschrift vermindert sich bei der Belegung mit zwei Beschäftigten um 40 %. Der BFH stellt nun mit Beschluss v. 12.5.2022 (Az. VI B 73/21) klar, dass diese Verminderung des Sachbezugs voraussetzt, dass das zur Verfügung gestellte Zimmer (die Unterkunft) mit zwei Beschäftigten belegt ist, es dagegen nicht ausreichend ist, wenn dem Arbeitgeber ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zur Verfügung gestellt wird.
Nach der Leitvorstellung des Verordnungsgebers liegt dem Sachbezugswert für freie Unterkunft der Preis für das Zimmer eines Untermieters zu Grunde. Zu einer Minderung des Werts der Unterkunft („Belegung mit zwei Beschäftigten”) berechtigt daher der Tatbestand des Zusammenlebens in einer Wohngemeinschaft nicht, wenn nicht auch das zur Verfügung gestellte Zimmer (die Unterkunft) mit zwei Beschäftigten belegt ist.
Handlungsempfehlung:
Bei der Lohnabrechnung sind insoweit also die Verhältnisse der zur Verfügung gestellten Unterkunft festzustellen und zu dokumentieren.
10 Betriebsstättenbegriff des Reisekostenrechts bei einem Gewerbetreibenden oder Freiberufler
Auch bei Gewerbetreibenden bzw. Freiberuflern sind Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur mittels der Entfernungspauschale anzusetzen und nicht nach (den günstigeren) Regelungen des Reisekostenrechts. Zum insoweit maßgeblichen Begriff der „Betriebsstätte” hat sich nun der BFH mit Entscheidung v. 16.2.2022 (Az. X R 14/19) geäußert.
Der Stpfl. betrieb im Ort R ein Abbruch- und Reinigungsunternehmen als Einzelunternehmen. Bei der Geschäftsadresse handelte es sich um den Betrieb seines Vaters. Die Wohnung des Stpfl. war ebenfalls in R, allerdings unter einer anderen Anschrift. Bei seiner einzigen Kundin im Ort E führt der Stpfl. Arbeiten aus. Da ein relevanter Teil der Fahrten von der Wohnung mit dem betrieblichen Pkw durchgeführt wurde, musste entschieden werden, ob bei der Kundin in E eine Betriebsstätte anzunehmen war.
Insoweit hat das Gericht entschieden:
- Zum bis 2013 geltenden Reisekostenrecht: Insoweit gilt nach der bisherigen Rechtsprechung, dass bei einem in Form eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort als Betriebsstätte anzusehen ist, an dem er die „geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers.” Dies bestätigt das Gericht auch für den Urteilsfall und führt auch aus, dass der Betriebsort R nicht nachhaltig zur Ausübung der Tätigkeit aufgesucht wurde, der Betrieb der (einzigen) Kundin hingegen nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeit aufgesucht wurde. Im Übrigen könne auch ein Unternehmer mit eigener Betriebsstätte eine weitere (zweite) Betriebsstätte bei seinem Auftraggeber haben.
- Zum seit 2014 und auch noch aktuell geltenden Reisekostenrecht: Insoweit kommt der BFH zu keiner abweichenden Beurteilung. Letztlich brauchte das Gericht aber nicht zu entscheiden, welche Bedeutung insoweit dem gesetzlich neu eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte” zukommt. Vorliegend war jedenfalls bei der Tätigkeit am Betriebssitz des Auftraggebers von einer dauerhaften Zuordnung auszugehen.
Hinweis:
Für das aktuell geltende Reisekostenrecht ist die Situation daher nicht abschließend geklärt.
11 Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens – Veräußerung im Umlegungsverfahren
Der BFH hatte über einen nicht selten anzutreffenden Fall zu entscheiden. In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob Grundstücksveräußerungen der Besteuerung unterliegen.
Im Kern stellt der BFH mit Urteil v. 12.4.2022 (Az. VI R 22/20) fest,
- dass allein der Umstand, dass eine neben die Verpachtung von dem Privatvermögen zuzuordnenden Ackerflächen durch eine Eigentümergemeinschaft tretende Verpachtung weiterer Flächen durch eine personenidentische GbR mit landwirtschaftlichem Betriebsvermögen an denselben Pächter (Pächteridentität), nicht dazu führt, dass der land- und forstwirtschaftliche Betrieb (automatisch) um die aus dem Privatvermögen verpachteten Flächen erweitert wird.
- Weiterhin wird festgestellt, dass wenn Grundstücke im Umlegungsverfahren (auch) gegen Geldleistung getauscht werden, insofern ein Verkaufsgeschäft vorliegt. Allerdings ist dieses Verkaufsgeschäft wiederum nur insoweit steuerpflichtig, als die in das Umlegungsverfahren eingeworfenen Grundstücke zu einem Betriebsvermögen rechnen oder im Rahmen des Privatvermögens steuerlich verstrickt sind, also die zehnjährige Haltefrist noch nicht abgelaufen ist.
Der Urteilsfall lässt sich auf folgenden Kern reduzieren:
- Im Jahr 2000 schenkten die Eltern ihren drei Söhnen die Ackerflächen Flurstücke 2 und 3, welche die Eltern zuvor aus ihrem Betriebsvermögen entnommen hatten. Die aus den Söhnen bestehende Eigentümergemeinschaft verpachtete diese Flächen seit dem Jahr 2000 an den Pächter P.
- Im Jahr 2011 wurde durch die Mutter ein landwirtschaftlicher Verpachtungsbetrieb, der u.a. ein Flurstück 1 umfasste, auf die drei Söhne als Gesellschafter einer GbR übertragen. Die in der GbR gehaltenen Flächen wurden an denselben Pächter überlassen wie jene durch die personenidentische Eigentümergemeinschaft, welche bereits elf Jahre zuvor entstanden war.
- Die Ackerlandflurstücke 3, 2 sowie 1 wurden in ein baurechtliches Umlegungsverfahren eingeworfen. Die Söhne erhielten im Zuge der Umlegung hierfür im Jahr 2012 eine Landabfindung sowie eine Barabfindung i.H.v. rd. 150 000 €. Zwei Jahre später veräußerten die Söhne sodann einen Teil der im Umlegungsverfahren zugeteilten Grundstücke.
Strittig war nun die Frage, in welchem Umfang der im Jahr 2014 erfolgte Grundstücksverkauf der Einkommensteuer zu unterwerfen war.
Zunächst war die Frage zu klären, in welchem Umfang die Grundstücke als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen steuerlich zu erfassen waren. Insoweit differenziert der BFH:
- Besteht ein landwirtschaftlicher Verpachtungsbetrieb und werden sodann mit dem Ziel der Nutzung durch den nämlichen Pächter Grundstücke hinzuerworben, rechnen diese hinzuerworbenen Grundstücke zwangsläufig zum Betriebsvermögen.
