Mandantenrundschreiben 06/2023
Für alle Steuerpflichtigen
1 FinVerw nimmt ausführlich Stellung zur Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen
4 Digitale Rentenübersicht seit 30.6.2023 verfügbar
5 Kinderbetreuungskosten kann nur der Elternteil geltend machen, in dessen Haushalt das Kind lebt
6 Besteuerung von Gewinnen aus Online-Poker
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
7 Home-Office bei Grenzgängern und Sozialversicherung – Änderungen ab 1.7.2023
Für Unternehmer und Freiberufler
11 Vorsteuer aus Kosten für Betriebsveranstaltungen
12 Restnutzungsdauer bei Gebäuden: Nachweis durch Gutachten nach der Immobilienwertverordnung?
13 Nicht fortlaufende Rechnungsnummern können im Einzelfall eine Schätzungsbefugnis begründen
15 Kein Vorsteuerabzug aus per Sacheinlage weitergereichten Eingangsleistungen einer Holding
16 Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Werbelebensmittel
Für Personengesellschaften
17 Angemessenheit der Gewinnbeteiligung eines typisch stillen Gesellschafters
Für Bezieher von Kapitaleinkünften
18 Besonderheiten der Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen
Für Hauseigentümer
19 Grundsteuer: Aufkommensneutrale Festlegung der Hebesätze?
20 Steuerbegünstigung für ausländische Baudenkmäler?
Für GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer
21 Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilentgeltlicher Übertragung von GmbH-Anteilen
24 Begriff der vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
25 VGA – Versorgungszahlung und Geschäftsführergehalt
26 Besteuerung der Auflösung von US-amerikanischen Trusts
Entwurf eines Wachstumschancengesetzes – Überblick über die geplanten Änderungen
27 Entwurf eines Wachstumschancengesetzes vorgelegt
28 Klimaschutz-Investitionsprämie
29 Verbesserung der Abschreibungsbedingungen
30 Verbesserung der Möglichkeiten der Verlustverrechnung
31 Weitere vorgesehene Änderungen im Einkommensteuergesetz
32 Geplante Änderungen bei der Umsatzsteuer
33 Verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen für Personengesellschaften
34 Vorgesehene Änderungen zum Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwendungen
1 FinVerw nimmt ausführlich Stellung zur Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen
Ende vergangenen Jahres wurde gesetzlich eine Steuerbefreiung bei der Einkommensteuer für bestimmte Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) eingeführt. Diese ist rückwirkend ab Beginn des Jahres 2022 in Kraft getreten und soll insbesondere private Betreiber von PV-Anlagen auf dem selbstgenutzten Einfamilienhaus oder einem Vermietungsobjekt von steuerlichen Pflichten entbinden und damit bürokratische Hürden bei der Errichtung einer solchen Anlage beseitigen. Diese Steuerbefreiung ist weit gefasst und beinhaltet auch größere Anlagen. Allerdings weist die Gesetzesformulierung eine Vielzahl an Auslegungsfragen auf. Hierzu hat nun die FinVerw mit Schreiben vom 17.7.2023 (Az. IV C 6 – S 2121/23/10001 :001) Stellung genommen. Dies bietet der Praxis eine wichtige Auslegungshilfe. Im Folgenden stellen wir die Kernaspekte dar.
Wer kann die Steuerbefreiung nutzen?
- Die Steuerbefreiung gilt für alle natürlichen Personen, die der Einkommensteuer unterliegen, für Kapitalgesellschaften und auch für Personengesellschaften, wenn sich also mehrere Personen für den Betrieb einer solchen Anlage zusammenschließen.
- Ehegatten gelten insoweit grds. steuerlich als eigenständige Personen, so dass jeder der Ehegatten separat die Steuerbefreiung nutzen kann. Dies ist allerdings anders zu sehen, wenn die Ehegatten die PV-Anlage gemeinsam betreiben und damit eine Personengesellschaft gründen. Insoweit ist also zwischen diesen rechtlichen Organisationsformen zu unterscheiden, wobei es insbesondere darauf ankommt, ob die Ehegatten gemeinsam nach außen hin auftreten, so z.B. bei der Beauftragung der Installation, der Eintragung im Marktstammdatenregister und hinsichtlich der Einspeisung von Strom in das allg. Stromnetz gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen. Hierzu folgende Beispiele:
Beispiel 1:
Sachverhalt: Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus jeweils eine eigenständige Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von jeweils 12,00 kWp (Kilowatt peak).
Steuerliche Lösung: Die Steuerbefreiung gilt sowohl für A als auch für B.
Beispiel 2:
Sachverhalt: Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus gemeinschaftlich (als Mitunternehmerschaft) eine Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von 24,00 kWp.
Steuerliche Lösung: Die Steuerbefreiung gilt für die Mitunternehmerschaft der Eheleute A und B insgesamt.
Welche PV-Anlagen werden von der Steuerbefreiung erfasst?
- Von der Steuerbefreiung erfasst werden PV-Anlagen bestimmter Größe, wobei dann hinsichtlich des Gebäudes, auf dem die PV-Anlage errichtet ist, zu differenzieren ist. Maßgebend ist insoweit stets die Bruttoleistung nach dem Marktstammdatenregister in Kilowatt peak.
- Begünstigt sind mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene PV-Anlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden (einschließlich Nebengebäude, wie z.B. Gartenhäuser, Garagen, Carports). Begünstigt sind auch dachintegrierte und sog. Fassadenphotovoltaikanlagen. Nicht von der Steuerbefreiung erfasst werden Freiflächenanlagen.
- Es ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der PV-Anlage auch Eigentümer jenes Gebäudes ist, auf, an oder in dem sich die PV-Anlage befindet.
- Hinsichtlich der maximalen Größe ist bezüglich des Gebäudes, auf dem die PV-Anlage errichtet ist, zu differenzieren. Dabei werden alle PV-Anlagen des Stpfl. auf dem jeweiligen Gebäude zusammengerechnet:
Art des Gebäudes | Maximale maßgebliche Leistung der Anlage(n) in kWp je Stpfl./Mitunternehmerschaft (gebäudebezogene Betrachtung) |
Einfamilienhaus | 30 kWp |
Wohnzwecken dienendes Zwei-/Mehrfamilienhaus | 15 kWp je Wohneinheit |
Gemischt genutzte Immobilie (also Nutzung sowohl zu Wohn- als auch zu Gewerbezwecken) | 15 kWp je Wohn-/ |
Nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude, z.B. Gewerbeimmobilie mit einer Gewerbeeinheit, Garagengrundstück | 30 kWp |
Gewerbeimmobilie mit mehreren Gewerbeeinheiten | 15 kWp je Gewerbeeinheit |
Beispiele für von der Steuerbefreiung erfasste PV-Anlagen:
- Der Stpfl. hat auf drei verschiedenen Einfamilienhäusern jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 25 kWp. Alle drei Anlagen sind begünstigt.
- Der Stpfl. hat auf einer gemischt genutzten Immobilie (ein Ladengeschäft und zwei Wohnungen) eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 40 kWp, die damit unter den zulässigen 45,00 kWp für drei Einheiten liegt. Weiterhin hat dieser Stpfl. auf einer Gewerbeimmobilie eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 20,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.
- Der Stpfl. hat auf einem Zweifamilienhaus eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 25,00 kWp und auf einer Gewerbeimmobilie mit drei Gewerbeeinheiten eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 45,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.
- Sowohl die Ehefrau A als auch der Ehemann B betreiben auf ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 16,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.
Beispiele für von der Steuerbefreiung nicht erfasste PV-Anlagen:
- Der Stpfl. hat auf seinem Einfamilienhaus eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 34,00 kWp.
- Der Stpfl. hat auf seinem Haus mit zwei Wohneinheiten und der dazugehörigen Garage jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 15,10 kWp. Beide Anlagen sind nicht begünstigt, da deren maßgebliche Leistung insgesamt mit 30,20 kWp die für diese Gebäudeart zulässigen 30,00 kWp überschreitet.
- A und B sind Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten. A betreibt auf dem Pultdach des Hauses eine Anlage mit 50,00 kWp und B auf den dazugehörigen Garagen eine Anlage mit 10,00 kWp. Die Anlage des A überschreitet die maßgebliche Leistung von 45,00 kWp für das Mehrfamilienhaus einschließlich der Garagen und ist daher nicht begünstigt. Die Anlage des B ist dagegen begünstigt.
Hinweis:
Bei der Prüfung der Anzahl der Wohn-/Gewerbeeinheiten ist regelmäßig auf die selbständige und unabhängige Nutzbarkeit abzustellen.
Maximalgrenze von 100 kWp:
- In einem ersten Schritt ist für den Stpfl. oder die Mitunternehmerschaft zu prüfen, ob die maßgeblichen Leistungen der von ihm oder ihr betriebenen PV-Anlagen die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe pro Gebäude einhalten. Diese Prüfung ist objektbezogen für das jeweilige Gebäude vorzunehmen. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der jeweilige Stpfl. oder die jeweilige Mitunternehmerschaft insgesamt die 100,00 kWp-Grenze einhält.
- Bei der Prüfung der 100,00 kWp-Grenze je Stpfl. bzw. je Mitunternehmerschaft sind alle im Grundsatz unter die Steuerbefreiung fallenden PV-Anlagen des Stpfl. zusammenzurechnen. Das gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Dabei ist unerheblich, ob die Anlagen technisch voneinander getrennt sind.
- Betreibt der Stpfl. entsprechende PV-Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von insgesamt mehr als 100,00 kWp, ist die Steuerbefreiung nach Ansicht der FinVerw insgesamt nicht anzuwenden (Freigrenze). Das heißt alle PV-Anlagen werden steuerlich erfasst.
Beispiel:
Sachverhalt: Ein Stpfl. betreibt zwei Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von 30,00 kWp auf je einem Einfamilienhaus und eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kWp.
Steuerliche Lösung: Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist nicht in die Prüfung der 100,00 kWp-Grenze einzubeziehen. Die beiden Anlagen auf den Einfamilienhäusern sind deshalb von der Steuerbefreiung erfasst.
Abwandlung:
Sachverhalt: Der Stpfl. betreibt zusätzlich eine vierte Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kWp auf einem Haus mit zwei Wohneinheiten.
Steuerliche Lösung: Da die vierte Anlage bereits dem Grunde nach nicht unter die gesetzliche Steuerbefreiung fällt, da die maximale maßgebliche Leistung für diese Gebäudeart von 30,00 kWp überschritten ist, ist diese Anlage ebenfalls nicht in die Ermittlung der 100,00 kWp-Grenze einzubeziehen.
Hinweis:
Werden die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung unterjährig erstmalig oder letztmalig erfüllt (z.B. auf Grund von Veränderungen bei den Wohn-/Gewerbeeinheiten im Gebäude, Änderung der maßgeblichen Leistung der PV-Anlage, Über- oder Unterschreitung der 100,00 kWp-Grenze), findet die Steuerbefreiung nur bis zu bzw. ab diesem Zeitpunkt Anwendung.
Von der Steuerbefreiung erfasste Einnahmen und Entnahmen:
- Kommt die Steuerbefreiung zur Anwendung, so ist zwar die PV-Anlage im Grundsatz steuerlich relevant, jedoch werden die insoweit erzielten Einnahmen und Entnahmen steuerfrei gestellt, so dass der Betrieb der PV-Anlage im Ergebnis keine steuerlichen Konsequenzen nach sich zieht.
- Zu den steuerfrei gestellten Einnahmen gehören insbesondere
- die Einspeisevergütung,
- Entgelte für anderweitige Stromlieferungen, z.B. an Mieter,
- Vergütungen für das Aufladen von Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen,
- Zuschüsse und
- bei der Einnahmenüberschussrechnung vereinnahmte und erstattete Umsatzsteuer.
- Entnahmen – welche dann ebenso steuerfrei sind – liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird, z.B.:
- Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verwendet.
- Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in Räumen verwendet, die der Erzielung von Einkünften aus einer anderen Einkunftsquelle dienen, z.B. das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen einer Arbeitnehmertätigkeit des Stpfl.
- Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung für das Aufladen eines (eigenen privaten) Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs genutzt oder die Aufladung erfolgt unentgeltlich. Eine Entnahme liegt nicht vor, wenn das Fahrzeug zum Betriebsvermögen des die PV-Anlage betreibenden Betriebs gehört.
Folge der Steuerfreiheit der Einnahmen ist, dass Betriebsausgaben steuerlich nicht geltend gemacht werden können:
- Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem (ggf. zukünftigen) Betrieb von PV-Anlagen stehen, die unter die Steuerbefreiung fallen, sind steuerlich nicht abzugsfähig.
- Dies betrifft z.B. die Abschreibung der PV-Anlage, Versicherung oder Ausgaben für Wartung.
- Die Steuerbefreiung ist kein Wahlrecht, sondern zwingend anzuwenden. Dies betrifft dann entsprechend auch das Betriebsausgabenabzugsverbot.
- Wird die PV-Anlage in einem Betrieb errichtet, dessen Zweck nicht ausschließlich der Betrieb steuerfreier PV-Anlagen ist, so gilt die Steuerbefreiung nur insoweit, als der Strom eingespeist, entnommen oder an Dritte veräußert wird. Soweit der Strom im eigenen Gewerbebetrieb verbraucht wird, können mit der PV-Anlage im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben steuerlich angesetzt werden. Für solche Anlagen kann auch ein Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht werden.
Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen:
- Die FinVerw lässt es zu, dass für Aufwendungen in Bezug auf steuerfrei gestellte PV-Anlagen, die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, die Aufwendungen als Handwerkerleistungen zu einer Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer genutzt werden können. Dies betrifft bei der Errichtung einer Anlage allerdings nur den Lohnanteil, der insoweit in der Rechnung separat ausgewiesen sein sollte. Gleiches gilt für Kosten der Wartung oder Reparatur einer solchen PV-Anlage.
Zeitliche Anwendung der Steuerbefreiung:
- Die Steuerbefreiung der Einnahmen und Entnahmen für die gekennzeichneten Anlagen gilt ab dem Jahr 2022. Dies ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Errichtung der Anlage. Demnach sind bei vor 2022 errichteten Anlagen bis 2021 die allgemeinen steuerlichen Regeln anzuwenden und ab 2022 sind – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – die Einnahmen und Entnahmen steuerfrei zu stellen.
- Die bisherige Vereinfachungsregel der FinVerw, nach der bei bestimmten kleineren Anlagen unterstellt werden konnte, dass keine Gewinnerzielungsabsicht besteht und damit diese Anlagen steuerlich nicht relevant sind, gilt für PV-Anlagen, die nach dem 31.12.2021 in Betrieb genommen wurden, nicht mehr.
- Wurde bis einschließlich im Jahr 2021 ein Investitionsabzugsbetrag für die zukünftige Errichtung einer PV-Anlage geltend gemacht und wird nun insoweit im Jahr 2022 oder später in eine unter die Steuerbefreiung fallende Anlage investiert, so ist nach Ansicht der FinVerw der Investitionsabzugsbetrag rückwirkend wieder rückgängig zu machen.
Handlungsempfehlung:
In der Fachliteratur werden für einzelne Fragen auch andere Ansichten vertreten als nun von der FinVerw. In bedeutenden Fällen sollte daher steuerlicher Rat eingeholt werden.
2 Bestätigung durch den BFH: Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen bei Mietern
Die Einkommensteuer ermäßigt sich
- für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für haushaltsnahe Dienstleistungen auf Antrag um 20 %, höchstens 4 000 € pro Jahr der Aufwendungen des Stpfl.
- Daneben ermäßigt sich auf Antrag die Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20 % der Aufwendungen des Stpfl., höchstens jedoch um 1 200 € pro Jahr.
Der BFH stellt nun mit Entscheidung vom 20.4.2023 (Az. VI R 24/20) klar, dass
- Mieter die Steuerermäßigung auch dann geltend machen können, wenn sie nicht selbst die Verträge mit den Leistungserbringern abgeschlossen haben, sondern der Vermieter oder Verwalter.
- Für eine Geltendmachung der Steuerermäßigung reicht regelmäßig eine Wohnnebenkostenabrechnung, eine Hausgeldabrechnung, eine sonstige Abrechnungsunterlage oder eine Bescheinigung entsprechend dem Muster der FinVerw aus.
Im Streitfall wohnten die Stpfl. in einer Eigentumswohnung, die sie vom Eigentümer angemietet hatten. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümer oblag einer Verwalterin. Geltend machten die Stpfl. eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG für die Positionen (a) Funktionsprüfung RWM (Rauchwarnmelder) lt. Heizungsabrechnung, (b) Treppenhausreinigung und (c) Schneeräumdienst, Gartenpflege. Die Stpfl. legten hierzu die „Wohnnebenkostenabrechnung 2016” ihres Vermieters vor, in der die Beträge für Treppenhausreinigung sowie Schneeräumdienst und Gartenpflege enthalten waren. Die Treppenhausreinigung war dem Vermieter durch die Verwalterin mit der „Hausgeldabrechnung” für das Streitjahr in Rechnung gestellt worden. Die Aufwendungen für die Funktionsprüfung RWM (Rauchwarnmelder), die in der Wohnnebenkostenabrechnung unter der Position „Heizung Wasser” mit enthalten waren, ergaben sich aus der an den Vermieter gerichteten „Betriebskosten-Abrechnung” für das Streitjahr, die die Stpfl. dem FA ebenso wie die Hausgeldabrechnung übermittelten. Der Vermieter bestätigte auf Rückfrage des steuerlichen Beraters der Stpfl. außerdem die Höhe des Lohnanteils der Funktionsprüfung RWM lt. Heizungsabrechnung, der Treppenhausreinigung sowie des Schneeräumdienstes und der Gartenpflege.
Zum Streitfall stellt das Gericht heraus:
- Der Berücksichtigung des Schneeräumens und der Gartenpflege als haushaltsnahe Dienstleistungen steht nicht entgegen, dass diese Arbeiten von Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft erledigt wurden, die zu den Stpfl. oder ihrem Vermieter nicht in einem Beschäftigungs- oder Dienstverhältnis standen. Der Stpfl. nimmt haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auch dadurch in Anspruch, dass ihm die betreffenden Leistungen zugutekommen.
- Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Hierzu zählen auch regelmäßige Prüftätigkeiten, wie vorliegend die Funktionsprüfung der Rauchwarnmelder.
- Die Stpfl. haben von dieser Leistung profitiert. Folglich haben sie diese auch dann in Anspruch genommen, wenn die Arbeiten z.B. auf Grund eines vom Vermieter, der Verwalterin oder der Eigentümergemeinschaft abgeschlossenen Dienst-, Arbeits- oder Werkvertrags ausgeführt wurden.
- Voraussetzung für die Gewährung der Steuerermäßigung ist, dass der Stpfl. für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat. Die Wohnnebenkostenabrechnungen des Vermieters bzw. die Hausgeldabrechnungen der Eigentümergemeinschaft oder des Verwalters sowie weitere oder ergänzende Abrechnungsunterlagen, die der Mieter oder Wohnungseigentümer erhalten hat, können die Rechnungen der Leistungserbringer repräsentieren.
Handlungsempfehlung:
Der BFH stellt nun die Nachweispflichten für das Vorliegen von haushaltsnahen Dienstleistungen bzw. Handwerkerleistungen durch Mieter klar. In der Praxis kann daher eine Bescheinigung des Vermieters bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft gem. den Mustern der FinVerw vorgelegt werden.
3 Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auch bei unentgeltlich überlassenen Räumen
Der BFH hat mit Urteil vom 20.4.2023 (Az. VI R 23/21) entschieden, dass die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen neben der (tatsächlichen) Führung eines Haushalts kein besonderes Nutzungsrecht des Stpfl. verlangt. Der Stpfl. kann auch in unentgeltlich überlassenen Räumlichkeiten einen Haushalt führen. Liegen die Voraussetzungen der Steuerermäßigung im Übrigen vor, kann die Steuermäßigung auch in Anspruch genommen werden, wenn sich der Stpfl. gegenüber einem Dritten zur Tragung der Aufwendungen für die Handwerkerleistungen verpflichtet hat.
Im Streitfall unterhielt der Stpfl. einen eigenen Haushalt in einer unentgeltlich von seiner Mutter bereitgestellten Wohnung. Der Stpfl. ließ das Dach des Hauses sanieren und machte die insoweit entstandenen Lohnaufwendungen anteilig, also soweit diese auf die von ihm genutzte Wohnung entfielen, als Handwerkerleistungen geltend.
Insoweit stellt das Gericht heraus, dass es für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ohne Bedeutung ist, wenn der Stpfl. gegenüber seiner Mutter nicht verpflichtet war, das Dach ihres Hauses sanieren zu lassen und die von ihm allein finanzierte Dachsanierung „dem ganzen Haus” zugutekam. Selbst wenn der Stpfl. seiner Mutter die Dachsanierung schenkweise oder als (weitere) Gegenleistung für die Überlassung der (Dachgeschoss-)Wohnung zukommen gelassen haben sollte, setzt dies denknotwendig voraus, dass der Stpfl. die Aufwendungen für die auch in seinem Haushalt erbrachte Dachsanierung selbst getragen hat.
Hinweis:
Dies verdeutlicht, dass auch in solchen Konstellationen Möglichkeiten bestehen, diese Aufwendungen anteilig steuerlich geltend zu machen.
4 Digitale Rentenübersicht seit 30.6.2023 verfügbar
Die digitale Rentenübersicht ist seit dem 30.6.2023 verfügbar. Unter www.rentenuebersicht.de können nun alle Bürger eine Übersicht über ihre persönlichen Altersvorsorgeansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung online abrufen. Unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung Bund entwickelt die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht (ZfDR) das Online-Portal. Eingebunden in die Umsetzung sind neben der Deutschen Rentenversicherung Bund das BMF, das Bundesarbeitsministerium (BMAS) sowie Vertretende der privaten und betrieblichen Alterssicherung und des Verbraucherschutzes.
Die Digitale Rentenübersicht zeigt die Werte aus den Renten- und Standmitteilungen der Anbieter von Altersvorsorge-Produkten. Die Digitale Rentenübersicht bündelt diese Angaben digital an einem Ort.
Hinweis:
Die Nutzung des Online-Portals ist freiwillig und kostenfrei. Die Authentifizierung erfolgt mit dem elektronischen Personalausweis oder der eID-Karte für Bürgerinnen und Bürger der EU und des EWR. Für eine Zuordnung der eigenen Altersvorsorge-Ansprüche benötigen die Nutzenden zudem die steuerliche Identifikationsnummer.
5 Kinderbetreuungskosten kann nur der Elternteil geltend machen, in dessen Haushalt das Kind lebt
Abziehbare Sonderausgaben sind zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4 000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Stpfl. gehörenden Kindes, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Insoweit können z.B. Kosten für die Betreuung des Kindes in der Kindertagesstätte oder in der Schule steuerlich geltend gemacht werden.
Der BFH bestätigt nun aber mit Urteil vom 11.5.2023 (Az. III R 9/22), dass die Kinderbetreuungskosten nur dann geltend gemacht werden können, wenn das Kind dem Haushalt des Stpfl. angehört. Hiervon abgrenzend steht bei getrennt lebenden Eltern der Sonderausgabenabzug dem Elternteil, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, nicht zu, auch wenn dieser die Betreuungskosten getragen hat. Bei diesem Elternteil seien die Betreuungskosten vielmehr durch den ihm gewährten Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abgedeckt.
Im Urteilsfall war der Stpfl. Vater einer im Jahr 2013 geborenen Tochter. Seit dem Jahr 2018 lebte er von der Mutter des Kindes dauernd getrennt. Im Streitjahr 2020 hatte die Tochter ihren ausschließlichen Wohnsitz bei der Mutter und gehörte nicht zum Haushalt des Stpfl. Er schuldete den Barunterhalt, während die Mutter für die Betreuung der Tochter verantwortlich war (sogenanntes Residenzmodell). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts erstattete der „zivilrechtlich im Rahmen des Mehrbedarfs zur anteiligen Zahlung von Kindergartenbeiträgen und Hortgebühr verpflichtete Stpfl.” der Mutter jeweils den halben Monatsbeitrag für den Besuch des Kindergartens insgesamt 250 € und für den Besuch des Schulhorts insgesamt 348 €. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Stpfl. die von ihm getragene Hälfte der Betreuungsaufwendungen als Sonderausgaben geltend. Den Sonderausgabenabzug lehnte das Finanzamt ab; zur Erläuterung führte es aus, die Tochter habe während des gesamten Veranlagungszeitraums nicht zum Haushalt des Stpfl. gehört. Dies bestätigte nun der BFH.
Handlungsempfehlung:
Insoweit ist also ggf. ein Ausgleich der Eltern untereinander vorzunehmen.
6 Besteuerung von Gewinnen aus Online-Poker
Der BFH hatte bereits mehrfach entschieden, dass die Teilnahme an Turnierpoker und Casino-Poker gewerbliche Tätigkeiten sein können. Zwar ist die Teilnahme an einem „reinen” Glücksspiel wegen fehlender Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung steuerlich nicht relevant (Spielgewinne sind vom Zufall abhängige Einnahmen und stellen nicht ein Entgelt für die Spieltätigkeit dar). Dagegen handelt es sich beim Poker nicht um ein reines Glücksspiel, vielmehr ist es als eine Mischung aus Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel einzustufen. Ein erfahrener Pokerspieler kann durch Taktik, Menschenkenntnis, Nervenstärke, Mimik u.Ä. die Gewinnchancen beim Pokerspielen erheblich steigern. Einnahmen aus Pokerspielen können damit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.
Nun stellt das Gericht mit Urteil vom 22.2.2023 (Az. X R 8/21) klar, dass auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel (hier: in der Variante „Texas Hold'em”) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einzustufen sein können, wenn die Aktivitäten nachhaltig und intensiv betrieben werden. Im Streitfall ging es um einen Studenten, der sich aus seinem „Kinderzimmer” im Hause der Eltern über die Jahre zunehmend intensiv über Onlineportale an Pokerspielen beteiligte und zunehmend beachtlich hohe Gewinne erzielte. Der BFH hat in diesem Fall Einkünfte aus Gewerbebetrieb angenommen.
Die erforderliche Abgrenzung zu privaten Tätigkeiten richtet sich nach Ansicht des BFH bei Spielern – ebenso wie bei Sportlern – danach, ob der Stpfl. mit seiner Betätigung private Spielbedürfnisse gleich einem Freizeit- oder Hobbyspieler befriedigt oder ob in der Gesamtschau strukturell-gewerbliche Aspekte entscheidend in den Vordergrund rücken. Für das insoweit maßgebliche „Leitbild eines Berufsspielers” ist v.a. das planmäßige Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz „beruflicher” Erfahrungen prägend.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen ist zunächst sehr sorgfältig zu prüfen, ob eine steuerlich relevante Tätigkeit vorliegt. Dann sind gegebenenfalls die entsprechenden Einkünfte zu erklären. In Zweifelsfällen sollten – wie im Streitfall – die Einkünfte erklärt werden und gegen die entsprechenden Bescheide Einspruch eingelegt werden.