- Erfolgt demgegenüber zunächst eine Verpachtung aus dem Privatvermögen und kommt später – im Wege der Schenkung oder von Todes wegen – ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen hinzu, so führt dies nicht zu einer geänderten Einstufung der bereits vorhandenen verpachteten Flächen.
Auf den vorliegenden Fall übertragen wurden die seit dem Jahr 2000 verpachteten Flächen also weiter dem steuerlichen Privatvermögen zugeordnet.
In dem im Streitfall vorliegenden Umlegungsverfahren konnten nun die zugeteilten Grundstücke den in das Verfahren eingeworfenen Grundstücken nicht individuell zugeordnet werden. Vielmehr erhielten die drei Söhne für die in das Umlegungsverfahren eingeworfenen Acker-Flurstücke 1, 2 und 3 eine Landabfindung im Umfang von 13 Bauplätzen an anderer Stelle und einen Barausgleich von ca. 150 000 €. Für diesen Fall entschied das Gericht:
- Im Grundsatz kann ein Grundstück nur entweder dem Privatvermögen oder aber dem Betriebsvermögen zugeordnet werden. Es gilt also der sog. Einheitlichkeitsgrundsatz. Dies stellt sich aber als Folge der Grundstückszuteilung im Umlegungsverfahren anders dar, wenn die zugeteilten Grundstücke den eingeworfenen Grundstücken nicht individuell zugeordnet werden können. Im Zuge des Umlegungsverfahrens wurde ein Geldausgleich i.H.v. 150 000 € erlangt, der nach Maßgabe der zugehörigen Flächen- bzw. Wertanteile der eingeworfenen Grundstücke zu 54,31 % auf das Betriebsvermögen entfiel. Die im Tauschwege erhaltenen Bauplätze waren damit anteilig zu 54,31 % als Surrogate des in das Umlegungsverfahren eingebrachten Betriebsgrundstücks an dessen Stelle im Betriebsvermögen zu erfassen. Werden sodann die Surrogatsgrundstücke veräußert, führt dies im Umfang ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen i.H.v. 54,31 % zu weiteren Veräußerungsgewinnen.
- Im Übrigen – also zu 45,69 % – waren die Surrogatsgrundstücke dem steuerlichen Privatvermögen zuzuordnen. Insofern lag im Entscheidungsverfahren keine steuerlich relevante Veräußerung vor, da die Zehnjahres-Haltefrist bereits abgelaufen war.
Handlungsempfehlung:
Im Übrigen war vorliegend auch unklar, ob möglicherweise in früheren Jahren bereits eine Aufgabe des Verpachtungsbetriebes vorgelegen hat. Dies wurde vorliegend – anders als in anderen Entscheidungsfällen – verneint. Jedenfalls lag hier keine eindeutige Entnahmehandlung bzgl. der Betriebsgrundstücke bzw. Betriebsaufgabe vor.
Dies verdeutlicht, dass eine sorgfältige Dokumentation erforderlich ist. Dies gilt insbes. auch für die Frage, welche Grundstücksflächen dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zugeordnet werden und welche im steuerlichen Privatvermögen verortet sind.
12 Kosten für die Anmietung von Messestandfläche führt regelmäßig nicht zu einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung
Im Streitfall ging es um ein Produktionsunternehmen. Dieses hatte keinen Direktvertrieb, sondern verkaufte die Produkte durch ein stehendes Händlernetz. In den Streitjahren 2009 bis 2011 mietete die Stpfl. wiederholt auf bestimmten turnusmäßig stattfindenden Messen Ausstellungsflächen und Räumlichkeiten an, um ihre Produkte dort zu präsentieren. Das Finanzamt war nun der Ansicht, dass diese Kosten für die Anmietung der Messestandflächen bei der Gewerbesteuer zu einer Hinzurechnung („Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen”) führen würden.
Diese Ansicht der FinVerw hat nun der BFH mit Entscheidung v. 23.3.2022 (Az. III R 14/21) verworfen. Vielmehr käme nur dann eine solche Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer in Betracht, wenn die Messestandfläche bei unterstelltem Eigentum des ausstellenden Unternehmens zu dessen Anlagevermögen gehören würde. Zur Zugehörigkeit zum Anlagevermögen kommt es darauf an, ob der Geschäftszweck des betreffenden Unternehmens und auch die speziellen betrieblichen Verhältnisse (z.B. Bedeutung der Messepräsenz innerhalb des von dem Unternehmen praktizierten Vertriebssystems) das dauerhafte Vorhandensein einer entsprechenden Messestandfläche erfordert.
Im Streitfall war dies nicht der Fall. Vorliegend hat das Produktionsunternehmen die hergestellten Produkte nicht unmittelbar an die Endabnehmer verkauft, sondern diese durch ein stehendes Händlernetz indirekt vertrieben. Der Unternehmensgegenstand erforderte daher keine zwingende Messeteilnahme. Vielmehr war es die freie Entscheidung der Stpfl., jedes Jahr neu darüber zu befinden, ob und an welchen Messen sie teilnehmen wollte oder nicht. So hat das FG der Messeteilnahme auf Grund der Vertriebsstrukturen, der ebenfalls auf den Messen anwesenden Vertriebspartner und der bestehenden anderweitigen Werbemöglichkeiten gerade keine maßgebliche Bedeutung für den Geschäftserfolg der Stpfl. beigemessen.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass die nicht selten überschießende Anwendung der Hinzurechnungsvorschriften durch die FinVerw in der Praxis sorgfältig zu überprüfen ist und ggf. hiergegen vorgegangen werden sollte.
13 Gewerbesteuerrechtliche Nichterfassung des Veräußerungsgewinns einer GmbH & Co. KG anlässlich des Übergangs zu einer neuen Tätigkeit
Gewinne, die der Beendigung der werbenden Tätigkeit zuzuordnen sind, gehören bei natürlichen Personen und Personengesellschaften nicht zum Gewerbeertrag und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer. Dies gilt auch dann, wenn eine Personengesellschaft ihre aktive Tätigkeit insgesamt veräußert und zu einer anderen Tätigkeit übergeht. Der dann erzielte Veräußerungsgewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer.
Über einen solchen Fall hatte nun der BFH zu entscheiden und hat dabei seine bisherige Rechtsprechung in einem wichtigen Detail geändert. Stark vereinfacht stellte sich der Urteilssachverhalt wie folgt dar: Streitig war, ob der im Jahr 2000 von einer GmbH & Co. KG aber erzielte Veräußerungsgewinn der Gewerbesteuer unterliegt. Die GmbH & Co. KG ging einer umfangreichen gewerblichen Tätigkeit nach. Im Jahr 2000 verkaufte die GmbH & Co. KG im Rahmen eines Asset Deals sämtliche der gewerblichen Tätigkeit dienenden Wirtschaftsgüter unter Übertragung der Arbeits-, Miet- und Leasingverträge sowie der Warenbestände, Forderungen und Verbindlichkeiten an ein anderes Unternehmen, das den Geschäftsbetrieb der Stpfl. weiterführte. Letztlich behielt die GmbH & Co. KG eine Beteiligung zurück, aus der allerdings nur ein sehr geringer Beteiligungsertrag erwirtschaftet wurde. Auch die Komplementär-GmbH behielt eine eher unbedeutende Beteiligung zurück.