7 Home-Office bei Grenzgängern und Sozialversicherung – Änderungen ab 1.7.2023
Für Beschäftigte, deren Arbeitgeber sich in einem anderen Land befindet als ihr Wohnsitz, wird es einfacher. Diese können seit dem 1.7.2023 von erleichterten Bedingungen für das Home-Office profitieren, ohne dass sich an ihrer Sozialversicherungspflicht etwas ändert. Bislang galt, dass die Sozialversicherung des Wohnsitzlandes gegriffen hat, wenn der Beschäftigte dort mehr als 25 % der Arbeitszeit im Home-Office arbeitete. Durch ein neues Rahmenabkommen wurde diese Grenze nun dauerhaft auf 50 % erhöht. Auf Antrag hin kann also auch bei Home-Office von bis zu 50 % weiter die Sozialversicherung des Staats des Arbeitgebers greifen. Die Regelung knüpft an eine Sonderregelung der Corona-Pandemie an.
Für Zwecke der Sozialversicherungspflicht gilt im Grundsatz:
- Grenzüberschreitende Tätigkeiten in Telearbeit unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherung des Mitgliedstaates der EU, an dem sich die Person und der Laptop befinden.
- Ausnahmen bestehen für sog. Entsendungen (inkl. „workation”) und die regelmäßige Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten.
- Arbeitet ein Grenzgänger regelmäßig mehr als 25 % vom Wohnsitz aus (klassisches „Home-Office”), unterliegt die gesamte Tätigkeit grds. der Sozialversicherung des Wohnmitgliedstaats, bei weniger als 25 % „Home-Office” der Sozialversicherung des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
- Ab 1.7.2023 kann auf Grund einer Rahmenvereinbarung einiger Mitgliedstaaten der EU/EWR und der Schweiz auf Antrag auch bei Home-Office von Grenzgängern von bis zu unter 50 % das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, für anwendbar erklärt werden.
Im Einzelnen ist hinsichtlich der Anwendung der ab dem1.7.2023 geltenden Rahmenbedingungen zu beachten:
- Mit „grenzüberschreitender Telearbeit” ist eine Tätigkeit gemeint, die ortsunabhängig erbracht werden kann. Der Begriff der „Telearbeit” stammt aus dem Arbeitsrecht (Arbeitsstättenverordnung). Damit werden Arbeitsformen bezeichnet, bei denen Beschäftigte jedenfalls einen Teil ihrer Arbeit mithilfe eines vom Arbeitgeber fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatzes außerhalb des Betriebes erbringen. Obwohl das Arbeiten per IT-Verbindung zwingende Voraussetzung ist, muss diese nicht dauerhaft während der gesamten Arbeitszeit bestehen. Es wäre beispielsweise auch zulässig, sich zu Arbeitsbeginn bestimmte Aufgaben herunterzuladen und diese offline zu erledigen.
- Das Rahmenabkommen gilt daher nicht für Personen, die im Wohnsitzstaat gewöhnlich eine andere Tätigkeit als grenzüberschreitende Telearbeit ausüben (der Begriff „Home-Office” geht somit weiter) und/oder gewöhnlich eine Tätigkeit außerhalb des Wohnsitzstaats bzw. des Staates, in dem der Arbeitgeber ansässig ist (z.B. in einer Niederlassung in einem anderen Staat), ausüben. Zudem gilt sie nicht für Personen, die selbständig sind. Auch Beamte bzw. Beschäftigte bei in Deutschland ansässigen öffentlichen Arbeitgebern sind vom multilateralen Rahmenübereinkommen nicht erfasst.
- Der Anteil der einzelnen örtlichen Tätigkeiten ist nach den allg. sozialversicherungsrechtlichen Regeln zu bestimmen. Hinsichtlich der Berechnung des im Wohnstaat ausgeübten maximal möglichen Anteils der Beschäftigung von 49,99 % ist die voraussichtliche Sachlage in den folgenden zwölf Kalendermonaten zu berücksichtigen. Dabei sind planbare Zeiten wie Urlaub, an denen die Beschäftigung nicht ausgeübt wird, zu berücksichtigen (im Gegensatz zu ungeplanten Ausfallzeiten wie Krankheit).
- Da es sich um einen Antrag auf eine Ausnahmevereinbarung handelt, ist er in dem Staat zu stellen, dessen Sozialversicherungsrecht nach dem Rahmenübereinkommen gelten soll. Liegt der Arbeitgebersitz in Deutschland und soll unter den zuvor geschilderten Rahmenbedingungen deutsches Sozialversicherungsrecht zur Anwendung kommen, ist der Antrag vom Arbeitgeber an den GKV-Spitzenverband DVKA elektronisch zu übermitteln.
- Das Rahmenübereinkommen ist am 1.7.2023 in Kraft getreten. Ein Antrag zu seiner Inanspruchnahme kann auch rückwirkend ab dem 1.7.2023 gelten, sofern er bis zum 30.6.2024 gestellt wird und in diesem Zeitraum durchgängig in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Somit ist nach Inkrafttreten des Rahmenübereinkommens ein Jahr Zeit für die Antragstellung mit Gültigkeit ab 1.7.2023. Nach Ablauf des ersten Jahres kann ein Antrag nur noch für drei Monate rückwirkend gestellt werden, ebenfalls unter der Voraussetzung, dass in diesem Zeitraum durchgängig Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland entrichtet wurden.
- Teilnehmende Staaten sind die meisten EU-/EWR-Staaten und auch die Schweiz. Dänemark nimmt an dieser Regelung nicht teil.
- Wenn die Bedingungen des Rahmenübereinkommens nicht erfüllt sind, wird der Antrag im Rahmen eines regulären Antrags auf Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 Abs. 1 VO (EG) 883/04 auf Basis einer Ermessensentscheidung bearbeitet. Das Ergebnis hängt von der Prüfung und der Bewertung beider beteiligten Mitgliedstaaten ab.
Handlungsempfehlung:
Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist komplex und kann nur für den Einzelfall erfolgen. Insoweit ist rechtlicher Rat einzuholen. Auch ist zu beachten, dass sich diese Rahmenübereinkommen ausschließlich auf den Bereich der Sozialversicherung beziehen und steuerlich eine separate Beurteilung vorzunehmen ist.
8 Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen – Aufteilung von Sachbezugspauschalen
Bei der unentgeltlichen Abgabe von Mahlzeiten an die Arbeitnehmer durch unternehmenseigene Kantinen ist aus Vereinfachungsgründen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage von dem Wert auszugehen, der dem amtlichen Sachbezugswert nach der SvEV entspricht. Die FinVerw teilt nun mit, dass auf Grund der temporären Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken bei einer erforderlichen Aufteilung der Bemessungsgrundlage von Sachbezugspauschalen dies wie folgt vorzunehmen ist:
- 70 % auf Lieferungen/Leistungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz und
- 30 % auf Lieferungen/Leistungen, die dem regulären Umsatzsteuersatz
unterliegen.
Handlungsempfehlung:
Die umsatzsteuerliche Verbuchung ist also mit Sorgfalt vorzunehmen und entsprechend zu dokumentieren.
Hinweis:
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken gilt nach aktuellem Rechtsstand noch bis zum 31.12.2023. Abzuwarten bleibt, ob insoweit eine weitere – ggf. dauerhafte – Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gesetzlich noch geregelt wird.
9 Krankengeldbezug: Abgeführte Rentenversicherungsbeiträge steuerlich i.d.R. nicht zu berücksichtigen
Bezieht ein Arbeitnehmer bei längerer Erkrankung Krankengeld, so werden hiervon i.d.R. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung einbehalten und abgeführt. Insoweit sind steuerlich folgende Konsequenzen zu beachten, wie nun das FG Köln mit Entscheidung vom 25.5.2023 (Az. 11 K 1306/20) entschieden hat:
- Das Krankengeld ist steuerfrei, unterliegt also nicht der Lohn-/Einkommensteuer, wird aber bei der Einkommensteuer bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt – sogenannter Progressionsvorbehalt. Überschreitet das Krankengeld (ggf. mit anderen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen) im Jahr einen Betrag von 410 €, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, für dieses Jahr eine Einkommensteuererklärung abzugeben.
- Die vom Krankengeld einbehaltenen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung werden nicht mindernd beim Progressionsvorbehalt berücksichtigt. Insoweit geht vielmehr das ungemilderte Krankengeld in die Berechnung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes ein.
- Die vom Krankengeld einbehaltenen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung können vom Arbeitgeber im Rahmen der Einkommensteuererklärung nicht als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Insoweit handelt es sich zwar im Grundsatz um Sonderausgaben, jedoch stehen diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen, was den Abzug ausschließt.
Hinweis:
Insbesondere ist bei Bezug von Krankengeld die ggf. bestehende Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu beachten.
10 Entfernungspauschale/Fahrtkosten: Weiträumiges Tätigkeitsgebiet – vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche
Fahrtkosten der Arbeitnehmer zum Arbeitsort können grundsätzlich nur begrenzt im Rahmen der Entfernungspauschale berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat versucht, diesen in der Praxis wichtigen, aber auch vielfach streitanfälligen Bereich durch die gesetzliche Festlegung des Begriffs der „ersten Tätigkeitsstätte” klar zu regeln. Nach wie vor zeigen sich aber vielfache Zweifelsfragen. So auch der folgende Fall, über den nun der BFH entschieden hat.
Streitig war die Berücksichtigung von Fahrtkosten zum Hamburger Hafen als Tätigkeitsort. X war bei der A KG als Hafenarbeiter beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag erfolgt der „Arbeitseinsatz in bestimmten Funktionen beim Arbeitgeber... im Rahmen des Direktionsrechtes”. Im Streitjahr 2015 wurde er von seinem Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an vier verschiedenen Orten innerhalb des Hafengebiets eingesetzt. X machte für seine Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt mit dem eigenen Pkw die tatsächlichen Kosten (0,30 € je gefahrenem km = 5 018,40 €) geltend. Das FA berücksichtigte lediglich die Entfernungspauschale (0,30 € je Entfernungskilometer = 2 509,20 €).
Der BFH bestätigt nun die Ansicht des Stpfl., also den Ansatz der Fahrkosten nach Reisekostengrundsätzen mit den tatsächlich angefallenen Kosten. Fraglich war, ob das Hafengebiet als „weiträumiges Tätigkeitsgebiet” anzusehen war, denn dann wäre für die Fahrten von der Wohnung zum zur Wohnung nächstgelegenen Zugang zum Tätigkeitsgebiet die Entfernungspauschale anwendbar.
Ein Tätigwerden in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet liegt aber nur vor, wenn der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Dritten auszuüben hat. Arbeitnehmer, die ihrer eigentlichen Tätigkeit in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung nachgehen, werden von der Vorschrift folglich nicht erfasst, auch wenn ihnen ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet zugewiesen ist und sie dort in verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen tätig werden.
Im Streitfall lag daher keine weiträumige Tätigkeit vor. Der Stpfl. war nicht auf einer festgelegten Fläche, sondern auf Grund (tagesaktueller) Weisungen in ortsfesten betrieblichen Einrichtungen von (vier) Kunden seines Arbeitgebers tätig geworden. Darauf, dass sich alle Einsatzorte auf dem Gebiet des Hamburger Hafens befanden, kommt es insoweit nicht an.
Hinweis:
Offenbleiben konnte, ob der Hafen wegen seiner Größe von 7 200 ha noch als weitreichendes Tätigkeitsgebiet eingeordnet werden kann.
11 Vorsteuer aus Kosten für Betriebsveranstaltungen
Lohnsteuerlich führen Betriebsveranstaltungen – unter bestimmten Bedingungen – für den Arbeitnehmer nicht zu lohnsteuerlichen Folgen, soweit die Kosten 110 € nicht übersteigen (Freibetrag). In Frage stand nun vor dem BFH, ob der die Betriebsveranstaltung ausrichtende Unternehmer aus den insoweit anfallenden Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Insoweit bestätigt der BFH mit Entscheidung vom 10.5.2023 (Az. V R 16/21), dass
- ein Vorsteuerabzug im Grundsatz nur dann in Betracht kommt, wenn es sich um „Aufmerksamkeiten” handelt. Andernfalls liege eine den Vorsteuerabzug ausschließende unentgeltliche Entnahme für den privaten Bedarf des Personals vor. Eine Abgrenzung hat insoweit anhand der lohnsteuerlichen Grenze von 110 € zu erfolgen, wobei dieser Betrag für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Freigrenze und nicht als Freibetrag zu verstehen ist. Übersteigen also die Kosten je Teilnehmer die Grenze von 110 €, so scheidet ein Vorsteuerabzug regelmäßig insgesamt aus.
- Die Kosten des äußeren Rahmens einer Betriebsveranstaltung sind jedenfalls dann in die Berechnung der 110 €-Freigrenze für umsatzsteuerliche Zwecke einzubeziehen, wenn es sich um eine einheitliche Leistung handelt.
Handlungsempfehlung:
Die 110 €-Grenze ist also für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Freigrenze zu werten. Die Verbuchung solcher Aufwendungen ist daher in der Praxis sorgfältig zu prüfen.
12 Restnutzungsdauer bei Gebäuden: Nachweis durch Gutachten nach der Immobilienwertverordnung?
Die Abschreibung für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude bestimmt sich nach der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer:
Nutzungs-dauer | AfA-Satz | ||
Gebäude eines Betriebsvermögens, die nicht Wohnzwecken dienen | Bauantrag nach dem 31.3.1985 | 33 Jahre | 3 % |
andere Gebäude – also insbesondere Gebäude, die Wohnzwecken dienen und Gebäude des steuerlichen Privatvermögens | Fertigstellung vor dem 1.1.1925 | 40 Jahre | 2,5 % |
Fertigstellung 1.1.1925 bis 31.12.2022 | 50 Jahre | 2 % | |
Fertigstellung nach dem 31.12.2022 | 33 Jahre | 3 % |
Diese gesetzlich festgelegten Nutzungsdauern sind im Grundsatz stets anzusetzen. Dies gilt z.B. auch bei Erwerb eines Bestandsgebäudes. Da im Einzelfall aber die tatsächliche Nutzungsdauer auch deutlich unter diesen gesetzlich fixen Sätzen liegen kann, ist es dem Stpfl. vorbehalten, die Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer vorzunehmen. Anwendungsfälle sind insbesondere Bestandsgebäude, die bereits lange genutzt wurden und damit voraussichtlich nur noch eine kurze Restnutzungsdauer haben oder auch Gebäude, die auf Grund ihrer Bauart auf eine kürzere Nutzungsdauer ausgelegt sind.
In diesen Fällen muss der Stpfl. die tatsächlich kürzere Nutzungsdauer nachweisen. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Stpfl. hierauf berufen.
Nach der Rechtsprechung kann sich der Stpfl. zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegungen des Stpfl. Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten – z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.
Vor diesem Hintergrund hatte das FG Münster mit Urteil v. 27.4.2023 (Az. 1 K 487/19 E) zu entscheiden, ob ein Wertgutachten, in dem die Restnutzungsdauer eines Mietobjekts nach der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) berechnet wird, der Ermittlung der AfA zu Grunde gelegt werden kann. Grundlage für die Ermittlung der kürzeren Nutzungsdauer der einzelnen Immobilien waren im Urteilsfall zu den jeweiligen Grundstücken erstellte Privatgutachten eines Diplom-Sachverständigen (DIA) SV. Dieser war nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert und hatte jeweils den Verkehrswert für die einzelnen Immobilien auf der Grundlage der ImmoWertV auf den Stichtag 1.1.2016 ermittelt.
Die Restnutzungsdauer ermittelte der Sachverständige gem. § 6 Abs. 6 ImmoWertV. Dabei bestimmte er anhand der jeweiligen Nutzungsgruppe (Mehrfamilienhäuser) sowie des Gebäudetyps (Mehrfamilienhäuser bis zu sechs Wohneinheiten) die Gesamtnutzungsdauer mithilfe des Gebäudestandards aus der für die gewählte Gebäudeart unter Standard etablierten üblichen Gesamtnutzungsdauer. Unter Berücksichtigung der für jedes Gebäude durchgeführten wesentlichen Modernisierungen ermittelte der Sachverständige die modifizierte Restnutzungsdauer anhand der Punktrastermethode nach der „Sachwertrichtlinie” (SW-RL Anlage 4) unter Vergabe sog. Modernisierungspunkte. Die Grundlagen für die Ermittlung der Modernisierungspunkte waren in den Privatgutachten jeweils näher erläutert.
Das FG bestätigt, dass die vorgelegten Sachverständigengutachten als Nachweis für eine tatsächlich kürzere Restnutzungsdauer dienen können. Auszugehen sei von der Schätzung des Stpfl., solange dieser Erwägungen zu Grunde lägen, wie sie ein vernünftig wirtschaftender Stpfl. üblicherweise anstellen würde. Vor diesem Hintergrund sei etwa die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens, insbesondere die Zustandsermittlung von Immobilien mit Hilfe des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen) seitens des Stpfl. nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer.
Handlungsempfehlung:
Die FinVerw sieht höhere Anforderungen an den Nachweis einer im Einzelfall kürzeren tatsächlichen Restnutzungsdauer. Daher ist im Einzelfall sehr sorgfältig abzuwägen, auf welche Art eine tatsächlich kürzere Restnutzungsdauer als im Gesetz vorgegeben nachgewiesen wird.
13 Nicht fortlaufende Rechnungsnummern können im Einzelfall eine Schätzungsbefugnis begründen
Mängel in den steuerlichen Aufzeichnungen führen in der Praxis nicht selten zu Hinzuschätzungen durch die Finanzbehörde. Der BFH bestätigt zwar regelmäßig, dass solche Gewinnhinzuschätzungen stets für den Einzelfall zu prüfen und sorgfältig zu begründen sind und einzelne Mängel in den Aufzeichnungen allgemein eine Hinzuschätzung noch nicht rechtfertigen. Das insoweit bestehende Streitpotenzial wird aber durch die erneute Beschäftigung des BFH mit einem solchen Fall unterstrichen.
Im Streitfall betrieb der Stpfl. einen Hausmeisterservice und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung. Während einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt eine lückenhafte bzw. keine fortlaufende Nummerierung der Ausgangsrechnungen des Stpfl. fest. Im Rahmen einer Geldverkehrsrechnung stellte es zudem Fehlbeträge und ungeklärte Einlagen in erheblicher Höhe fest, so dass es eine Hinzuschätzung bei den Betriebseinnahmen vornahm. Bei der Höhe orientierte sich das Finanzamt an den jährlichen Fehlbeträgen der Geldverkehrsrechnung.
Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach den Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes Rechnungen „eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer)” enthalten müssen.
Der BFH kommt in dem Beschluss vom 31.5.2023 (Az. X B 111/22) zu dem Ergebnis, dass die Frage der Hinzuschätzungsbefugnis von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Bereits im Beschluss v. 7.2.2017 (Az. X B 79/16) kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass Lücken im Rechnungsnummernkreis im Einzelfall eine Hinzuschätzung begründen können. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob allein der Umstand, dass ein Rechnungskreis Lücken aufweist, eine Schätzung notwendig macht. Es ist davon auszugehen, dass es nicht zwingend des Hinzutretens weiterer Umstände bedarf, wenn die Lückenhaftigkeit der Rechnungsnummern ausreichend Anlass für eine Hinzuschätzung bietet. Im Streitfall konnte diese Frage ungeklärt bleiben, da die Schätzungsbefugnis gerade nicht allein auf die Nummerierung der Rechnungen gestützt wurde, sondern ebenso auf das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung und die ungeklärten hohen Einlagen aus dem Privatvermögen.
Handlungsempfehlung:
Dies unterstreicht erneut die Notwendigkeit, auf ordnungsgemäße Aufzeichnungen zu achten. Fortlaufende Rechnungsnummern sollten dringend eingehalten werden. Eventuelle Lücken in den Rechnungsnummern sollten dokumentiert werden.
14 (Dienstbarkeits-)Entschädigungen im Rahmen des Stromnetzausbaus: Bilanzsteuerrechtliche Beurteilung bzw. Verteilbarkeit der Entschädigungszahlung
Im Zusammenhang mit dem Stromnetzausbau werden an Grundstückseigentümer auf Grund der zu verlegenden Erdkabel oder Errichtung von Strommasten für Überspannungsleitungen (Dienstbarkeits-)Entschädigungszahlungen geleistet. Zusätzlich erfolgt im Falle einer schnellen gütlichen Einigung die Zahlung eines Beschleunigungszuschlags. Zur Behandlung solcher Einnahmen in der steuerlichen Gewinnermittlung hat nun das FinMin des Landes Schleswig-Holstein mit Kurzinformation vom 23.5.2023 zur bundeseinheitlich abgestimmten Auffassung der FinVerw Stellung genommen. Insoweit gilt:
- In der steuerlichen Gewinnermittlung ist insoweit von einer Nutzungsüberlassung auszugehen und die gesamte Entschädigung für die dauerhafte Duldung der Nutzung des Grundstückes zur Errichtung einer Stromtrasse (Erdkabel, Strommast, Überspannungsleitung) als zeitraumbezogene Gegenleistung anzusehen. Dies gilt auch bei Zahlung eines Beschleunigungszuschlags, da dieser als Bestandteil der Dienstbarkeitsentschädigung und nicht als gesondertes Entgelt für eine andere Leistung anzusehen ist.
- Bilanzsteuerrechtlich ist ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Sofern vertraglich kein Entschädigungszeitraum vereinbart wurde, ist für die Abgrenzung der Entschädigungsleistung inkl. des Beschleunigungszuschlags ein Mindestzeitraum von 25 Jahren zu Grunde zu legen.
- Erfolgt die Gewinnermittlung mittels Einnahmenüberschussrechnung, so können die Einnahmen auf einen Mindestzeitraum von 25 Jahren verteilt werden.
- Auch bei der Durchschnittssatzgewinnermittlung für Land- und Forstwirte ist eine Verteilung der Einnahmen auf einen Mindestzeitraum von 25 Jahren zulässig.
Hinweis:
Diese Grundsätze sind – unabhängig von der „Projektbezeichnung” – auf alle Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit dem Stromnetzausbau und in allen offenen Fällen anzuwenden.
15 Kein Vorsteuerabzug aus per Sacheinlage weitergereichten Eingangsleistungen einer Holding
Eine geschäftsleitende Holdinggesellschaft ist grds. zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies gilt sowohl in Bezug auf bezogene Vorleistungen für das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften als auch für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen. Dagegen ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen für per Sacheinlage weitergereichte Eingangsleistungen einer Holding, wie der BFH nun mit Entscheidung vom 15.2.2023 (Az. XI R 24/22) entschieden hat.
Im Streitfall ging es um eine GmbH, deren Tätigkeit der Ankauf, die Verwaltung und die Verwertung von eigenem Grundbesitz sowie die Projektierung, Sanierung und Erstellung von Bauvorhaben aller Art war. Sie war als Kommanditistin an den Unternehmen der X-KG und Y-KG beteiligt. Beide Gesellschaften errichteten bestimmte Bauobjekte und veräußerten die einzelnen Wohneinheiten überwiegend umsatzsteuerfrei. Es wurde u.a. vereinbart, dass die Stpfl. unentgeltliche Dienstleistungen für die von der X-KG erworbenen bzw. zu erwerbenden Gebäude zu erbringen habe. Diese Dienstleistungen bestanden in Architektenleistungen, statischen Berechnungen, Planungen des Wärme- und Schallschutzes, Planungen der Energieversorgung, Planungen von Kabel- und Telefonanschlüssen, Generalunternehmer-Dienstleistungen ohne Lieferung der Materialien und Erschließungsdienstleistungen für die zu erstellenden Objekte. Diese Leistungen erbrachte die Stpfl. teilweise mit eigenem Personal bzw. eigenen Geräten, teilweise mithilfe anderer Unternehmen. Im Hinblick auf die Y-KG wurde vereinbart, dass die Stpfl. gleiche Dienstleistungen für die von der Y-KG erworbenen bzw. zu erwerbenden Gebäude zu erbringen habe. Daneben erbrachte die Stpfl. entgeltliche Geschäftsführungs- und Buchführungsleistungen an die X-KG und die Y-KG. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, soweit er mit den unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen der Stpfl. für die X-KG und die Y-KG, die als nichtsteuerbare Tätigkeiten zu werten seien, zusammenhing.
Diese Sichtweise bestätigt der BFH und stellt klar, dass eine Geschäftsführungsholding keinen Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen hat, die weder in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtig erbrachten Dienstleistungen der Holding stehen noch in den Preis der steuerpflichtigen Umsätze der Holding eingehen oder zu den allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören. Wenn insbesondere die bezogenen Leistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit (nicht steuerbaren) Umsätzen Dritter (der Tochtergesellschaften) stehen, scheidet ein Vorsteuerabzug aus.
Hinweis:
Insoweit versagt der BFH das offensichtliche Gestaltungsmodell, dass Vorsteuern, die bei den Tochtergesellschaften nicht abzugsfähig wären, über die Holdinggesellschaft zum Abzug gebracht werden sollen.
16 Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Werbelebensmittel
Der BFH hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Der Stpfl. betrieb einen Handel für Werbeartikel. Zu den Werbelebensmitteln, die er in seinem Sortiment führte, zählten z.B. Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung sowie Aufdrucke, Gravuren oder Ähnliches. Der Stpfl. selbst nahm keine Individualisierung der Waren vor. Er bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. Die Lieferung dieser Werbelebensmittel behandelte der Stpfl. als Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt sah dagegen eine sonstige Leistung in Form einer Werbeleistung, die dem Regelsteuersatz unterliege.
Der BFH bestätigt nun aber mit Entscheidung v. 23.2.2023 (Az. V R 38/21) die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Nach den vom Umsatzsteuergesetz in Bezug genommenen zollrechtlichen Vorschriften ist grundsätzlich auf die objektiven Eigenschaften der Liefergegenstände abzustellen, wobei „übliche” Verpackungen außer Betracht bleiben. Der Verwendungszweck eines Erzeugnisses darf nur berücksichtigt werden, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften eines Erzeugnisses erfolgen kann. Verpackungen werden grds. umsatzsteuerlich wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Übliche Verpackungen sind solche, die entweder für die Verwendung der fraglichen Ware unbedingt notwendig sind oder Verpackungen, die üblicherweise zur Vermarktung und Verwendung der darin enthaltenen Waren genutzt werden. Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass die insoweit maßgebliche Üblichkeit der Verpackung nicht zwingend durch die zusätzliche Aufnahme eines Werbeaufdrucks entfällt.