Nach dem Verkauf ihres Unternehmens beschränkte sich die Stpfl. auf das Halten der zwei Beteiligungen. Trotz der rein vermögensverwaltenden Tätigkeit erzielte sie als gewerblich geprägte Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte.
Das Finanzamt – und diesem folgend auch das Finanzgericht – wollte den Veräußerungsgewinn nun der Gewerbesteuer unterwerfen, da zwei Beteiligungen der bisherigen Tätigkeit zurückbehalten wurden und nun im Rahmen der vermögensverwaltenden Tätigkeit zum Einsatz kamen und die Stpfl. daher nicht alle stillen Reserven aufgedeckt habe. Dem widersprach der BFH mit Urteil v. 10.2.2022 (Az. IV R 6/19). Das Gericht stellt vielmehr heraus, dass
- die Beurteilung, ob der anlässlich des Übergangs zu einer neuen Tätigkeit erzielte Veräußerungsgewinn einer GmbH & Co. KG der Gewerbesteuer unterliegt, sich danach richtet, ob der „bisherige” und der „neue” Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch sind.
- Dabei gilt in Änderung der Rechtsprechung, dass die Überführung einer wesentlichen Betriebsgrundlage in den „neuen” Betrieb der Einstellung des „bisherigen” Betriebs nicht entgegensteht. Der Gewinn aus der Veräußerung des bisher originär gewerblichen Geschäftsbereichs einer GmbH & Co. KG ist daher nicht bereits dann dem Gewerbeertrag zuzuordnen, wenn eine wesentliche Betriebsgrundlage in dem neuen vermögensverwaltenden Geschäftsbereich der nunmehr gewerblich geprägten Personengesellschaft fortgeführt wird.
Hinweis:
Für die gewerbesteuerrechtliche Nichterfassung von Veräußerungsgewinnen kommt es anders als im Bereich der Einkommensteuer nicht notwendigerweise darauf an, dass alle stillen Reserven aufgedeckt werden. Die Nichtberücksichtigung dieser Gewinne hat ihren Grund darin, dass die Gewerbesteuer nur den durch den laufenden Betrieb anfallenden Gewinn erfasst. Veräußerungsgewinne sind daher selbst für den Fall, dass einkommensteuerrechtlich keine begünstigte Veräußerung oder Aufgabe gegeben ist, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auszuscheiden, wenn die Veräußerung zu einer endgültigen Einstellung der gewerblichen Betätigung des Veräußerers führt.
Handlungsempfehlung:
Auch wenn – zumindest bei natürlichen Personen als Mitunternehmer – die Belastung mit GewSt ganz weitgehend über die Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer wieder ausgeglichen wird, kann diese Frage eine ganz erhebliche materielle Bedeutung erlangen. Insoweit ist der Einzelfall sehr sorgfältig zu betrachten und rechtzeitig sollte steuerlicher Rat eingeholt werden.
14 Keine erweiterte Grundstückskürzung im Fall einer Betriebsverpachtung
Auf Antrag kann bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, bei der Ermittlung der Gewerbesteuer die sog. erweiterte Kürzung gewährt werden, also die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Damit kann im Ergebnis erreicht werden, dass im günstigsten Fall keine Gewerbesteuer anfällt. Allerdings sind an die Gewährung der erweiterten Grundstückskürzung sehr strenge Bedingungen geknüpft: Unter den Begriff Verwaltung und Nutzung von Grundvermögen fällt außer der Verwendung für den eigenen Bedarf im Allgemeinen die Vermietung und Verpachtung. Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den im Gesetz abschließend aufgezählten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt die erweiterte Kürzung aus.
Insoweit hat das FG Düsseldorf nun mit Urteil v. 22.6.2022 (Az. 2 K 2599/18 G) entschieden, dass
- im Fall einer Betriebsverpachtung die erweiterte Kürzung nicht zu gewähren ist und
- die alleinige Vermietung eines Betriebsgrundstücks eine Betriebsverpachtung sein kann, wenn das Betriebsgrundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage der bisherigen gewerblichen Tätigkeit darstellt.
Das Urteil betrifft einen sehr praxisrelevanten Fall. Im Urteilsfall begehrte eine GmbH & Co. KG die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer. Der Sachverhalt stellte sich folgendermaßen dar:
- Bis Ende 1987 betrieb die Stpfl. ein Autohaus in eigenen Räumlichkeiten. Das Gebäude hatte sie auf einem Grundstück, das im Eigentum ihrer Gesellschafter (den Eheleuten A und B) stand, selbst errichtet. Ein Teil des Gebäudes nutzte die Stpfl. für ihr Autohaus, einen Teil der Immobilie vermietete sie an Dritte.
- Im November 1987 schlossen die Stpfl. und die Eheleute A und B einen Vertrag mit dem Unternehmen D. Sie vereinbarten, dass D sämtliche Warenbestände, das bewegliche Anlagevermögen und Betriebsvorrichtungen des Autohauses mit Wirkung zum 1.1.1988 erwarb. Der Teil der Immobilie, der bisher für das Autohaus genutzt worden war, wurde ab dem 1.1.1988 an D vermietet. Seit dem Jahr 1988 betreibt D in den angemieteten Räumen ein Autohaus.
Das Finanzamt und dem nun folgend auch das FG Düsseldorf lehnten die Anwendung der erweiterten Grundstückskürzung ab. Vorliegend habe die GmbH & Co. KG eine originäre gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, indem sie D einen Betrieb verpachtet hat. Eine Nutzung von Grundbesitz im Rahmen einer Betriebsverpachtung stelle grundsätzlich keine begünstigte Vermögensverwaltung dar und schließe damit die erweiterte Grundstückskürzung aus.
Entscheidend war der Umstand, dass vorliegend in der Verpachtung der Immobilie eine Betriebsverpachtung zu sehen war. Eine Betriebsverpachtung liegt vor, wenn ein Gewerbetreibender entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet und der Stpfl. gegenüber den Finanzbehörden nicht (klar und eindeutig) die Aufgabe des Betriebs erklärt. Gegenüber der Finanzbehörde wurde unstrittig eine Aufgabeerklärung nicht abgegeben. Im Übrigen stand der Stpfl. vorliegend das sog. Verpächterwahlrecht auch gar nicht zu. Grundsätzlich kann bei einer Betriebsverpachtung der Stpfl. entscheiden, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe behandeln und damit unter Aufdeckung der stillen Reserven die verbliebenen Wirtschaftsgüter in sein Privatvermögen überführen oder ob und wie lange er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will. Da vorliegend eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG betroffen war und diese auch bei einer rein vermögensverwaltenden Tätigkeit stets steuerliches Betriebsvermögen hat, steht dieser das Verpächterwahlrecht gar nicht zu.
Zudem lag eine Betriebsverpachtung vor, da der für das Autohaus genutzte Teil des bebauten Grundstücks die einzige wesentliche Betriebsgrundlage des Autohauses war. Eine Betriebsverpachtung liegt auch dann vor, wenn nur ein Betriebsgrundstück, ggf. i.V.m. Betriebsvorrichtungen, verpachtet wird, wenn das Grundstück die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Dies ist bei einem Einzelhandelsbetrieb regelmäßig der Fall, wenn dem Betriebsgrundstück durch seine Lage, den hierdurch bedingten örtlichen Wirkungskreis und den dadurch wiederum bestimmten Kundenkreis im Verhältnis zu den übrigen Wirtschaftsgütern besondere Bedeutung zukommt. Bei Einzelhandelsunternehmen bilden die gewerblich genutzten Räume – anders als bei einem produzierenden Gewerbe – den wesentlichen Betriebsgegenstand, welcher dem Unternehmen das Gepräge gibt und dem Verpächter die Möglichkeit eröffnet, den vorübergehend in eigener Regie eingestellten Betrieb nach Beendigung des Pachtverhältnisses wieder aufzunehmen und fortzuführen.
Demgegenüber gehören bei Einzelhandelsbetrieben das jederzeit wieder zu beschaffende Inventar und andere Gegenstände des Anlagevermögens sowie Warenbestände nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Diese Grundsätze sind auch auf den Betrieb eines Autohauses anzuwenden.
Weiterhin hat das FG in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Konzession ebenfalls nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Autohauses gehöre. Eine Betriebsverpachtung setze nicht voraus, dass der Stpfl. den identischen Betrieb fortführen könne. Ausreichend sei z.B. die Eröffnung eines Autohauses einer anderen Marke oder eines freien Autohauses. Der Verlust des bisherigen Kundenstamms, der Lieferantenbeziehungen und des Geschäftswerts sei insofern ohne Belang.
Handlungsempfehlung:
Dieser Fall verdeutlicht, dass solche grundlegenden Strukturentscheidungen eines Unternehmens stets einer steuerlichen Beratung bedürfen.
15 Nutzungsersatz bei Rückabwicklung eines Darlehens nach Auffassung der FinVerw als Kapitaleinkünfte steuerlich zu erfassen
In den vergangenen Jahren nutzten viele Darlehensnehmer die Chance, ihren Darlehensvertrag auf Grund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu widerrufen, um in einen Vertrag mit niedrigeren Zinsen zu wechseln oder eine Restschuld ohne Vorfälligkeitsentschädigung in einem Betrag tilgen zu können. Durch den Widerruf wurde der Darlehensvertrag rückabgewickelt, d.h. die Bank erhielt den Darlehensbetrag zurück, der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsraten. Daneben musste der Darlehensnehmer einen Wertersatz für das erhaltene Darlehen zahlen. In bestimmten Fällen schuldete die Bank zudem die Herausgabe von Nutzungsersatz, da die Bank mit den erhaltenen Raten wirtschaften konnte.
Die FinVerw bekräftigt nun mit Mitteilung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 2.6.2022 nochmals, dass nach ihrer Auffassung ein solcher Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich zu erfassen ist. Die Finanzrechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Teilweise werden steuerlich nicht relevante Zahlungen gesehen. Eine Klärung durch den BFH steht noch aus.
Handlungsempfehlung:
Zu empfehlen ist, solche Sachverhalte gegenüber der FinVerw offenzulegen und gegen eine Erfassung als Kapitaleinkünfte Einspruch einzulegen. Ein solcher Einspruch kann im Hinblick auf aktuell beim BFH anhängige Revisionsverfahren ruhend gestellt werden.
16 Wohnriester: „unmittelbare” Verwendung des geförderten Kapitals in Fällen der Darlehenstilgung
Die Riester-Rente ist eine staatlich geförderte Form der Altersvorsorge. Eine besondere Variante ist der Wohn-Riester, welche seit 2008 in die Finanzierung der selbstgenutzten Immobilie eingebunden werden kann. Nach den gesetzlichen Vorgaben kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und geförderte Kapital unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar
- für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder
- zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden.
Streitig war nun, ob das Merkmal der Unmittelbarkeit auch auf die Variante der Tilgung eines ungeförderten Wohnbaudarlehens anzuwenden ist. Der BFH hat dies mit Entscheidung v. 16.2.2022 (Az. X R 26/20) bejaht. Dies gehe zwar nicht eindeutig aus dem Gesetz hervor, jedoch gebiete insbes. der Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber angeordneten Förderunschädlichkeit der Verwendung von Altersvorsorgekapital für bestimmte Darlehenstilgungen, dass nicht nur in Anschaffungs- und Herstellungsfällen, sondern auch im Fall der Tilgung von Anschaffungs- oder Herstellungsdarlehen das geförderte Kapital „unmittelbar” für den jeweils begünstigten wohnungswirtschaftlichen Zweck verwendet wird.
Im Urteilsfall beantragte die Stpfl. bei der Deutsche Rentenversicherung Bund – Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA), für in den Jahren 2015 bis 2017 beabsichtigte Sondertilgungen eines für die Anschaffung einer Wohnung aufgenommenen Darlehens aus ihrem zertifizierten Altersvorsorgevertrag einen Betrag von insgesamt 10 350 € verwenden zu dürfen. Entsprechend dem beigefügten Darlehensvertrag war jährlich eine Sondertilgung i.H.v. 5 % der ursprünglichen Darlehenssumme von 69 000 € möglich.
Durch Gestattungsbescheid vom 15.6.2015 teilte die ZfA der Stpfl. mit, sie könne einen Betrag bis zu einer Höhe von 10 350 € aus ihrem Altersvorsorgevertrag für Sondertilgungen für die Jahre 2015 bis 2017 verwenden. In diesem Bescheid wies die ZfA zudem darauf hin, dass der Entnahmevorgang und die wohnungswirtschaftliche Verwendung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erfolgen müssten. Dieser sei gewahrt, wenn die beabsichtigte Darlehenstilgung innerhalb von zwölf Monaten nach der ggf. ersten Kapitalauszahlung vorgenommen würde. Die Anbieterin zahlte das Kapital aus dem Altersvorsorgevertrag am 9.7.2015 an die Stpfl. aus. Diese leistete am 14.7.2015 für 2015, am 3.2.2016 für 2016 und am 12.6.2017 für 2017 jeweils eine Sondertilgung i.H.v. 3 450 €.