Hinweis:
In vergleichbaren Fällen sollte der angewendete Umsatzsteuersatz überprüft werden.
17 Angemessenheit der Gewinnbeteiligung eines typisch stillen Gesellschafters
Der BFH bestätigt und konkretisiert mit Entscheidung vom 4.4.2023 (Az. IV R 19/20), dass eine (typisch) stille Beteiligung eines Familienangehörigen wegen des fehlenden Interessengegensatzes einer Angemessenheitskontrolle bedarf. Nur soweit der Gewinnanteil als angemessen einzustufen ist, ist dieser beim Geschäftsinhaber als Betriebsausgabe abzugsfähig. Andernfalls liegen ertragsteuerrechtlich nicht zu berücksichtigende private und als Einkommensverwendung zu qualifizierende Zuwendungen vor.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der angemessene Gewinnanteil eines typisch stillen Gesellschafters nicht anhand eines konkreten Fremdvergleichs, sondern nach Maßgabe einer angemessenen Durchschnittsrendite der Einlage zu bestimmen. Die angemessene Rendite beläuft sich bei Teilhabe des Stillen an den Verlusten des Handelsgewerbes
- im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs der Beteiligung auf 15 % des Nominalbetrags der Einlage.
- Wurde die Beteiligung hingegen vom Stillen auf Grund eigener Beiträge und damit entgeltlich erworben, erhöht sich die (noch) angemessene Rendite auf 35 %.
Diese Anteilssätze legen allerdings keine starre Obergrenze für die Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs fest. Vielmehr ist die (angemessene) Einlagerendite ausgehend von der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Zukunft (i.d.R. die nächsten fünf Jahre) erwarteten Entwicklung der die Gewinnabrede bestimmenden Bezugsgröße (z.B. Bilanzgewinn) in eine angemessene prozentuale Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters umzurechnen. Dieser Anteilssatz ist dann zwar einerseits den zukünftig tatsächlich erzielten Ergebnissen zu Grunde zu legen mit der Folge, dass der steuerrechtlich anzuerkennende (angemessene) Gewinnanteil des Stillen die Rendite von 35 % (bzw. 15 %) der Einlage überschreiten kann. Andererseits muss eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse – also insbesondere ein bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags nicht erwarteter Gewinnsprung – dann Anlass für eine Korrektur des angemessenen Gewinnanteilssatzes geben, wenn auch fremde Dritte die Gewinnverteilungsabrede einer Revision unterzogen hätten.
Unterbleibt eine solche (fremdübliche) Korrektur, so ist hierin ein privater (d.h. nicht betrieblich veranlasster) Umstand zu sehen, der seinerseits zu einer Begrenzung des als Betriebsausgabe anzuerkennenden Gewinnanteils des stillen Gesellschafters führt. Auch im Rahmen einer solchen Gewinnbegrenzung ist dem Charakter der stillen Beteiligung als einer risikobehafteten und damit insoweit unternehmerischen Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg des Handelsgewerbes Rechnung zu tragen und die Einlagerendite entsprechend den dargestellten Grundsätzen in einen angemessenen und der veränderten Gewinnerwartung angepassten (geringeren) Gewinnanteilssatz umzuformen.
Handlungsempfehlung:
Dies verdeutlicht, dass die Beteiligung von Angehörigen als stiller Gesellschafter an einem Handelsgewerbe einer sorgfältigen Planung und Überprüfung der Gewinnverteilung bedürfen, da ansonsten die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters ggf. nur teilweise beim Geschäftsinhaber als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Hinweis:
Im Übrigen stellt das Gericht heraus, dass wenn der Betriebsausgabenabzug der Gewinnanteile des stillen Gesellschafters der Höhe nach streitig ist, aber die Möglichkeit besteht, dass eine atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft vorliegt, zunächst die Einstufung der Beteiligung als typisch oder aber atypisch stille Beteiligung zu überprüfen ist. Eine atypisch stille Beteiligung erfordert eine unternehmerische Mitsprache und ein unternehmerisches Risiko. Es fehlt allerdings an dem für eine Mitunternehmerstellung des stillen Gesellschafters erforderlichen Mitunternehmerrisiko, wenn der Stille weder am Verlust der Gesellschaft noch an den stillen Reserven beteiligt ist.
18 Besonderheiten der Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen
Die Möglichkeiten der Geltendmachung von Verlusten aus einzelnen Kapitalerträgen sind in vielfacher Weise beschränkt. Dies gilt zum einen betragsmäßig, aber es existieren auch verschiedene Verlustverrechnungskreise. Hinzuweisen ist darauf, dass die auszahlende Stelle (regelmäßig die Depotbank) Verluste mit im gleichen Kalenderjahr entstandenen Gewinnen ausgleicht und ggf. zu viel abgeführte Kapitalertragsteuer wieder gutschreibt. Sofern eine Verlustverrechnung innerhalb eines Jahres nicht erfolgen kann, erfolgt grundsätzlich ein jahresübergreifender Vortrag der verschiedenen Verlustverrechnungstöpfe auf Ebene der Depotbank. Eine institutsübergreifende Verlustverrechnung ist hingegen nur im Rahmen der Einkommensteuererklärung möglich. In diesem Fall muss der Stpfl. bis spätestens zum 15.12. von der Depotbank eine Verlustbescheinigung anfordern. Für bestimmte Verluste aus Termingeschäften oder Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Aktien etc. findet eine Verrechnung hingegen ausschließlich im Rahmen der Veranlagung statt.
Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen und Glattstellungsgeschäften, können nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Einkünften aus Stillhalterprämien ausgeglichen werden, soweit die Verluste nach dem 31.12.2020 entstanden sind. Die Verlustverrechnung ist beschränkt auf 20 000 € pro Jahr. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils i.H.v. 20 000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Verluste aus Stillhaltergeschäften (z.B. durch entsprechende Glattstellungsgeschäfte) werden von dieser Verlustverrechnungsbeschränkung nicht erfasst.
Handlungsempfehlung:
Die Regeln zur Geltendmachung von Verlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind restriktiv und komplex. Es sollte rechtzeitig steuerlicher Rat eingeholt werden.
19 Grundsteuer: Aufkommensneutrale Festlegung der Hebesätze?
Ab 2025 wird die Grundsteuer auf Basis der neu festgesetzten Grundsteuerwerte erhoben. Weitgehend abgeschlossen ist die Festsetzung der Grundsteuerwerte als Wertgrundlage. Die tatsächlich zu zahlende Grundsteuer bestimmt sich allerdings erst durch Anwendung des von der einzelnen Kommune festgesetzten Hebesatzes auf diesen Grundsteuerwert. Die Festlegung der ab 2025 geltenden Hebesätze muss noch erfolgen.
Zunächst ist klar, dass sich die Höhe der Grundsteuer für den einzelnen Grundstückseigentümer gegenüber dem jetzigen Stand nach oben oder auch nach unten verändern kann. Dies kann durch die Wertentwicklung des konkreten Grundstücks, aber auch das Bewertungsverfahren bedingt sein. Unklar ist aber auch, ob möglicherweise Kommunen diese Situation nutzen, um die Einnahmen aus der Grundsteuer insgesamt zu steigern. Im Gesetzgebungsverfahren wurde immer die Aussage gemacht, dass die Hebesätze an die neuen Bewertungsgrundlagen so angepasst werden sollen, dass sich die Höhe der insgesamt von einer Kommune vereinnahmten Grundsteuer nicht ändert, die Reform also bezogen auf die einzelne Kommune aufkommensneutral ist. Im Rahmen der Initiative wollen mehrere Bundesländer erreichen, dass die Bürger für ihre Kommune erfahren, welcher Hebesatz zur Grundsteuer im Zuge der Grundsteuerreform zu einem aufkommensneutralen Ergebnis führen würde. Schleswig-Holstein plant ein Transparenzregister, aus dem hervorgehen soll, wie die Gemeinden ihre Hebesätze für das Jahr 2025 einstellen müssten, um Einnahmen in derselben Höhe wie vor der Reform zu erzielen. Auch Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Brandenburg wollen insoweit vorgehen.
Handlungsempfehlung:
Die Auswirkungen der Grundsteuerreform für den einzelnen Grundstückseigentümer sind nach wie vor ungewiss. Wichtig ist, dass ergehende Grundsteuerwertbescheide auf deren Richtigkeit hin überprüft werden. Regelmäßig ist aus grds. Erwägungen vorsichtshalber Einspruch einzulegen. Sind bei der Feststellung der Grundsteuerwerte Fehler unterlaufen, weil z.B. die Wohnfläche falsch ermittelt wurde, so kann dies noch korrigiert werden, bevor die neuen Werte in 2025 zu Grunde gelegt werden.
20 Steuerbegünstigung für ausländische Baudenkmäler?
Aufwendungen an sowohl selbstgenutzten als auch vermieteten Baudenkmälern werden unter bestimmten Bedingungen steuerlich gefördert. Ob dies auch für Aufwendungen einer im Inland steuerpflichtigen Person an einer im Ausland belegenen Immobilie gilt, ist nicht abschließend geklärt. Der BFH hat jedenfalls mit Urteil vom 26.4.2023 (Az. X R 4/21) klargestellt, dass die Steuerbegünstigung für Baumaßnahmen an einem im EU-Ausland belegenen, aber auch zum kulturgeschichtlichen Erbe Deutschlands gehörenden Baudenkmal ausgeschlossen ist, wenn die Baumaßnahmen nicht vorher mit der für den Denkmalschutz zuständigen ausländischen Behörde abgestimmt worden sind.
Dies vor dem Hintergrund, dass gesetzlich zwingend ist, dass die Baumaßnahme entsprechend der gesetzlichen Regelungen vor Beginn mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgestimmt bzw. von dieser genehmigt werden muss.
Hinweis:
In solchen Fällen ist also mindestens die Genehmigung der jeweiligen Denkmalschutzbehörde einzuholen. Ob dann eine Begünstigung von Objekten im Ausland erfolgen kann, muss noch abschließend geklärt werden.
21 Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilentgeltlicher Übertragung von GmbH-
Anteilen
Schon seit vielen Jahren regelt die Vorschrift des § 17 EStG, dass auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Grund- oder Stammkapital qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt.
Im Streitfall war die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG aus einer teilentgeltlichen Übertragung von GmbH-Anteilen umstritten. Das FA teilte die Übertragung nach dem Verhältnis der erhaltenen Gegenleistung (30 000 €) zum Verkehrswert der Anteile (275 948 €) in ein voll entgeltliches und ein voll unentgeltliches Geschäft auf, wohingegen der Stpfl. die Zuordnung der Anschaffungskosten in voller Höhe zum entgeltlichen Teil der Übertragung begehrte. Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil v. 22.3.2023 (Az. 2 K 1617/19, nrkr.) die Klage zurückgewiesen und entschieden, dass
- bei teilentgeltlicher Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Aufteilung des Rechtsgeschäfts in eine voll entgeltliche Veräußerung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und eine voll unentgeltliche Übertragung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 5 EStG nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenen Anteile vorzunehmen ist (strenge Trennungstheorie),
- und die Anschaffungskosten der Anteile anteilig nach dem Verhältnis zwischen dem Entgelt und dem Verkehrswert der übertragenen Anteile beiden Geschäften zuzuordnen sind.
Das FG hat die darauf gerichtete Klage zurückgewiesen und folgenden Aspekt hervorgehoben:
Es sei bei der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften umstritten, ob die strenge Trennungstheorie oder aber die sog. modifizierte Trennungstheorie anzuwenden sei. Nach der modifizierten Trennungstheorie werde der Buchwert bis zur Höhe des Teilentgelts dem entgeltlichen Teil und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil zugeordnet.
Dies ist nach Auffassung des FG jedoch kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung zur teilentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 EStG abzuweichen. Denn gerade die strenge Trennungstheorie führe bei der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens zu sachgerechten Ergebnissen, da diese dem wirtschaftlich Gewollten – teils entgeltliche Veräußerung, teils schenkweise Übertragung – gerecht werde.
Hinweis:
Die weitere Rechtsentwicklung ist aufmerksam zu beobachten, da nun gegen diese Entscheidung die Revision beim BFH anhängig ist (Az. des BFH: IX R 15/23). In einschlägigen Praxisfällen sollte (weiterhin) der vollumfängliche Abzug der Anschaffungskosten begehrt werden, auch wenn gerade bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens gute Gründe für die Lösung des FG sprechen.
22 Verlustberücksichtigung bei Veräußerung eines GmbH-Anteils, der durch eine Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung neu geschaffen wurde
Mit seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 6.3.2023 (Az. 10 K 1285/20) hat das FG Baden-Württemberg zu einer Gestaltung, mit der das Ziel der Realisierung eines Veräußerungsverlusts durch die Veräußerung eines (im steuerlichen Betriebsvermögen) neu geschaffenen GmbH-Anteils verfolgt wurde, Stellung genommen.
Im konkreten Streitfall hatte eine GmbH & Co. KG geklagt. Deren geschäftsführende Komplementärin war die XX-Verwaltungs-GmbH, die für ihre Tätigkeit eine geringfügige Tätigkeitsvergütung erhielt. Alleiniger Gesellschafter dieser XX-Verwaltungs-GmbH war Herr A. Die Stpfl. ihrerseits hielt 100 % der Anteile an der XY-Verwaltungs-GmbH, die an einer Vielzahl von inländischen Tochtergesellschaften beteiligt war und deren Stammkapital sich zunächst auf 25 000 € belief.