Der BFH bestätigt nun, dass die Darlehenstilgung für 2017 nicht mehr zeitnah – d.h. unmittelbar – erfolgte und insoweit eine schädliche Verwendung vorliege. Es standen hier auch die Grundsätze von Treu und Glauben der Rückforderung der Zulagen nicht entgegen. Im Gestattungsbescheid der ZfA wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Entnahme in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Gestattung zu erfolgen habe. Es ergebe sich daher kein schützenswertes Vertrauen der Zulageberechtigten in Bezug auf eine erst nach diesem relevanten Zeitraum von zwölf Monaten erfolgende Darlehenstilgung, selbst dann, wenn der ZfA auf Grund der entsprechenden Unterlagen bekannt sein musste, dass die geplante Darlehenstilgung in mehreren Raten so erfolgen sollte, dass diese teilweise außerhalb des von ihr genannten Zeitraums lag.
Handlungsempfehlung:
Soll eine Darlehenstilgung aus einem Wohnriesterkonto erfolgen, so bedarf dies eines Antrags auf Entnahme bei der ZfA („Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen” bei der Deutsche Rentenversicherung). Diese prüft das Vorliegen der Voraussetzungen und erteilt bei positivem Ausgang der Prüfung einen Entnahmebescheid. Wird eine Teilauszahlung aus einem Wohnriesterkonto beantragt, so muss der Betrag mind. 3 000 € betragen.
Hinweis:
Im Übrigen hat der BFH mit Urteil v. 16.2.2022 (Az. X R 20/20) entschieden, dass reine Zinszahlungen nicht als „Tilgung eines Darlehens” als begünstigte Verwendung eines Wohnriesterkontos anzusehen sind. Vielmehr kann insoweit das Wohnriesterkonto nur für Tilgungsleistungen verwendet werden. Neben diesen (reinen) Zinszahlungen sind auch Sparleistungen für Bausparverträge keine Tilgungen i.S. dieser Norm. Nur im Zusammenhang mit speziellen Altersvorsorgeverträgen (etwa sog. Riester-Bausparverträge) werden Sparleistungen als Tilgungsleistungen fingiert.
17 Umsatzsteuer bei Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem selbstgenutzten Einfamilienhaus
Aktuell errichten viele Immobilienbesitzer auf dem selbst genutzten Eigenheim eine Photovoltaikanlage. Üblicherweise wird der Strom soweit wie möglich selbst genutzt und im Übrigen in das allgemeine Stromnetz gegen Entgelt nach dem EEG eingespeist. Im Folgenden gehen wir auf die umsatzsteuerlichen Aspekte einer solchen Tätigkeit ein. Insoweit können sich steuerliche Pflichten ergeben, andererseits aber auch steuerliche Vorteile, die es zu nutzen gilt.
In einem ersten Schritt ist die Frage zu beantworten, ob mit dem Betrieb einer Photovoltaikanlage eine unternehmerische Tätigkeit begründet wird. Als solche gilt eine selbständig ausgeübte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, wobei als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gilt. Einer Gewinnerzielungsabsicht wie im Ertragsteuerrecht bedarf es für umsatzsteuerliche Zwecke dabei nicht. Dies führt dazu, dass der Erwerber/Betreiber einer Photovoltaikanlage umsatzsteuerlich als Unternehmer anzusehen ist, soweit dieser den erzeugten Strom ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich in das allgemeine Stromnetz einspeist. Auf die Höhe der erzielten Einnahmen und die Leistung der Anlage kommt es dabei nicht an.
Hinweis:
Die Aufnahme der Tätigkeit ist dem Finanzamt anzuzeigen, und zwar innerhalb eines Monats. Hierfür existiert ein spezielles Formular („Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für Einzelunternehmen”). Zusätzlich werden länderspezifische spezielle Fragebögen angefordert, so bspw. in Bayern: „Fragebogen zur Errichtung und zum Betrieb einer Photovoltaikanlage mit Inbetriebnahme ab 01. April 2012”.
Allerdings kann ggf. von der sog. Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht werden. Danach wird Umsatzsteuer auf Antrag nicht erhoben, wenn die Umsätze im Gründungsjahr nicht mehr als 22 000 € betragen und im Folgejahr 50 000 € voraussichtlich nicht übersteigen werden. Wurde die unternehmerische Tätigkeit nur während eines Teils des Kalenderjahres ausgeübt, ist der tatsächliche Umsatz in einen Jahresumsatz umzurechnen.
Hinweis:
Insoweit sind allerdings alle umsatzsteuerlich relevanten Tätigkeiten des Anlagenbetreibers zusammenzurechnen. Ist also bspw. der Anlagenbetreiber auch als selbständiger Rechtsanwalt tätig, so kann von der Kleinunternehmerregelung nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die genannten Grenzen über beide Tätigkeiten zusammen eingehalten werden.
Liegen die Umsätze innerhalb der Kleinunternehmergrenzen, so besteht folgendes Wahlrecht:
- Nutzung der Kleinunternehmerregelung: Wird von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht, so bestehen keine umsatzsteuerlichen Pflichten bspw. zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen oder der Umsatzsteuererklärung. Die Stromlieferung an den Netzbetreiber (Einspeisung in das allg. Stromnetz) erfolgt dann ohne Umsatzsteuerausweis. Allerdings kann bei Anwendung der Kleinunternehmerregelung keine Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen für den Erwerb oder den laufenden Kosten der Anlage vom Finanzamt erstattet werden.
- Option zur Umsatzsteuer: Der Stpfl. kann aber auch zur Umsatzsteuer optieren, also nicht von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen. Dies ist regelmäßig sinnvoll, da dann die Vorsteuer aus dem Erwerb der Anlage vom Finanzamt erstattet wird und nur der Nettobetrag finanziert werden muss. Andererseits müssen dann auch die umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllt werden.
Hinweis:
Liegen die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung vor, optiert der Unternehmer aber zur Regelbesteuerung, um den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Anlage geltend zu machen, so ist er hieran für mindestens fünf Jahre gebunden.
Ausgeübt wird die Option zur Umsatzsteuer im Regelfall mit der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. der Umsatzsteuererklärung.
Optiert der Stpfl. zur Umsatzsteuer bzw. liegen die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung nicht vor, so ergeben sich folgende umsatzsteuerliche Pflichten gegenüber dem Finanzamt:
- Abzugeben sind Umsatzsteuervoranmeldungen. Wird mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage eine Unternehmereigenschaft begründet, so müssen Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr der Aufnahme der Tätigkeit und im Folgejahr in der Regel monatlich abgegeben werden. In der Umsatzsteuervoranmeldung errechnet der Unternehmer die zu entrichtende Steuer. Als Abgabe und Zahlfrist gilt regelmäßig der zehnte Tag des Folgemonats. Es kann eine Dauerfristverlängerung beantragt werden, was die jeweiligen Fristen um einen Monat verlängert.
- Die FinVerw kann als Voranmeldungszeitraum auch das Kalendervierteljahr festsetzen, sofern die voraussichtliche Jahressteuer nicht mehr als 7 500 € beträgt.
- Ab dem dritten Jahr kann bei kleineren Photovoltaikanlagen ganz auf die Abgabe von laufenden Voranmeldungen verzichtet werden, wenn die Umsatzsteuerzahllast aus dem Vorjahr nicht mehr als 1 000 € beträgt.
- Nach Ablauf des Kalenderjahres ist stets eine Umsatzsteuererklärung abzugeben, in der die Umsatzsteuer für das gesamte Jahr erklärt wird. Die mit den Voranmeldungen entrichteten Umsatzsteuervorauszahlungen werden insoweit angerechnet. Die Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung ist grds. der 31.7. des Folgejahres (aktuell gelten wegen der Corona-Pandemie allerdings noch verlängerte Fristen).
Insbesondere für den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Photovoltaikanlage ist die Zuordnung der Anlage zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen von Bedeutung. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug setzt eine unternehmerische Mindestnutzung von 10 % voraus. Im Regelfall wird die Anlage sowohl
- unternehmerisch genutzt, nämlich insoweit, als der Strom in das allgemeine Stromnetz eingespeist wird und
- unternehmensfremd genutzt, nämlich soweit der Strom im Privathaushalt selbst genutzt wird.
Hinweis:
Im Einzelfall kann sich dies natürlich auch anders darstellen. So kann der Strom ggf. vollständig in einem gewerblichen Unternehmen des Betreibers genutzt werden oder an Mieter einer eigenen Vermietungsimmobilie abgegeben werden.
Im Falle der teilweise unternehmerischen (Stromeinspeisung in das allg. Netz) und teilweise unternehmensfremden Nutzung (Eigenverbrauch) kann die Zuordnung der Anlage – soweit eine mindestens 10 %ige unternehmerische Nutzung erfolgt, was im Regelfall aber gegeben ist – für umsatzsteuerliche Zwecke wahlweise
- in vollem Umfang zum Unternehmen;
- in vollem Umfang zum nichtunternehmerischen Bereich und
- im Umfang der voraussichtlichen unternehmerischen Verwendung dem Unternehmen zugeordnet werden.
Diese Entscheidung ist insbesondere maßgebend für den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Anlage. In der Regel wird eine vollständige Zuordnung zum Unternehmen gewählt, um den vollständigen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen zu können.
18 Abziehbarkeit von Gebühren für eine verbindliche Auskunft
§ 89 AO enthält die gesetzliche Grundlage für die Erteilung einer sog. verbindlichen Auskunft durch die FinVerw in Form eines selbständigen Antragsverfahrens. Dieses selbständige Antragsverfahren eröffnet den Stpfl. die Möglichkeit, von der FinVerw auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten zu erhalten, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Insoweit kann dann Rechtssicherheit hinsichtlich der Beurteilung des zukünftig realisierten Sachverhalts erlangt werden.
Zugleich sehen die Regelungen vor, dass für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft von der FinVerw eine Gebühr erhoben wird (Gebührenpflicht), wenn der Gegenstandswert mindestens 10 000 € beträgt.
Die Frage, ob eine GmbH die Gebühr für eine verbindliche Auskunft, die zur Frage der Besteuerung durch Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer eingeholt wird, als Betriebsausgabe berücksichtigen kann, hat der BFH mit Urteil vom 8.12.2021 (Az. I R 24/19) verneint, da Gebühren für eine verbindliche Auskunft als „Kosten” vom Abzugsverbot nach § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG erfasst werden, wenn diese auf eine der in § 10 Nr. 2 Halbsatz 1 KStG genannten Steuern entfallen. Das Abzugsverbot in § 10 Nr. 2 KStG erfasst abstrakt insbesondere die Körperschaftsteuer. Ebenso abstrakt werden die auf die im Gesetz genannten Steuerarten entfallenden Nebenleistungen, z.B. Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer als Personensteuer, vom Abzugsverbot erfasst. Das Gesetz schließt die Abziehbarkeit des mit diesen Steuerarten im Zusammenhang stehenden Aufwands danach von vornherein aus. Gleiches gilt für die Gewerbesteuer.
Hinweis:
Steuerliche Berater werden insbesondere bei komplexen und materiell bedeutsamen Sachverhalten einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft stellen, müssen dazu aber auch der FinVerw umfassend alle rechtserheblichen Sachverhaltsmerkmale mitteilen (können) und ggf. Verträge bzw. Vertragsentwürfe etc. vorlegen. Bei der Abschätzung der damit verbundenen Kosten ist nun nach der Entscheidung des BFH auch zu berücksichtigen, dass die Gebühr für die Erteilung der verbindlichen Auskunft je nach betroffener Steuerart ggf. steuerlich nicht abzugsfähig und daher aus versteuertem Einkommen zu zahlen ist.
19 Organschaft: Eigene gewerbliche Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding
Die sog. körperschaftsteuerliche Organschaft bietet neben anderen Vorteilen insbesondere die Möglichkeit, Verluste der Organgesellschaft (einer Kapitalgesellschaft) mit steuerlicher Wirkung beim Organträger (einer Kapital- oder Personengesellschaft) geltend zu machen (also Gewinne und Verluste innerhalb eines Konzerns – zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft – zu verrechnen). Die Organschaft setzt für ihre Anerkennung neben dem Abschluss und der tatsächlichen Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags insbesondere die sog. finanzielle Eingliederung, die beim Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an den Anteilen an der Organgesellschaft erfordert, voraus. Der Organträger kann u.a. auch eine Personengesellschaft sein, allerdings nur dann, wenn diese eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausübt („Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG”). Daher können gewerblich geprägte Personengesellschaften ebenso wenig Organträger sein wie vermögensverwaltende oder rein freiberuflich tätige Personengesellschaften.
Vor diesem Hintergrund ist nun das noch nicht rechtskräftige Urteil des FG Nürnberg vom 12.1.2022 (Az. 1 K 1090/19) zu sehen, mit dem das FG entschieden hat, dass bei einer geschäftsleitenden Holding in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft eine eigene gewerbliche Tätigkeit dann vorliegt, wenn sie eine einheitliche Leitung über den Konzern ausübt. Die einheitliche Leitung könne durch die Herausgabe von Richtlinien, Empfehlungen, gemeinsamen Besprechungen und Beratungen erfolgen, wenn sie schriftlich festgehalten werden. Dagegen reiche es nicht aus, dass sich die einheitliche Leitung nur stillschweigend aus einer weitgehenden personellen Verflechtung der Geschäftsführungen der Konzernunternehmen ergibt.