Alleiniger Geschäftsführer der XY-Verwaltungs-GmbH war im Streitjahr ebenfalls Herr A, der dieser zunächst ein Darlehen gewährte. Dieses wurde im Rahmen einer nachfolgenden Kapitalerhöhung als Sacheinlage von Herrn A eingebracht, der im Gegenzug einen neuen Geschäftsanteil i.H.v. 1 000 € (d.h. 3,8 % des Stammkapitals) übernahm. Im Streitjahr veräußerte A diesen Geschäftsanteil an eine YZ-GmbH, an der seine beiden Söhne zu 99 % beteiligt waren. Diese Veräußerung führte im (Sonder-)Betriebsvermögen des A zu einem Verlust, der nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu erfassen sein sollte. Die FinVerw vertrat demgegenüber die Auffassung, dass in Höhe des den Verkehrswert der neuen Anteile übersteigenden Betrags eine freiwillige Zuzahlung in das Gesellschaftsvermögen und insoweit eine verdeckte Einlage des Gesellschafters vorlag. Das FG gab der Klage statt und betonte,
- dass das im Rahmen der Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld ausschließlich dem neu erworbenen Anteil an der XY-Verwaltungs-GmbH zuzuordnen und somit als Anschaffungskosten bei dem von der Stpfl. geltend gemachten Veräußerungsverlust zu berücksichtigen sei (ausschließliche Zuordnung zu den neuen Anteilen). Ein Aufgeld sei nur jenen Geschäftsanteilen als Anschaffungskosten zuzurechnen, für deren Erwerb es aufzubringen war.
- Bei einer Überpari-Emission handele es sich bei dem den Verkehrswert übersteigenden Teilbetrag nicht um eine verdeckte Einlage, weil das Aufgeld Bestandteil der Gegenleistung für die Verschaffung von Gesellschaftsrechten sei.
- Ein Gestaltungsmissbrauch habe nicht vorgelegen, da die von der Stpfl. gewählte rechtliche Gestaltung – Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung – nicht als unangemessen anzusehen sei, weil sie der Ausstattung der Stpfl. mit Finanzmitteln gedient habe. Für den Alleingesellschafter einer GmbH mache es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob er die Finanzmittel in Form eines Darlehens in die Gesellschaft gibt oder aber diese als Aufgeld im Zuge einer Kapitalerhöhung (oder aber als freiwillige Zahlung) in die Kapitalrücklagen einzahlt.
Hinweis:
Im Hinblick auf die beim BFH anhängige Revision ist die weitere Rechtsentwicklung aufmerksam zu beobachten; etwaige einschlägige Sachverhalte sollten offen gehalten werden.
23 GmbH-Beteiligungen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft sind für die Bestimmung des Veräußerungstatbestands nach § 17 EStG den Gesellschaftern der Personengesellschaft anteilig zuzurechnen
Mit seinem Beschluss vom 7.6.2023 (Az. XI B 83/22) hat der BFH in einem Verfahren um die Nichtzulassung der Revision seine bisherige Rechtsprechung zu mittelbaren GmbH-Beteiligungen bestätigt und ausgeführt, dass es geklärt ist, dass GmbH-Beteiligungen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft den Gesellschaftern der Personengesellschaft für die Bestimmung des Veräußerungstatbestands nach § 17 EStG anteilig zuzurechnen sind (sog. Bruchteilsbetrachtung).
Hinweis:
Wenn also Anteile an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, die Anteile an einer GmbH hält, veräußert werden, welche bei den Gesellschaftern in Bruchteilsbetrachtung zu einer Beteiligung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG rechnen, dann liegt hinsichtlich der (mittelbar) veräußerten GmbH-Anteile eine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG vor. Der BFH hat mit seinem Beschluss vom 7.6.2023 nochmals unterstrichen, dass aus der anzuwendenden Bruchteilsbetrachtung folgt, dass für die Klärung der Frage, ob die Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erreicht ist, nicht auf die Beteiligungsquote der vermögensverwaltenden Personengesellschaft, sondern im Durchgriff auf die anteilige Beteiligungshöhe der Gesellschafter abzustellen ist (Transparenzprinzip).
24 Begriff der vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Mit seinem Beschluss vom 30.5.2023 (Az. VIII B 15/22) hat der BFH in einem Verfahren um die Nichtzulassung der Revision seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der vGA bestätigt und festgestellt, dass eine vGA gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gerade nicht voraussetzt, dass der dem Anteilseigner gewährte Vermögensvorteil der Minderung des Unterschiedsbetrags bei der Gesellschaft bei einer vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entspricht.
Für den konkreten Streitfall hat der BFH damit die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Stpfl. hatten argumentiert, es läge (in der Entscheidung des FG) eine Divergenz zur Entscheidung des I. Senats des BFH v. 22.2.1989 (Az. I R 44/85) vor. Nach der dort geäußerten Auffassung sei für den Bezug einer vGA auf Ebene des Anteilseigners gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erforderlich, dass der Vorteil bei der Gesellschaft zu einer korrespondierenden Gewinnminderung führe.
Tatsächlich hatte der BFH in dieser Entscheidung v. 22.2.1989 aber ausgeführt, dass der Ansatz einer vGA auf der Gesellschaftsebene eine Bereicherung des Gesellschafters oder den Zufluss eines Vermögensvorteils bei dem Gesellschafter nicht notwendigerweise voraussetze. Im Übrigen hatte der I. Senat des BFH schon mit seinem Urteil v. 1.2.1989 (Az. I R 73/85) die zuvor geforderte enge Wechselbeziehung zwischen Vorteil beim Gesellschafter und Nachteil bei der Kapitalgesellschaft gelöst. Seitdem geht der BFH davon aus, dass die vGA ausschließlich aus der Sicht der ausschüttenden Körperschaft zu definieren ist; es komme nur noch auf die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung an. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an den Gesellschafter hatte er daher vorübergehend nicht mehr erwähnt und erst mit Urteil v. 7.8.2002 (Az. I R 2/02) insoweit wieder in die Definition aufgenommen, als die Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft jedenfalls geeignet sein muss, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hervorzurufen. Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Korrespondenz sei nach der vom I. Senat zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entwickelten Definition der vGA davon auszugehen, dass unter einer vGA bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen ist, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt, in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht und eben geeignet ist, beim Gesellschafter einen Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG herbeizuführen.
Hinweis:
Mit der durch diesen Beschluss unterstrichenen Rechtslage ist i.Ü. auch die Konsequenz verbunden, dass ein gleichzeitig mit der vGA entstehender Ausgleichsanspruch diese nicht kompensiert (Saldierungsverbot) und Leistungen des Gesellschafters zum Ausgleich des durch den Geschäftsvorfall entstehenden Vermögensnachteils somit die vGA nicht mehr berühren (sie sind regelmäßig als verdeckte Einlagen zu qualifizieren).
25 VGA – Versorgungszahlung und Geschäftsführergehalt
Mit seinem Urteil vom 15.3.2023 (Az. I R 41/19) hat der BFH zur Problematik der an den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH gezahlten Altersversorgung unter dem Aspekt der vGA (in Bestätigung und Fortentwicklung der bisherigen Senatsrechtsprechung) festgestellt, dass
- es aus steuerrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn ein Versorgungsversprechen der Kapitalgesellschaft nicht von dem endgültigen Ausscheiden des Begünstigten aus dem Dienstverhältnis als Geschäftsführer, sondern allein von dem Erreichen der Altersgrenze abhängig gemacht wird. In diesem Fall würde, so der BFH, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter allerdings grundsätzlich verlangen, entweder das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung anzurechnen oder den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit – ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs – aufzuschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet hat;
- allerdings dann, wenn nach dem Eintritt des Versorgungsfalles neben der Versorgungsleistung bei voller Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer für diese Tätigkeit lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt wird, nach der Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs dann keine gesellschaftliche Veranlassung vorliegt, wenn die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet.
Im Streitfall war – verkürzt dargestellt – strittig, ob die an den beherrschenden Gesellschafter (K) einer GmbH gezahlte Altersversorgung bei Wiederaufnahme der Geschäftsführertätigkeit als vGA einkommenserhöhend zu berücksichtigen war. K erhielt ab September 2010 Versorgungszahlungen. Am 31.3.2011 wurde K dann aber erneut zum Geschäftsführer der GmbH bestellt und auch im Handelsregister eingetragen. Er erhielt ab 1.3.2011 ein monatliches Bruttogehalt von 1 000 €, wobei die Versorgungszahlungen unberührt bleiben sollten.
Die FinVerw würdigte die zusätzlich zum Geschäftsführergehalt angefallenen Versorgungszahlungen als vGA, das FG Münster hingegen gab der Klage mit der Feststellung statt, eine vGA liege nicht vor – insbesondere halte die gleichzeitige Zahlung von Gehalt und Versorgung einem Fremdvergleich stand. Zudem sei im Streitfall die Neueinstellung allein im Interesse der Stpfl. erfolgt und das neue Geschäftsführergehalt auch nur als Anerkennungsbetrag und nicht etwa als vollwertiges Gehalt anzusehen.
Der BFH hat dieses Ergebnis bestätigt und in seiner Begründung folgende Aspekte hervorgehoben:
- Im Fall der Weiterbeschäftigung würden sich wechselseitig uneingeschränkte Zahlungen von Versorgung und laufendem Gehalt aus der hierfür maßgeblichen Sicht des Leistenden grundsätzlich ausschließen. Denn ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft würde verlangen, entweder das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung anzurechnen oder den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit (ggf. unter Vereinbarung eines nach versicherungsmathematischen Maßstäben berechneten Barwertausgleichs) aufzuschieben, bis der Begünstigte endgültig seine Geschäftsführerfunktion beendet habe.
- Wenn nun jedoch – wie im Streitfall – lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt werde, seien im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs weitere Überlegungen erforderlich.
- Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde zwar nicht gleichzeitig sowohl die volle Versorgung als auch ein volles Gehalt für die Tätigkeit (Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer) zahlen. Er würde aber auch nicht erwarten, dass ein „pensionierter” Geschäftsführer „umsonst” weiterarbeitet. Vielmehr würde er grundsätzlich bereit sein, neben der Versorgung, die (nur) für die angemessene Versorgung im Ruhestand gezahlt wird, für die (zusätzlichen) Dienste auf Grund der fortgeführten oder wieder aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer ein Gehalt bis zur Höhe der Differenz zwischen der Versorgung und den letzten Aktivbezügen zu zahlen. Unter diesen Voraussetzungen bliebe der Versorgungscharakter der Versorgungszahlungen grundsätzlich erhalten.
- Im Übrigen könne eine vGA auch nicht allein damit begründet werden, dass der Geschäftsführer nur ein unüblich niedriges (zusätzliches) Gehalt erhalten habe. Denn der Gesellschafter habe durchaus die Möglichkeit, gegenüber der Kapitalgesellschaft Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassungen unter Marktwert zu erbringen.
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung klar bestätigt und weitergehend aufgezeigt, dass ein reduziertes Gehalt dazu führen kann, dass die Annahme einer vGA bei Weiterbeschäftigung vermieden werden kann.
In der Praxis ist allerdings u.a. darauf zu achten, dass mit der Reduzierung des Gehalts nicht auch eine Reduzierung der Arbeitszeiten bzw. Aufgabenbereiche einhergeht. Sind die Arbeitszeiten bzw. Aufgabenbereiche also nicht reduziert, dann steht nach Auffassung des BFH die Differenz zwischen der Versorgung und den letzten Aktivbezügen für die Zahlung eines Gehalts ohne vGA-Folgen zur Verfügung.
26 Besteuerung der Auflösung von US-amerikanischen Trusts
In der steuerlichen Beratungspraxis treten inzwischen nicht selten Gestaltungen auf, bei denen ausländische Gesellschaften beteiligt sind. Dann stellt sich regelmäßig die Frage, wie diese ausländischen Gesellschaften aus deutscher Sicht ertragsteuerrechtlich zu beurteilen sind, ob sie z.B. wie eine GmbH behandelt werden können bzw. müssen.
Vor diesem Hintergrund ist das rechtskräftige Urteil des FG Münster vom 23.3.2023 (Az. 1 K 2478/21 E) zur Besteuerung der Auflösung von US-amerikanischen Trusts zu sehen, mit dem das FG in Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH entschieden hat, dass Auszahlungen US-amerikanischer Trusts nach deren Auflösung an inländische Begünstigte zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen. Im konkreten Streitfall hatte eine Stpfl. geklagt, die – verkürzt dargestellt – im Streitjahr 2016 Einnahmen aus der Auflösung von zwei Trusts erzielte, die von ihrem Vater und ihrem Großvater gegründet worden waren. Beide Trusts hatten eine Laufzeit bis zum Tod des Vaters; keiner der beiden Gründer hatte das Recht, die Trusts zu ändern, zu ergänzen, zu widerrufen oder zu beenden. Während der Laufzeit der Trusts standen dem Vater deren Nettoerträge zu, nach dessen Tod wurde das Vermögen unter allen seinen sechs Kindern gleichmäßig verteilt.
Das FA erfasste die entsprechenden Beträge einkommensteuerlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG und unterwarf sie dem besonderen Steuersatz von 25 %. Auch das FG Münster bestätigte – verkürzt dargestellt – diese Auffassung, weil die beiden Trusts i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG mit inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen vergleichbar seien (sog. Typenvergleich). Nach diesem Typenvergleich müssen ausländische Gebilde ungeachtet einer ggf. nach ausländischem Recht bestehenden Rechtspersönlichkeit einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt (z.B. einer GmbH) entsprechen. Dabei komme es auf die konkrete Ausgestaltung im jeweiligen Einzelfall an, insbesondere auf die Aspekte einer beschränkten Haftung, der Übertragbarkeit der Anteile, der Gewinnverteilung und einer zentralisierten Geschäftsführung und Vertretung.
Hinweis:
Diese Entscheidung unterstreicht die Tatsache, dass eben auch ausländische Rechtsgebilde im Inland wie GmbH zu besteuern sein können (wie i.Ü. auch etwaige Anteilseigner zu erfassen sein können) – wobei es tatsächlich auf die Ausgestaltung des jeweiligen Einzelfalls ankommt. So werden z.B. von den Regelungen des § 17 EStG (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften) auch Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften als „ähnliche Beteiligungen” erfasst, wenn sie nach dem sog. Typenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechen. Nach Auffassung der Rechtsprechung bzw. der FinVerw sind z.B. als ähnliche Beteiligungen zu nennen die britische Limited, die chinesische Limited Liability Company, die niederländische B.V. (alle der GmbH entsprechend); US-amerikanische Inc. (Incorporated) bzw. Corp. (Corporation). Letztere entsprechen i.Ü. eher der deutschen AG.
27 Entwurf eines Wachstumschancengesetzes vorgelegt
Mit Stand vom 14.7.2023 hat das BMF den Entwurf eines Wachstumschancengesetzes veröffentlicht. Vorgesehen ist eine Vielzahl an entlastenden, teilweise aber auch belastenden Maßnahmen. Im Fokus steht vor dem Hintergrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung die Verbesserung der Wettbewerbssituation von Unternehmen. Investitionen sollen erleichtert und die Liquiditätssituation soll verbessert werden. Daneben werden auch Maßnahmen ergriffen, um das Steuersystem zu vereinfachen und durch Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen v.a. kleine Betriebe von Bürokratie zu entlasten.
Handlungsempfehlung:
Auch wenn sich das Gesetzgebungsverfahren aktuell noch in einem frühen Stadium befindet und sich daher im weiteren Verlauf noch Änderungen ergeben können, stellen wir an dieser Stelle schon die Kernpunkte vor, denn in vielen Fällen sind diese geplanten Vorhaben bei aktuell anstehenden Dispositionen bereits jetzt zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung der Änderungen muss der weitere Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens beobachtet werden.
28 Klimaschutz-Investitionsprämie
Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter soll nun umgesetzt werden. Dies ist sachlich allerdings begrenzt auf Investitionen in den Klimaschutz. Auch erfolgt die Umsetzung nicht wie angekündigt als „Superabschreibung”, sondern als Investitionsprämie, was für Stpfl. noch attraktiver ist, da die Ausgestaltung nun gewinnunabhängig erfolgen soll, also auch Unternehmen mit geringen Gewinnen oder gar Verlusten davon profitieren können.
Im Kern ist folgende Regelung vorgesehen:
- Anspruchsberechtigt sind natürliche Personen oder Personengesellschaften, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit erzielen und auch Kapitalgesellschaften. Im Übrigen gibt es keine Einschränkungen z.B. hinsichtlich Größe des Unternehmens oder Branche.
- Die begünstigten Klimaschutzinvestitionen sind aus Gründen des europäischen Beihilferechts an Art. 38 „Investitionsbeihilfen für andere Energieeffizienzmaßnahmen als in Gebäuden” der AGVO (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) ausgerichtet. Insoweit bedarf es dann keiner Einzelprüfung nach dem europäischen Beihilferecht. Im Einzelnen ist vorgesehen:
- Begünstigt sollen sein die Anschaffung/Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens insbesondere zur Umsetzung eines „Einsparkonzepts”, welches die wesentlichen Anforderungen an ein Energieaudit nach DIN EN 16247-1 erfüllt und von einem qualifizierten Energieberater/Energiemanager erstellt wurde („Energieeffizienz-Investitionen”). Nicht begünstigt sind damit insbesondere Investitionen in ein Gebäude, in immaterielle Wirtschaftsgüter oder auch in Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.
- Art. 38 Abs. 2 AGVO sieht jedoch auch vor, dass Investitionen, die lediglich die geltenden Unionsnormen erfüllen, nicht gefördert werden dürfen. Zur Einhaltung der beihilferechtlichen Vorgaben müssen daher die Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zusätzlich die Unternehmen in die Lage versetzen, die bestehenden Unionsnormen zu übertreffen oder angenommene, aber noch nicht in Kraft getretene Unionsnormen zu erfüllen, sofern die Investition spätestens 18 Monate vor Inkrafttreten der Norm durchgeführt und abgeschlossen wird.
- Ausdrücklich nicht begünstigt sind Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplung, für Fernwärme und/oder Fernkälte und für Energieanlagen, die mit fossilen Brennstoffen, einschließlich Erdgas, betrieben werden.
- Die begünstigten Wirtschaftsgüter müssen im Jahr der Anschaffung und im darauffolgenden Wirtschaftsjahr vom anspruchsberechtigten Unternehmen fast ausschließlich betrieblich genutzt werden. Damit sind Nutzungsüberlassungen von begünstigten Wirtschaftsgütern innerhalb der ersten zwei Jahre nicht zulässig.
- Eine Förderung erfolgt nur dann, wenn die Anschaffungs-/Herstellungskosten je Wirtschaftsgut mindestens 10 000 € betragen.
- Der Förderzeitraum beginnt mit Inkrafttreten des Gesetzes und endet am 31.12.2027.
- Die Förderung beträgt 15 % der förderfähigen Anschaffungs-/Herstellungskosten. Förderfähig sind im Begünstigungszeitraum maximal Anschaffungs-/Herstellungskosten i.H.v. 200 Mio. €. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. s AGVO darf einem Unternehmen (i.S.d. Beihilferechts) je Investitionsvorhaben maximal 30 Mio. € an Beihilfe für den Umweltschutz gewährt werden. Auf Grund dieser Vorgabe muss sichergestellt werden, dass für ein Investitionsvorhaben die Investitionsprämie einschließlich weiterer für das Vorhaben gewährter Beihilfen diesen Maximalbetrag nicht übersteigt.
- Die Investitionsprämie wird auf Antrag des Stpfl. gewährt. Der Antrag ist unabhängig von der Steuererklärung zu stellen. Die Antragstellung wird somit nicht an einen steuerlichen Veranlagungszeitraum gebunden, so dass der Antragsteller den Zeitpunkt der Antragstellung selbst bestimmen kann. Dies bietet den Anspruchsberechtigten die Möglichkeit, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang nach der Durchführung begünstigter Investitionen die Investitionsprämie zu beantragen. Die beantragte Bemessungsgrundlage muss allerdings mindestens 50 000 € betragen.
- Ertragsteuerlich gehört die Investitionsprämie nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften, mindert aber das AfA-Volumen der begünstigten Wirtschaftsgüter.
- Diese Investitionsprämie stellt eine Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUV dar, bedarf aber nicht der Freigabe (Notifizierung) durch die EU.
Hinweis:
Diese Investitionsprämie dürfte im Ergebnis dann zur Anwendung kommen, wenn z.B. ein Produktionsbetrieb bestimmte Anlagen auf neue Energieformen umstellt oder insgesamt energieeffizienter gestaltet. Die Hürden sind allerdings für kleinere und mittlere Betriebe sehr hoch. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetzgeber insoweit noch Änderungen vornimmt, die eine Nutzung in der Breite ermöglichen. Aktuell ist jedenfalls überlegenswert, Investitionen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes aufzuschieben.
29 Verbesserung der Abschreibungsbedingungen
Verbesserungen sind bei den Abschreibungsbedingungen vorgesehen, und zwar jeweils für Anschaffungen/Herstellungen nach dem 31.12.2023:
aktuelle Regelung | geplante Regelung | |
Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter | selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten (netto) bis 800 € | selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten (netto) bis 1 000 € |
Sammelposten | selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten (netto) von 250 € bis 1 000 € und pauschale Auflösung des Sammelpostens über fünf Jahre | selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten (netto) von 250 € bis 5 000 € und pauschale Auflösung des Sammelpostens über drei Jahre |
Sonderabschreibung für kleinere Unternehmen (im der Anschaffung des Wirtschaftsgutes vorangegangenen Jahr darf der Gewinn 200 000 € nicht übersteigen) | Sonderabschreibung im Jahr der Anschaffung und in den vier folgenden Jahren von bis zu 20 % neben der normalen AfA | Sonderabschreibung im Jahr der Anschaffung und in den vier folgenden Jahren von bis zu 50 % neben der normalen AfA |
Handlungsempfehlung:
Bleibt es bei dem aktuell vorgesehenen Inkrafttreten, so kann es erwägenswert sein, Investitionen, bei denen die Sonderabschreibung für kleinere Betriebe in Anspruch genommen werden kann, in das Jahr 2024 zu schieben. Insoweit gilt es, den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens zu beobachten.
30 Verbesserung der Möglichkeiten der Verlustverrechnung
Gerade bei betrieblichen Tätigkeiten können in einzelnen Jahren Verluste entstehen. Diese können steuerlich im Jahr der Verlustentstehung zunächst mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen verrechnet werden. Darüber hinaus sieht das Einkommensteuergesetz einen Rücktrag von Verlusten in die beiden Vorjahre und einen Vortrag in Folgejahre vor, so dass in diesen Jahren eine Verrechnung der Verluste mit positiven Einkünften möglich ist. Eine ähnliche Regelung des Verlustrück- und Verlustvortrags existiert für Kapitalgesellschaften bei der Körperschaftsteuer. Bei der Gewerbesteuer ist dagegen ausschließlich ein Verlustvortrag in Folgejahre möglich.
Vorgesehen sind umfangreiche Verbesserungen bei der Verlustnutzung:
- Erstmals für Verluste des Jahres 2024 soll der Verlustrücktragszeitraum auf drei Jahre ausgedehnt werden. Das Rücktragsvolumen soll 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung – für die drei Rücktragsjahre zusammen – betragen.
- Erhebliche Erleichterungen sollen bei der Mindestbesteuerung greifen. Vorgesehen ist ein vollständiges Aussetzen der Mindestbesteuerung in den Jahren 2024 bis 2027, d.h. Verlustvorträge können in vollem Umfang genutzt werden. Aktuell können Verlustvorträge in Folgejahren nur bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. € (bzw. 2 Mio. € bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten) unbegrenzt mit positiven Einkünften verrechnet werden und der darüber hinausgehende Gesamtbetrag der Einkünfte nur zu 60 %, so dass die dann verbleibenden 40 % stets zu versteuern sind, auch wenn Verlustvorträge in entsprechender Höhe bestehen.
- Ab 2028 ist ein Sockelbetrag von 10 Mio. € (bei Zusammenveranlagung 20 Mio. €) – bei der GewSt ebenfalls von 10 Mio. € – vorgesehen und erst darüber hinaus soll die Mindestbesteuerung greifen.
Hinweis:
Insbesondere die vorgesehene befristete Aussetzung der Mindestbesteuerung würde ein Zeitfenster eröffnen, um bestehende Verlustvorträge umfassend nutzen zu können.
31 Weitere vorgesehene Änderungen im Einkommensteuergesetz
Der BFH hatte sich mit der Frage einer „doppelten Besteuerung” von Renten aus der Basisversorgung (insbesondere gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungswerke) auseinandergesetzt und Kriterien für die Feststellung einer möglichen „doppelten Besteuerung” von Altersvorsorgeaufwendungen und der aus diesen Aufwendungen resultierenden Rentenleistungen vorgegeben. Im Kern muss sichergestellt sein, dass aus versteuertem Einkommen geleistete Vorsorgebeiträge später nicht nochmals über die bezogenen Renten der Besteuerung unterliegen. Hierauf reagiert der Gesetzgeber nun mit ersten Schritten:
- Um für zukünftige Rentenjahrgänge das Risiko einer „doppelten Besteuerung” zu minimieren, wird mit einem geplanten langsameren Anstieg des Besteuerungsanteils um jährlich nur noch einen halben Prozentpunkt statt um einen ganzen Prozentpunkt ein weiterer wichtiger Schritt umgesetzt. Entlastungen treten erstmals für den Rentnerjahrgang 2023 ein. Nach der bisherigen Regelung wären Leibrenten und andere Leistungen aus der Basisversorgung erstmals für Rentenjahrgänge ab 2040 vollständig als steuerpflichtige sonstige Einkünfte zu berücksichtigen, nach dem Referentenentwurf erst für Rentenjahrgänge ab 2058. Dies flankiert den bereits beschlossenen Entfall der prozentualen Begrenzung für Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs ab dem Jahr 2023.
- Entsprechende Änderungen erfolgen für Versorgungsbezüge.
- Allerdings ist dem Gesetzgeber bewusst, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen, um eine „doppelte Besteuerung” auszuschließen. Insbesondere werden Bestandsrentenfälle insoweit nicht erfasst. Insoweit sollen kurzfristig in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren Änderungen erfolgen.