Für den konkreten Streitfall kam das FG Nürnberg zu dem Ergebnis, dass die Holding-KG als sog. geschäftsleitende Holding eine gewerbliche Tätigkeit ausübte und damit als tauglicher Organträger anzusehen war. Die Leitungsfunktion der KG wurde durch die vorgelegten Protokolle der vierzehntägigen Geschäftsführersitzungen verdeutlicht. Die Teilnehmerrunde dieser Sitzungen setzte sich aus den drei Hauptgeschäftsführern und den Geschäftsführern der Organgesellschaften zusammen; inhaltlich wurden dabei sowohl das Tagesgeschäft erörtert und Maßnahmen festgelegt als auch einzelne Geschäftsvorfälle abgestimmt.
Hinweis:
Entscheidend war für das FG insoweit, dass die Holding selbst in Bezug auf die Tochtergesellschaften leitend tätig wurde bzw. wird. Problematisch ist insoweit die Abgrenzung, wenn dieselben Personen sowohl bei der Holding als auch bei der bzw. den Beteiligungsgesellschaften eine Geschäftsführerstellung innehaben, da dann oftmals unklar bleibt, in welcher Funktion die Personen tätig werden.
Handlungsempfehlung:
Für die Praxis ist, da das Erfordernis der originären gewerblichen Tätigkeit die grundsätzliche Eignung der Personengesellschaft als Organträger erheblich einschränkt, daher anzuraten, die entgeltliche Übernahme der Verwaltung bzw. die Erbringung von Dienstleistungen sorgfältig zu dokumentieren.
20 Steuerbegünstigung der aus der Beteiligung an anderen Körperschaften erzielten Erträge – Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft
Der Regelungskreis des § 8b KStG sieht (mit dem Ziel der Vermeidung einer mehrfachen Körperschaftsteuerbelastung/Vermeidung des sog. Kaskadeneffekts) vor, dass Dividendenerträge und Veräußerungsergebnisse auf der Ebene der Mutter-GmbH bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, also bei dieser – verkürzt dargestellt – steuerfrei sind.
Als „Kehrseite” dieser Steuerfreistellung ist allerdings ein generelles Abzugsverbot für Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften vorgesehen (so § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Zu diesen Gewinnminderungen zählen auch solche in Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen oder aus Sicherheitengestellung, wenn „das Darlehen oder die Sicherheit von einem Gesellschafter gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war” (§ 8b Abs. 3 Satz 4 KStG).
Vor diesem Hintergrund ist nun das nicht rechtskräftige Urteil des FG Münster vom 6.4.2022 (Az. 13 K 3550/19 K,G,F) zu sehen, mit dem das FG entschieden hat, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die über eine vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft gehalten wird, wegen § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als „unmittelbare” Beteiligung anzusehen ist. Dies gelte auch bei der Berechnung der Beteiligungshöhe, da auch insoweit nicht auf die zwischengeschaltete vermögensverwaltende Personengesellschaft abzustellen sei, die an der die Gewinnminderung auslösenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist, sondern auf die durchgerechnete mittelbare Beteiligung der Gesellschafter.
Im konkreten Urteilssachverhalt war die steuerliche Berücksichtigung der Abschreibung einer Forderung gegenüber einer Beteiligungsgesellschaft im Jahr 2015 strittig. Geklagt hatte die Mutter-GmbH, die sich im Jahr 2013 als Kommanditistin mit 2,02 % am Gesamtkapital einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GmbH & Co. KG beteiligt hatte. Die KG war alleinige Gesellschafterin der E-GmbH und F-GmbH, denen sie Darlehen gewährte. Da über das Vermögen der beiden Kapitalgesellschaften im Jahr 2015 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nahm die KG eine Teilwertabschreibung auf ihre Beteiligungen an der E-GmbH und F-GmbH sowie auf die Darlehensforderungen gegenüber beiden Gesellschaften vor. Die GmbH erklärte in ihrer für das Streitjahr abgegebenen Körperschaftsteuererklärung einen Jahresfehlbetrag, der auch einen Verlust aus der Beteiligung an der KG enthielt.
Dazu vertrat das FA – in Bezug auf die beteiligten Kapitalgesellschaften – die Auffassung, der Beteiligungsverlust dürfe gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG und die Forderungsverluste dürften nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG steuerlich nicht abgezogen werden. Hinsichtlich des Erreichens der für die Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG maßgeblichen Beteiligungsquote von 25 % sei die Beteiligung am Stammkapital der Kapitalgesellschaft maßgebend, der das Darlehen gewährt worden sei. Da die KG an der E-GmbH und der F-GmbH jeweils zu 100 % beteiligt gewesen war und die Darlehen gewährt habe, sei die für die Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG erforderliche Quote erreicht. Auf die Beteiligungshöhe des jeweiligen Gesellschafters der KG (hier der GmbH) komme es nicht an.
Das FG Münster ist aber – anders als das FA – zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mindestbeteiligung des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG i.H.v. mehr als 25 % im Streitfall nicht gegeben war und sah von einer außerbilanziellen Hinzurechnung ab. Denn für die Berechnung der Quote sei nicht auf die KG abzustellen, die zu 100 % an der E-GmbH und der F-GmbH beteiligt war, sondern auf den jeweiligen Gesellschafter der KG.
Hinweis:
Das FG Münster hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, welche nun unter dem Az. I R 21/22 beim BFH anhängig ist.
21 Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens: Kein Veräußerungsverlust wegen Ansatzes des gemeinen Werts der Anteile bei Absenkung der gesetzlichen Wesentlichkeitsschwelle
Zur Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens nach § 17 EStG hat der BFH mit Urteil v. 5.4.2022 (Az. IX R 19/20) entschieden,
- dass eigene Anteile der Kapitalgesellschaft bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen sind,
- dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen ist,
- dass (vor dem Hintergrund der Absenkung der gesetzlich geforderten Wesentlichkeitsgrenze von ursprünglich 25 % auf 10 % und nachfolgend auf den aktuellen Wert von 1 %) verfassungsrechtlich gebotener Vertrauensschutz u.a. voraussetzt, dass die bis zum 31.3.1999 entstandenen Wertsteigerungen im Falle einer Veräußerung nach dem 31.3.1999 auch im Zeitpunkt der Veräußerung nach der bis zum 31.3.1999 geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können,
- und dass, wenn verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz geboten ist, die bis zum 31.3.1999 entstandenen Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen werden müssen.
Im konkreten Streitfall, in dem die Anwendung von Vertrauensschutzmaßnahmen im Rahmen der Absenkung der sog. Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG im Zentrum stand, waren – vereinfacht dargestellt – der Stpfl. zu 25 % bzw. die Stpfl. zu 8 % an der W-GmbH seit deren Gründung im Jahr 1988 beteiligt; der Stpfl. war zugleich Geschäftsführer der W-GmbH. Vom 20.2.2007 bis zum 16.2.2011 hielt die W-GmbH eigene Anteile, so dass sich unter Außerachtlassung dieser eigenen Anteile eine Beteiligungsquote von 37,88 % (Ehemann) bzw. 12,12 % (Ehefrau) ergab.
Die Stpfl. veräußerten ihre Geschäftsanteile an der W-GmbH mit Wirkung zum 1.1.2013 und machten einen Verlust aus der Veräußerung der Anteile geltend.
Das FA ermittelte jedoch einen Gewinn; die dagegen gerichtete Klage wurde vom FG Köln abgewiesen. Der BFH hat das Ergebnis des FG Köln bestätigt und die Revision wie folgt als unbegründet zurückgewiesen.
Im Kern ging es um die Frage, ob die Übergangsregelung im Hinblick auf die seinerzeitige Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle zur Anwendung kam. Das BVerfG hatte entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Rückwirkung der gemeine Wert der Anteile am 31.3.1999 als fiktive Anschaffungskosten zu Grunde zu legen ist, wenn bei einer Veräußerung bis zum 31.12.1998 unter Zugrundelegung der 25 %-Quote kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden wäre. Im Hinblick auf den Streitfall entschied der BFH,
- dass diese Voraussetzung beim Ehemann wegen seiner Beteiligungsquote über 25 % nicht vorlag. Im Streitfall war der Stpfl. im Zeitpunkt des Absenkens zwar nicht schädlich beteiligt, allerdings wurde innerhalb des nach der alten Rechtslage geltenden Fünfjahreszeitraums die maßgebliche (alte) Beteiligungshöhe überschritten.
- Allerdings fiel die Ehefrau unter diese Übergangsregelung. Das führte bei der Ehefrau zur Nichtbesteuerung des Veräußerungsgewinns. Jedoch wurde andererseits auch kein (fiktiver) Verlust ausgelöst durch den Ansatz des gemeinen Wertes im Zeitpunkt des Hineinwachsens in die Steuerpflicht auf Grund der Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle (im Streitfall lag der Verkaufspreis über den historischen Anschaffungskosten, jedoch unter dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Absenkens der Wesentlichkeitsschwelle).
Hinweis:
Die Besonderheit des Streitfalls lag u.a. darin, dass die Anteilswerte zunächst anstiegen und später wieder an Wert verloren und die Stpfl. aus der Anteilsveräußerung im Ergebnis gar keinen Verlust, sondern insgesamt einen Gewinn erzielt hatten. Ein Wertverlust in den Anteilen an der W-GmbH ergab sich erst nach dem 31.3.1999 (bis dahin waren Wertzuwächse zu verzeichnen).
22 Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und vGA hinsichtlich einer privaten Motorradnutzung durch den Arbeitnehmer einer GmbH
In einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zweier Einkommensteuerbescheide hat das FG Münster mit Beschluss vom 3.6.2022 (Az. 9 V 1001/22 E) zur Frage der Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und vGA in Fortführung der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere entschieden,
- dass die private Mitbenutzung eines Motorrads durch den Arbeitnehmer einer GmbH als eine dem Alleingesellschafter nahestehende Person (im Streitfall der Vater des Gesellschafters) und ohne eine klare und eindeutige schriftliche Nutzungsvereinbarung als vGA zu beurteilen ist.
- Diese vGA führe zu Einkünften des Alleingesellschafters und gerade nicht zu Einkünften des Arbeitnehmers aus nichtselbständiger Arbeit.
Im konkreten Streitfall war der Antragsteller (Stpfl.) Geschäftsführer der X-GmbH (Betrieb von Kurierdiensten), deren Alleingesellschafter sein Sohn war. Mit dem Antragsteller war ein Arbeitsvertrag für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer/innen bis 450 € geschlossen worden. Im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung bei der X-GmbH wurde festgestellt, dass die GmbH über zwei Motorräder verfügte, die vom Antragsteller privat genutzt worden seien; insoweit sei zusätzlicher Arbeitslohn zu erfassen. Der Antragsteller argumentierte, dass die private Nutzung der Motorräder weder im Arbeitsvertrag noch in anderen Vereinbarungen schriftlich erlaubt worden sei, so dass das FA für die private Benutzung beweispflichtig sei, dieser Beweis sei aber nicht gelungen. Dagegen führt das FA aus, dass der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stünden, auch tatsächlich privat genutzt werden würden.
Das FG Münster ist dem Aussetzungsantrag mit den nachstehenden Überlegungen gefolgt, die auch in anderen Fällen der Abgrenzung zwischen Arbeitslohn einerseits und vGA andererseits relevant sein dürften:
- Das FA sei nach summarischer Prüfung zu Recht von einer privaten (Mit-)Nutzung der Motorräder in den Streitjahren ausgegangen.
- Ernstlich zweifelhaft sei jedoch, ob deshalb Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 19 EStG) des Antragstellers vorliegen würden oder aber vGA gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an den Sohn des Antragstellers als Alleingesellschafter der X-GmbH.
- Überlasse der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen oder ein Motorrad im Rahmen eines steuerlich anzuerkennenden Dienstverhältnisses zur privaten Nutzung, führe das nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers.
- Liege hingegen eine vertragswidrige Nutzung oder eine Nutzung ohne eine fremdübliche Vereinbarung durch den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einer diesem nahestehenden Person vor, könne dies zu einer vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG beim Gesellschafter führen.
Im Streitfall bestehe ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Motorräder auch privat genutzt worden seien. Die Antragsteller hätten diesen Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung nicht entkräftet.
Schlussendlich erscheine es jedoch ernstlich möglich, dass in Bezug auf die anzunehmende private Nutzung der Motorräder von einer vGA auszugehen sein könnte, die nicht dem Antragsteller, sondern dem Alleingesellschafter (also dem Sohn) zuzurechnen wäre. Es bestünden gewichtige Gründe für die Annahme, dass die Nutzungsüberlassung nach den Maßgaben des formellen Fremdvergleichs gesellschaftlich veranlasst gewesen und bereits deshalb als vGA zu beurteilen sei – und die Nutzungsüberlassung daher zu Einkünften des Alleingesellschafters (nicht des Antragstellers) führt.
Hinweis:
Das FG Münster weist ergänzend darauf hin, dass selbst im Falle einer Nutzungsvereinbarung mit dem Antragsteller evtl. Zweifel an der Fremdüblichkeit bestanden hätten. Denn der BFH habe Pkw-Überlassungen bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis unter Ehegatten als nicht fremdüblich beurteilt – diese Rechtsprechung könne mglw. auch auf Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften mit einem geringen Gesamtvergütungsanspruch übertragen werden. In der Praxis sollte aus steuerlicher Sicht jeweils geprüft werden, ob entsprechende Nutzungen bzw. Nutzungsmöglichkeiten vertraglich vereinbart bzw. ausgeschlossen werden können.