Weiterhin ist auf folgende vorgesehene Änderungen hinzuweisen:
- Im Dezember 2022 erhielten insbesondere Bezieher von Erdgas eine einmalige Hilfe durch Wegfall der Abschlagszahlung in diesem Monat. Diese Hilfe ist zu versteuern. Auf die Besteuerung der Dezemberhilfe wird nun angesichts der Vollzugsaufwände der FinVerw und der zu erwartenden Steuermehreinnahmen verzichtet.
- Auf die Versteuerung von Vermietungseinkünften soll (auf Antrag) verzichtet werden können, wenn die Einnahmen im jeweiligen Jahr weniger als 1 000 € (Steuerfreigrenze) betragen. Damit soll in kleineren Fällen für den Stpfl. der Aufwand aus der Erklärung der Einkünfte und für die FinVerw deren Kontrolle und Erfassung entfallen. Die Anwendung dieser Steuerfreigrenze soll erstmals in 2024 möglich sein. Sofern die Ausgaben die mit ihnen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Einnahmen übersteigen, können die Einnahmen auf Antrag als steuerpflichtig behandelt werden und damit der Verlust steuerlich geltend gemacht werden. Dies erfolgt dann durch Erklärung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Einkommensteuererklärung.
- Die Grenze für bei der steuerlichen Gewinnermittlung abzugsfähige Geschenke an Geschäftsfreunde soll von derzeit 35 € je Jahr und Empfänger ab 2024 auf 50 € angehoben werden.
- Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen ab dem 1.1.2024 von 110 € auf 150 €.
- Die steuerlichen Verpflegungspauschalen sollen ab 2024 angehoben werden, und zwar:
Abwesenheit von der Wohnung und erster Tätigkeitsstätte/Betriebsstätte | Verpflegungspauschale | |
aktuell | vorgesehen ab 2024 | |
Abwesenheit am vollen Kalendertag | 28 € | 30 € |
An- und Abreisetag | 14 € | 15 € |
Abwesenheit mehr als acht Stunden | 14 € | 15 € |
32 Geplante Änderungen bei der Umsatzsteuer
Zunächst sind im Umsatzsteuerrecht einige punktuelle Änderungen geplant, die in etlichen Fällen aber zu deutlichen Erleichterungen führen werden:
- Die Grenze für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung, also der Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten, soll ab 2024 von derzeit 600 000 € Gesamtumsatz im Jahr auf 800 000 € angehoben werden.
- Bereits ab dem Jahr 2023 soll der Schwellenwert zur Befreiung von der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von derzeit 1 000 € auf 2 000 € angehoben werden.
- Bei Anwendung der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung soll bereits ab dem Jahr 2023 auf die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung verzichtet werden. Nach derzeitigem Gesetzesstand weisen Kleinunternehmer zwar in Rechnungen keine Umsatzsteuer aus und müssen solche daher auch nicht an das Finanzamt abführen (und haben dementsprechend auch keinen Vorsteuerabzug), sind aber dennoch verpflichtet, nach Ablauf des Jahres eine Umsatzsteuererklärung abzugeben.
- Es soll klargestellt werden, dass Leistungen von Zweckbetrieben gemeinnütziger Organisationen stets dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen. Der BFH hatte insoweit entschieden, dass die gesetzliche Wettbewerbsklausel auch auf Zweckbetriebe anzuwenden sei, was die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes regelmäßig ausschließen würde. Dies ist nicht i.S.d. Gesetzgebers und die FinVerw wendet diese Rechtsprechung nicht an. Nun soll also eine gesetzliche Klarstellung zu Gunsten der gemeinnützigen Organisationen erfolgen.
- Im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung werden der Durchschnittssatz und die Vorsteuerpauschale für Landwirte ab 1.1.2024 auf 8,4 % angepasst (aktuell: 9,0 %).
Zentral ist die ab dem 1.1.2025 vorgesehene Einführung einer gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen zwischen inländischen Unternehmen. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass zur Bekämpfung des länderübergreifenden innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrugs die EU-Kommission im Dezember 2022 unter dem Namen VAT in the Digital Age (ViDA) einen Gesetzesvorschlag vorgestellt hat. Dieser sieht unter anderem vor, die E-Rechnung für den Rechnungsaustausch im B2B-Geschäft in der EU vorzuschreiben. Auch die Bundesregierung arbeitet an einem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des inländischen Umsatzsteuerbetrugs. Ein angestrebtes Element ist die Einführung eines elektronischen Meldesystems, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet werden soll.
In einem ersten Schritt soll nun ab 1.1.2025 die grundsätzliche Verpflichtung eingeführt werden, eRechnungen zu verwenden. Dies betrifft allerdings nur im Inland ansässige Unternehmer für ihre steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze, wenn diese Umsätze an andere im Inland ansässige Unternehmer für deren Unternehmen erbracht werden. Umsätze an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten und an Endverbraucher sind von dieser Verpflichtung nicht betroffen. Ausgenommen von der Pflicht zur Erstellung einer eRechnung sind Kleinbetragsrechnungen und Fahrscheine. Die eRechnung muss nach einem vorgegebenen technischen Standard erstellt werden. Auch ist eine Übergangsphase vorgesehen:
- Grundsatz: Einführung der verpflichtenden eRechnung ab 1.1.2025.
- 1.1.2025 bis 31.12.2025: Wahlweise kann noch eine Papierrechnung erstellt werden.
- 1.1.2026 bis 31.12.2017: Mit Zustimmung des Empfängers kann statt einer eRechnung auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden, wenn diese mittels des elektronischen Datenaustausches (EDI-Verfahren) übermittelt wird.
Hinweis:
Unternehmer sollten sich auf diese Änderungen rechtzeitig einstellen. Notwendig wird es sein, die eigenen Prozesse für Versand und Empfang der eRechnungen zu öffnen. Dies wird einigen Umstellungsaufwand erfordern, kann dann aber auch zu erheblichen Effizienzgewinnen führen.
33 Verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen für Personengesellschaften
Substanzielle Verbesserungen sind für die begünstigte Besteuerung nicht entnommener Gewinne von Personenunternehmen (natürliche Personen und Personengesellschaften) vorgesehen. Nach dieser Sonderregelung zum Einkommensteuertarif können nicht entnommene Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit sowohl bei einem Einzelunternehmer als auch bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft auf Antrag mit einem begünstigten Steuersatz besteuert werden und eine Nachbelastung erfolgt dann erst später, wenn diese Gewinne tatsächlich entnommen werden. Insoweit werden Belastungsnachteile zu vergleichbaren Kapitalgesellschaften abgemildert. In der derzeitigen Ausgestaltung ist allerdings die Bemessungsgrundlage für den ermäßigten Einkommensteuersatz systematisch falsch definiert und es existieren sehr restriktive Regeln für spätere Entnahmen und damit einer Nachversteuerung. Dies führt im Ergebnis dazu, dass diese Regelung keine wesentliche Verbreitung findet.
Auf diese Missstände reagiert nun der Gesetzgeber. Vorgesehen ist, dass als nicht entnommener Gewinn der nach Bilanzierungsgrundsätzen ermittelte Gewinn vermindert um den positiven Saldo der Entnahmen und Einlagen vermehrt um die Gewerbesteuer des Wirtschaftsjahres begünstigt wird. Entnahmen für die Zahlung der Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlages auf den begünstigten Gewinn bleiben außer Ansatz. Im Gegensatz zum bisherigen Recht mindern die Gewerbesteuer und Entnahmen für die Einkommensteuer den begünstigungsfähigen Gewinn somit nicht mehr. Der Steuersatz für den auf Antrag begünstigten Gewinn soll weiterhin bei 28,25 % liegen. Damit wird eine den Kapitalgesellschaften vergleichbare Belastung gewährleistet und das Ziel dieser Vorschrift erreicht. Weiterhin sollen die nicht entnommenen Gewinne als „nachversteuerungsfreies Entnahmevolumen” festgehalten werden und spätere Entnahmen, die über den Gewinnanteil hinausgehen, zunächst mit diesem Bestand verrechnet werden, was dann keine Nachversteuerung auslöst. Mithin soll zukünftig eine zu Gunsten der Unternehmer wirkende Verwendungsreihenfolge gelten, nach der steuerfreie Gewinne und Altrücklagen vor nachversteuerungspflichtigen Gewinnen als verwendet gelten. Anwendung soll diese Neuregelung allerdings erst ab 2025 finden.
Ebenso sind punktuelle Verbesserungen der Option zur Körperschaftsbesteuerung vorgesehen. Diese Regelung erlaubt es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften, auf Antrag für eine Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu optieren, ohne dass ein tatsächlicher Rechtsformwechsel in die Kapitalgesellschaft erfolgen muss. Dies ist insbesondere bei ertragsstarken Personengesellschaften, die den Gewinn überwiegend im Unternehmen belassen, und auch in vielen Fällen bei Grundstücksgesellschaften von Vorteil. Vorgesehen ist nun:
- Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf alle Personengesellschaften
- Im Fall einer Neugründung kann die Option zur Körperschaftsbesteuerung nach der vorgesehenen Neuregelung bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags ausgeübt werden, so dass neugegründete Personengesellschaften unmittelbar als optierende Gesellschaften der Besteuerung unterliegen können.
- Im Falle eines Formwechsels einer Körperschaft in eine Personengesellschaft soll der Antrag auf Anwendung der Körperschaftsbesteuerung bis zum Ablauf eines Monats nach Anmeldung des Formwechsels beim zuständigen Register von der Körperschaft oder der Personengesellschaft mit Wirkung für das bereits laufende Wirtschaftsjahr gestellt werden können. Dies wird dann einen steuerlich homogenen Formwechsel von einer Körperschaft in eine optierende Personengesellschaft ermöglichen, also einen tatsächlichen Formwechsel ohne steuerliche Folgen.
- Die Definition der fiktiven Gewinnausschüttung wird enger gefasst. Als solche wird nur noch eine tatsächliche Entnahme (z.B. durch Verbuchung auf einem Fremdkapitalkonto, tatsächliche Auszahlung an den Gesellschafter) oder eine Verrechnung mit einer Forderung gegen den Gesellschafter eingestuft.
Handlungsempfehlung:
Diese Änderungen geben Anlass, die steuerliche Struktur von Unternehmen zu überprüfen und ggf. von den Möglichkeiten der ermäßigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne oder von der Wahl der Körperschaftsbesteuerung Gebrauch zu machen. Diese Fragen bedürfen stets der Einholung steuerlichen Rats.
34 Vorgesehene Änderungen zum Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwendungen
Bereits aktuell existiert eine sog. Zinsschranke, nach der der Betriebsausgabenabzug betrieblich veranlasster Zinsen eingeschränkt sein kann. Aktuell greift diese Regelung vielfach nicht, da das Gesetz eine hohe Freigrenze vorsieht. Danach ist diese Regelung generell dann nicht anzuwenden, wenn der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. € beträgt. Vorgesehen sind nun aber ab 2024 deutliche Verschärfungen dieser Regelung. So soll die Freigrenze von 3 Mio. € in einen Freibetrag geändert werden, verbunden mit Regelungen gegen die Atomisierung zur mehrfachen Ausschöpfung der 3 Mio. €-Grenze in Unternehmensgruppen. So sollen gleichartige Betriebe, die unter der einheitlichen Leitung einer Person oder Personengruppe stehen oder auf deren Leitung jeweils dieselbe Person oder Personengruppe unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, für Zwecke des Freibetrags i.H.v. 3 Mio. € als ein Betrieb gelten. Der Freibetrag ist damit auf diese Betriebe entsprechend dem Verhältnis der Nettozinsaufwendungen aufzuteilen. Auch soll die Eigenkapital-Escape im Konzern entfallen und der bisherige Zinsbegriff soll Erweiterungen erfahren durch Einbeziehung von Auf- und Abzinsung. Vorgesehen ist dagegen eine neue Ausnahme für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten.
Hinweis:
Im Ergebnis dürfte die Einschränkung des Abzugs von Zinsen als Betriebsausgaben auch bei mittelständischen Betrieben eine höhere Bedeutung erlangen. Dies betrifft insbesondere Betriebe mit einer hohen Fremdfinanzierung. Gegebenenfalls ist der steuerliche Abzug von Zinsaufwendungen – soweit diese die Zinserträge übersteigen – nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (= 30 % des steuerlichen EBITDA) abzugsfähig. Dies ist insbesondere in ertragsschwachen Jahren problematisch.
Umgesetzt werden soll die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte „Zinshöhenschranke”. Vorgesehen ist, dass der steuerliche Ansatz von Zinsaufwendungen an nahestehende Personen begrenzt wird. Ansetzbar ist maximal ein Zinssatz von 2 % über dem Basiszins nach § 247 BGB (aktuell 3,12 %). Diese Regelung greift nicht, wenn der Gläubiger in dem Staat, in dem er seinen Sitz oder seine Geschäftsleitung hat, einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Ebenso ist der Nachweis der Fremdüblichkeit eines höheren Zinssatzes möglich. Aktuell ist noch offen, ob dies nur für grenzüberschreitende Fälle gelten wird oder auch für rein nationale Fälle. Greifen soll diese Regelung ab 2024.
Hinweis:
Diese Einschränkungen des steuerlichen Zinsabzugs greifen bei vielen Unternehmen nicht. Wenn diese Regelungen aber greifen, kann dies materiell bedeutsam sein, so dass die Konsequenzen und mögliche Folgen für die Gestaltung von Finanzierungen zu prüfen sind.